Die deutschen Medien nutzen die Ereignisse der Neujahrnacht am Kölner Hauptbahnhof, um eine hysterische, rassistische Kampagne gegen Millionen Immigranten und Muslime zu schüren.
In der Silvesternacht hatte sich zwischen Hauptbahnhof und Dom eine Menschenmenge versammelt, um das neue Jahr zu feiern. Am kommenden Tag berichtete die Polizei in einer Presseerklärung von einer „entspannten Einsatzlage“. Erst am folgenden Tag meldete sie erstmals sexuelle Angriffe auf Frauen. Weitere zwei Tage später griffen die nationalen Medien das Thema auf.
Seither wurden die Vorkommnisse massiv aufgebauscht und propagandistisch ausgeschlachtet. Welt-Chefredakteur Stefan Aust zog sogar Parallelen zu 9/11, den Terroranschlägen von New York, die über 3.000 Todesopfer forderten.
Am 8. Januar meldete die Bundespolizei, die für das Innere des Bahnhofs zuständig war, sie habe 32 Tatverdächtige identifiziert, darunter 22 Asylbewerber sowie ein US-amerikanischer und drei deutsche Staatsangehörige. Ihnen wurden Körperverletzungen und Diebstähle zur Last gelegt, aber keine Sexualdelikte.
Die Kölner Polizei, die auf dem Platz vor dem Bahnhof im Einsatz war, meldete am 11. Januar 19 Tatverdächtige, die ihr namentlich bekannt seien. Keiner von ihnen habe die deutsche Staatsbürgerschaft. Vier von ihnen befänden sich unter dem Vorwurf des Diebstahls und Raubs in Untersuchungshaft. Zwei zuvor verhaftete Männer hatte die Polizei wieder freigelassen, weil sich der Tatverdacht gegen sie nicht erhärten ließ.
Bis zum Montagabend erhöhte sich die Zahl der Strafanzeigen innerhalb von drei Tagen von 170 auf 550. Weniger als die Hälfte davon betrafen Sexualdelikte; bei der Mehrzahl handelte es sich um Anzeigen wegen Diebstahls und Körperverletzung.
Im Propagandagetöse der Medien lässt sich bisher nicht feststellen, was genau in Köln geschehen ist. Es gibt Berichte, die auf mögliche Provokationen deuten.
Ausschreitungen, bei denen Frauen belästigt werden, sind leider nichts Ungewöhnliches, besonders nicht, wenn Alkohol im Spiel ist. Das gilt nicht nur für Deutschland. So wurden im Karneval von New Orleans (USA) im letzten Jahr mehr als 140 Personen verhaftet, 50 davon wegen schweren Verbrechen. Beim letzten Münchner Oktoberfest gab es 20 Anzeigen wegen sexueller Attacken.
Bisher gibt es vor allem Behauptungen und Beschuldigungen, aber kaum bewiesene Fakten. Unter diesen Umständen kann die hysterische Reaktion der Presse nur politisch erklärt werden.
Die politischen Parteien und Medien haben eine Kampagne entfacht, wie man sie in Deutschland lange Zeit nicht mehr für möglich gehalten hatte. Siebzig Jahre nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs bedienen sie sich wieder rassistischer Vorurteile und sexueller Zwangsvorstellungen, auf die einst die Nazis spezialisiert waren. Sie beschwören schamlos das Bild vom dunkelhäutigen „Untermenschen“, der Jagd auf deutsche Frauen macht.
Das Magazin Focus erschien am Samstag mit dem Titelbild einer nackten Frau, auf deren Körper sich mehrere schwarze Handabdrücke befinden. Die Wochenendausgabe der Süddeutschen veröffentlichte die Grafik eines weißen Frauenkörpers, der eine schwarze Hand in den Schritt fasst, und verbreitete sie auch auf Facebook.
