Letzten Freitag gab der Aufsichtsrat bekannt, dass bereits bis Mitte 2015 sechs Karstadt-Filialen geschlossen werden sollen. Dabei handelt es sich um die traditionellen Warenhäuser in Hamburg-Billstedt und Stuttgart. Außerdem sollen die beiden K-Town-Filialen in Köln und Göttingen und die beiden sogenannten Schnäppchencenter in Frankfurt/Oder und Paderborn dicht gemacht werden.
Darüber hinaus sollen weitere 2000 Arbeitsplätze in der Essener Konzernzentrale und in den Warenhäusern abgebaut werden. Karstadt-Chef Fanderl kündigte weitere drastische Lohneinbußen an: „Wir müssen über Einsparungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sprechen und darüber, die Tarifpause über 2015 hinaus zu verlängern“. Der Flächentarifvertrag des Einzelhandels wurde bereits vor einiger Zeit außer Kraft gesetzt.
Die Massenentlassungen und die erneute Schließungswelle ist nur ein weiterer Schritt zur endgültigen Zerschlagung Karstadts. Der neue Karstadt-Eigentümer René Benko und sein neu ernannter Vorstandsvorsitzender Stephan Fanderl haben bereits vor Wochen die Schließung von mindestens 23 Warenhäusern in Erwägung gezogen.
Das Nachrichtenmagazin Focus listet eine ganze Reihe von Warenhäusern auf, die demnach rote Zahlen schreiben und von einer Schließung bedroht sein könnten. Ganz oben stehen dabei Düsseldorf, München, Frankfurt und etwas kleinere Filialen in Siegen, Bottrop, Celle und Dessau.
Seit 2009 haben sich bereits diverse Investoren an den Resten des Konzerns und seinen Beschäftigten enorm bereichert. Zu diesem Zweck wurden bisher 8.000 Arbeitsplätze vernichtet und umfassende Lohnkürzungen durchgesetzt. Benko und Fanderl wollen dies nun fortsetzen und intensivieren.
Ihr wichtigster Bündnispartner in dieser Unternehmung ist die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Gegenüber dem Münchner Merkur schloss Aufsichtsratsmitglied Arno Peukes Streikmaßnahmen nachdrücklich aus und sagte wörtlich: „Jetzt gilt es, in den Verhandlungen mit dem Unternehmen das Beste für unsere Mitarbeiter in den sechs Filialen herauszuholen.“
In einem Interview mit den Ruhr Nachrichten betonte Peukes, dass man dabei über weitere Einsparungen auf Kosten der Beschäftigten sprechen müsse: „Man sollte doch erst über die Zukunft und die Ausrichtung von Karstadt diskutieren und dann erst über Einschnitte“, sagte der Gewerkschafter.
Tatsächlich gibt es keine Zweifel darüber, welche Zukunft der wegen Korruption vorbestrafte Benko für Karstadt vorsieht. Als der österreichische Immobilienspekulant das 130 Jahre alte Traditionskaufhaus im August für einen symbolischen Euro geschenkt bekam, deutete bereits alles darauf hin, dass er nicht wirklich an den Warenhäusern, sondern viel mehr an den lukrativen Innenstadtimmobilien interessiert war.
Seine Absichten waren im Grunde schon damals bekannt: die profitablen Häuser sollen in Einkaufsmeilen umgewandelt und mit ausgewählten Markenhändlern bestückt werden. Die übrigen Filialen sollen geschlossen werden. Das hat er schon auf ähnliche Weise mit dem Kaufhaus Tyrol in seiner Heimatstadt Innsbruck gemacht.
Der Multimillionär Benko ist Mehrheitseigner der Immobilienholding Signa. Er hatte sich schon 2012 die Filetstücke von Karstadt unter den Nagel gerissen, darunter die 28 Karstadt-Sporthäuser und drei Luxuskaufhäuser KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München, außerdem einen Teil der Karstadt-Liegenschaften. Mittlerweile hat Benko die Hälfte dieser zwei Unternehmensbereiche gewinnbringend an den israelischen Diamantenhändler Beny Steinmetz verkauft.
Den Verdi-Funktionären ist völlig klar, welche Zukunft Karstadt bevorsteht. Sie waren von Anfang an aktiv daran beteiligt, den Konzern auf Kosten der Beschäftigten abzuwickeln. Ihre Aufsichtsratsmitglieder und abgesicherten Betriebsräte haben alles daran gesetzt, den Widerstand der Beschäftigten gegen die Zerschlagung des Konzerns zu unterdrücken. Dazu arbeiteten sie aufs engste mit der Insolvenzverwaltung und den Investoren zusammen.
Schon 2004 unterstützte Verdi einen Sanierungsplan für Karstadt, der einen radikalen Kahlschlag bei Löhnen, Arbeitsplätzen und Sozialleistungen umfasste. Als der Arcandor-Konzern 2009 dennoch Insolvenz anmeldete, handelte die Gewerkschaft noch mit dem Insolvenzverwalter die nächste Runde Entlassungen und Lohnkürzungen aus.
Der nächste Investor Nicolas Berggruen wurde von Verdi als sozialer Wohltäter gefeiert. Auch als er sich die Filetstücke des Konzerns sicherte, ohne auch nur einen Euro an eigenem Kapital investiert zu haben, sicherte Verdi dem schwerreichen Berggruen die volle Unterstützung beim Abbau weiterer Arbeitsplätze und Leistungen zu. Ein neuer Sanierungsplan umfasste Stellenabbau und Lohnkürzungen.
Nun geht die schrittweise Zerschlagung des Traditionskonzerns in die letzte Runde und Verdi hat unmissverständlich klargestellt, dass sie die Investoren dabei nach Kräften unterstützen wird. Bei der Verteidigung ihrer Löhne und Arbeitsplätze sind die Beschäftigten daher nicht nur mit dem Management, sondern auch mit der Dienstleistungsgewerkschaft konfrontiert.