Alpha-Journalisten setzen Satiresendung “Die Anstalt” unter Druck

Seit Februar strahlt das ZDF in regelmäßigen Abständen die Politsatire „Die Anstalt“ aus. Sie ersetzt die bisherige Sendung „Neues aus der Anstalt“. Mit Max Uthoff (46) und Claus von Wagner (36) hat eine jüngere Generation von Kabarettisten deren bisherige Leiter Urban Priol und Frank-Markus Barwasser (Pelzig) abgelöst.

Die ersten drei Ausgaben von „Die Anstalt“ standen in wohltuendem Gegensatz zur politischen Berichterstattung des ZDF und anderer Medien. Mit dem Mittel der Satire griffen sie aktuelle Themen auf und brachten dabei Dinge zur Sprache, über die man sonst nur durch gezielte Recherchen im Internet oder durch die World Socialist Web Site erfährt.

Zentrale Themen waren die Wiederbelebung des deutschen Militarismus und der Umsturz in der Ukraine. Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen, die zum „Ende der militärischen Zurückhaltung“ aufgerufen haben, wurden dabei ebenso wenig geschont, wie die verlogenen Berichte der deutschen Medien über die Ereignisse in Kiew.

Die zweite Sendung vom 11. März begann mit einer Inszenierung der „Revolution“ auf dem Kiewer Maidan. Sie wurde nicht als „Freiheitskampf“ dargestellt, sondern als Aufstand rechter und gekaufter Elemente. Der faschistische Rechte Sektor wurde dabei ebenso schonungslos entlarvt wie die korrupte Julia Timoschenko, gespielt vom Komiker Jochen Busse.

Die dritte Sendung vom 29. April ging dann ausführlich auf die Propaganda ein, mit der deutsche Medien zum Krieg gegen Russland hetzen.

Eine Szene zeigte ein Schaubild mit den Namen fünf führender deutscher Journalisten – Stefan Kornelius von der Süddeutschen, Josef Joffe und Jochen Bittner von der Zeit sowie Günther Nonnenmacher und Klaus-Dieter Frankenberger von der Frankfurter Allgemeinen.

Darüber fanden sich die Namen von zwölf transatlantischen Think Tanks – darunter das Aspen Institute, die Trilaterale Kommission, die Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik und die Bundesakademie für Sicherheitspolitik –, in denen „Militärs, Wirtschaftsbosse und Politiker in diskreter Atmosphäre“ außenpolitische Strategien diskutieren, wie von Wagner erläuterte.

Striche markierten die Verbindungen zwischen den fünf Journalisten und den regierungsnahen Think Tanks. Das Ergebnis war ein dichtes Netzwerk. „Dann sind ja all diese Zeitungen nur so was wie die Lokalausgaben der Nato-Pressestelle“, folgerte Uthoff.

Die Szene stützte sich inhaltlich auf die Dissertation „Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten“ des Medienwissenschaftlers Uwe Krüger und auf ein Strategiepapier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zur deutschen Außenpolitik, über dessen Zustandekommen auch die WSWS berichtet hat. Beide waren bereits 2013 erschienen, aber nur einem kleineren Kreis bekannt. „Die Anstalt“ führte sie nun einem breiten Publikum vor Augen.

Das löste heftige Proteste gegen die entlarvten Medien aus. Uwe Krüger sagte dazu dem Online-Magazin Telepolis: „Ich nehme an, dass der Druck nach einer Fernsehsendung mit Millionenpublikum recht hoch geworden ist. Sichtbar sind jedenfalls Shitstorms unter Online-Artikeln, und offenbar gab es auch Abbestellungen von Abos.“

Nun reagierten die betroffenen Journalisten. Sie setzten das ZDF unter Druck, ähnliche Enthüllungen in Zukunft zu unterbinden. Auf Protest gegen ihre einseitige Berichterstattung und ihre inzestuöse Verbindung mit den herrschenden Eliten antworten sie mit dem Ruf nach Zensur.

