Der Erste Weltkrieg: Zusammenbruch des Kapitalismus

Dies ist ein Vortrag von Nick Beams, dem nationalen Sekretär der Socialist Equality Party in Australien und Mitglied der WSWS-Redaktion zum Thema "Der Erste Weltkrieg: Zusammenbruch des Kapitalismus". Beams hielt seinen Vortrag im Rahmen der Sommerschule der Socialist Equality Party/WSWS, die vom 14. bis 20. August 2005 in Ann Arbor, Michigan stattfand.

Trotzkis Der Krieg und die Internationale

In seinem Buch Der Krieg und die Internationale, das erstmals im November 1914 als Artikelserie in der Zeitschrift Golos veröffentlicht wurde, lieferte Leo Trotzki eine herausragende und überaus weitsichtige Analyse des drei Monate zuvor ausgebrochenen Krieges. Wie alle marxistischen Führer jener Zeit, insbesondere Lenin und Rosa Luxemburg, befasste er sich dabei mit zwei zusammenhängenden Fragen: 1) Dem Ursprung des Krieges und seiner Beziehung zur historischen Entwicklung des Kapitalismus und 2) der Entwicklung einer Strategie für die internationale Arbeiterklasse angesichts des Verrats der Führer der Zweiten Internationale - vor allem derjenigen der deutschen Sozialdemokratie - die unter Missachtung ihrer eigenen Parteikongresse auf der Grundlage der nationalen Verteidigung ihre "eigenen" herrschenden Klassen unterstützten.

Die dringendste theoretische Aufgabe, von der alle strategischen und taktischen Erwägungen abhingen, bestand für Trotzki darin, den Kriegsausbruch in den Kontext der historischen Entwicklung der kapitalistischen Weltwirtschaft zu stellen.

Marx hatte erklärt, dass eine Zeit sozialer Revolutionen komme, wenn die "materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen" gerieten. An einem solchen Punkt schlagen diese Verhältnisse "aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte [...] in Fesseln derselben um".

Hierin lag die Bedeutung des Krieges. Er verkündete die Tatsache, dass das gesamte System des Nationalstaats, das während der vergangenen vier Jahrzehnte für einen historisch ungekannten wirtschaftlichen Aufschwung verantwortlich gewesen war - ein wahres Sprungbrett für die Produktivkräfte, wie Trotzki es einmal ausgedrückt hatte - nun zu einer Fessel für ihre weitere rationale Entwicklung geworden war. Die Menschheit war in eine Epoche sozialer Revolution eingetreten.

"Der Kern des gegenwärtigen Krieges", so schreibt Trotzki zu Beginn seiner Analyse, "ist der Aufruhr der Produktivkräfte, die der Kapitalismus erzeugte, gegen ihre national-staatliche Ausbeutungsform. Der ganze Erdball, das Festland wie das Meer, die Oberfläche wie die Tiefe, sind bereits zur Arena einer weltumfassenden Wirtschaft geworden, deren einzelne Teile unlösbar miteinander verbunden sind." [1]

Trotzki maß diesem Prozess - der heute als Globalisierung bezeichnet wird - weitreichende Bedeutung bei. Wenn der Aufstieg der Menschheit auf eine einzige Messgröße reduziert werden kann, dann ist es sicherlich die Produktivität der Arbeit, deren Wachstum die materielle Basis für den Fortschritt der menschlichen Zivilisation bildet. Und steigende Produktivität der Arbeit ist untrennbar verbunden mit der Expansion der Produktivkräfte auf lokaler, regionaler und globaler Ebene. Die Entwicklung der Produktivkräfte im Weltmaßstab wurde während der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts mit hohem Tempo vorangetrieben, unter Schirmherrschaft der expandierenden kapitalistischen Mächte.

Doch dieser Prozess nahm einen zunehmend widersprüchlichen Charakter an, da er, wie Trotzki erklärte, "auch die kapitalistischen Staaten [veranlasste], diese Weltwirtschaft den Profitinteressen jeder einzelnen nationalen Bourgeoisie zu unterwerfen. Die Politik des Imperialismus ist vor allem ein Zeugnis dafür, dass der alte nationale Staat, der in den Revolutionen und Kriegen der Jahre 1789-1815, 1848-1859, 1864-1866 und 1870 geschaffen wurde, sich überlebt hat und nun als ein unerträgliches Hindernis für die Entwicklung der Produktivkräfte erscheint. Der Krieg von 1914 bedeutet vor allem die Zertrümmerung des nationalen Staates als eines selbständigen Wirtschaftsgebietes." [2]

Die Menschheit stand vor der Aufgabe, die weitere harmonische Entwicklung der Produktivkräfte zu gewährleisten, die dem nationalstaatlichen Rahmen gänzlich entwachsen war. Doch für die verschiedenen bürgerlichen Regierungen galt: "[N]icht auf der Grundlage einer vernünftig organisierten Zusammenarbeit der gesamten produzierenden Menschheit trachtet man diese Aufgabe des Imperialismus zu lösen, sondern auf der Grundlage der Ausbeutung der Weltwirtschaft durch die kapitalistische Klasse des siegreichen Landes, das durch diesen Krieg aus einer Großmacht zu einer Weltmacht werden soll." [3]

Der Krieg, so betonte Trotzki, bedeutete nicht nur den Zusammenbruch des Nationalstaates, sondern auch das Ende der fortschrittlichen historischen Rolle der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Das System privaten Eigentums und der daraus folgende Kampf um Märkte und Profite bedrohte die Zukunft der Zivilisation überhaupt.

"Die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft auf kapitalistischer Grundlage bedeutet einen unaufhörlichen Kampf der Weltmächte um neue und immer neue Gebiete der einen Erdoberfläche als eines Objekts kapitalistischer Ausbeutung. Im Zeichen des Militarismus lösen ökonomische Rivalität auf der einen Seite und Raub und Zerstörung auf der andern Seite einander in ständigem Wechsel ab, Mächte, die die elementaren Grundlagen menschlicher Wirtschaft auflösen. Die Weltproduktion empört sich nicht nur gegen das national-staatliche Chaos, sondern auch gegen die kapitalistische Wirtschaftsorganisation selbst, die zu dieser barbarischen Desorganisation geführt hat. Der Krieg von 1914 ist der größte Zusammenbruch eines an seinen eigenen Widersprüchen zugrunde gehenden ökonomischen Systems, den die Geschichte kennt." [4]

Der Begriff "Zusammenbruch" war nicht zufällig gewählt. Er bezog sich ganz direkt auf den Revisionismus Bernsteins. Dieser hatte darauf bestanden, die Marxsche Zusammenbruchstheorie sei durch die Entwicklung widerlegt, und damit versucht, dem marxistischen Programm sein revolutionäres Herzstück zu nehmen. Jetzt hatte die Geschichte ihr Urteil über die revisionistische Kontroverse gefällt: Die ökonomischen Tendenzen, die Bernstein zufolge die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise mildern und überwinden sollten, hatten in Wirklichkeit diese Widersprüche in neuer und schrecklicher Weise vertieft.

Die Analyse der objektiven historischen Bedeutung des Krieges hatte unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung einer Perspektive für die Arbeiterklasse. Es musste einen völligen Bruch mit der nationalistischen und allmählichen Politik der Zweiten Internationalen geben. Entgegen denen, die behaupteten, die erste Aufgabe der Arbeiterklasse sei die nationale Verteidigung und erst danach könne man den Kampf für den Sozialismus wieder aufnehmen, erklärte Trotzki, für die Arbeiterklasse könne es sich "nicht um die Verteidigung des überlebten nationalen ‚Vaterlandes’ handeln, das zum hauptsächlichsten Hemmnis für die ökonomische Entwicklung geworden ist."

Das zentrale Thema in Trotzkis gesamter Analyse lautete, dass das Aufkommen des Imperialismus und der Ausbruch des Krieges die Geburt einer neuen Epoche im Lauf der menschlichen Zivilisation bedeuteten.

"Der Imperialismus ist der von Raubgier geprägte kapitalistische Ausdruck für eine progressive Tendenz in der wirtschaftlichen Entwicklung: Er will die Wirtschaft im Weltmaßstab errichten, indem er sie von den einengenden Fesseln der Nation und des Staates befreit. Die nationale Idee pur, die dem Imperialismus entgegensteht, ist nicht nur kraftlos, sondern auch reaktionär : Sie schraubt die menschliche Wirtschaft zurück bis hin zu den Kinderschuhen in eine Zeit nationaler Einschränkungen." [5]

Die Entwicklung des Imperialismus und der Ausbruch des Krieges war der widersprüchliche Ausdruck der Tatsache, dass eine neue Gesellschaftsform heranwuchs und um ihre Geburt kämpfte. Folglich konnte es kein Zurück zum Status Quo der Vorkriegszeit geben - diese Epoche war nun Geschichte.

Die einzige Möglichkeit, die "imperialistische Verblüffung" des Kapitalismus zu überwinden war, "ihr ein praktisches Tagesprogramm für die sozialistische Organisierung der Weltwirtschaft entgegenzustellen. Krieg ist die Methode, mit der der Kapitalismus auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung die unlösbaren Widersprüche zu lösen sucht. Dieser Methode muss das Proletariat seine eigene entgegenstellen: Die der sozialen Revolution." [6]

Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass vom Beginn des Krieges an alle ideologischen und politischen Ressourcen der herrschenden Kapitalistenklasse auf ein Ziel gerichtet waren: Die marxistische Analyse zu widerlegen, der zufolge der Krieg den historischen Bankrott des kapitalistischen Systems bedeutete und es somit notwendig war, dieses System durch den internationalen Sozialismus zu ersetzen, um die rationale Entwicklung der Produktivkräfte der Menschheit voranzutreiben.

In der Hitze des Gefechts selbst versuchten bürgerliche Politiker aller Seiten, die Verantwortung für den Krieg ihren Gegnern zuzuschreiben: Für britische Politiker war er das Ergebnis der deutschen Aggression, die die Neutralität Belgiens verletzt hatte; für die herrschenden Klassen Deutschlands war es ein Kampf gegen die russische Barbarei und die Bestrebungen der anderen Mächte, dem Reich seinen berechtigten Platz in der Weltordnung zu verweigern; für die Bourgeoisie Frankreichs wurde der Krieg gegen deutsche Unterdrückung gefochten, ganz abgesehen von der Allianz mit dem Zaren. Am Ende versuchten sich die Sieger von aller Schuld an dem Schlagabtausch freizusprechen, indem sie die "Kriegsschuldklausel" in den Versailler Vertrag schrieben und alle Verantwortung Deutschland zuschoben.

Für den zum US-Präsidenten aufgestiegenen Historiker Woodrow Wilson lag die Verantwortung für den Krieg bei den politischen Methoden des 19. Jahrhunderts, die auf dem so genannten Mächtegleichgewicht, auf Geheimdiplomatie und Bündnissen beruhten. Wilsons Analyse war zumindest teilweise dadurch motiviert, dass er Folgendes verstand: Sollte der Kapitalismus den Schock des Krieges überleben, dann musste man eine neue Perspektive vertreten, in der für Frieden und Demokratie geworben wurde. Bezeichnend ist, dass Wilson während der Vorbereitung seiner berühmten "Vierzehn Punkte", auf denen Amerikas Pläne für den Aufbau einer Nachkriegordnung und die weltweite Sicherung der Demokratie basierten, Trotzkis Broschüre Der Krieg und die Internationale studierte.

In der Zeit nach dem Krieg versuchte Lloyd George, der britische Premierminister der Kriegsjahre, alle bürgerlichen Politiker von der Schuld an dem Gemetzel freizusprechen. Dieses habe sich fast unbeabsichtigt ergeben, als ein großes Durcheinander. Niemand in den "führenden Positionen", so erklärte er, sei im Juli 1914 "auf Krieg aus" gewesen. Es war, als seien sie in ihn "hereingerutscht, oder vielmehr getaumelt und gestolpert." In seinen Kriegserinnerungen wiederholte er dieses Argument: "Die Nationen schlitterten über den Rand dieses bluttriefenden Kriegeskessels, ohne dies auch nur im geringsten zu begreifen oder sich dagegen zu wehren." Niemand habe den Krieg eigentlich gewollt. [7]

Über neunzig Jahre danach ist die Frage nach den Ursprüngen des Ersten Weltkrieges noch immer von ungeminderter Bedeutung und Wichtigkeit. Der Grund hierfür ist nicht schwer auszumachen: Dieser Krieg war, wie der amerikanische Historiker und Außenpolitik-Experte George F. Kennan es nannte, " die große Urkatastrophe dieses Jahrhunderts." Das routinierte Töten in den Schützengräben, in denen eine Welle junger Männer - viele von ihnen fast noch Kinder - nach der anderen verging, leitete eine neue Epoche ein, eine Epoche der Barbarei und des millionenfachen Sterbens.

Was waren die Ursprünge dieser Katastrophe? Wurzelten sie in der kapitalistischen Produktionsweise selbst? Und wenn ja, wird damit nicht die Abschaffung des Kapitalismus zur Notwendigkeit? Diese Fragen haben nichts von ihrer Bedeutung verloren. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass, mit den Worten des herausragenden französischen Historikers Elie Halevy, die "Weltkrise von 1914-18 nicht nur ein Krieg - der Krieg von 1914 - war, sondern eine Revolution - die Revolution von 1917." Diese Revolution war nicht einfach ein Produkt des Krieges. Sie sollte der Ansicht ihrer Führer nach einen Weg vorwärts für die Entwicklung der Menschheit eröffnen, heraus aus der Barbarei, in die die kapitalistischen herrschenden Klassen sie gestürzt hatten.

Die Ursprünge des Krieges

Der Krieg von 1914 und die Revolution von 1917 waren die beiden großen Ereignisse, die die gegenwärtige geschichtliche Epoche eröffneten und sie in bedeutendem Ausmaß noch heute prägen. Obwohl sie den Marxismus nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schon neunundneunzig Mal für tot erklärt haben, sehen sich die Verteidiger der gegenwärtigen Ordnung eben darum gezwungen, dies bei ihrer Analyse des Ersten Weltkrieges zum Hundersten Male zu tun.

