Trat Anfang der 1970er Jahre in die trotzkistische Bewegung ein

Das Leben und die Karriere des Schauspielers Corin Redgrave

Am 6. April, drei Monate vor seinem 71. Geburtstag, starb in einer Londoner Klinik der britische Schauspieler Corin Redgrave. Bereits im Jahr 2000 wurde Prostatakrebs bei ihm diagnostiziert und 2005 erlitt er einen schweren Herzanfall. Er erholte sich gesundheitlich jedoch so weit, dass er 2009 wieder auf der Bühne stand und sogar zukünftige Theaterprojekte im Gespräch waren.

Presseberichten zufolge erkrankte er kürzlich erneut und starb nun im Kreise enger Familienangehöriger und seiner Frau Kika Markham.

Während des SLL-Marsches für Arbeitsplätze von Glasgow nach London, 1972. Links der Regisseur Ken Loach, rechts im Bild Redgrave. Während des SLL-Marsches für Arbeitsplätze
von Glasgow nach London, 1972.
Links der Regisseur Ken Loach, rechts im Bild Redgrave.

Corin Redgrave und seine Schwester Vanessa gehörten zu den prominentesten Mitgliedern der britischen Künstlergeneration, die sich in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts von der von Gerry Healy geführten trotzkistischen Socialist Labour League (SLL) angezogen fühlten - der späteren Workers Revolutionary Party (WRP). Viele opferten ihrem Eintreten für eine sozialistische Zukunft Ruhm und Karriere.

Das Engagement dieser Künstler in der marxistischen Bewegung stellte in England den Gipfelpunkt einer Periode außergewöhnlicher intellektueller und kultureller Gärung dar. Der britische Imperialismus stand am Ende des Zweiten Weltkrieges vor dem Bankrott. Das Empire zerfiel, die Arbeiterklasse geriet in Bewegung - und ihre Abscheu vor der abgehalfterten Aristokratie und vor dem herrschenden Establishment überhaupt fand künstlerischen Ausdruck.

Vanessa Redgrave als WRP- Kandidatin im Wahlkampf 1974 Vanessa Redgrave als WRP- Kandidatin im Wahlkampf 1974

Die Inhaltsleere des bürgerlichen Lebens und die Scheinheiligkeit der britischen Institutionen wurden unbarmherziger kultureller Kritik unterzogen - zorniger, sarkastischer, bilderstürmerischer und rebellischer Kritik. Die "Angry Young Men" der Mittfünfziger, eine Gruppe von Schriftstellern aus der Arbeiterklasse und der unteren Mittelschicht, zu der auch John Osborne, Kingsley Amis, John Braine und Alan Sillitoe gehörten, brachten Verbitterung und Ernüchterung über die britische Gesellschaft zum Ausdruck. Richard Burton war einer der prominentesten und talentiertesten Künstler dieser Strömung.

Der "British New Wave" der frühen sechziger Jahre griff diese Themen in etlichen Kino- und Fernsehfilmen auf - überwiegend in eher linksliberaler Form: in Werken wie Lindsay Anderson’s Lockender Lorbeer, Karel Reisz’s Samstagnacht bis Sonntagmorgen und Tony Richardson’s Die Einsamkeit des Langstreckenläufers (die zwei letztgenannten Filme basieren auf Erzählungen von Alan Sillitoe). Neue Schauspieler kamen in Verbindung mit dem "Neo-Realismus"auf die Leinwand, so beispielsweise Albert Finney, Tom Courtenay, Alan Bates, Rita Tushingham und Richard Harris.

Die Arbeiten jener Periode waren künstlerisch uneinheitlich, aber überwiegend direkt und provokativ. Bei allen Schwächen bleibt doch vieles in Erinnerung und sind manche Umsetzungen unvergesslich. In diesem Klima erfasste das britische Kino und Theater, weitaus stärker als dies in den USA der Fall war, das Leben der Arbeiterklasse in einer als realistisch und unsentimental zu bezeichnenden Weise.

