Am letzten Freitag kündigte der Elektrokonzern Siemens die Streichung von weltweit 7800 Arbeitsplätzen vor allem in der Verwaltung an, davon 3300 in Deutschland. Ebenfalls bestätigt wurde der Abbau von 1200 Arbeitsplätzen im Energiebereich, der schon seit Herbst vergangenen Jahres bekannt ist.
Besonders betroffen von diesen Kürzungsplänen ist diesmal der Siemens Standort in Erlangen. Hier sollen 900 Stellen abgebaut werden. In Erlangen haben drei der bisherigen vier Sektoren des Konzerns ihren Sitz. In Nürnberg sollen 300 Stellen wegfallen, am Konzernsitz in München 500 und in Nordrhein-Westfalen 300. Die restlichen 1300 Stellen verteilen sich auf die übrigen Siemens-Niederlassungen in Deutschland.
Bereits Ende Mai letzten Jahres hatte Vorstandschef Joe Kaeser bei einer Investorenkonferenz in New York die Zahl von 11.600 Arbeitsplätzen genannt, die von dem Konzernumbau betroffen seien. Die jüngsten Beschlüsse der Konzernleitung sind die Konkretisierung dieser Ankündigung. Sie enthalten nicht die Arbeitsplätze, die durch den Verkauf und die Ausgliederung ganzer Bereiche nicht mehr bei Siemens verbleiben.
Der erneute Arbeitsplatzabbau war aufs engste mit IG Metall und Betriebsrat vorbereitet worden. Vor der Bekanntgabe der Zahlen tagte in der ersten Februarwoche zwei Tage lang der Wirtschaftsausschuss von Siemens. Geleitet wurde das paritätisch besetzte Gremium von der neuen Personalchefin Janina Kugel, die zum engen Beraterkreis von Vorstandschef Kaeser gehört. Sie arbeitet eng mit Birgit Steinborn zusammen, die vor einem Jahr den Vorsitz des Gesamtbetriebsrats übernommen hat und seit Ende Januar auch stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende ist.
Steinborn übernahm den Führungsposten im Aufsichtsrat vom ehemaligen IG Metall-Chef Berthold Huber. Welch große Bedeutung die Konzernleitung der Zusammenarbeit mit der IG Metall beimisst, zeigt sich auch darin, dass Huber den Prestigeposten des Präsidenten der Siemens-Stiftung übernommen hat.
In den vergangenen Jahren arbeitete Steinborn Hand in Hand mit dem bisherigen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Lothar Adler, der Medienberichten zufolge bis zu seiner Pensionierung im vergangenen Jahr jährlich 360.000 Euro von Siemens erhalten hat. Wie Adler hat auch Birgit Steinborn ein unmittelbares finanzielles Interesse an der Ausbeutung der Siemensbelegschaft.
Als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bekommt sie über 300.000 Euro im Jahr. Insgesamt erhielten die Arbeitnehmervertreter im Siemensaufsichtsrat im vergangenen Jahr laut Geschäftsbericht über 1,8 Millionen Euro.
Davon sollen die gewerkschaftlichen Aufsichtsräte allerdings den größten Teil an die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) abführen und „nur“ 33.000 Euro behalten. Wegen dieser Regelung wurden die sogenannten „Sitzungsgelder“ der Aufsichtsräte in den letzten Jahren rasant angehoben. Diese dürfen die Gewerkschafter nämlich behalten. Für Steinborn wären das zusätzliche 30.000 Euro im Jahr.
Große Teile der Umstrukturierung des Unternehmens wurden direkt von Betriebsrat und IG Metall ausgearbeitet und vorgeschlagen. Um diese Rolle als Co-Manager zu vertuschen, schlagen einige Gewerkschafter von Zeit zu Zeit die Protesttrommel.
So erklärte der Bezirksleiter der IG Metall in Bayern, Jürgen Wechsler, dass sich die Gewerkschaft nicht gegen „die Reduzierung überflüssiger Bürokratie und die Verschlankung unnötig komplizierter Prozesse“ stelle, aber es entschieden ablehne, dass „eine Umstrukturierung wie so oft mit Personalreduzierungen einhergeht“.