In seinem Buch über den Ersten Weltkrieg erinnert der britische Historiker Niall Ferguson an die Resolution des Stuttgarter Kongresses der Zweiten Internationale von 1907. "Kriege zwischen Staaten, die auf der kapitalistischen Wirtschaftsordnung beruhen", erklärte diese, "sind in der Regel Folgen ihres Konkurrenzkampfes auf dem Weltmarkt; denn jeder Staat ist bestrebt, seine Absatzgebiete nicht nur zu sichern, sondern auch neue zu erobern. [...] Kriege liegen also im Wesen des Kapitalismus; sie werden erst aufhören, wenn die kapitalistische Wirtschaftsordnung beseitigt ist [...]." [8]

Laut Ferguson widerlegten jedoch die Ereignisse selbst die Analyse des Marxismus. "Zum Missfallen der marxistischen Theoretiker", schreibt er, gebe es keinen stichhaltigen Beweis dafür, dass die Aussicht auf ökonomischen Nutzen "Geschäftsleute veranlassen konnte, einen großen europäischen Krieg zu wünschen ". Im Gegenteil: "In London war die überwiegende Mehrheit der Bankiers entsetzt über derartige Aussichten, und dies nicht zuletzt deshalb, weil der Krieg eine Bankrottdrohung für die meisten, wenn nicht alle wichtigen Wechselbanken bedeutete, die sich mit der Finanzierung des internationalen Handels beschäftigten." [9]

Nach einigen Zitaten von Geschäftsleuten und Bankiers, die sich gegen den Krieg ausgesprochen hatten, spielt Ferguson dann seine vermeintliche Trumpfkarte aus, um die Analyse der marxistischen Bewegung zu widerlegen. "Den Schwerindustriellen Hugo Stinnes", so erklärt er, " interessierte der Gedanke an einen Krieg so wenig, daß er im Jahre 1914 im britischen Doncaster die Union Mining Company in der Absicht gründete, deutsche Techniken im britischen Kohlebergbau anzuwenden . Die marxistische Interpretation der Ursachen des Krieges gehört gemeinsam mit den politischen Regimes, die sie am eifrigsten hegten und pflegten, auf den Schutthaufen der Geschichte. " [10]

Ferguson übernimmt die unbeholfene Methode, derer sich in der Vergangenheit so viele bedient haben. Sollte die Analyse des Marxismus gültig sein, so müssten wir seiner Ansicht nach zeigen können, dass die politischen Führer ihre Entscheidungen auf Grundlage einer Art Gewinn- und Verlustrechnung von Wirtschaftsinteressen trafen oder dass es eine geheime Verschwörung der Finanziers und Geschäftsleute gab, die im Hintergrund agierten und die Fäden der Regierungspolitik zogen. Ist keines von beiden zu finden, so nimmt er an, entzieht dies der marxistischen Argumentation jegliche Basis.

Zunächst muss man feststellen, dass Fergusons Wahl von Hugo Stinnes als Beispiel für die friedliebende Natur der deutschen Großindustrie ziemlich unglücklich getroffen ist. Nur wenige Monate nach den von Ferguson angeführten Unternehmungen, als der Krieg ausgebrochen war und seine anfänglichen Ergebnisse für einen schnellen deutschen Sieg zu sprechen schienen, war Stinnes führend in den Diskussionen deutscher Geschäfts- und Regierungskreise über die Pläne zur Aufteilung Frankreichs nach dem Krieg - besonders in Bezug auf die Abtrennung von Eisenerzvorkommen in der Normandie, an denen er ein beträchtliches finanzielles Interesse hatte.

Wie ein deutscher Historiker bemerkte: "So hatte die Schwerindustrie seit der Jahrhundertwende begonnen, sich im Zuge der vertikalen Konzentration von Bergbau und Stahlproduktion über die Grenzen des Deutschen Reiches nach Belgien und Nordfrankreich hinein auszudehnen. Nach und nach hatte sie in diesen Regionen eine beträchtliche Zahl von Mehrheitsbeteiligungen in Eisen- und Kohlebergwerken erworben. Wenn man sich den Umfang und die Intensität des Engagements der deutschen Schwerindustrie in Belgien und Nordfrankreich anschaut, so liegt der Schluss nahe, dass dies gleichsam die formelle territoriale Annexion dieser Gebiete, wie sie in den Kriegszielplänen des Ersten Weltkriegs auftauchte, antizipierte." [11]

Ferguson glaubt den Marxismus und seine Analyse, die den Krieg als unvermeidliches Resultat der kapitalistischen Produktionsweise - als Kampf um Märkte, Profite und Ressourcen - betrachtet, erledigt zu haben, wenn er beweisen kann, dass Geschäftsleute und Finanziers den Krieg nicht wünschten und dass er deren Interessen bedrohte.

Doch selbst, wenn man dies nachweisen könnte, würde es nichts beweisen. Der Marxismus behauptet nicht, dass sich die Kapitalistenklasse einfach subjektiv für Krieg entscheidet. Vielmehr entspringt dieser letztlich der objektiven Logik und den Widersprüche des kapitalistischen Profitsystems, die hinter dem Rücken von Geschäftsleuten und Politikern wirken. An einem gewissen Punkt bringen diese Widersprüche Bedingungen hervor, unter denen die politischen Führer keine andere Wahl mehr sehen, als zum Krieg zu schreiten, wenn sie die Interessen ihrer jeweiligen Staaten verteidigen wollen.

Schließt man sich Fergusons Logik an, dann könnte man genauso gut behaupten, die Fluktuationen des Wirtschaftskreislaufes und insbesondere die Rezessionen seien ebenfalls keine Resultate von Widersprüchen im kapitalistischen System. Schließlich will kein Geschäftsmann, Bankier oder kapitalistischer Politiker eine Rezession - sie schadet sowohl dem Geschäft, als auch der Politik - und sie strengen sich wirklich an, diese zu vermeiden. Doch Rezessionen und noch ernstere Einbrüche entwickeln sich nichtsdestotrotz. Manchmal werden sie gerade durch die Bemühungen von Geschäftsleuten und Politikern, sie zu verhindern, schlimmer gemacht, als sie sonst gewesen wären.

Ein anderes kürzlich erschienenes Buch zum Ersten Weltkrieg beschäftigt sich ebenfalls, wenn auch aus etwas anderer Sicht, mit den Wurzeln des Kriegs und der marxistischen Analyse zu dieser Frage. Der britischer Historiker Hew Strachan verweist auf die kritische Rolle des Bündnissystems, das nicht nur den Krieg nicht verhinderte, sondern ihn sogar voranzutreiben half. Beim Ausbruch der Krise im Juli 1914, schreibt er, "war sich jede Macht ihrer eigenen potenziellen Schwäche bewusst und fühlte sich gleichzeitig auf ihrem Höhepunkt angelangt, so dass sie sich zum Handeln gezwungen sahen, wenn sie nicht ihren Status als Großmacht verwirken wollten."

Strachan weist zu Recht darauf hin, dass man die Julikrise nicht für sich allein betrachten kann. Die Positionen, die die Großmächte einnahmen, waren selbst das Ergebnis früherer Krisen und der Entscheidungen, die getroffen worden waren, um diese zu lösen. "Russland musste Serbien unterstützen, da es dies schon 1909 getan hatte; Deutschland musste Österreich unterstützen, da es 1913 klein beigegeben hatte; Frankreich musste die Verpflichtungen Russland gegenüber einhalten, die Poincaré seit 1912 wiederholt bestätigt hatte; Großbritanniens augenscheinliche Vermittlungserfolge ermutigten es 1914 zu einem wiederholten Versuch." Die "Veränderlichkeit", die die internationalen Beziehungen beim Ausbruch der Marokkokrise von 1905 gekennzeichnet hatten, waren aber einer gewissen Inflexibilität des internationalen Systems gewichen.

"Solche Erklärungen", fährt Strachan fort, "sind in unmodischer Weise politisch und diplomatisch. Wirtschaftliche und imperiale Rivalitäten als langfristige Faktoren helfen zwar, das Anwachsen der internationalen Spannungen im Jahrzehnt vor 1914 zu erklären. Die wirtschaftliche Depression trug dazu bei, den Nationalismus im ökonomischen Wettbewerb zu fördern. Doch seiner Orientierung nach war der Handel international; die wirtschaftliche Verflechtung war ein mächtiges kommerzielles Argument gegen den Krieg. Der Imperialismus konnte, wie Bethmann Hollweg in seinen Bemühungen um Entspannung deutlich zu machen versuchte, dazu verwendet werden, die Blöcke der Allianzen aufzubrechen. Auch wenn ökonomischen Faktoren hilfreich bei der Erklärung längerfristiger Ursachen sind, ist es darüber hinaus schwer auszumachen, wie sie in den genauen Abläufen der Julikrise selbst wirkten. Handelskreise waren im Juli entsetzt über die Aussicht auf einen Krieg und fürchteten den Zusammenbruch des Kreditwesens; Bethmann Hollweg, der Zar und Grey sahen vor ihrem geistigen Auge wirtschaftliches Durcheinander und gesellschaftlichen Zusammenbruch. Kurz: Lenins Erklärung des Krieges als letztes Stadium im Niedergang von Kapitalismus und Imperialismus, als eines Krieges zur Regulierung äußeren ökonomischen Ungleichgewichts und zur Lösung innerer Krisen ist keine angemessene Erklärung für die Ursachen des Ersten Weltkrieges. Was tatsächlich an der Julikrise auffällt, ist gerade nicht die Rolle kollektiver Kräfte oder langfristiger Faktoren, sondern die des Individuums." [12]

Strachan versucht die marxistische Analyse zu widerlegen, indem er den langfristigen ökonomischen Prozessen - die, wie er zugibt, ihre Wirkung entfalteten - individuelle politische und diplomatische Entscheidungen gegenüberstellt, die kurzfristig von Politikern getroffen wurden. Auf diese Weise kann man natürlich leicht zeigen, dass die marxistische Analyse eines jeglichen historischen Ereignisses falsch sei, denn Entscheidungen werden immer kurzfristig getroffen - der Tag des langfristigen Prozess bricht nie an, da die Geschichte immerzu eine Reihe von Ereignissen ist, die an und für sich kurzfristig stattfinden.

Das Problem liegt hier nicht im Marxismus, sondern darin, dass man Vorgänge einander gegenüberstellt - das Langfristige und das Kurzfristige, Ökonomie und Politik - die in Wahrheit Teil eines einheitlichen Ganzen sind. Die marxistische Analyse des historischen Prozesses bestreitet nicht die Rolle des Individuums und der politischen Entscheidungen. Tatsächlich betont sie, dass die ökonomischen Vorgänge, die die Triebkräfte geschichtlicher Entwicklungen ausmachen, sich nur in Form bewusster Entscheidungen manifestieren können. Genauso wenig bedeutet das, dass die Taten der Politik ganz einfach automatische oder vorprogrammierte Antworten auf ökonomische Prozesse sind. In keinem Fall kann eine gegebene Kombination äußerer Umstände nur zu einem einzigen Ergebnis führen. Tatsächlich können an einem bestimmten Punkt gefällte Entscheidungen ausschlaggebend für den Verlauf der weiteren Entwicklung sein. Doch dieser Verlauf wird selbst wieder durch das Ergebnis langfristiger ökonomischer Prozesse bestimmt, und nicht durch die Wünsche oder Absichten des Entscheidungsträgers.

Der Mensch, erklärte Marx, fällt Entscheidungen, aber nicht unter den Bedingungen, die er selbst gewählt hat, sondern vielmehr unter Umständen, die ihm überliefert worden sind - das gilt auch für kapitalistische Politiker und Diplomaten.

Strachan räumt selbst ein, dass die Entscheidungen der Julikrise, die zum Kriegsausbruch führen sollten, unter Bedingungen gefällt wurden, die durch frühere Entscheidungen in früheren Krisen geformt waren. Doch darf man an diesem Punkt nicht stehen bleiben. Es muss vielmehr untersucht werden, warum es immer wieder zu diesen Krisen kam. Was an den Gegebenheiten der internationalen Politik sorgte dafür, dass sich die Großmächte ständig am Rande eines Krieges befanden? Diese Frage erfordert eine Untersuchung der langfristigen ökonomischen Vorgänge und ihrer Beziehung zur historischen Entwicklung der kapitalistischen Weltwirtschaft.

Für Österreich-Ungarn beinhalteten die Fragen, die die Ermordung des Erbfürsten Franz Ferdinand aufwarf, nichts weniger als den Fortbestand des Reiches. Es herrschte die klare Einsicht, dass die Gelegenheit genutzt werden musste, um sich Serbiens anzunehmen. Man musste die serbischen Ambitionen niedrig halten - oder wenn möglich ganz vereiteln - die Rolle zu übernehmen, die Piemont in der italienischen Einigung gespielt hatte, und die nationale Einigung der Südslawen zu vollenden. Eine Wiederholung der italienischen Erfahrung hätte das Ende des Imperiums eingeläutet, das sich schon jetzt mit einer wachsenden Welle der Opposition von unterdrückten Nationen innerhalb seiner Grenzen konfrontiert sah.

Das Aufkommen dieser nationalistischen Opposition war im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen, zu denen das obrigkeitsstaatliche Denken gelangt war, nicht einfach das Werk von Agitatoren und Demagogen. Es war vielmehr das Ergebnis eines stetigen Anwachsens kapitalistischer Wirtschaftsbeziehungen in Ost- und Südeuropa während der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts.

Der "unabwendbare Gang der Entwicklung", schrieb Trotzki, "hob die nationalstaatliche Selbstbestimmung der Balkanvölker, die die Bahn der kapitalistischen Entwicklung betreten haben, zur geschichtlichen Tagesordnung." [13]

Doch der Weg zur nationalen Selbstbestimmung war versperrt durch den Bestand des österreichisch-ungarischen Reiches. Darüber hinaus war das Fortbestehen dieses Reiches nicht nur für die Habsburger entscheidend - von keiner geringeren Bedeutung war es für die herrschenden Klassen Deutschlands. Tatsächlich zeigt sich, dass die Reihe von Forderungen und Ultimaten, die letztlich zum Kriegsausbruch führten, auf das Berliner Drängen zurückzuführen sind, nach dem Österreich die nötigen Schritte unternehmen sollte, um mit Serbien fertig zu werden.

Eine offizielle Regierungspublikation aus jener Zeit, die zunächst auf die Frage der Propaganda für ein Großserbien und die Aktivitäten des zaristischen Regimes auf dem Balkan eingeht, erklärt hierauf sehr deutlich die langfristigen strategischen Interessen des Deutschen Reiches. Diese bildeten den Grund, warum Berlin darauf bestand, dass Österreich-Ungarn selbst auf die Gefahr hin, einen Krieg zu provozieren, entschlossen handeln solle.