Dieser seltene Moment war Ausdruck zunehmender revolutionärer Unruhe.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig auf die außerordentliche Rolle der SLL und besonders Gerry Healys hinzuweisen. Es war kein Zufall, dass sich so viele Künstler der SLL anschlossen. Sie war die einzige revolutionäre Partei in Großbritannien und die einzige aufrichtige noch dazu. Die trotzkistische Bewegung Großbritanniens, in der Healy eine entscheidende Rolle spielte, wurde in einem jahrzehntelangen Kampf gegen die Labour Party und die Stalinisten geformt. Außerdem trug sie etwas in das Milieu der Künstler, Schriftsteller und Intellektuellen, was ansonsten generell fehlte - eine historische Perspektive.

Während vieler Jahre bewahrte Healy, dessen Rolle Trevor Griffiths in seinem Stück Die Partei aus dem Jahre 1973 würdigte, die revolutionäre sozialistische Perspektive gegen alle Angriffe.

Corin Redgrave entstammte einer alten Schauspielerfamilie. Sein Großvater väterlicherseits, der 1922 in Australien verstorbene Roy Redgrave, war Bühnenschauspieler und spielte auch in Stummfilmen. Margaret Scudamore, Corins Großmutter väterlicherseits, stand ebenfalls auf der Bühne.

Corins Vater, Michael Redgrave (1908-1985), war in seiner Generation - zu der auch Laurence Olivier, John Gielgud, Ralph Richardson und Alec Guinness gehörten - einer der bekanntesten englischen Bühnen- und Filmschauspieler. Auch Michaels Frau, Rachel Kempson (1910-2003), war eine gefeierte Bühnen- und Filmschauspielerin.

Auch die 1937 und 1943 geborenen Schwestern Corin Redgraves, Vanessa und Lynn, sind prominente Schauspielerinnen und die nächste Generation bildeten die 2009 bei einem Skiunfall tödlich verunglückte Joely Richardson und ihre Schwester Natasha, die Töchter Vanessas und des Regisseurs Tony Richardson.

Man muss wohl darauf hinweisen, dass Corin Redgrave lange Zeit seines Lebens im Schatten seines Vater und seiner bekannteren älteren Schwester lebte und arbeitete, oder dass zumindest die Öffentlichkeit dies so wahrnahm.

Nach Abschluss des Kings College in Cambridge begann 1961, im Alter von 22 Jahren, seine Karriere an Londons bekanntem Royal Court Theatre mit einer Rolle in Shakespeares Ein Sommernachtstraum. Im Film bzw. im Fernsehen war er erstmalig 1964 in " The Avengers " zu sehen.

Danach hatte er Nebenrollen in einer Reihe von Filmen, in denen seine Schwester Vanessa die Hauptrolle spielte, so in Ein Mann zu jeder Jahreszeit (1966), Der Angriff der leichten Brigade (1968), in Oh! What a lovely War (1969) und mit seiner Schwester Lynn in dem 1966 gedrehten Film The Deadly Affair.

Er erhielt auch eine Rolle in Mario Monicellis Film Das Mädchen mit der Pistole (1968) mit Monica Vitti in der Hauptrolle. Ausschnitte dieses durchaus amüsanten Films, wie auch Szenen aus Ein Mann zu jeder Jahreszeit sind bei YouTube zu finden.

Der junge Redgrave beeindruckte mit seiner intelligenten und imposanten Persönlichkeit, obwohl er ein wenig steif schien. Er hatte nicht das Charisma, die Dominanz und womöglich das Naturtalent seines Vaters und seiner Schwester - er musste härter für seine Schauspielkunst arbeiten - oder, um es anders zu sagen, er war bedächtiger.

Ein professioneller Schauspieler muss mit jedem Stoff zurechtkommen, unabhängig davon, ob er ihm gefällt, missfällt oder er ihn als belanglos ansieht. Er muss, wenn er alles geben will, mehr oder weniger eins mit dem betreffenden Stück werden. Beim jungen Redgrave kann man sich nicht gänzlich von dem Verdacht frei machen, dass er oft, und auch zurecht, seine Rollentexte unpassend oder gar banal fand. Er erscheint oft gescheiter, als es in der jeweiligen Rolle von ihm erwartet wird, intelligenter als sein Stoff - was für Schauspieler ein Problem ist.