Als eine Welle des Protests losbrach, entschuldigte sich die Süddeutsche. Der Chefredakteur des Focus, Ulrich Reitz, lehnte dagegen eine Entschuldigung mit der Begründung ab: „Wir bilden ab, was leider passiert ist.“ Wer behaupte, das Cover sei rassistisch, habe „Angst vor der Wahrheit“.
Dieser rassistische Schmutz wird nicht nur von verkommenen Journalisten verbreitet. Auch führende deutsche Akademiker beteiligen sich daran. In der Basler Zeitung des Schweizer Rechtsextremen Christoph Blocher beschuldigt Humboldt-Professor Jörg Baberowski „Deutschlands Leitmedien“, sie hätten geschwiegen, „als in der Silvesternacht Hunderte arabische Männer auf dem Domplatz in Köln Frauen sexuell belästigten, erniedrigten und ausraubten“.
Für diese rassistische Kampagne gibt es keine Massenbasis in der Bevölkerung. Sie wird von den politischen Eliten angeheizt und gelenkt.
Der neue Spiegel schreibt: „Vor einem Jahr, Silvester 2014, wären die gleichen Übergriffe möglicherweise (und leider) nur ein Thema für die Lokalpresse gewesen.“ Und: „Ein Anschlag hätte den Stoff der nationalen Aufregung ebenso liefern können, ein Kindsmord in einem Stadtpark, irgendeine andere Tat, in der sich Urängste gebündelt, Stereotype vereint hätten, und an der Fremde in irgendeiner Form beteiligt gewesen wären.“
Das hindert den Spiegel allerdings nicht daran, die Medienkampagne zu rechtfertigen. Er ruft selbst nach einer Stärkung der Polizei, um „unseren Wertekanon“ zu verteidigen.
Die politischen Koordinaten haben sich so weit nach rechts verschoben, dass auch die Linkspartei – ein Denkmal der politischen Rückgratlosigkeit – nach dem straken Staat ruft. Dieser Rechtruck im politischen Establishment hat nichts mit den Ereignissen in Köln zu tun, umso mehr dagegen mit der Rückkehr Deutschlands zum Militarismus und zu einer imperialistischen Großmachtpolitik.
Es sind jetzt zwei Jahre her, seit Bundespräsident Gauck und Mitglieder der Bundesregierung das Ende der außenpolitischen Zurückhaltung verkündet und erklärt haben, Deutschland sei „zu groß, um Außenpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“ (Außenminister Frank-Walter Steinmeier, SPD). Seither hat die Regierung den rechten Putsch in Kiew unterstützt, sich am Aufmarsch der Nato gegen Russland beteiligt, Truppen nach Mali entsandt und den Einsatz in Afghanistan verstärkt. Seit kurzer Zeit befinden sich erstmals auch deutsche Tornados im Einsatz über Syrien.
Doch trotz intensiven Bemühens ist es den herrschenden Eliten bisher nicht gelungen, den tiefverwurzelten Widerstand breiter Bevölkerungsschichten gegen den Militarismus zu brechen. Die große Mehrheit lehnt Auslands- und Kriegseinsätze der Bundeswehr nach wie vor ab. Nun wird die Frage der sexuellen Gewalt gegen Frauen mobilisiert, um diesen Widerstand zu überwinden. Zu diesem Zweck werden die Ereignisse in Köln aufgebauscht und ausgeschlachtet. Die rassistische Hetze gegen Flüchtlinge und Immigranten soll den Boden für die Ausweitung des militärischen Eingreifens im Nahen und Mittleren Osten bereiten.
Die herrschende Klasse Deutschland kann keine Kriege führen, ohne Rassismus zu schüren und ein autoritäres Regime zu errichten. Das lehrt die tragische und verheerende Erfahrung des 20. Jahrhunderts.
Der populärste Film in Deutschland war in den vergangenen Monaten „Er ist wieder da“, eine politische Satire, die zeigt, wie der aus seinem Kriegsbunker wiederauferstandene Hitler mithilfe der modernen Medien erneut Karriere macht. In der vergangenen Woche hat diese Satire ein beunruhigendes Element der Realität bekommen.