"Unter diesen Umständen", erklärt das Dokument, "mußte Österreich sich sagen, daß es weder mit der Würde noch mit der Selbsterhaltung der Monarchie vereinbar wäre, dem Treiben jenseits der Grenze noch länger tatenlos zuzusehen. Die k.k. Regierung benachrichtigte uns von dieser Auffassung und erbat unsere Ansicht. Aus vollem Herzen konnten wir unseren Bundesgenossen unser Einverständnis mit seiner Einschätzung der Sachlage geben und ihm versichern, dass eine Aktion, die er für notwendig hielte, um der gegen den Bestand der Monarchie gerichteten Bewegung in Serbien ein Ende zu machen, unsere Billigung finden würde. Wir waren uns hierbei wohl bewußt, dass ein etwaiges kriegerisches Vorgehen Österreich-Ungarns gegen Serbien Rußland auf den Plan bringen und uns hiermit unserer Bundespflicht entsprechend in einen Krieg verwickeln könnte.

Wir konnten aber in der Erkenntnis der vitalen Interessen Österreich-Ungarns, die auf dem Spiele standen, unserem Bundesgenossen weder zu einer mit seiner Würde nicht zu vereinbarenden Nachgiebigkeit raten, noch auch ihm unsern Beistand in diesem schweren Moment versagen. Wir konnten dies um so weniger, als auch unsere Interessen durch die andauernde serbische Wühlarbeit auf das empfindlichste bedroht waren. Wenn es den Serben mit Rußlands und Frankreichs Hilfe noch länger gestattet geblieben wäre, den Bestand der Nachbarmonarchie zu gefährden, so würde dies den allmählichen Zusammenbruch Osterreichs und eine Unterwerfung des gesamten Slawentums unter russischem Zepter zur Folge haben, wodurch die Stellung der germanischen Rasse in Mitteleuropa unhaltbar würde. Ein moralisch geschwächtes, durch das Vordringen des russischen Panslawismus zusammenbrechendes Österreich wäre für uns kein Bundesgenosse mehr, mit dem wir rechnen könnten und auf den wir uns verlassen könnten, wie wir es angesichts der immer drohender werdenden Haltung unserer östlichen und westliche Nachbarn müssen. Wir ließen daher Österreich völlig freie Hand in seiner Aktion gegen Serbien." [14]

Die Gründe, aus denen Deutschland selbst auf die Gefahr eines Krieges hin auf das entschlossene Handeln Österreich-Ungarns drängte, liegen in der Entwicklung des deutschen Kapitalismus während der vorangegangenen vier Jahrzehnte.

Nach der Schaffung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 erklärte der neue Reichskanzler Bismarck, Deutschland sei nun eine "saturierte", eine gesättigte Macht, die nach keinen weiteren Eroberungen oder Kolonien strebe. Bismarcks Politik zielte auf die Verteidigung der deutschen Stellung innerhalb Europas ab. Doch die Gründung des Reiches und die dadurch in Gang gesetzte gewaltige ökonomische Entwicklung bedeuteten, dass das seit dem Ende der Napoleonischen Befreiungskriege herrschende Mächtegleichgewicht schnell zerstört wurde.

Innerhalb von weniger als vier Jahrzehnten stieg Deutschland von einer Position relativer Rückständigkeit innerhalb Westeuropas zur zweitmächtigsten Industrienation der Welt auf. Schon zum Ende des Jahrhunderts hatte es Frankreich überholt und war in wichtigen Bereichen zu einem ernsten Konkurrenten Großbritanniens geworden. Die Expansion der deutschen Wirtschaft stellte das Land vor neue Probleme, so den Zugang zu Rohstoffen, besonders Eisenerz für die wachsende Stahlindustrie, und den Bedarf nach Sicherung neuer Märkte. Weiterhin führte der Industrialisierungsprozess selbst zur sozialen und politischen Spannungen innerhalb Deutschlands: Zwischen den aufstrebenden Industrieunternehmen und der landbesitzenden Junkern einerseits, und andererseits zwischen der rasch wachsenden Arbeiterklasse und den besitzenden Klassen insgesamt.

Gegen Ende des Jahrhunderts erwies sich das Reich mehr und mehr als zu klein für die schnelle Expansion des deutschen Kapitalismus, dessen Entstehung es befördert hatte. Rufe nach neuer Orientierung und einer neuen Politik wurden laut. Sie kam in Form der "Weltpolitik", die Kaiser Wilhelm II im Jahre 1897 ankündigte. Die Kontinentalpolitik Bismarcks erwies sich in der Epoche des Imperialismus zunehmend als veraltet, da Frankreich und Großbritannien Kolonien gewannen und neue Rohstoffquellen unter ihre Kontrolle brachten. Dies barg die Gefahr des Ausschlusses deutscher Interessen.

Im März erklärte der deutsche Kanzler von Bülow im Laufe einer Debatte, was unter "Weltpolitik" verstanden würde sei "lediglich die Pflege und Entwicklung der uns durch die Ausdehnung unserer Industrie, unseres Handels und unserer Schifffahrt erwachsenen Aufgaben [...]. Das Anschwellen der deutschen überseeischen Interessen könnten wir nicht hemmen. Unseren Handel, unsere Industrie, die Arbeitskraft, Regsamkeit und Intelligenz unseres Volkes könnten wir nicht kappen. Wir dächten nicht daran, aggressive Expansionspolitik zu treiben. Wir wollten nur die schwerwiegenden Interessen schützen, die wir durch die natürliche Entwicklung der Dinge in allen Weltteilen erworben hätten." [15]

Die Ansicht, Deutschlands Agieren als Weltmacht sei die natürliche Folge der Reichsgründung, war unter Politikern, Geschäftsleuten und Intellektuellen weit verbreitet. Sehr deutlich stellte dies Max Weber während seiner Amtseinführungsrede in Freiburg dar: "Wir müssen begreifen, dass die Einigung Deutschlands ein Jugendstreich war, den die Nation auf ihre alten Tage beging, und seiner Kostspieligkeit halber besser unterlassen hätte, wenn sie der Abschluss und nicht der Ausgangspunkt einer deutschen Weltmachtpolitik sein sollte." In einer Rede vom 22. Oktober 1916, auf dem Höhepunkt des Krieges, wies Weber erneut auf die Verbindung zwischen der Gründung des Reiches und der nun in Europa stattfindenden Auseinandersetzung hin: "Wollten wir diesen Krieg nicht riskieren, nun, dann hätten wir die Reichsgründung ja unterlassen und als ein Volk von Kleinstaaten weiter existieren können."[16]

Die Verfolgung der Weltpolitik in den ersten zehn Jahren des Jahrhunderts führte zu einer Reihe von internationalen Krisen, in denen die Großmächte ihre jeweiligen Interessen zu verteidigen suchten. Für Deutschland ging es darum, wirtschaftlich Fuß zu fassen und sich auf Weltebene zu etablieren. Dagegen ging es für die älteren imperialistischen Mächte Großbritannien und Frankreich zunehmend darum, diesen neuen und gefährlichen Rivalen zurückzudrängen.

Doch wenig mehr als ein Jahrzehnt nachdem man sie aufgenommen hatte, gerieten die Weltpolitik und ihr massives Flottenprogramm in eine gewisse Krise. In den beiden Konflikten mit Frankreich um Marokko war Deutschland unterlegen und hatte beim zweiten Male nicht einmal die Unterstützung seines Verbündeten Österreich-Ungarn erhalten. Auch die Probleme im Inneren wuchsen.

Ein Motiv der Weltpolitik und des Flottenbaus bestand darin, das Augenmerk auf die Festigung der nationalen Einheit zu lenken - oder zumindest der Einheit aller besitzenden und mittleren Klassen gegen die wachsende Bedrohung durch das organisierte Proletariat. Doch die riesigen Kosten der Flottenpolitik hatten zu Finanzierungsproblemen geführt. Auch wurde die Stabilität des Regimes durch das Wachstum der Arbeiterklasse bedroht, was sich in der Zunahme der Wählerstimmen für die SPD zeigte. In den Wahlen von 1912 war diese zur stärksten Partei im Reichstag geworden.

Der Führer des Alldeutschen Verbandes beschreibt die vorherrschende Stimmung wie folgt: "Die Besitzenden und Gebildeten fühlen sich politisch enteignet und durch das Votum der Massen zum Schweigen verdammt. Die Unternehmer, die infolge der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte zu den Stützpfeilern unserer Volkswirtschaft geworden sind, sehen sich der Willkür der Arbeiterklasse ausgeliefert, die der Sozialismus treibt." [17]

Der Historiker Volker Berghahn verweist auf einen "Lähmungszustand", der sich nach 1912 entwickelte und die gesamte Ordnung des Reiches bedrohte.

"Die innere Paralyse war kein geeignetes Mittel zur Bewahrung des Status Quo. [...] Konnte vielleicht ein Krieg nach außen als Katalysator für die erneute innenpolitische und internationale Stabilisierung der preußisch-deutschen Monarchie dienen? [...] Diese Idee war einflussreichen Kreisen in Politik und Militär nicht fremd, und die Ereignisse von 1913 hatten viel dazu beigetragen, diese Denkweise zu stärken. Angesichts ihres Gefühls, dass die Zeit davonlaufe, aber auch ihres Bewusstseins, den äußeren und inneren Rivalen gegenüber noch immer im Vorteil zu sein, fühlten sich die konservativen Eliten zunehmend versucht, Gebrauch von ihrer überlegenen Schlagkraft zu machen, bevor es zu spät sein würde." [18]

Ob sie bewusst einen Krieg anstrebten oder nicht - um 1912 war großen Teilen der herrschenden Klassen Deutschlands klar geworden, dass der Versuch, sich durch die Flottenstärke einen "Platz an der Sonne" zu sichern und die älteren imperialistischen Mächte zu Zugeständnissen zu zwingen, in eine Sackgasse geraten war. In Bezug auf Marokko hatte sich Deutschland zweimal zu sichern versucht, was es als sein berechtigtes Wirtschaftsinteresse betrachtete, und zweimal hatten Großbritannien und Frankreich ihm eine Abfuhr erteilt. Man musste einen neuen Weg finden.

Dies bildete 1912 den Hintergrund für den Vorschlag des Industriellen Walther Rathenau, der leitenden Figur des Elektro- und Maschinenbaukombinats AEG, einen zentraleuropäischen Wirtschaftsblock unter Vorherrschaft Deutschlands zu schaffen. Rathenau legte dem Kaiser und Bethmann Hollweg den Plan eines Mitteleuropas vor.

Das Handelsvolumen Deutschlands war das größte der Welt, seine wachsende Wirtschaft war in zunehmendem Maße von der Einfuhr importierter Rohstoffe abhängig. Doch anders als seine Rivalen USA und Großbritannien musste Deutschland sich erst noch seinen Bereich wirtschaftlicher Vorherrschaft abstecken, wie diese es auf dem amerikanischen Kontinent und mit dem britischen Weltreich getan hatten. Deutschland musste einen zentraleuropäischen Wirtschaftsblock bilden, der als Grundlage für den weiteren Aufstieg der deutschen Wirtschaftsmacht dienen sollte.

Südosteuropa erlangte zunehmende wirtschaftliche Bedeutung. Um 1913 konzentrierte sich die Hälfte von Deutschlands Auslandsinvestitionen in Europa auf das Gebiet zwischen Wien und Bagdad. Dies entsprach 40 Prozent aller weltweiten Investitionen Deutschlands.

Das Mitteleuropa-Programm sollte nicht die Weltpolitik ersetzen. Vielmehr sollte es zur Verwirklichung ihrer Ziele dienen - unter Bedingungen, da der jahrzehntelange Versuch, sich der Seemacht zu bedienen, nur wenig eingebracht hatte.

Wie Rathenau im Dezember 1913 erklärte: "Die Zeit der großen Erwerbungen für Deutschland ist verpaßt. Wehe uns, daß wir nichts genommen und nichts bekommen haben." Deutschland hatte seiner Auffassung nach als das "volkreichste, heereskräftigste, reichste, industriellste Land Europas" berechtigten Anspruch auf weitere Territorien. Weil jedoch "direkte Erwerbungen nicht mehr in Frage kommen", lag nach Rathenau die "letzte Möglichkeit" in der "Erstrebung eines mitteleuropäischen Zollvereins, dem sich wohl oder übel, über lang oder kurz, die westlichen Staaten anschließen würden". "Das Ziel würde eine wirtschaftliche Einheit schaffen, die der amerikanischen ebenbürtig, vielleicht überlegen wäre." [19]

Rückblickend fasste Gustav Stresemann, ein führendes Mitglied der nationalliberalen Partei und Sprecher mächtiger Wirtschaftsinteressen, im Jahr 1917 die Sorgen immer größerer Teile der deutschen Industriellen wie folgt zusammen:

"Wir haben gesehen, wie die anderen [...] Welten eroberten, während wir, deren ganze wirtschaftliche und Volkslage darauf hindrängte, größer zu werden, wir, die wir eine wachsendes Volk mit wachsender Wirtschaft, wachsendem Welthandel waren, die Welt immer mehr in Interessensphären geteilt sahen, die Welt unter dem Szepter anderer sahen, so dass für uns der Wettbewerb, den wir zum wirtschaftlichen Ausatmen brauchten, sich verengte." [20] Diese Bemerkung Stresemanns bringt die Gefühle auf den Punkt, die in der deutschen Politik und Wirtschaft vorherrschten. Deutschland befand sich in einer Art Gefangenschaft, militärisch, politisch und wirtschaftlich. An irgendeinem Punkt würde es aus ihr ausbrechen müssen.

Die Perspektive des Mitteleuropa unter deutscher Vorherrschaft stand im Zentrum der Kriegsziele, wie Kanzler Bethmann Hollweg sie Anfang September 1914 formulierte, als ein rascher Sieg über Frankreich in Sichtweite schien.

Zum Ziel des Krieges erklärte er die "Sicherung des Deutschen Reiches nach Ost und West auf erdenkliche Zeit. Zu diesem Zweck", fuhr er fort, "muß Frankreich so geschwächt werden, daß es als Großmacht nicht neu entstehen kann, Rußland von der deutschen Grenze nach Möglichkeit abgedrängt und seine Herrschaft über die nichtrussischen Vasallenvölker gebrochen werden."