Redgrave nahm in den späten 1960er Jahren in London an Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg teil, von denen einige von seiner bereits prominenten Schwester geführt wurden. Um 1970 kam er mit der Socialist Labour League in Berührung. Er war bereits so weit in die Bewegung eingebunden, dass er im satirisch-musikalischen Stück "200 Jahre Labour", dem ersten großen Projekt der SLL nahestehender Künstler, das auf der großen Anti-Tory-Kundgebung im Februar 1971 im Londoner Alexandra Palace aufgeführt wurde, eine Rolle als Erzähler übernahm.

Es lohnt sich, rückblickend nochmals einige Namen von Künstlern zu nennen, die mit der SLL sympathisierten. Da waren die Regisseure Ken Loach und Roy Battersby, die Schriftsteller Jim Allen, Trevor Griffiths, John Arden, Margaretta D’Arcy, David Mercer, John McGrath, Colin Welland, Neville Smith, Tom Kempinski und Troy Kennedy Martin; die Produzenten/ Herausgeber Tony Garnett, Kenith Trodd und Roger Smith; unzählige Schauspieler, neben den Redgraves auch Tony Selby, Jack Shepherd, Frances de la Tour, Malcolm Tierney, David Calder, David Hargreaves usw.; der Journalist Francis Wyndham; der Künstler und Photoarchivar David King; and zahllose andere.

Zu denen, die zumindest an Theatervorstellungen mitwirkten, zu den Veranstaltungen der Young Socialists kamen oder ihren Namen für Spendenaktionen zur Verfügung stellten, gehörten die Schauspieler Judy Geeson, Eleanor Bron, Judi Dench, Glenda Jackson, Marty Feldman, Dudley Moore, Suzi Kendall, Helen Mirren, Roy Kinnear and Anthony Booth; die Dichter Adrian Mitchell and Christopher Logue; der Komiker Spike Milligan; die Sänger Annie Ross and Paul Jones (vormals Sänger bei Manfred Mann); die Rockbands Slade and UB40, die Harmonika-Legende Larry Adler; der Talkmaster Michael Parkinson und andere.

Corin Redgrave war einer jener Künstler und Intellektuellen die das Studium des Marxismus und Trotzkismus am ernsthaftesten betrieben, um ihr Handeln auf eine theoretische Grundlage zu stellen. Viele der an den Aktivitäten der SLL-WRP beteiligten Schauspieler, auch Redgraves Schwester Vanessa, verließen sich weitaus stärker auf ihre Intuition. Nach den Berichten derjenigen die ihn kannten, könnte man es vereinfacht so ausdrücken: während Vanessa ständig schauspielte, dachte Corin ununterbrochen nach.

Vanessa war jederzeit bereit ihren unerschöpflichen Vorrat an Gestik und Kunstgriffen einzusetzen. Sie konnte jederzeit Antigone, Cleopatra oder Die Frau vom Meer sein. Corin war so ziemlich das genaue Gegenteil davon. Ein schüchterner und reservierter Mann, der leise und mit langen Pausen redete, während derer er tief an seiner Zigarette zog und den Eindruck machte, als suche er nach den passenden Worten.

Corin Redgrave 1971 auf der Kundgebung für die Tageszeitung Workers Press Corin Redgrave 1971 auf der Kundgebung für die Tageszeitung Workers Press

Corin Redgrave nahm ab 1971 ernstlich am politischen Leben teil. Am 1. Juli jenes Jahres, zwei Wochen vor seinem 32. Geburtstag, erklärte Redgrave in einer Leserzuschrift der Tageszeitung der SLL: "Warum ich die Workers Press lese":

"Ich lese die Workers Press um zu verstehen, was vor sich geht. Auf vier Seiten kommt sie dem Kern der Sache näher, als andere Zeitungen auf zwanzig. Aber das ist ja auch nicht der Zweck anderer Zeitungen."

"Unter dem Deckmäntelchen der ‘unparteiischen, objektiven Berichterstattung’ versteckt sich ihre Absicht, den Leser von der Einsicht in die Notwendigkeit oder Möglichkeit zur Veränderung der wichtigen Dinge abzuhalten.