Auch Birgit Steinborn versucht, ihre Spuren zu verwischen. Sie sagte, sie erwarte harte Verhandlungen. Es müsse jetzt alles versucht werden, „die Zahl von circa 3300 betroffenen Mitarbeitern, deren Aufgaben wegfallen, weiter zu reduzieren, indem sie woanders eingesetzt werden“, sagte Steinborn Freitag in München. „Ich habe es satt, dass immer wieder Personalabbau als alternativlose Lösung propagiert wird.“
Wen will Steinborn täuschen? Seit vielen Jahren folgt ein Sparprogramm bei Siemens auf das andere, und immer spielen IG Metall und Betriebsrat eine Schlüsselrolle, um diesen Arbeitsplatzabbau durchzusetzen.
Allein in den sechs Jahren, in denen Peter Löscher, der Vorgänger von Joe Kaeser, an der Spitze des Konzerns stand, sank die Mitarbeiterzahl von 475.000 auf 370.000. Der Abbau erfolgte durch Spar- und Kürzungsprogramme sowie durch den Verkauf ganzer Bereiche und Abteilungen. Ende März letzten Jahres beschäftigte Siemens noch 359.000 Mitarbeiter, davon 117.000 in Deutschland. Heute, bei Ankündigung der nächsten Abbaurunde, liegt die Beschäftigtenzahl bei 343.000, davon 115.000 in Deutschland.
Der jetzt bekannte Abbau von weiteren mindestens 9.000 Arbeitsplätzen bei Siemens ist nur der Anfang von weiteren Kürzungen und der Vernichtung von Arbeitsplätzen.
Der ehemalige Bereich Medizintechnik mit etwa 50.000 Mitarbeitern wird ausgegliedert und als rechtlich selbständiges Unternehmen geführt. Eventuell soll es später an die Börse gebracht werden.
Mitarbeiter, die von solchen Ausgliederungen betroffen sind, haben die zahlreichen Beispiele von früheren Ausgliederungen, Verkäufen und Fusionen vor Augen, die allesamt zu weiterem massivem Arbeitsplatzabbau wie bei Osram oder NokiaSiemensNetworks geführt haben. Der Verkauf der Mobilfunksparte von Siemens an BenQ führte nach einem Jahr sogar zur Insolvenz und zur Schließung des Unternehmens mit dem Verlust aller Arbeitsplätze.
Besonders hart betroffen von weiteren Umbau- und Abbaumaßnahmen, über den bereits beschlossenen Abbau von 1.200 Arbeitsplätzen hinaus, wird auch der Energiebereich von Siemens sein. Fest steht jetzt schon, dass 300 Arbeitsplätze im Dampfturbinen- und Generatorenwerk in Mülheim an der Ruhr mit derzeit noch 4800 Beschäftigten abgebaut werden.
Im vergangenen Jahr hatte Siemens den amerikanischen Kompressorhersteller Dresser-Rand für 7,6 Milliarden Dollar gekauft, weil es von dem Fracking-Boom in den USA profitieren wollte. Damals lag der Ölpreis noch bei über 90 Dollar pro Barrel. Inzwischen ist der Ölpreis auch aufgrund des von den USA und Europa gegen Russland geführten Wirtschaftskriegs auf unter 50 Dollar pro Barrel gesunken. Viele Zulieferer für die Ölindustrie haben aufgrund dieser Entwicklung schon Tausende von Entlassungen angekündigt.
Während die Beschäftigten bei Siemens um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze bangen, fordert die Wirtschaftspresse den Sozial- und Arbeitsplatzabbau zu beschleunigen. So heißt es in einem Kommentar der Welt vom 7. Februar: „Wäre Siemens ein amerikanisches Unternehmen, würde alles schneller gehen.“ Kündigungsschutz und Mitbestimmung bremse den Abbau. „Der große amerikanische Konkurrent General Electric kann über solche Blockaden nur lachen.“