Frankreich sollte die Erzvorkommen von Briey abtreten, die "für die Erzgewinnung unserer Industrie nötig" seien, und außerdem zur Zahlung einer "Kriegsentschädigung" verpflichtet werden: "[S]ie muss so hoch sein, daß Frankreich nicht imstande ist, in den nächsten fünfzehn bis zwanzig Jahren erhebliche Mittel für Rüstung anzuwenden."

Zu den weiteren Forderungen von Bethmann Hollweg zählten: "[E]in Handelsvertrag, der Frankreich in wirtschaftliche Abhängigkeit von Deutschland bringt, es zu unserem Exportland macht, und es ermöglicht, den englischen Handel in Frankreich auszuschalten. Dieser Handelsvertrag muß uns finanzielle und industrielle Bewegungsfreiheit in Frankreich schaffen - so, daß deutsche Unternehmungen nicht mehr anders als französische behandelt werden können."

Belgien sollte, sofern ihm das Fortbestehen als eigener Staat gestattet werden würde, zu einer Art Vasallenstaat gemacht werden; dabei sollten seine Küste dem deutschen Militär zur Verfügung gestellt und das Land ökonomisch auf den Stand einer deutschen Provinz zurückgesetzt werden. Luxemburg würde man zum deutschen Bundesstaat machen und ihm Teile des belgischen Territoriums zukommen lassen.

"Es ist zu erreichen die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes durch gemeinsame Zollabmachungen, unter Einschluss von Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Österreich-Ungarn, Polen und eventuell Italien, Schweden und Norwegen. Dieser Verband, wohl ohne gemeinsame konstitutionelle Spitze, unter äußerlicher Gleichberechtigung seiner Mitglieder, aber tatsächlich unter deutscher Führung, muß die wirtschaftliche Vorherrschaft Deutschlands über Mitteleuropa stabilisieren." [21]

Der britische Historiker James Joll schreibt dem Mitteleuropa-Programm bei der Aufstellung der deutschen Kriegsziele zwar eine wichtige Rolle zu, doch erst für die Zeit nach Ausbruch des Konfliktes. Dass diese Ziele ein Motiv zum Beginn des Krieges gewesen seien, kann seiner Meinung nach nicht behauptet werden.

"Doch es ist zweifelhaft, ob man Pläne, die nach Kriegsbeginn gefaßt wurden, als Erklärung für die Gründe der zwei Monate zuvor erfolgten Entscheidung zum Krieg heranziehen kann; wir werden nie erfahren, was in Bethmann und in seinen Kollegen im Juli 1914 vorging und wo sie unter den vielen Erwägungen, die es zu berücksichtigen galt, die Priorität sahen. Ob sie den Krieg erklärten, um die genannten wirtschaftlichen und geopolitischen Ziele zu erreichen, oder aus anderen, näherliegenden Gründen, können wir nur mutmaßen. Mit Gewissheit läßt sich nur sagen, daß die meisten kriegführenden Staaten sich bald auszumalen begannen, welche Vorteile sie im Fall des Sieges erlangen konnten. Die Engländer wollten die Industrie- und Handelskonkurrenz der Deutschen auf Jahre hinaus ausschalten und der Gefahr durch die deutsche Marinen ein Ende machen. Die französischen Eisen- und Stahlmagnaten im Comité des forges dachten wie ihre deutschen Gegenspieler an Gebietsgewinne, die ihre Rohstoffversorgung sichern sollten. Die Russen träumten von einem Vorstoß nach Konstantinopel, um sich die Kontrolle über den Ausgang aus dem Schwarzen Meer zu verschaffen. Man sollte vielleicht zwischen den Kriegszielen - den Gründen, aus denen ein Land in den Krieg eintritt - und den Friedenszielen unterscheiden - den Bedingungen, unter denen das Land Frieden zu schließen hofft, während Krieg ist und ein Sieg in Sicht scheint." [22]

Ziel dieser feinen und wohl eher haarspalterischen Unterscheidungen ist es, die marxistische These zu zurückzuweisen, der zufolge die Triebkräfte des Krieges in wirtschaftlichen und geopolitischen Konflikten der Großmächte wurzelten.

Was Deutschland anbelangte, so stellt Fritz Fischer fest, wirkte der Kriegsausbruch "nicht als auslösender Faktor für Ziele überhaupt, sondern als Steigerung der Erfolgshoffnung, als Potenzierung der Chancen, jetzt die mit politisch-diplomatischen Mitteln im Vorkrieg vergeblich angestrebten Ziele zu realisieren. Als eine Befreiung von den Schranken der politischen Konstellation des Vorkriegs wurde die Kriegsschwelle empfunden, nicht nur im außenpolitischen Bereich, sondern auch wirtschaftlich und innenpolitisch". [23]

Da wir nicht wissen, was genau während der Julitage im Kopf Bethmann Hollwegs vorging (oder in den Köpfen russischer, britischer oder französischer Politiker), können wir Joll zufolge nicht behaupten, der Krieg sei aus jenen ökonomischen Kräften hervorgegangen, die dann klar zutage traten, als er einmal ausgebrochen war.

Im Gegensatz dazu ist es interessant, einen Blick auf die Herangehensweise eines anderen Historikers zu werfen, der - selbst keineswegs Marxist - es für nötig hält, die zugrunde liegenden Triebkräfte zu beleuchten: "Ich möchte Hinweise außer Acht lassen", schrieb Élie Halévy, "die im Nachhinein von einer Schar wohlmeinender Kritiker gegeben wurde: Was dieser oder jener Herrscher, Premier- oder Außenminister an einem bestimmten Tag oder zu einer bestimmten Stunde getan oder nicht getan, gesagt oder nicht gesagt haben sollte, um den Krieg zu verhindern. Gegen ein Erdbeben helfen keine Pillen! Objekt meiner Studien ist das Beben selbst." [24]

Dass Politiker ihrem Handeln zu verschiedenen Zeiten verschiedene Motive zuschreiben, bedeutet nicht, dass wir nicht die Ursachen des Krieges ausmachen können. Vielmehr ergibt sich daraus, dass im Verlauf des Krieges selbst - wie in jeder großen sozialen Krise - die zufälligen Gründe und Motive mehr und mehr in den Hintergrund treten und stattdessen die essentiellen Triebkräfte, die sogar den Entscheidungsträgern selbst verborgen bleiben können, deutlicher zutage treten. Um den Krieg zu beginnen, mussten bewusste Entscheidungen gefällt werden. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass die an diesen Entscheidungen Beteiligten sich notwendigerweise der ökonomischen und historischen Vorgänge bewusst waren, durch die sie in eine Lage geraten waren, in der sie keine Alternative mehr zu ihrem Handeln sahen.

Der Aufstieg des deutschen Kapitalismus und die europäische Krise

Unsere bisherige Konzentration auf die Position Deutschlands sollte nicht so aufgefasst werden, dass Deutschland irgendeine größere Verantwortung für den Krieg trug als andere Großmächte und ihm daher mit Recht die "Kriegsschuld" zugeschrieben wurde, wie dies durch den Versailler Vertrag geschah. Die Betonung Deutschlands leitet sich vielmehr aus der politischen Ökonomie der internationalen Beziehungen um die Jahrhundertwende ab. Es war vor allem die dynamische Entwicklung des deutschen Kapitalismus infolge der Reichsgründung von 1871, die das Mächtegleichgewicht Europas durcheinander brachte.

Deutschland versuchte den Status Quo dem Aufstieg seiner Industrie anzugleichen und seine wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen zu vertreten. Doch dabei geriet es in Konflikt mit den anderen Großmächten, die mit diesem Status Quo zufrieden waren - da sie von ihm in großem Maße profitierten, waren sie ebenso entschlossen, ihn aufrechtzuerhalten.

Deutschlands Entschluss, die Ereignisse von Sarajevo im Juni 1914 zu nutzen, um seine Stellung in Südosteuropa zu stärken und eine Kraftprobe mit Russland, dessen Verbündeten Frankreich und wenn nötig auch England zu erzwingen, leitete sich aus der Auffassung ab, dass angesichts einer sich verschlechternden Situation im Inland und international gehandelt werden müsse.

Was Frankreich anbelangte, so war der Ausbruch eines gesamteuropäischen Krieges die einzige Möglichkeit, durch die es seine Position auf dem europäischen Kontinent wiedererlangen konnte. Die französische Vormachtstellung während des 19. Jahrhunderts hatte auf der Uneinigkeit der deutschen Staaten beruht. Doch der deutsch-französische Krieg und die deutsche Einigung hatten dafür gesorgt, dass Frankreich nun von Bündnissen mit anderen Mächten gegen seinen gestärkten Rivalen abhängig war.

Als nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 Elsass-Lothringen von Deutschland annektiert worden war, hatte Marx darauf hingewiesen, dass sich Frankreich unvermeidlich mit Russland zusammentun würde, auch wenn eine solche Allianz zu jener Zeit als undenkbar galt, weil die politischen Systeme beider Länder so weit auseinander lagen. "Wer nicht ganz vom Geschrei des Augenblicks übertäubt ist oder ein Interesse hat, das deutsche Volk zu übertäuben, muß einsehen, daß der Krieg von 1870 ganz so notwendig einen Krieg zwischen Deutschland und Rußland im Schoße trägt, wie der Krieg von 1866 den Krieg von 1870. Ich sage notwendig, unvermeidlich, außer im unwahrscheinlichen Falle eines vorherigen Ausbruches einer Revolution in Russland. Tritt dieser unwahrscheinliche Fall nicht ein, so muss der Krieg zwischen Deutschland und Russland schon jetzt als un fait accompli [eine vollendete Tatsache] behandelt werden. Es hängt ganz vom jetzigen Verhalten der deutschen Sieger ab, ob dieser Krieg nützlich oder schädlich. Nehmen sie Elsaß und Lothringen, so wird Frankreich mit Rußland Deutschland bekriegen. Es ist überflüssig, die unheilvollen Folgen zu deuten." [25]

Nicht dass Frankreich von bloßer Rachsucht in einen Krieg mit Deutschland getrieben wurde. In den vier Jahrzehnten seit der Annexion waren andere Faktoren ins Spiel gekommen. Die Auseinandersetzung mit Deutschland war über die Grenzen Europas hinausgewachsen, da beide Mächte nach Kolonien und Einflusssphären auf dem gesamten Globus strebten.

In Rückschau auf die Julikrise verdeutlichte der französische Präsident Poincaré die strategischen Fragen im Zusammenhang mit der Entscheidung Frankreichs, Russland zu unterstützen und die deutschen Forderungen nach französischer Neutralität zurückzuweisen:

"Uns oblag die Erfüllung zweier Verpflichtungen, schwer zu vereinen und doch gleichermaßen heilig: Zum einen unser Äußerstes zur Verhütung eines Konflikts zu tun; und zum anderen unser Äußerstes zu tun, um auf ihn vorbereitet zu sein, sollte er dennoch ausbrechen. Doch gab es da noch zwei andere Verpflichtungen, die ebenfalls mit der Zeit Gefahr liefen, in Widerspruch zueinander zu treten: Ein Bündnis zu wahren, auf das sich die französische Politik eines Vierteljahrhunderts gegründet hatte und dessen Bruch uns isolieren und der Gnade unserer Gegner ausliefern konnte; und gleichzeitig alles in unserer Macht stehende zu tun, um unseren Verbündeten zur Mäßigung anzuhalten in Belangen, in die wir selbst viel weniger involviert waren, als er selbst." [26]

Die Entscheidung Londons, an der Seite Frankreichs und Russlands in den Krieg einzutreten, war ebenso durch langfristige strategische Erwägungen geleitet - besonders durch den Glauben, an irgendeinem Punkt werde man gegen Deutschland Stellung beziehen müssen, dessen wirtschaftlicher Aufschwung immer mehr zu einer Bedrohung für die Interessen Großbritanniens und seines Empires wurde. Man hatte das Gefühl, je länger die Auseinandersetzung hinausgezögert würde, desto schlechter würde Großbritanniens Position in ihr sein.

Warum konnten Großbritannien und Deutschland nicht zu einem gemeinsamen Modus vivendi gelangen? Die Geschichte wie die Vernunft schienen auf diese Möglichkeit zu verweisen. Schließlich hatten die beiden Nationen niemals in der Vergangenheit Krieg gegeneinander geführt, sie teilten zahlreiche Interessen und hatten enge wirtschaftliche Beziehungen entwickelt - so stellten sie bedeutende Märkte für die Waren des jeweils anderen. Dennoch bedrohte der Aufstieg Deutschlands zunehmend die globale Stellung Großbritanniens.

Fast zwanzig Jahre vor der Julikrise hatte der britische Außenminister Edward Grey seine Sicht des Aufstiegs Deutschlands wie folgt zusammengefasst: "Es ist eine Tatsache, dass der Erfolg der britischen Rasse den Zorn der restlichen Welt heraufbeschworen hat. Und nun, da sie aufgehört haben, sich um die europäischen Provinzen herumzustreiten und sich weiter entfernten Gebieten zuwenden, stehen wir ihnen überall im Weg. Es besteht daher die allgemeine Tendenz, uns als Plage zu empfinden und sich gegen uns zusammenzutun. Ich fürchte, dass wir früher oder später zum Kampf werden schreiten müssen, es sei denn, dass zuvor irgendein Streitapfel die kontinentaleuropäischen Mächte voneinander entzweit." [27]

Zumindest theoretisch konnten führende Politiker Großbritanniens das Bedürfnis Deutschlands nach weltweiter Expansion nachvollziehen. Und doch wollte Großbritannien, wie es ein Memorandum des Ersten Staatssekretärs des Außenministeriums Eyre Crowe vom 1. Januar 1907 ausdrückte, "mit der allergrößten Entschlossenheit die britischen Anrechte und Interessen überall auf der Welt" vertreten. [28]

Das Memorandum diskutierte detailliert die strategischen Erwägungen, von denen sich die britische Außenpolitik in Bezug auf Deutschland und dessen zunehmende Ansprüche auf den Status einer Weltmacht leiten lassen sollte. Crowe zufolge strebte Deutschland entweder nach einer allgemeinen politischen und maritimen Vormachtstellung; oder aber es hatte keine derartig klaren Ambitionen, sondern versuchte lediglich seine legitime Position einzunehmen, um dadurch seinen Außenhandel zu fördern, die Segnungen der deutschen Kultur zu verbreiten und neue deutsche Interessen überall auf der Welt zu entwickeln, sobald sich eine friedliche Möglichkeit hierzu böte.