"Die Zeitungen der Fleet Street haben die Lebensdauer einer Eintagsfliege. Was als Information beginnt, endet als Abfall."

"Aber Wissen, im Unterschied zu Information, ist eine Sache kontinuierlicher Entwicklung. Deshalb sind die Artikel der [ Workers Press ] so wertvoll. Sie greifen historische, philosophische und wissenschaftliche Fragen auf und arbeiten sie bis zum Ende durch."

Corin und Vanessa Redgrave, SLL-Sekretär Gerry Healy und der strafweise entlassene Gewerkschafter und Glasarbeiter Gerry Caughey im Jahr 1971 Corin und Vanessa Redgrave, SLL-Sekretär Gerry Healy und der strafweise entlassene Gewerkschafter und Glasarbeiter Gerry Caughey im Jahr 1971

Auf der Titelseite der Workers Press vom 12. Juli 1971 war ein berührendes Foto zu sehen. Es zeigte Corin und Vanessa Redgrave mit Gerry Healy und Gerry Caughey, einem strafweise entlassenen Streikenden des Glasunternehmens Pilkington. Auf dem Foto ist Vanessa recht auffällig gekleidet, und sie ist deutlich erkennbar, obwohl ihre Mitgliedschaft in der SLL damals eine heikle Sache war. Später räumte Vanessa ein, dass es hauptsächlich Corin war, der ihre Zweifel ausräumte und sie überzeugte, der Partei beizutreten.

Die Redgraves waren mit der revolutionären Perspektive des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) einverstanden, und sie unterstützten seine Ausrichtung auf den Aufbau einer Bewegung der Arbeiterklasse auf sozialistischen Grundlagen. Sie versuchten, gemäß dieser Überzeugung zu handeln.

Dieser Prozess hatte jedoch verschiedene Seiten. Der Aufschwung des internationalen Klassenkampfs und der künstlerische Umbruch, den dieser auslöste, brachte viele Intellektuelle näher an die trotzkistische Bewegung in Großbritannien. Diese Bedingungen ermöglichten es, dass eine ganze Schicht sich revolutionärer Politik zuwandte, einschließlich Vertretern der kulturellen "Aristokratie", wie es beispielsweise die Redgraves waren.

Doch die Schwierigkeiten, die aus der politischen Situation entstanden, wurden dadurch nicht gelöst. Im November 1973 wurde die SLL zur WRP. In der darauf folgenden Zeit verwickelte sie sich in Widersprüche, die auch die Entwicklung von Corin Redgrave in Mitleidenschaft zogen. Diese Widersprüche erwuchsen aus objektiven Bedingungen, die für die marxistische Tendenz nicht günstig waren: Stalinisten, Gewerkschaftsbürokraten und Sozialdemokraten dominierten große Teile der europäischen und globalen Arbeiterklasse, und die echten trotzkistischen Kräfte waren isoliert.

Anfang der Siebziger, als die Redgraves und die meisten anderen Künstler praktisch und theoretisch noch sehr unerfahren waren, kamen ernste politische Probleme in der SLL auf. Die Künstler waren begeistert und außerordentlich engagiert, aber sie wussten nur wenig über die Geschichte der internationalen trotzkistischen Bewegung. Hinzu kam, dass Vanessa und Corin Redgraves Lebenserfahrung, obgleich sie keinesfalls abgehoben waren, doch keinerlei wirklichen Kontakt zum Kampf der arbeitenden Klasse beinhaltete.

Healy und die SLL standen eine Zeit lang gewissermaßen allein mit ihrem festen Entschluss, eine revolutionäre Partei aufzubauen, die von der Labourbürokratie, den Stalinisten, den Maoisten, Castro-Anhängern und bürgerlichen Nationalisten unabhängig war. Nachdem der großen Entschlossenheit der SLL der frühen 1960er Jahre begann die Partei Anfang der Siebziger, zum nationalistischen Opportunismus zu tendieren. Die nicht aufgearbeitete Spaltung mit der französischen Organisation Communiste Internationaliste (OCI) im Jahre 1971, dem Hauptverbündeten im Kampf gegen den pablistischen Opportunismus in den frühen 1960er Jahren, brachte für die SLL praktische und theoretische Schwierigkeiten mit sich.

