Am vergangenen Mittwoch stimmten fünf Abgeordnete der Linkspartei im Bundestag für den Antrag der Regierung, eine Fregatte der Bundeswehr und 300 Soldaten ins Mittelmeer zu entsenden. Sie unterstützten damit erstmals einen Auslandseinsatz der deutschen Armee. Bisher hatte die Linkspartei dies offiziell abgelehnt.
18 weitere Abgeordnete enthielten sich der Stimme, und fünf nahmen nicht an der Abstimmung teil. Damit lehnte fast die Hälfte der linken Abgeordneten die bisherige Opposition zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr ab.
Der Antrag der Bundesregierung hätte auch ohne die Stimmen der Linkspartei eine überwältigende Mehrheit gehabt. Denn außer den Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD hatten auch die Grünen ihre uneingeschränkte Zustimmung erklärt. Doch die Linkspartei wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, eine Wende in ihrer Kriegspolitik durchzuführen und die Regierung in ihrer gegenwärtigen Kriegsoffensive zu unterstützen.
Die Zyniker an der Spitze der Bundestagsfraktion verfolgten eine klares Kalkül. Sie wollten den Militäreinsatz, der die Zerstörung syrischer Chemiewaffen absichern soll, als Abrüstungsmaßnahme und Friedenseinsatz darstellen. Der zur Abstimmung stehende Kabinettsbeschluss sah vor, dass die Bundeswehr mit 300 Soldaten und einer Fregatte der Marine den Einsatz des US-Spezialschiffs „Cape Rey“ unterstützen soll. Auf dem Schiff sollen im Mittelmeer die syrischen Chemiewaffen durch das sogenannte Hydrolyse-Verfahren unbrauchbar gemacht werden. Auch die US-Marine soll sich an dessen Schutz beteiligen.
In der Parlamentsdebatte wurde eine demagogische Rede nach der anderen gehalten. Vorstandsmitglied Stefan Liebich, der für die Linkspartei im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages sitzt, rief den Abgeordneten zu, die Vernichtung von Chemiewaffen sei „das Beste, was eine Armee tun kann.“ Er begründete seine Zustimmung mit den Worten: „Ich bin für eine konsequente Abrüstung von Massenvernichtungswaffen weltweit und werde mich immer dafür einsetzen.“
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch begründete seine Zustimmung zum Bundeswehreinsatz mit den Worten: „Ich halte die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen für eine abrüstungs- und friedenspolitische Maßnahme, die jedwede Unterstützung verdient.“ Außerdem finde „diese Beseitigung von Massenvernichtungswaffen“ eine bislang ungekannte internationale Zustimmung und werde unter dem Dach der Vereinten Nationen durchgeführt. Bartsch deutete damit an, dass er künftige Militäreinsätze, die „unter dem Dach der UNO“ durchgeführt werden, auch für unterstützenswert halte.
Der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi, der sich der Stimme enthielt, machte in seiner Rede klar, dass in Wirklichkeit die gesamte Fraktion mit dem UN-Einsatz übereinstimmt: „Im Kern sind wir uns nach wie vor völlig einig“, erklärte er. Alle Linken-Parlamentarier seien für die Vernichtung von Chemiewaffen. Gestritten worden sei lediglich um die Frage, ob sich die Bundeswehr daran beteiligen müsse. Gysi betonte, die Linke sei nach wie vor eine Friedenspartei und alle Fraktionsmitglieder lehnten wie bisher die Beteiligung von Kriegseinsätzen der Bundeswehr ab.
Glaubt Gysi ernsthaft, er kann irgend jemanden außerhalb seiner eigenen Partei, der eins und eins zusammenzählen kann, für dumm verkaufen? Der Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeer ist kein Friedenseinsatz, sondern Bestandteil der imperialistischen Kriegsoffensive gegen Syrien.
Die westlichen Mächte und ihre regionalen Verbündeten in den Golfstaaten heizen in Syrien seit nunmehr fast drei Jahren einen brutalen Bürgerkrieg an, um das Assad-Regime zu stürzen und ein pro-westliches Regime in Damaskus zu installieren. Sie unterstützen islamistische Terroristen und haben wiederholt mit einem direkten Militärschlag gedroht. Deutschland spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Bundeswehr patrouilliert mit einem Spionageschiff vor der syrischen Küste und hat Patriot-Luftabwehrsysteme in der Türkei stationiert. Die Linkspartei selbst ist im Syrienkrieg schon lange Kriegspartei und arbeitet eng mit der pro-westlichen Opposition zusammen. Mit ihrer Zustimmung zum Bundeswehreinsatz hat sie nur deutlich gemacht, was ihre wirkliche Politik ist.
Die offene Wende der Linkspartei in der Kriegsfrage wurde von den anderen Parteien und den Medien sehr gut verstanden und begrüßt. Das Sprachrohr der deutschen Wirtschaft, das Handelsblatt, titelte nach der Abstimmung: „Historisches Votum - Linke stimmen erstmals für Bundeswehreinsatz“. Der Artikel beginnt mit den Worten: „Normalerweise lehnt die Linke Bundeswehreinsätze im Ausland geschlossen ab. Bei der Abstimmung über deutsche Hilfe bei der Vernichtung syrischer Chemiewaffen war das nun anders. Ein Novum in der Geschichte der Partei.“
Was die Handelsblatt-Journalisten als „Novum“ bezeichnen, ist wert, noch etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Die Parlamentsabstimmung macht deutlich, dass die Linkspartei Teil einer militärischen Aufrüstung und Kriegsentwicklung ist, die gegenwärtig in Form einer regelrechten Verschwörung gegen die Bevölkerung organisiert und durchgesetzt wird.