Wie sollte man den Unterschied ausmachen? Tatsächlich, so Crowe, bestand gar nicht die Notwendigkeit einer solchen Unterscheidung - die Konsequenzen für Großbritannien wären dieselben. Das zweite Handlungsmuster könne "an jedem Punkt in das erste oder bewusste übergehen", und "wenn sich je das Schema friedlicher Entwicklung verwirklichen sollte, dann würde die Deutschland hierdurch zufallende Position für den Rest der Welt ganz offensichtlich eine ebenso furchtbare Bedrohung darstellen, wie die gezielte Eroberung einer ähnlichen Position durch ‚vorausberechnende Bosheit’."

Die Bedeutung des Crowe-Memorandums liegt darin, dass es auf die objektiven Vorgänge und Tendenzen im deutsch-englischen Verhältnis hinweist. Crowe bestand darauf, dass unabhängig davon, welche Politik die politische Elite Deutschlands verfolgen würde und worin seine Interessen liegen mochten, der bloße wirtschaftliche Fortschritt des Landes und die daraus folgende Ausbreitung seiner Interessen auf Weltebene für das britische Imperium eine Gefahr darstellten, der man begegnen musste.

Obwohl er die Berechtigung der deutschen Expansion nicht bestreite, so schloss er, müsse man doch Acht geben, "dass diese wohlwollende Haltung beim ersten Anzeichen einer Beeinträchtigung der Interessen Großbritanniens oder seiner Verbündeten entschlossener Opposition weichen muss". Ein Weg, den man - wollte man irgendetwas aus der Vergangenheit lernen - aufgeben müsse, sei "die Straße, die gepflastert ist mit großzügigen britischen Konzessionen - Konzessionen, die weder mit der Überzeugung gemacht werden, sie seien berechtigt, noch angemessene Gegenleistungen mit sich bringen. Die nichtigen Hoffnungen, Deutschland könne auf diese Weise ‚beschwichtigt’ und uns freundlicher gesonnen werden, muss definitiv aufgegeben werden."

Für Kontinentaleuropa verlangte Großbritannien die Aufrechterhaltung des "Mächtegleichgewichts". Doch die kapitalistische Entwicklung selbst zerstörte dieses "Gleichgewicht". Deutschland versuchte seine Interessen auszuweiten, ebenso Russland, das in den letzten Jahrzehnten des 19. und den ersten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts ein rapides Wachstum erfahren hatte. Italien war eine neue Macht auf dem Kontinent, während die alten Imperien der Türkei und Österreich-Ungarns sich im Stadium des fortgeschrittenen Verfalls befanden.

Ungeachtet der Politik der verschiedenen Regierungen brach das alte europäische Gleichgewicht der Mächte auseinander. Zugleich geriet die deutsche Expansion, in welchem Teil der Welt sie auch stattfand, unvermeidlich in Konflikt mit dem britischen Empire. Aus einer Politik, die das alte Gleichgewicht der Mächte aufrechterhalten und zugleich britische Interessen überall auf dem Globus "mit der allergrößten Entschlossenheit" verteidigen wollte, ergab sich logisch die militärische Auseinandersetzung.

Tatsächlich hatte Churchill in einem Moment der Offenheit während der Debatte über die Flottenpolitik 1913-14 zugegeben: "Wir haben alles an Territorien, was wir wünschen, und unser Begehren, die gewaltigen und prachtvollen Besitzungen unbelästigt genießen zu dürfen, die wir uns größtenteils mit Gewalt verschafft und durch Zwang erhalten haben, erscheint anderen oft weniger berechtigt als uns." [29]

Schon 1905 hatte Großbritannien auf Seiten Frankreichs in die erste Marokkokrise eingegriffen. Als die zweite Krise 1911 ausbrach, schälten sich die damit verbundenen Fragen noch klarer heraus. Im britischen Außenministerium stellte Crowe die Frage in Zusammenhang mit dem Mächtegleichgewicht in Europa. "Deutschland", so Crowe in einer Note des Ministeriums, "spielt um den höchstem Einsatz. Wenn man seinen Forderungen entweder im Kongo oder in Marokko oder - wonach es meiner Meinung nach streben wird - in beiden Regionen stattgibt, wird dies definitiv die Unterwerfung Frankreichs bedeuten. Die Forderungen sind nicht solcher Art, dass ein Land mit einer unabhängigen Außenpolitik sie akzeptieren könnte. Die genauen Begrifflichkeiten sind jetzt nicht besonders wichtig. Wenn es um irgendetwas geht, dann um ein Kräftemessen. Hier Zugeständnisse zu machen, bedeutet nicht den Verlust von Interessen oder Prestige. Es würde eine Niederlage bedeuten, mit allen unvermeidlichen Konsequenzen." [30]

Diese Sicht auf die Marokkokrise wurde weitgehend geteilt. Der Ständige Unterstaatssekretär im Außenministerium Sir Arthur Nicholson stellte fest, dass "unsere seit 1904 verfolgte Politik zur Bewahrung des Gleichgewichts und, daraus folgend, des Friedens in Europa" kollabieren würde, sollte Deutschland Erfolg haben. Großbritanniens Unterstützung für Frankreich war von der Sorge getrieben, dass Frankreich eine Einigung mit Deutschland suchen könnte, wenn die Entente zusammenbräche. Großbritannien hätte hierdurch isoliert werden können.

Für Großbritannien stellte der Ausbruch der Julikrise den Höhepunkt eines Konflikts dar, der sich während der vorangegangenen anderthalb Jahrzehnte entwickelt hatte. Wenn nicht entweder Deutschland seine Forderungen nach einer Änderung der europäischen und internationalen Ordnung aufgäbe oder Großbritannien große Veränderungen an dieser Ordnung akzeptierte, war ein Konflikt unvermeidlich. Doch keine der Seiten konnte von ihrer Position abrücken. Auf dem Spiel stand nicht die Ausgestaltung einer bestimmten Politikform oder das Ansehen einzelner Politiker, sondern die fundamentalsten Wirtschaftsinteressen der von ihnen vertretenen Staaten.

Ein kürzlich erschienenes Buch untersucht, warum sich die Großmächte zum Kriegseintritt entschlossen, und gelangt zu dem Schluss, in Großbritannien hätten die Interessen der Kapitalistenklasse hierbei keinerlei Rolle gespielt. Britische Industrielle hätten wenig Einfluss auf die politische Elite besessen, und die großen Finanziers der Stadt London seien von der Aussicht auf Krieg erschrocken gewesen, da sie glaubten, er würde sie wirtschaftlich in den Ruin stürzen. "Was immer die britische Kriegserklärung von 1914 bewirkt haben mag, es waren nicht die Wünsche des nationalen ‚Finanzkapitals’." [31]

Wie dem auch sei, die Entscheidung für den Kriegseintritt wurde getroffen, um die Stellung des britischen Empires zu verteidigen, das wiederum die Grundlage für die Vormachtstellung des britischen Finanzkapitals war. Ein Jahrzehnt vor Kriegsausbruch hatte der konservative Politiker Joseph Chamberlain den Bankiers der Londoner Börsen- und Finanzviertels in klaren Worten erklärt, worin die Bedeutung des Empires für ihre Aktivitäten lag:

"Sie sind die Rechnungsstelle der ganzen Welt. Und warum? Warum florieren ihre Bankgeschäfte so? Warum ist ein Wechselschein aus London die Standardwährung für alle kommerziellen Transaktionen? Liegt das nicht an den produktiven Energien und Kapazitäten, für die er steht? Liegt es nicht daran, dass wir bis dato kontinuierlich neuen Reichtum geschaffen haben? Liegt es nicht an der Vielzahl, der Verschiedenheit und dem Umfang unserer Transaktionen? Wenn wir in einer dieser Fragen auch nur einen kleinen Rückschlag erleiden würden, glauben Sie, dass Sie das nicht zu spüren bekämen? Denken Sie, dass Sie in einem solchen Falle die Position behalten könnten, auf die Sie mit Recht stolz sind? Nehmen wir an - sofern eine solche Annahme erlaubt ist - Sie verlören Ihre gegenwärtigen Beziehungen zu unseren großen Kolonien und Territorien, zu Indien oder zu den neutralen Ländern der ganzen Welt - würden Sie dennoch deren Rechnungsstelle sein? Nein, Gentlemen. Zumindest können wir anerkennen, dass der Wohlstand Londons auf das engste zusammenhängt mit dem Wohlstand und der Größe des Empires, dessen Zentrum es bildet." [32]

Und der Dreh- und Angelpunkt des Empires war Indien. Großbritanniens Festhalten an Indien gründete sich weder auf irgendeinem fehlgeleitetes Machtstreben um seiner selbst willen, noch basierte es auf psychologischen Faktoren. Indien spielte eine zentrale und immer wichtigere Rolle für die wirtschaftliche und militärische Macht Großbritanniens. Der indische Vizekönig Lord Curzon erklärte 1901: "Solange wir Indien beherrschen, sind wie die größte Macht der Erde. Wenn wir es verlieren, werden wir geradewegs zu einer Macht dritten Ranges absteigen." [33]

Vom Beginn der Kolonialisierung an hatte Indien eine entscheidende Rolle dabei gespielt, den britischen Kapitalismus mit Finanzmitteln zu versorgen. Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts rivalisierende Industriemächte aufsteigen (Deutschland und die Vereinigten Staaten) und die Konkurrenz um Märkte immer größer wurde, wuchs die Bedeutung Indiens für das britische Empire sogar noch. Seit langem hatte Großbritannien in seiner sichtbaren Handelsbilanz ein Defizit eingefahren - die Importe überwogen die Exporte. Doch die so genannten unsichtbaren Faktoren - wie Devisen- und Versicherungshandel - hatten dies mehr als wettgemacht. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts allerdings waren selbst diese Einnahmen unzureichend. Die Stabilität des britischen Finanzsystems geriet zunehmend in Abhängigkeit von Kapitalerträgen und der so genannten Home Charges, einer Indien auferlegten Sondersteuer.

Der indische Markt nahm einen großen Teil der britischen Exporte auf, während Indien zur selben Zeit in seinem Handel mit dem Rest der Welt einen Überschuss erwirtschaftete, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von 4 Millionen auf 50 Millionen Pfund anstieg und dann durch die an Großbritannien gezahlten Steuern aufgesogen wurde. Mit den Worten einer Studie: Vor dem Ersten Weltkrieg lag "der Schlüssel zur gesamten britischen Zahlungsstruktur in Indien, das wahrscheinlich über zwei Fünftel des gesamten britischen Defizits finanzierte." [34]

Doch je weiter Großbritannien in Abhängigkeit von Indien geriet, umso gefährdeter war die britische Herrschaft über die Kolonie und die Stabilität des Empires insgesamt. Der Burenkrieg (1899-1902) war ein Schock für das britische Establishment. Man erwartete einen kurzen Konflikt - bis Weihnachten würde alles vorbei sein -, doch der Krieg zog sich über zwei Jahre hin und die Kosten an Geldmitteln und Menschenleben waren hoch.

Der Burenkrieg brachte er die geschwächte militärische Lage Großbritanniens ans Licht, aus der die britischen Rivalen auf dem europäischen Kontinent mit Sicherheit Vorteile schlagen würden. Hieraus wurden definitive politische Schlussfolgerungen gezogen. Die britische Außenpolitik konnte nicht länger vom Ideal der "splendid isolation", der großartigen Isolation, geleitet werden, die sie im 19. Jahrhundert geprägt hatte. Innerhalb von fünf Jahren nach dem Burenkrieg war man eine Reihe von Abmachungen eingegangen, mit dem Ziel, die britische Kontrolle über das Empire zu stärken.

Zunächst kam die Allianz mit Japan 1902, darauf die Beilegung der kolonialen Differenzen mit Frankreich in der Entente von 1904, was 1907 in der Entente mit Russland wiederholt wurde. Im Falle Frankreichs wurde die britische Kontrolle über Ägypten, Schlüssel zur Kontrolle des Mittleren Ostens und zugleich Route nach Indien, anerkannt. Mit Russland handelte man die ausdrückliche Anerkennung der britischen Vorherrschaft in Afghanistan und eine Beendigung der russischen Bedrohung Indiens von Norden her aus.

Mit diesen Maßnahmen versuchte Großbritannien, das Empire fester in den Griff zu bekommen, doch es wurde durch sie auch in die Konflikte des europäischen Festlands hineingezogen.

Der Krieg und die Russische Revolution

Die Erklärungen der Zweiten Internationale, der Krieg entspringe der Natur des Kapitalismus und werde erst verschwinden, wenn die kapitalistische Wirtschaftsweise ersetzt werden würde, werden von dem Historiker James Joll als eine Doktrin anerkannt, die - falls sie wahr sei - "die umfassendste Erklärung für den Ausbruchs des Ersten Weltkrieges liefern würde, wenngleich auch dann noch die Frage bliebe, warum dieser bestimmte Krieg zu diesem bestimmten Zeitpunkt innerhalb der Krise des Kapitalismus ausbrach." [35]

Doch die marxistische Analyse versucht nicht exakt darzulegen, warum genau der Krieg zu gerade jenem Zeitpunkt ausbrach, ganz so als würden die Widersprüche des kapitalistischen Systems in einer Art eisernem Determinismus wirken, der jeden Zufall ausschließt. Marx betont im Gegenteil, dass die Gesetze des Kapitalismus ihre Macht nicht direkt ausüben, sondern vielmehr durch Zufälle und Eventualitäten.

Im Falle des Ersten Weltkrieges ist klar, dass sich die Krise ohne die zufällige Ermordung des österreichischen Erzherzogs nicht so entwickelt hätte, wie sie es tat. Und auch nach dem Mord war keineswegs vorherbestimmt, dass daraus ein Krieg resultieren würde. Doch es besteht kein Zweifel, dass, auch wenn der Krieg abgewendet worden wäre, die wachsenden und aus langfristigen historischen Entwicklungen resultierenden Spannungen, die seit dem Beginn des Jahrhunderts immer sichtbarer geworden waren, früher oder später zum Ausbruch einer neuen Krise geführt hätten.

Die marxistische Analyse behauptet nicht, dass der Kriegsausbruch im August 1914 vorherbestimmt war. Doch sie bleibt bei der Feststellung, dass die tief greifenden Veränderungen in der Weltwirtschaft den politischen Krisen und Konflikten zahlreiche Anlässe lieferten und ihnen eine enorme Spannung verliehen.