Healy und die SLL-Führung entwickelten eine zunehmend nationalistische Perspektive. Sie nahmen immer mehr die Vorstellung an, es sei vor allem ihre Aufgabe, die Kräfte und Mittel für die britische Revolution aufzubauen, und sie dachten, sie könnten die Frage des Aufbaus einer Weltpartei derweilen auf Eis legen. Die Führer der SLL ließen in ihren Aussagen mehr und mehr erkennen, dass sie sich im Wesentlichen an den Bedürfnissen und Interessen der "englischen Arbeiter" orientierten.

Die sich Krise der SLL/WRP untergrub unvermeidlich die politische Ausbildung Corin Redgraves und anderer Künstler in der Partei. Hinzu kam, dass Redgrave die Schauspielerei nahezu gänzlich einstellte, zum Teil auch als Folge einer Schwarzen Liste in der Filmindustrie. Von Mitte der Siebziger bis 1990 bekam er nur eine Handvoll Aufträge für Kino- und Fernsehfilme.

Es ist eine falsche Vorstellung, dass sich künstlerische Arbeit und revolutionäre Politik gegenseitig ausschließen. Dieses Konzept war auch nicht Bestandteil der offiziellen SLL-Politik, und doch bestimmte es in der Praxis die Entscheidungen vieler Künstler. Besonders für jemanden wie Redgrave, dem die Schauspielerei im Blut lag, musste eine solche Entscheidung schädliche, wenn nicht lähmende Konsequenzen haben.

Ein Theaterstück über die englische Revolution von 1640, das Künstler, die mit der SLL sympathisierten, 1972 schrieben und aufführten. Ein Theaterstück über die englische Revolution von 1640, das Künstler, die mit der SLL sympathisierten, 1972 schrieben und aufführten.

Anfangs beteiligte sich Corin an den Theaterprojekten der Künstlergruppe über die Englische Revolution unter Cromwell, die Russische Revolution, die Jahre der Großen Depression, die stalinistische Unterdrückung in der UdSSR und andere Themen. Der künstlerische Wert dieser Stücke, an denen er zum Teil als Co-Autor oder Regisseur beteiligt war, war unterschiedlich. Es gab amüsante, zugespitzte Satire und ernsthaftes Bemühen, die historischen Ereignisse auf der Bühne zum Leben zu erwecken, aber auch ziemlich plumpe Agitprop-Stücke.

Die Geschwister Redgrave wurden Mitte der 1970er Jahre schnell, zu schnell, in die Führung der WRP aufgenommen. Sie wurden Mitglieder ihres Zentralkomitees und des Politischen Komitees. Der Wahlsieg der Labour Partei von 1974 löste in der WRP eine Krise aus und führte zum Austritt Alan Thornetts und eines Teils der Gewerkschaftskader, die eine rechte Opposition gegen Healy organisiert hatten. Nach dieser Krise spielten die Redgraves und andere Künstler eine noch größere Rolle in der Parteiführung.

Eine besonders große Schwäche im Umgang der Healy-Führung mit den Künstlern äußerte sich darin, dass sie zu Beginn der 1970er Jahre die ernsthaften theoretischen und ästhetischen Fragen ignorierte, die Trotzki und Woronski bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren aufgeworfen hatten. Die britischen Trotzkisten hatten die grobschlächtigen stalinistischen Methoden der "Proletarischen Kultur" und des "Sozialistischen Realismus" ohne Zögern zurückgewiesen, aber sie bemühten sich nicht, den etwas provinziellen Ansatz zu überwinden, bei dem sich britische Schauspieler und Dramatiker äußerst wohl fühlten: Auf der einen Seite "Hausfrauendramatik" (das heißt empirischer, oberflächlicher Realismus), und auf der andern Seite den großen deklamatorischen Stil der Werke Shakespeares und anderer Klassiker.