Nach monatelangen Koalitionsverhandlungen im vergangenen Herbst, über deren Inhalt kein Wort an die Öffentlichkeit drang, traten im Januar plötzlich alle führenden Regierungsvertreter – Außenminister Steinmeier, Verteidigungsministerin von der Leyen, der Innenminister, die Kanzlerin – und der Bundespräsident auf und verkündeten, die Zeit der militärischen Zurückhaltung sei zu Ende. Deutschland werde künftig wieder stärker in den Krisenregionen der Welt präsent sein und auch militärisch eingreifen.
Seitdem findet in Politik und Medien eine rabiate Kriegshetze statt. In der Ukraine arbeitet die Bundesregierung mit Faschisten zusammen und schürt den Konflikt mit Russland. In der vergangenen Woche erklärte die Nato, Russland sei nicht mehr Partner, sondern Gegner. Seither verlagert sie Flugzeuge, Schiffe und Truppen in die Nähe der russischen Grenze und bereitet eine massive Aufrüstung vor. Die Verteidigungsministerin lässt die Bundeswehrreform neu bewerten, und führende Militärs schlagen die Wiedereinführung der Wehrpflicht vor.
Viele Menschen sind über diese Kriegsentwicklung zu tiefst besorgt und fühlen sich überrumpelt. Die Linkspartei dagegen war von Anfang an in diese außenpolitische Wende und militärische Offensive auf höchster Ebene eingebunden. Sie ist Teil dieser Verschwörung gegen die Bevölkerung.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Das macht ein Artikel deutlich, der schon vor einigen Wochen in der Zeit erschien. Darin wird beschrieben, wie die außenpolitische Wende vorbereitet wurde und welche Rolle dabei führende Linkspartei-Politiker wie Stefan Liebich spielten. In dem Zeit-Artikel heißt es: „In der außenpolitischen Community Berlins gärt die Unzufriedenheit mit der deutschen Lethargie schon seit langem.“ Vier Jahre Westerwelle seien vier verlorene Jahre gewesen, „ohne klaren Kurs, dafür mit umso mehr Verstimmung bei den Bündnispartnern.“
Ein Jahr lang, von November 2012 bis Oktober 2013, habe sich in Berlin eine Arbeitsgruppe getroffen, um über eine außenpolitische Strategie für Deutschland zu beraten. Beamte aus dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt seien ebenso beteiligt gewesen, wie Vertreter von Denkfabriken, Völkerrechtsprofessoren, Journalisten sowie die führenden Außenpolitiker aller Bundestagsfraktionen.
Den Anstoß habe der German Marshall Fund (GMF) gegeben, ein Washingtoner Thinktank. Als Ergebnis der Beratungen sei ein Papier mit dem Titel entstanden: „Neue Macht – Neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch“. Einer der Initiatoren des Projekts war der damalige GMF-Direktor und frühere Zeit-Redakteur Thomas Kleine-Brockhoff. Kurze Zeit später, im August vergangenen Jahres, wurde er Chef des Planungsstabs beim Bundespräsidenten. Die Rede von Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die vorher mit dem Verteidigungsministerium, dem Außen- und dem Kanzleramt abgestimmt worden war, trug die Handschrift des früheren GMF-Direktors.
Stefan Liebich war als Vertreter der Linkspartei an allen wichtigen Gespräche mit dem German Marshall Fund beteiligt, reiste deshalb im vergangenen Jahr extra nach Washington und berichtet auf seiner Website begeistert über die enge Zusammenarbeit mit führenden Militärstrategen.
Die Linke ist also auf höchster Ebene in die außenpolitische Wende der Bundesregierung integriert und spielt eine entscheidende Rolle bei der Wiederkehr des deutschen Militarismus. Ihre „humanitären“ und „demokratischen“ Phrasen dienen dazu, die Arbeiterklasse zu verwirren und die neue Kriegspolitik gegen den wachsenden Widerstand in der Bevölkerung durchzusetzen.
Während die SPD den 100. Jahrestag ihrer Zustimmung zum ersten Weltkrieg damit feiert, dass Außenminister Steinmeier massive militärische Aufrüstung ankündigt und die Grünen-Spitzenpolitiker, die führend am faschistischen Putsch in Kiew beteiligt waren, ein härteres Vorgehen gegen Russland fordern, wiederholt die Linkspartei permanent ihr Interesse an einem rot-rot-grünen Regierungsbündnis. Deutlicher könnte die Partei, die sich fälschlicherweise als Linke bezeichnet, ihre Rolle als rechte Staatspartei kaum zum Ausdruck bringen.
Wir leben in einer „Zeit der fallenden Masken“. In einer Situation in der sich die soziale und politische Krise extrem zuspitzt, zeigen alle gesellschaftlichen Kräfte und Parteien ihr wahres Gesicht. Die Linkspartei zeigt sich als das, was sie wirklich ist: eine Partei des deutschen Imperialismus, die ihr pazifistisches Mäntelchen genau zu einem Zeitpunkt abstreift, an dem die herrschende Elite Deutschlands sich nach zwei Weltkriegen und abscheulichen Verbrechen erneut anschickt, auf die Weltbühne zurückzukehren.