Das Jahr 1913 bildet einen Wendepunkt in der langfristigen Entwicklungskurve des Kapitalismus. In den vorausgegangenen 15 Jahren hatte der längste Wirtschaftsaufschwung in der Geschichte des Kapitalismus stattgefunden. Wohl gab es Krisen und Rezessionen, doch diese waren kurzlebig und machten, sobald sie vorüber waren, den Weg frei für ein noch schnelleres Wachstum. 1913 allerdings gab es deutliche Anzeichen für einen großen Abschwung der internationalen Wirtschaft.

Die Bedeutung eines Abschwungs in der Weltwirtschaft kann man an den Handelsstatistiken ablesen. Wenn wir das Jahr 1913 als Grundlage nehmen und ihm einen Index von 100 zuschreiben, dann belief sich der Welthandel in den Jahren 1876-1880 auf nur 31,6 und wuchs danach bis auf 55,6 in den Jahren 1896-1900. Das bedeutet, dass er sich in den folgenden 13 Jahren nahezu verdoppelte. Alle größeren kapitalistischen Mächte waren zunehmend abhängig von und empfindlich gegenüber den Bewegungen des Weltmarktes, und dies unter Bedingungen, da sich der Wettbewerb unter ihnen verschärfte.

Trotzki wies darauf hin, dass der wirtschaftliche Abschwung von 1913 einen bedeutenden Einfluss auf die politischen Beziehungen zwischen den Großmächten hatte, da er nicht bloß eine periodische Marktfluktuation darstellte sondern eine Veränderung in der ökonomischen Lage Europas.

"Die weitere Entwicklung der Produktivkräfte in nur annähernd dem Tempo, das man während fast der gesamten vergangenen zwei Jahrzehnte in Europa beobachtet hatte, war extrem schwierig. Das Wachstum des Militarismus fand nicht nur deshalb statt, weil Militarismus und Krieg einen Markt schaffen, sondern auch weil der Militarismus ein historisches Instrument der Bourgeoisie in ihrem Kampf um Unabhängigkeit, um Vorherrschaft usw. ist. Es ist kein Zufall, dass der Krieg im zweiten Jahr der Krise begann und die großen Schwierigkeiten der Märkte offen legte. Die Bourgeoisie spürte die Krise mittels des Handels, der Wirtschaft und der Diplomatie. [...] Dies verursachte Klassenspannungen, die Politik verschlimmerte sie noch, und dies führte im August 1914 zum Krieg." [36]

In einem Bericht an die Kommunistische Internationale erklärte Trotzki, der Krieg beende nicht das Wachstum der Produktivkräfte. Vielmehr rebelliere dieses Wachstum seit 1913 gegen die Barrieren, die ihm durch die kapitalistische Wirtschaftsweise gesetzt seien. Das bedeutete, dass der Markt gespalten und der Wettbewerb "auf seinen Höhepunkt getrieben war. Von nun an konnten die kapitalistischen Länder einander nur noch auf mechanischem Wege vom Markt verdrängen." [37]

Der Abschwung von 1913 war nicht einfach eine Marktfluktuation, d.h. eine Rezession, die in eine allgemeine Aufwärtsbewegung der langfristigen kapitalistischen Entwicklungskurve fällt. Es war ein Wendepunkt dieser Kurve selbst. Auch wenn es 1914 keinen Krieg gegeben hätte, hätte eine ökonomische Stagnation eingesetzt, die Spannungen zwischen den kapitalistischen Großmächten verschärft und einen Kriegsausbruch in unmittelbarer Zukunft wahrscheinlicher gemacht.

Dass es sich bei dem Abschwung von 1913 nicht um eine gewöhnliche Rezession handelte, geht aus der Tatsache hervor, dass die europäische Wirtschaft auch nach Kriegsende nie wieder zu den Verhältnissen im Jahrzehnt vor dem Krieg zurückkehrte. Tatsächlich betrachtete man während der allgemeinen wirtschaftlichen Stagnation der 1920er Jahre (auf vielen Gebieten erreichte die Produktion erst um 1926-27 wieder das Niveau von 1913) die Periode vor dem Krieg als eine Belle Époque, die niemals wiederkehren würde.

Um einige der grundlegenden perspektivischen Fragen aufzuzeigen, die im Zentrum der Kontroversen um den Ersten Weltkrieg standen, möchte ich ein Werk des britischen Akademikers Neil Harding ansprechen. In seinem Buch Leninismus gelangt Harding zu der Auffassung, dass es sich bei Lenins Theorien nicht um das Ergebnis einer Politik handle, die mit den rückständigen Bedingungen Russlands zu kämpfen hatte - wie dies so oft, z.B. in Bezug auf Was tun?, behauptet wird - sondern um "authentischen Marxismus". Sie hätten den Marxismus als revolutionäre Theorie wiederbelebt. Aber gerade weil es sich beim Leninismus um echten Marxismus handelt, muss er nach Ansicht Hardings widerlegt und zurückgewiesen werden.

Harding stellt fest, der Kriegsausbruch und der Verrat der Führer der Zweiten Internationale hätten Lenin davon überzeugt, dass "ihm die einzigartige Verantwortung zukam, den marxistischen Imperativ der Revolution im Weltmaßstab wiederherzustellen und ihn den wirtschaftlichen und politischen Bedingungen der modernen Welt entsprechend neu zu formulieren." [38]

Im Gegensatz zu all jenen, die Lenin als eine Art Opportunisten darstellen, der aus dem Chaos des Krieges heraus die Machtergreifung betrieben habe, indem er sich auf die Forderungen der Massen nach Brot, Frieden und Land stützte, betont Harding, Lenin habe auf den Krieg reagiert, indem er eine "marxistische Darlegung der Natur des modernen Kapitalismus" entwickelte und aufzeigte, "wie dieser notwendigerweise Militarismus und Krieg hervorbrachte". Diese Darlegung, beinhaltet in Lenins Buch Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, "beschrieb die weltweiten Charakteristika dessen, was man als eine gänzlich neue Epoche der menschlichen Geschichte betrachtete: Die Epoche des endgültigen Zusammenbruchs des Kapitalismus und des Anbruchs des Sozialismus." Damit habe Lenins Beitrag die theoretische Grundlage für die Oktoberrevolution von 1917 unter Führung der Bolschewiki geschaffen. [39]

Korrekt stellt Harding dar, wie in der Zeit vor dem Krieg die verschiedenen Schulen des Revisionismus die Revolution für eine unwahrscheinliche und überflüssige Strategie gehalten hatten und wie, zumindest aus ihrer Sicht, "der Marxismus als Theorie und Praxis der revolutionären Umgestaltung im Jahr 1914 praktisch tot" war. "Es war Lenin, der ihn - fast im Alleingang - wiederbelebte, sowohl als revolutionäre Theorie, als auch als revolutionäre Praxis. Die Imperialismustheorie war dabei der Schlüsselpunkt des ganzen Unternehmens." [40]

Er trifft die wichtige Feststellung, dass Lenins Perspektive in Bezug auf die Russische Revolution zunächst abgelehnt wurde. Als Lenin die Perspektive der sozialistischen Revolution und der politischen Machteroberung durch die Arbeiterklasse vertrat, stellten sich nicht nur die Führer aller anderen politischen Tendenzen dieser Auffassung entgegen, sondern auch seine engsten Verbündeten in der eigenen Partei. Die Prawda bestand darauf, die "Aprilthesen" seien Lenins persönliche Auffassung und unhaltbar, da sie "von der Annahme ausgehen, die bürgerlich-demokratische Revolution sei vollendet, und auf die unmittelbare Umwandlung dieser Revolution in die sozialistische rechnen". Doch während er im April noch alleine dastand, wurde Lenin im November der Führer des ersten Arbeiterstaates.

Für Harding liegt der verhängnisvolle Schwachpunkt von Lenins Perspektive darin, dass der Kapitalismus schließlich überlebt hat, entgegen der in Der Imperialismus vertretenen Ansicht. Er habe sich daher weder als höchstes, noch als letztes Stadium des Kapitalismus erwiesen.

"Das bloße Überleben des Kapitalismus, seine Anpassungsfähigkeit und noch andauernde Lebendigkeit können von der Logik des Leninismus nicht erklärt werden. Der zentrale Bestandteil seines Gedankengebäudes, der das Ganze nachvollziehbar machte, war [...] die Auffassung, dass der Kapitalismus 1914 todgeweiht war: Er konnte sich selbst nicht mehr aufrechterhalten, seine Epoche war vorbei. Je länger der Kapitalismus diese Prognose überlebte, desto mehr wurde die Leninsche Geschichtsmetaphysik durch die Empirie unterhöhlt." [41]

Es stimmt, dass Lenin den Imperialismus als "höchstes Stadium des Kapitalismus" und als "Vorabend" der sozialistischen Umgestaltung charakterisierte. Er rechnete sicher nicht damit, dass der Kapitalismus bis ins 21. Jahrhundert hinein überleben würde. War somit die Perspektive falsch, die die Revolution leitete? Um diese Frage wurde viel Verwirrung gestiftet, sowohl von Seiten derjenigen, die Lenins Perspektive aufrechtzuerhalten behaupteten, als auch durch jene, die sie ablehnten.

Als wir zum Beispiel erklärten, die Globalisierung verkörpere eine qualitativ neue Entwicklung in der Vergesellschaftung der Produktion, griffen uns die Spartakisten und andere Radikale an und warfen uns vor, wir würden Lenin zurückweisen. Wenn der Imperialismus das "höchste Stadium" der kapitalistischen Entwicklung sei, wie könne man dann von der Globalisierung als qualitativ neuem Stadium in der Vergesellschaftung der Produktion sprechen?

Andere behaupten, Lenins Analyse sei durch die Tatsache widerlegt, dass der Kapitalismus seit der Niederschrift von Der Imperialismus gewaltige Veränderungen durchlaufen und dass seither eine bedeutende Entwicklung der Produktivkräfte stattgefunden habe. Wie soll es dann möglich sein, vom Imperialismus als dem höchsten Stadium des Kapitalismus zu sprechen? Und bedeutet dies nicht, dass die Russische Revolution ein verfrühter Versuch war, die kapitalistische Ordnung zu stürzen und die sozialistische Umgestaltung zu beginnen? Das heißt, dass sie von Beginn an zum Scheitern verurteilt war, da der Kapitalismus sein kreatives Potenzial noch nicht erschöpft hatte.

Lenin vertrat jedoch nicht die mechanische Sichtweise, die ihm so oft zugeschrieben wird. Anfangs sprach er vom Imperialismus als "jüngster Phase" der kapitalistischen Entwicklung. Sicher beschrieb er ihn als "untergehenden" und "todgeweihten" Kapitalismus. Doch wies er darauf hin, es "wäre ein Fehler, zu glauben, dass diese Fäulnistendenz ein rasches Wachstum des Kapitalismus ausschließt; durchaus nicht, einzelne Industriezweige, einzelne Schichten der Bourgeoisie und einzelne Länder offenbaren in der Epoche des Imperialismus mehr oder minder stark bald die eine, bald die andere dieser Tendenzen. Im großen und ganzen wächst der Kapitalismus bedeutend schneller als früher, aber dieses Wachstum wird nicht nur im allgemeinen immer ungleichmäßiger, sondern die Ungleichmäßigkeit äußert sich auch im besonderen in der Fäulnis der kapitalkräftigsten Länder (England)." [42]

Lenin charakterisiert die Aktivitäten des britischen Kapitals, das von seinen Einkünften aus dem Kapitalexport - dem "Kuponschneiden" - lebt, als Ausdruck von Niedergang und Parasitismus im kapitalreichsten Land der Erde. Man fragt sich, was er wohl über die Aktivitäten von Firmen wie Enron oder WorldCom zu sagen gehabt hätte, oder über die Plünderungen im Zusammenhang mit dem Aktienmarkt und der dot.com-Blase.

Lenins Imperialismus und Kautskys "Ultraimperialismus"

Man kann die Analysen, die Lenin in Der Imperialismus als auch in seinen anderen Schriften während des Krieges und bis zur Oktoberrevolution entwickelt hat, nur verstehen, wenn man betrachtet, gegen welche Standpunkte sie gerichtet waren. Der Imperialismus ist eine direkte Antwort auf Kautsky. Dieser lieferte den Führern der Zweiten Internationale, die im imperialistischen Krieg ihre "eigene" Bourgeoisie unterstützten, den theoretischen Rahmen für ihren Verrat.

Als Lenin vom Imperialismus als dem "höchsten" Stadium des Kapitalismus sprach, stellte er sich damit gegen Kautskys Behauptung, Militarismus und Krieg seien keine objektiven Tendenzen der kapitalistischen Entwicklung sondern vorübergehender Natur. Der heftige Konflikt, der unter den kapitalistischen Großmächten ausgebrochen war - die Entfesselung der Barbarei - konnte nach Kautsky einer friedlichen Aufteilung der Weltressourcen weichen, ähnlich wie die Monopole, die aus dem freien Wettbewerb entstehen, Kartelle bilden und den Markt unter sich aufteilen.

Die von Lenin, Trotzki, Luxemburg und anderen Marxisten unternommene Analyse des Ersten Weltkrieges zeigte nicht nur, dass der Krieg aus den wachsenden Widersprüchen des Kapitalismus entstanden war. Sie ging weiter und erklärte, der Ausbruch des Krieges selbst sei der gewaltsame Ausdruck der Tatsache, dass die fortschrittliche Epoche der kapitalistischen Entwicklung vorüber war. Von nun an stand die Menschheit vor der Alternative Sozialismus oder Barbarei, wie Rosa Luxemburg es ausdrückte. Der Sozialismus war daher zur objektiven historischen Notwendigkeit geworden, sollte der menschliche Fortschritt weitergehen. Der Kampf der Arbeiterklasse um die politische Macht war keine Aussicht für die ferne Zukunft mehr, sondern eine aktuelle Aufgabe.

Kautsky versuchte, seine Opposition gegen diese Perspektive auf eine marxistische Grundlage zu stellen. Das kapitalistische System, so behauptete er, habe sich nicht erschöpft, der Krieg verkörpere nicht seinen Todeskampf, und die Arbeiterklasse, die nicht imstande gewesen war, den Krieg aufzuhalten, sei nicht in der Position, den Kampf zum Sturz der Bourgeoisie aufzunehmen.