Josef Joffe schrieb einen Beschwerdebrief an den Chefredakteur des ZDF Peter Frey. Er rechnete dort offensichtlich mit Verständnis, denn Frey zählt ebenfalls zu den von Uwe Krüger untersuchten Alpha-Journalisten. Er sitzt zusammen mit Stefan Kornelius und Klaus-Dieter Frankenberger „im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, eines Think Tanks im Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums“, wie Krüger schreibt.

Joffe begründete seinen Beschwerdebrief damit, dass nach der Ausstrahlung der Sendung „bei der Zeit viele Protest- und Kündigungsbriefe eingegangen sind“. Er schreibt, der Beitrag der „Anstalt“ – einer Satiresendung! – sei „kein guter Journalismus“ und das Buch Krügers sei „keine gute Wissenschaft“. Joffe leugnet nicht, dass er enge Verbindungen zu den angeführten Institutionen unterhält. Er bestreitet aber, dass es sich dabei um „Lobbys“ handle. Es sei richtig und selbstverständlich, dass viele transatlantische Verbände „mehr Rüstung“ forderten.

Krüger hat in einem Interview mit dem Onlinemagazin Telepolis die Vorwürfe Joffes zurückgewiesen. Er widerspricht Joffes Behauptung, Medien und Think Tanks verträten unterschiedliche Meinungen. Seine Inhaltsanalyse habe ein übereinstimmendes Meinungsbild verschiedener Zeitungen in folgenden „großen Fragen“ ergeben: „dass Sicherheit breit zu definieren ist, deutsche Interessen weltweit zu verteidigen sind, Deutschland sich stärker militärisch engagieren sollte und die Partnerschaft mit den USA pflegen sollte und dass die Bundesregierung die deutsche Bevölkerung von alledem stärker überzeugen sollte.“

Stefan Kornelius verteidigte seine engen Verbindungen zu den regierungsnahen Think Tanks im NDR-Magazin Zapp. „Das ist mein tägliches Brot“, sagte er. „Dass ich mich da rechtfertigen muss, finde ich befremdlich.“ Die Botschaft der „Anstalt“ betreffe alle Zeitungen, von der Zeit bis zur FAZ und zur taz. Sie stelle die Frage: „Was haben wir eigentlich noch für eine Legitimation?“ Er wolle sich die Foren, in denen er journalistisch arbeite, nicht kaputtmachen lassen.

Joffes Beschwerdebrief an den Chefredakteur des ZDF verfolgt offensichtlich den Zweck, die Autoren der „Anstalt“ unter Druck zu setzen – mit anderen Worten, die Sendung zu zensieren. Um daran keinen Zweifel zu lassen, schickte Joffe zusätzlich eine Unterlassungserklärung an den öffentlichen Sender. Dasselbe tat Jochen Bittner.

Unterschreibt das ZDF eine solche Erklärung, verpflichtet es sich, eine bestimmte Behauptung nicht zu wiederholen und im Fall einer Zuwiderhandlung eine hohe Vertragsstrafe zu bezahlen. Unterschreibt es sie nicht, folgt in der Regel eine Klage mit hohen Gerichts- und Strafkosten.

Eine Sprecherin des Senders sagte Telepolis, das ZDF habe die Unterlassungserklärung zurückgewiesen. Welche Reaktionen es sonst innerhalb des ZDF gab, erfuhr die Öffentlichkeit nicht.

Die vierte Folge der „Anstalt“, die am 27. Mai ausgestrahlt wurde, verheißt aber nichts Gutes. Sie war enttäuschend. Von der politischen Frische und Aggressivität war nichts mehr zu spüren. Uthoff und von Wagner hatten sich die Fussballweltmeisterschaft, die Fifa und deren Chef Sepp Blatter vorgenommen. Deren Korruption können sie problemlos kritisieren, ohne bei den deutschen Eliten anzustoßen.

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