Wer mit Redgrave in der Partei zusammenarbeitete, erkannte Ende der Siebziger und zu Beginn der Achtziger Jahre deutlich, dass er in einer politischen und persönlichen Krise steckte. Er war als Parteiorganisator eingesetzt, und in dieser Position begann er zu schwimmen. Und um die Dinge auf die Spitze zu treiben, war er dadurch auch oft das Zielobjekt der wütenden und unsachlichen Wutausbrüche Healys.

Healy behandelte die Redgraves und Andere im Verlauf der 1970er Jahre mehr und mehr auf opportunistische Weise. Nach dem Labour-Sieg von 1974 und der allgemeinen "Normalisierung" des politischen Lebens in Europa, zu der auch der Verrat der portugiesischen Revolution 1974 und die unspektakuläre Umwandlung des spanischen Faschismus unter Franco in eine bürgerliche Demokratie gehörten, wurden Healy und seine Genossen in der WRP-Führung, Michael Banda und Cliff Slaughter, immer pessimistischer hinsichtlich des revolutionären Potentials der britischen und europäischen Arbeiterklasse. Sie wandten sich mit wachsender Begeisterung der englischen Gewerkschaftsbürokratie und den bürgerlich- nationalistischen Bewegungen im Nahen Osten zu.

Der Name Redgrave, besonders Vanessas, wurde zu einer wichtigen Visitenkarte, mit der sich vielfach politische oder finanzielle Türen öffneten, oder scheinbar öffneten.

Was als spontane Begeisterung von Schauspielern und Schriftstellern für die Produktion verschiedener Theaterstücke und Musicals Anfang der Siebziger Jahre begonnen hatte, wurde mit der Zeit immer zynischer. Ein Beispiel ist die WRP-Show von 1983 zum einhundertsten Todestag von Karl Marx. Im letzten Moment wurden "Stars" aufgeboten, die die jungen Leute und weniger bekannten Schauspieler ersetzten, obwohl diese bereits Wochen an dem Stück gearbeitet hatten. Das war ein Symptom des opportunistischen Niedergangs im Allgemeinen.

Ende der 1970er war Corin Redgrave einer der wichtigsten Parteisprecher in der Öffentlichkeit geworden. Ihm oblag es, die WRP zu vertreten, als sie von den britischen Medien und vom Staat angegriffen wurde.

Corin and Vanessa Redgrave zur Zeit des Observer-Prozesses 1978 Corin and Vanessa Redgrave
zur Zeit des Observer-Prozesses 1978

Im September 1975 veröffentlichte der Observer einen verleumderischen Artikel in dem behauptet wurde, die WRP sei eine "extremistische" Gruppe, die ein Waffenlager in ihren Schulungsräumen unterhalte. Diese Provokation war auf eine Polizeirazzia in den Räumen der WRP abgestimmt. Die Kampagne der WRP zu ihrer Verteidigung erhielt überwältigende Unterstützung in breiten Teilen der organisierten Arbeiterbewegung wie auch unter Künstlern und Intellektuellen. Die Partei reichte bei Gericht eine Verleumdungsklage gegen den Observer ein und im Oktober - November 1978 kam es zur Verhandlung.

Vanessa und Corin Redgrave, Roy Battersby, zur Zeit des Gerichtsverfahrens gegen den <I>Observer</I>, 1978 Vanessa und Corin Redgrave, Roy Battersby,
zur Zeit des Gerichtsverfahrens gegen den Observer, 1978

Corin und Vanessa Redgrave und Roy Battersby spielten im Gerichtsverfahren der WRP gegen den Observer die entscheidende Rolle. Weder Healy noch Banda erschienen vor Gericht. Ungeachtet der Schwierigkeit in einem solchen Verleumdungsprozess eine erfolgreiche Beweisführung zur Verteidigung zu führen, ging Redgrave mehrfach zu weit, um die "Ehrbarkeit" der Partei und ihre Abscheu von Gewalt nachzuweisen.

In den frühen achtziger Jahren geriet Corin Redgrave voraussehbar in eine persönliche Krise und versuchte neben der Fortsetzung seiner politischen Arbeit wieder an die Schauspielerei anzuknüpfen. Die WRP steckte zu dieser Zeit in einer schweren Krise und wurde erstmalig von der Workers League, der Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in den USA, mit politischer und theoretischer Opposition gegen ihren opportunistischen Kurs konfrontiert.