Fast dreißig Jahre zuvor hatte Friedrich Engels eine völlig andere Perspektive vertreten. Sie gründete sich auf das Verständnis, dass eine Epoche zu Ende gegangen war und sich die zukünftigen Kriege von denen des 19. Jahrhunderts stark unterscheiden würden. Er schrieb:

"[E]ndlich ist kein andrer Krieg für Preußen-Deutschland mehr möglich, als ein Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg von einer bisher nie geahnten Ausdehnung und Heftigkeit. Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen und dabei ganz Europa so kahl fressen, wie noch nie ein Heuschreckenschwarm. Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges zusammengedrängt in drei bis vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet: Hungersnot, Seuchen, allgemeine durch akute Not hervorgerufene Verwilderung der Heere wie der Volksmassen; rettungslose Verwirrung unsres künstlichen Getriebs in Handel, Industrie und Kredit, endend im allgemeinen Bankrott; Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit derart daß die Kronen zu Dutzenden über das Straßenpflaster rollen und niemand sich findet, der sie aufhebt; absolute Unmöglichkeit, vorherzusehen, wie das alles enden und wer als Sieger aus dem Kampf hervorgehen wird; nur ein Resultat absolut sicher: die allgemeine Erschöpfung und die Herstellung der Bedingungen des schließlichen Siegs der Arbeiterklasse." [43]

Als er die Entscheidung der SPD verteidigte, für die Kriegskredite zu stimmen, verwies Kautsky auf die anfängliche Befürwortung des Krieges durch die Massen. Unter diesen Bedingungen sei es nicht möglich, sich gegen den Krieg zu stellen, geschweige denn für den Sturz der Bourgeoisie einzutreten. Vor allem, so argumentierte er, dürfe man innerhalb der Partei nicht den Kampf gegen die rechtesten Unterstützer der Regierung und des Krieges aufnehmen. "Disziplin ist im Kriege nicht bloß für die Armee, sondern auch für die Partei die erste Erfordernis." Die dringendste Tagesaufgabe war, "die Organisationen und die Organe der Partei und der Gewerkschaften intakt [zu] halten."[44]

Die Gegenüberstellung von Imperialismus und Krieg sei eine grobe Vereinfachung einer komplexen Situation, schrieb Kautsky. Man müsse die Partei und ihre Organisationen intakt halten und auf die Rückkehr zu friedlichen Bedingungen vorbereiten, unter denen die Partei ihre Arbeit wie vor dem Krieg weiterführen würde.

In seinem Kampf gegen Kautsky machte Lenin deutlich, dass man den Objektivismus und offenen Fatalismus angreifen musste, der die Zweite Internationale zu dominieren begonnen hatte. In den Händen Kautskys war der Marxismus von einer Anleitung zum revolutionären Handeln zu einer ausgeklügelten Rechtfertigung von vollendeten Tatsachen verkommen.

Lenin hielt dagegen, es sei nicht möglich die objektive Situation einzuschätzen, ohne darin die Rolle der Partei selbst zu berücksichtigen. Es war richtig, dass die Massen sich nicht gegen den Krieg gewandt hatten, doch konnte man diese "Tatsache" nicht unabhängig von der Rolle der Partei und insbesondere ihrer Führung betrachten. Indem sie dem Hohenzollern-Regime ihre Unterstützung zusagte, hatte die SPD selbst zu dieser Situation beigetragen. Lenin behauptete nicht, Aufgabe der Partei sei die sofortige Aufnahme revolutionärer Kämpfe zur Machteroberung gewesen - das war eine von den Opportunisten gezeichnete Karikatur. Doch man musste in unversöhnlicher Opposition zur Regierung bleiben und den Tag vorbereiten, an dem sich die Massen selbst gegen diese wenden würden.

Den Opportunisten zufolge war der Kriegseintritt der Regierung ein Ausdruck ihrer enormen Stärke. Die Partei konnte sich demnach nicht gegen sie stellen, da sie dadurch ihre Zerschlagung herbeigeführt hätte. Im Gegensatz dazu erklärte Lenin, zum Kriegsbeginn sei das herrschende Regime wie nie zuvor auf die Unterstützung gerade jener Parteien angewiesen gewesen, die sich in der Vergangenheit als seine größten Gegner ausgegeben hatten.

Der Lauf der Geschichte bestätigte Lenins Einschätzung. Die Haltung der SPD zu einem Kriegseintritt war in der herrschenden Klasse und den politischen Kreisen Deutschlands schon seit geraumer Zeit diskutiert worden. Es gab die Befürchtung, dass im Falle eines ungünstigen Kriegsverlaufs die militärische Niederlage sehr bald vom Sturz des Regimes gefolgt würde.

Während der Julikrise war die Haltung der SPD ein wichtiger Faktor in den Kalkulationen von Bethmann Hollweg. Seine Taktik leitete sich aus der Einschätzung ab, dass die SPD-Führer dem Krieg zustimmen würden, wenn man ihn so präsentieren konnte, als ob Deutschland nicht die Offensive ergriffen habe (was tatsächlich der Fall war), sondern sich gegen einen Angriff Russlands zur Wehr setze. Einem Krieg gegen den Zarismus konnte man dann eine "progressive" Färbung verleihen.

Im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen Lenin und Kautsky standen ihre gegensätzlichen Auffassungen über die Zukunft des Kapitalismus’ als Gesellschaftssystem. Für Lenin ergab sich die Notwendigkeit der internationalen sozialistischen Revolution - als deren ersten Schritt die Russische Revolution von 1917 konzipiert war - aus der Einschätzung, dass der Ausbruch des imperialistischen Krieges den Beginn einer historischen Krise des kapitalistischen Systems bedeute, die trotz Waffenstillständen und sogar Friedensabkommen nicht überwunden werden könne.

Darüber hinaus hatten die ökonomischen Prozesse, die dem imperialistischen Zeitalter zugrunde lagen - d.h. der Übergang vom Kapitalismus des Wettbewerbs im 19. Jahrhundert zum Monopolkapitalismus des 20. Jahrhunderts - die objektiven Bedingungen für die Entwicklung einer internationalen sozialistischen Wirtschaft geschaffen.

Kautsky legte seine Perspektive in einem kurz nach Kriegsausbruch veröffentlichten Artikel dar, hatte sie jedoch bereits in den Monaten zuvor ausgearbeitet. Er vertrat darin die Ansicht, auf die gegenwärtige imperialistische Phase werde eine neue Epoche des Ultraimperialismus folgen.

Der Imperialismus, so schrieb er, sei ein Produkt des hochindustrialisierten Kapitalismus, der sich dadurch auszeichne, dass jede kapitalistische Industrienation den Impuls entwickle, immer größere Agrargebiete zu erobern und zu annektieren. Des weiteren bedeute die Einverleibung der eroberten Gebiete als Kolonien oder Einflussgebiete der betreffenden Industrienation, dass der Imperialismus den Freihandel als Mittel kapitalistischer Expansion abgelöst habe. Die imperialistische Eroberung von Agrarregionen und die Versuche, deren Bevölkerungen auf das Niveau der Sklaverei herabzudrücken, würden weitergehen, so Kautsky. Sie nähmen erst ein Ende, "wenn entweder ihre Bevölkerungen oder wenn das Proletariat der kapitalistischen Industrieländer stark genug geworden ist, das kapitalistische Joch zu zerbrechen. Diese Seite des Imperialismus ist nur durch den Sozialismus zu überwinden."

"Aber der Imperialismus", fuhr Kautsky fort, " hat noch eine andere Seite." Die Tendenz zur Besetzung und Unterwerfung der Agrargebiete habe scharfe Widersprüche zwischen den kapitalistischen Industrienationen hervorgerufen. Als Ergebnis hiervon habe sich das Wettrüsten der Großmächte von den Landstreitkräften auf die Streitkräfte zur See ausgeweitet und der seit langem prophezeite Weltkrieg sei Wirklichkeit geworden. Kautsky fragte dann, ob auch diese Seite des Imperialismus für die weitere Existenz des Kapitalismus notwendig sei und nur mit dem Kapitalismus selbst überwunden werden könne.

Er antwortete, es gebe auch vom Standpunkt der Kapitalistenklasse selbst "keine ökonomische Notwendigkeit" dafür, das Wettrüsten nach Ende des Krieges fortzusetzen (ausgenommen die Sonderinteressen einiger weniger, direkt mit der Waffenproduktion beschäftigter Teile des Kapitals). Im Gegenteil stellten vielmehr die Gegensätze zwischen den Industrienationen eine erste Bedrohung für die kapitalistische Wirtschaft dar, so dass "Kapitalisten, die über den Tellerrand hinausblicken" ihren Kollegen zurufen müssten: "Kapitalisten aller Länder, vereinigt Euch!"

Gleichsam wie Marx’ Analyse des kapitalistischen Wettbewerbs die Entwicklung des Monopols und die Bildung von Kartellen aufgezeigt hatte, erklärte Kautsky, könnte das Ergebnis des Krieges ein Bündnis der stärksten kapitalistischen Mächte sein, welches dann das Wettrüsten beenden würde.

"Vom rein ökonomischen Standpunkt ist es also nicht ausgeschlossen, dass der Kapitalismus noch eine neue Phase erlebt, die Übertragung der Kartellpolitik auf die äußere Politik, eine Phase des Ultraimperialismus, den wir natürlich ebenso energisch bekämpfen müssten wie den Imperialismus, dessen Gefahren aber in anderer Richtung lägen, nicht in der des Wettrüstens und der Gefährdung des Weltfriedens." [45]

Kautskys Analyse zufolge bestand keinerlei objektive historische Notwendigkeit, den Kapitalismus mittels einer sozialistischen Revolution zu stürzen, um dadurch die Barbarei zu beenden, die der imperialistische Krieg entfesselt hatte. Im Gegenteil: Abgesehen von einigen direkt mit der Waffenproduktion verbundenen Industriezweigen hatten die Imperialisten selbst ein Interesse an einer Übereinkunft zur Sicherung eines Weltfriedens, in dessen Rahmen sie dann ihre wirtschaftliche Plünderung fortsetzen könnten.

In seiner Antwort auf Kautsky machte Lenin deutlich, dass zwar die Tendenz der ökonomischen Entwicklung auf ein einziges Weltmonopol hinauslief, diese Entwicklung jedoch durch solche Widersprüche und Konflikte ökonomischer, politischer und nationaler Art gekennzeichnet war, dass der Kapitalismus lange vor der Verwirklichung dieses Weltmonopols und der "ultraimperialistischen" Verschmelzung des Finanzkapitals gestürzt werden würde.

Darüber hinaus, betonte Lenin, seien ultraimperialistische Bündnisse " notwendigerweise nur ‚Atempausen’ zwischen Kriegen - gleichviel, in welcher Form diese Bündnisse geschlossen werden, ob in der Form einer imperialistischen Koalition gegen eine andere imperialistische Koalition oder in Form eines allgemeinen Bündnisses aller imperialistischen Mächte. Friedliche Bündnisse bereiten Kriege vor und wachsen ihrerseits aus Kriegen hervor, bedingen sich gegenseitig, erzeugen einen Wechsel der Formen friedlichen und nicht friedlichen Kampfes auf ein und demselben Boden imperialistischer Zusammenhänge und Wechselbeziehungen der Weltwirtschaft und der Weltpolitik." [46]

Es gab, wie Lenin feststellte, tiefe und in der kapitalistischen Produktionsweise selbst verwurzelte objektive Gründe, die es unmöglich machten, von einem ultraimperialistischen Bündnis im Sinne Kautskys auszugehen. Seiner ureigenen Natur nach entwickelte sich der Kapitalismus ungleich. Schließlich war Deutschland fünfzig Jahre zuvor noch "eine klägliche Null" gewesen, verglich man die damalige kapitalistische Wirtschaftsstärke des Landes mit der Großbritanniens. Nun erhob es Anspruch auf die europäische Hegemonie.

Es war undenkbar, dass sich die relative Stärke der imperialistischen Mächte in zehn oder zwanzig Jahren nicht weiter verändern würde. Dem entsprechend würde ein Bündnis, das zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Basis der relativen Stärke seiner Beteiligten geschlossen wurde, an einem späteren Punkt zusammenbrechen und einer Neuformierung von Bündnissen und Konflikten den Boden bereiten - eben aufgrund der ungleichen Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft selbst.

Es gab einen weiteren Schlüsselaspekt in Lenins Analyse, nicht weniger wichtig als seine Widerlegung von Kautskys Perspektive des Ultraimperialismus. Die objektive historische Notwendigkeit der sozialistischen Revolution entsprang nicht einfach der Tatsache, dass Imperialismus und Monopolkapitalismus unvermeidlich zu Kriegen führten. Sie ergab sich aus den Veränderungen der Wirtschaftsbeziehungen, die der Monopolkapitalismus eingeleitet hatte.

"Der Sozialismus", schrieb Lenin, "schaut bereits durch alle Fenster des modernen Kapitalismus auf uns." [47] Man musste, so betonte er, die Bedeutung der Veränderungen in den Produktionsverhältnissen untersuchen, die sich durch die Entwicklung des Monopolkapitalismus ergeben hatten. Diese bestanden nicht nur in der bloßen Verflechtung des Eigentums. Auf der Basis des Monopolkapitalismus fand eine ungeheure weltweite Vergesellschaftung der Produktion statt.

"Wenn aus einem Großbetrieb ein Mammutbetrieb wird, der planmäßig, auf Grund genau errechneter Massendaten, die Lieferung des ursprünglichen Rohmaterials im Umfang von zwei Dritteln oder drei Vierteln des gesamten Bedarfs für Dutzende von Millionen der Bevölkerung organisiert; wenn die Beförderung dieses Rohstoffs nach den geeignetsten Produktionsstätten, die mitunter Hunderte und Tausende Meilen voneinander entfernt sind, systematisch organisiert wird; wenn von einer Zentralstelle aus alle aufeinanderfolgenden Stadien der Verarbeitung des Materials bis zur Herstellung der verschiedenartigsten Fertigprodukte geregelt werden; wenn die Verteilung dieser Produkte auf Dutzende und Hunderte von Millionen Konsumenten nach einem einzigen Plan geschieht [...] - dann wird es offensichtlich, daß wir es mit einer Vergesellschaftung der Produktion zu tun haben und durchaus nicht mit einer bloßen ‚Verflechtung’; daß privatwirtschaftliche und Privateigentumsverhältnisse eine Hülle darstellen, die dem Inhalt bereits nicht mehr entspricht und die daher unvermeidlich in Fäulnis übergehen muß, wenn ihre Beseitigung künstlich verzögert wird, eine Hülle, die sich zwar verhältnismäßig lange in diesem Fäulniszustand halten kann [...], die aber dennoch unvermeidlich beseitigt werden wird." [48]

Lenin behauptete nicht, ein Fortbestehen des Kapitalismus sei unmöglich. Vielmehr würde sich der Niedergang der Wirtschafts- und Eigentumsbeziehungen fortsetzen, sollte ihre Beseitigung künstlich verzögert werden. Aus der vorsichtigen Sprache der Broschüre, durch die sie den Händen des Zensors entkommen sollte, in klare Worte übersetzt bedeutete dies: sollte die gegenwärtige Führung der Arbeiterklasse nicht ersetzt werden.

Für Lenin drehte sich alles um diese Frage. Eben darum pochte er mehr als jeder andere in der marxistischen Bewegung auf die Notwendigkeit eines vollständigen Bruchs mit den Führern der Zweiten Internationale, nicht nur mit den offenen Vertretern des rechten Flügels, sondern besonders auch mit den Zentristen wie Kautsky, die eine überaus gefährliche Rolle spielten. Der Aufbau der Dritte Internationale war zur historischen Notwendigkeit geworden.

Für Harding jedoch besteht ein grundlegender Widerspruch zwischen einer Analyse, die die objektiven Prozesse innerhalb des Kapitalismus enthüllt, die eine sozialistische Revolution sowohl möglich als auch notwendig machen, und der gleichzeitigen Betonung der überaus wichtigen und unverzichtbaren Rolle des subjektiven Faktors im historischen Prozess.

Die Anwesenheit Lenins, legt er dar, war für die Revolution in Russland entscheidend. Wie viele theoretische Diskussionen auch über den Stand der Produktivkräfte und das Niveau des sozialistischen Bewusstseins oder über die internationale Lage geführt wurden - all dies konnte nicht darüber entscheiden, ob es in Russland zur sozialistischen Revolution kommen würde.

"Ausschlaggebend war tatsächlich die ‚zufällige’ Anwesenheit eines Mannes mit dem unerschütterlichen Glauben, eine Zivilisation sei im Untergang begriffen und es müsse daher eine andere entstehen. Dies bedeutet lediglich, dass der Marxismus niemals eine ‚Wissenschaft der Revolution’ war, und dass die Suche nach einer endgültigen Anleitung zum Handeln - mit Rücksicht auf dessen ‚objektive’ Grenzen - besonders und vor allem in den Zeiten revolutionären Schocks zum Scheitern verurteilt war." [49]

Niemand bestreitet Lenins entscheidende Rolle in der Russischen Revolution. Doch gerade die Tatsache, dass seine Perspektive sich auf eine umfassende Analyse der objektiven Prozesse und Entwicklungstendenzen gründete, ließ ihn in dieser Situation zu einem so mächtigen Faktor werden.

Eine Revolution wird oft mit dem Geburtsvorgang verglichen, die Rolle der revolutionären Partei mit derjenigen der Hebamme. Die Geburt des Kindes ist das Ergebnis objektiver Prozesse. Doch ohne das rechtzeitige, durch die allgemeine Kenntnis des Geburtsvorgangs angeleitete Eingreifen der Hebamme ist es gut möglich, dass die Geburt in einer Tragödie endet.

Natürlich hat jede Analogie ihre Grenzen. Doch ein Studium der Geschichte zeigt, dass das entscheidende Eingreifen der "Hebamme" die Geburt der Russischen Revolution zu einem erfolgreichen Ende brachte. Ebenso hatte das Fehlen eines solchen Eingreifens während der revolutionären Erhebungen in Deutschland und anderswo in der Zeit direkt nach dem Krieg Konsequenzen, die sich als katastrophal erweisen sollten. Wenn Lenin entscheidend in der Russischen Revolution war, so spielte die Ermordung Rosa Luxemburgs eine bedeutende Rolle beim Scheitern der deutschen Revolution in den frühen 1920er Jahren.

Es bleibt die Frage: Berechtigt etwas zu der Behauptung, Lenins Perspektive sei widerlegt? In jedem Falle nicht, dass der Kapitalismus weiter gewachsen ist und dass seither Entwicklungen der Produktivkräfte stattgefunden haben.

Die entscheidende Frage ist: Hat das Wachstum des Weltkapitalismus seit dem Ersten Weltkrieg und der Russische Revolution die Widersprüche beseitigt, aus denen Lenin, Trotzki und die Bolschewiki ihre Perspektive der sozialistischen Weltrevolution ableiteten?

Die Bedeutung der Auseinandersetzung zwischen Lenin und Kautsky reicht weit über die unmittelbaren Umstände des Ersten Weltkriegs hinaus. Sie beinhaltete den Zusammenprall von zwei einander diametral entgegengesetzten historischen Perspektiven. Kautskys Theorie des Ultraimperialismus bedeutete nicht nur die Ablehnung der sozialistischen Revolution für die Kriegsperiode, sondern auch für eine unbegrenzte Zeit danach. Denn im Zentrum dieser Weltanschauung stand die Auffassung, letztlich werde die imperialistische Bourgeoisie erkennen, dass aus den Widersprüchen zwischen einer immer enger verflochtenen globalen Produktionsweise und dem Nationalstaatensystem Konflikte erwachsen, die eine Gefahr für ihre eigene Herrschaft darstellen. Sie würde daher in der Lage sein, diese Widersprüche zu mildern.

Kein Marxist würde bestreiten, dass die Bourgeoisie Mittel zu ihrer Selbstrettung ergreift. Tatsächlich könnte man in gewisser Hinsicht die politische Ökonomie des 20. Jahrhunderts als eine Geschichte ständiger Bemühungen der Bourgeoisie beschreiben, den Auswirkungen der Widersprüche und Konflikte der kapitalistischen Produktionsweise entgegenzuwirken und den Ausbruch der sozialen Revolution zu verhindern.

Doch die Analyse des Akkumulationsprozesses - des Herzstücks der kapitalistischen Produktionsweise - offenbart, dass der Fähigkeit der herrschenden Klassen, diese Konflikte zu unterdrücken, objektive Grenzen gesetzt sind. Wenn auch das "Kapital als Ganzes" eine reale Entität ist und weitsichtige Politiker zu gewissen Zeiten seine Interessen vertreten können, so existiert doch das Kapital in Form vieler Kapitalien, die sich im ständigen Kampf um die Extraktion von Mehrwert aus der Arbeiterklasse befinden. In dem Maße, wie die Masse des dem Kapital zugänglichen Mehrwerts insgesamt wächst, können diese Kämpfe zwischen den unterschiedlichen Vertretern des Kapitals kontrolliert und geregelt werden. Doch wenn sich einmal die Situation wendet, wie das unvermeidlich geschieht, so gestalten sich solche Regelungen zunehmend schwierig und eine Periode imperialistischer Konflikte tritt ein. Letztlich mündet diese dann im bewaffneten Konflikt.

Die Geschichte bestätigt, was die theoretische Analyse zeigt. Gegen Ende der 1980er Jahre, als die Nachkriegsordnung der internationalen Beziehungen zusammenzubrechen begann, wies ein Autor scharfsichtig auf die Relevanz der Auseinandersetzung zwischen Lenin und Kautsky hin:

"Da sich Macht und Führungsanspruch Amerikas infolge des ‚Gesetzes der ungleichen Entwicklung’ im Niedergang befinden, werden sich die Konfrontationen häufen und wird das System zusammenbrechen, wenn eine Nation nach der anderen eine Politik im Sinne von ‚Jeder ist sich selbst der Nächste’ verfolgt, wie Lenin dies erwartet hätte? Oder wird Kautsky damit Recht behalten, dass die Kapitalisten zu vernünftig sind, um dieses für alle Beteiligten verderbliche ökonomische Gemetzel zuzulassen?" [50]

Seit diese Zeilen geschrieben wurden, sind knapp zwei Jahrzehnte vergangen und die Frage ist beantwortet worden. Als Ergebnis der immer aggressiveren Rolle des US-Imperialismus ist das Atlantikbündnis der Nachkriegszeit zusammengebrochen. Während die USA nach dem Krieg die Vereinigung Europas anstrebten, versuchen sie heute, in ihrem eigenen Interesse die europäischen Mächte gegeneinander auszuspielen. Die europäischen Mächte wiederum haben, um die Konflikte nicht wieder aufkommen zu lassen, die in drei Jahrzehnten zwei Weltkriege ausgelöst hatten, den gemeinsamen Markt und die Europäische Union aufgebaut - und sind heute dennoch tiefer gespalten als je zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg.

Um Märkte und Rohstoffe, insbesondere Öl, ist ein weltweiter Konflikt entbrannt. Und im Osten wirft der Aufstieg Chinas die Frage auf, ob der Aufstieg dieser neuen Industriemacht im 21. Jahrhundert die gleiche destabilisierende Rolle spielen wird wie der Aufstieg Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert.

Die Mechanismen, die in der Nachkriegszeit in Kraft gesetzt wurden, um die Konflikte zwischen den kapitalistischen Großmächten zu regulieren, sind entweder zusammengebrochen oder befinden sich im Stadium des fortgeschrittenen Verfalls. Gleichzeitig vertieft sich die soziale Polarisierung im internationalen Maßstab. Die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise, die zum Ersten Weltkrieg geführt haben, sind nicht überwunden, sondern melden sich mit Gewalt zurück.

Anmerkungen:

[1] Leo Trotzki, Der Krieg und die Internationale, in: ders., Europa im Krieg, Essen 1998, S. 377.

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Ebd., S. 377f.

[5] Trotzki, Imperialismus und nationale Idee , in: ders., Europa im Krieg, a.a.O., S. 230.

[6] Trotzki, Der Krieg und die Internationale, a.a.O., S. 380.

[7] Zit. nach: Richard F. Hamilton/Holger H. Herwig, Decisions for war 1914-17, Cambridge 2004, S. 19 (aus dem Englischen).

[8] Kongreß-Protokolle der Zweiten Internationale, zit. nach: Ferguson, Der falsche Krieg, Stuttgart 1999, S. 66.

[9] Ferguson, a.a.O., S. 67.

[10] Ebd., S. 68f (Hervorhebung hinzugefügt).

[11] Wolfgang J. Mommsen, Triebkräfte und Zielsetzungen des deutschen Imperialismus, in: Der autoritäre Nationalstaat 1871-1918, Frankfurt a.M. 1990, S. 199f.

[12] Hew Strachan, The First World War , Oxford 2001, S.101 (aus dem Englischen, Hervorhebung hinzugefügt).

[13] Trotzki, Der Krieg und die Internationale, a.a.O., S. 389.

[14] Zit. nach: Trotzki, Der Krieg und die Internationale, S. 394f.

[15] Bernhard Fürst von Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 1, Berlin 1930, S. 415f .

[16] Zit. nach: Fritz Fischer, Krieg der Illusionen, Düsseldorf 1969, S. 69f.

[17] Zit. nach: Volker Berghahn, Germany and the approach of war in 1914, London 1973, S. 146 (aus dem Englischen).

[18] Berghahn, a.a.O., S. 164.

[19] Zit. nach: Fritz Fischer, Weltmacht oder Niedergang. Deutschland im ersten Weltkrieg, Frankfurt/Main 1968, S. 46.

[20] Zit nach: Fritz Fischer, Krieg der Illusionen, Düsseldorf 1969, S. 649.

[21] Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht, Düsseldorf 1967, S. 93f.

[22] James Joll, Die Ursprünge des Ersten Weltkriegs, München 1988, S. 228.

[23] Fischer, Weltmacht oder Niedergang, a.a.O., 1968, S. 48f.

[24] Élie Halévy, The world crisis of 1914-18 in: Ders., Era of Tyrannies, New York 1965, S. 210.

[25] Karl Marx/Friedrich Engels, Brief an den Ausschuß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, August 1870, in: MEW Bd. 17, Berlin 1973, S. 269

[26] David Stevenson, Armaments and the Coming of War, Oxford 1996, S. 391 (aus dem Englischen).

[27] zitiert nach Zara S. Steiner, Britain and the Origins of the First World War, London 1977, S. 44. (aus dem Englischen).

[28] Ebd., S. 40.

[29] Zit. nach: Paul M. Kennedy, The Rise of the Anglo-German Antagonism, London 1987, S. 467.

[30] Zit. nach: Berghahn, a.a.O. S. 95-96.

[31] Hamilton/Herwig, a.a.O., S.133 (aus dem Englischen).

[32] Peter J. Cain/A. G. Hopkins, British Imperialism, London 2002, S. 195f (aus dem Englischen).

[33] John H. Morrow, The Great War: An Imperial History, London 2004, S. 9 (aus dem Englischen).

[34] S. B. Saul, Studies in British Overseas Trade, zit. nach: Eric Hobsbawm, Industrie und Empire. Britische Wirtschaftsgeschichte seit 1750, Bd. 1, Frankfurt/Main 1968, S. 152.

[35] Joll, a.a.O., S. 146.

[36] Trotzki, On the Question of Tendencies in the Development of the World Economy, in: The Ideas of Leon Trotsky, H. Tickten and M. Cox (Hg.), London 1995, S. 355-70, (aus dem Englischen).

[37] Trotzki, The first five years of the Third International, Bd. 2, S. 306 (aus dem Englischen).

[38] Neil Harding, Leninism, Durham 1996, S. 11 (aus dem Englischen).

[39] Ebd., S. 113.

[40] Ebd., S. 114.

[41] Ebd., S. 277f.

[42] Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, in: Werke Bd. 22, Berlin 1971, S. 305f

[43] Engels, Einleitung zu S. Borkheims Zur Erinnerung für die deutschen Mordspatrioten 1806-1807, zit. nach Lenin, Prophetische Worte, in: Werke Bd. 27, Berlin 1970, S. 494f.

[44] Kautsky, Der Krieg, in: NZ 32, 1913/14, Bd. 2, S. 845, zit. nach: Massimo Salvadori, Sozialismus und Demokratie, Stuttgart 1982, S. 265f.

[45] Kautsky, Der Imperialismus, in: NZ 32 1913/14, Bd. 2, S. 919ff, zit. nach: Salvadori, a.a.O., S. 271ff.

[46] Lenin, Der Imperialismus, a.a.O., S. 301.

[47] Lenin, Die drohende Katastrophe und wie man sie abwenden soll, in: Werke Bd. 25, Berlin 1970, S.370.

[48] Lenin, Der Imperialismus, a.a.O., S. 308.

[49] Harding, a.a.O., S. 110.

[50] Robert Gilpin, The Political Economy of International Relations, Princeton 1987, S. 64 (aus dem Englischen).

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