Redgrave, der kaum Kontakt zur internationalen trotzkistischen Bewegung hatte und dessen Studium des Marxismus und der Geschichte des Trotzkismus entweder abgebrochen war oder im opportunistischen Umfeld der WRP nur wenig Fortschritt machte, verstand die mit der Spaltung von 1985-1986 aufkommenden Fragen nicht und kehrte zu einem denkbar ungünstigen Augenblick zur aktiveren Mitwirkung in der Partei zurück - gerade als die Krise offen ausbrach.

Seltsamerweise war er im August 1985 auf Healys Seite und versuchte die Delegierten des IKVI mit einem verfälschenden Bericht über die Ursache der plötzlich aufbrechenden Finanzkrise der Partei zu täuschen. Redgrave verließ die trotzkistische Bewegung mit Healy im Herbst 1985. Im Grunde war dies das Ende seines politischen Lebens.

Nach seinem Ausscheiden aus der WRP gab es von seiner Seite nur einige seltsame und erfolglose Versuche, eine Gruppe von Schauspielern um Healys kurzlebige "Marxist Party" zu scharen. Danach kam der zwangsläufige Schwenk zum Liberalismus. Er hielt an einer Protesthaltung zu verschiedenen Themen fest, so in der Palästinafrage, zum Rassismus, in der Tschetschenienfrage und hinsichtlich des "Weltfriedens". Wie so viele Linke fand er seinen Weg zur ziemlich verbreiteten englischen Philanthropie zurück.

Redgrave fand auch den Weg zum Theater zurück. Er schuf sich eine Nische als Charakterdarsteller - die er gut und oft sympathisch ausfüllte. Vielleicht ging er als Persönlichkeit gestärkt aus den von ihm durchlebten Konflikten und Widersprüchen hervor, und vielleicht ist etwas Wahres an Presseartikeln über sein Leben, die darauf hinweisen, dass der Tod seines Vaters (1985) eine Last von seiner Schauspielerpersönlichkeit nahm.

Nach seiner "Rehabilitation" Ende der 1980er Jahre, als, in den Worten des Daily Telegraph, die meisten Regisseure ihn nicht mehr als "politisch zu heiß" ansahen, trat er erfolgreich im Theater auf und spielte in Kino- und Fernsehfilmen mit. In Filmen wie Im Namen des Vaters (1993), Vier Hochzeiten und ein Todesfall (1994), Verführung (1995), Die Forsyte Saga (2002) spielte er bewundernswert. In einem Nachruf der BBC hieß es generös, dass "er später als Vanessa erblühte, die schon früh ein internationaler Star wurde, sich aber dennoch zu einem der angesehensten Charakterdarsteller des Landes entwickelte."

Was seine politischen und sozialen Ansichten betrifft, ist das Bild klar - Corin Redgrave hatte mehr oder weniger seinen Frieden mit dem Status Quo gemacht, und umgekehrt. Ob auch er schon so weit wie seine Schwester war, die kürzlich bei einer Preisverleihung um Prinz William und die königliche Familie herumscharwenzelte, ist uns nicht bekannt, aber auch nicht die wichtigste Frage.

Der Weg der Redgraves und vieler Künstler und Intellektuellen, die in den frühen 1970ern von den revolutionären politischen Ideen in Großbritannien angezogen waren, hat eine tragische Seite. Sie waren eine Gruppe von Menschen mit enormen Talenten, die sich humanen Idealen verpflichtet fühlten, sie waren die Besten ihrer Generation.

Der Einzelne ist für sein Tun - sei es "gut" oder "schlecht" - verantwortlich, aber was er tut, ist sehr beeinflusst und geformt durch von ihm unabhängige Prozesse und Ereignisse. Wir zollen Corin Redgrave und der Generation von Künstlern, die er signifikant repräsentierte, Anerkennung für das Beste, was sie gegeben haben und für die Aufopferung, mit der sie ihren Beitrag geleistet haben.

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