Entlassungen bei Bombardier: Wirtschaftsminister Gabriel trifft sich mit Unternehmensspitze

Der Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel schaltet sich in die Auseinandersetzung über die angekündigten Massenentlassungen beim Zughersteller Bombardier Transportation (BT) ein.

Gabriel wolle sich mit dem Management des kanadischen Unternehmens treffen, sagte eine Sprecherin des Ministers am Dienstag. Das Treffen, an dem auch Landesminister, Gewerkschafts- und Betriebsratsvertreter teilnehmen werden, sei für den 9. Januar geplant, hieß es vom Unternehmen. Ein Bombardier-Sprecher sagte: „Es ist ein wichtiges Anliegen, uns eng mit der Politik und den Sozialpartnern zur Zukunft der Werke abzustimmen.“

Bereits im Februar und März dieses Jahres hatte Bombardier angekündigt, in den nächsten zwei Jahren weltweit rund 7000 Stellen zu streichen, das sind rund zehn Prozent der internationalen Belegschaft. Davon sollten 3200 Arbeitsplätze in der Waggonbau-Sparte wegfallen, die derzeit noch knapp 40.000 Arbeitsplätze umfasst. In Deutschland sind inzwischen 1430 der rund 10.000 Arbeitsplätze abgebaut worden, fast ausschließlich in den drei ostdeutschen Werken Hennigsdorf, Görlitz und Bautzen. Im Oktober kündigte dann der Konzern an, weltweit zusätzliche 7500 Arbeitsplätze bis Ende 2018 abzubauen, gut zwei Drittel davon bei der Zugsparte.

Anfang Dezember berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Branchenkreise, Bombardier streiche allein in seinen deutschen Werken rund 2500 Stellen. Betroffen sind laut Handelsblattdie sächsischen Fabriken in Görlitz mit jetzt noch 1900 und Bautzen mit 1100 Arbeitsplätzen sowie das brandenburgische Werk in Hennigsdorf mit 2500 Beschäftigten. Allein in Hennigsdorf sollen 500 Arbeitsplätze durch die Einstellung der Serienproduktion von Schienenfahrzeugen wegfallen.

Während der Konzern keinerlei Zahlen bestätigen möchte, behaupten Gewerkschaft und Betriebsrat, sie hätten keine näheren Informationen. Das ist absurd. Sie verhandeln seit März mit der Unternehmensspitze über den Arbeitsplatzabbau. Zudem stehen sie über den Aufsichtsrat in engem Kontakt zu ihr. So berichtete der Betriebsratsvorsitzende Michael Wobst schon im März, er „befürchte“, dass die Serienproduktion in Hennigsdorf eingestellt wird. Nun ist es so gekommen. Woher kamen schon damals seine Befürchtungen? Was wusste und verschwieg er? Was verschweigt er jetzt?

Inzwischen geben sich bei Bombardier die Politiker die Klinke in die Hand. Am Donnerstag bot die sächsische CDU-SPD-Landesregierung dem Unternehmen ihre Unterstützung für die Werke in Görlitz und Bautzen an. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sagte nach dem Treffen der Presse: „Wir wollen die traditionsreiche sächsische Bahnkompetenz erhalten.“ Tillich stellte dem Chef der Bahntechniksparte Laurent Troger und dem Vorsitzenden der Geschäftsführung in Deutschland Michael Fohrer nicht näher bezifferte Steuermittel zur „Technologieförderung“ in Aussicht. An dem einstündigen Gespräch nahm auch Tillichs Stellvertreter teil, Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD).

Bereits am Mittwoch gab es in Berlin Gespräche der Bombardier-Manager Troger und Fohrer mit der SPD-Linken-Landesregierung in Brandenburg. „Die Landesregierung setzt sich klar dafür ein, dass Hennigsdorf als Standort für die Entwicklung und Herstellung von Schienenfahrzeugen erhalten bleibt“, erklärte anschließend Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Neben Woidke nahm Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) an dem Gespräch teil. Dieser hatte bereits zuvor am Rande eines Besuchs in Eisenhüttenstadt Bombardier die Unterstützung des Landes zugesagt. Alle dem Land zur Verfügung stehenden Mittel würden für den Erhalt eingesetzt. Gerber sprach von „Forschungsförderung“. Anders als sein Kollege in Sachsen nannte er auch die Höhe: 3,3 Millionen Euro.

Die Aktivitäten der Minister erhöhen sich proportional zur Wut der Bombardier-Arbeiter über die immer höher werdenden Zahlen des Arbeitsplatzabbaus. Die Ankündigung kurz vor Weihnachten, 2500 Arbeitsplätze allein in Deutschland abzubauen, löste bei den Beschäftigten Entsetzen und Wut aus. René Straube, der künftige Betriebsratschef des Werks in Görlitz, sagte dem Neuen Deutschland nach einer Betriebsversammlung letzte Woche: „Es überwiegt die Zahl der Kollegen, die mich fragen, wann wir die Bude endlich zuschließen.“ Unter „zuschließen“ war eindeutig Streik und konsequenter Arbeitskampf zu verstehen.

Um die Kontrolle über die Belegschaften zu wahren und von ihrer Komplizenschaft mit der Geschäftsführung bei der Umsetzung des Arbeitsplatzabbaus abzulenken, schwingen IG Metall und Betriebsräte nun Reden, in denen sie scharfe Proteste und Arbeitskämpfe ankündigen.

Die Belegschaft des Bombardier-Werks in Görlitz entscheidet laut Betriebsratschef Straube am 17. Januar über Streik. Er sagte dem Neuen Deutschland, das Sparpaket habe nur einen offenkundigen Zweck: „Es geht darum, Aktionäre und Gläubiger zu befriedigen.“

Das Hauptproblem für die Beschäftigten besteht aber darin, dass weder Betriebsrat noch Gewerkschaft dem etwas entgegenzusetzen haben. Sie weigern sich konstant, die Beschäftigten aller Standorte und auch die Beschäftigten der anderen von Entlassungen und Sozialabbau bedrohten Betriebe zu einem gemeinsamen, grenzüberschreitenden Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen zu mobilisieren.

Dazu wäre es notwendig, die Interessen der Belegschaften höher zu stellen als die der Aktionäre und Gläubiger. Das erfordert eine internationale sozialistische Perspektive, und die fürchtet die IG Metall wie der Teufel das Weihwasser.

Stattdessen sind sich die IG Metall und ihre Betriebsräte mit der Konzernspitze einig, dass bei Bombardier grundlegende Umstrukturierungen auf Kosten der Belegschaften notwendig und unvermeidlich sind. Daher hatten sie der Konzernspitze bereits im April ein eigenes Strategiepapier „Bombardier Fahrplan Zu(g)kunft“ unterbreitet. Der IGM-Gesamtbetriebsrat von Bombardier konstatiert darin, dass sich der Konzern „in den letzten Jahren in eine wirtschaftliche Schieflage hinein manövriert“ hat, und schlägt verschiedene Maßnahmen vor, wie die deutschen Standorte wieder „wettbewerbsfähig“ gemacht werden können.

Was IG Metall und ihre Betriebsräte fordern, ist ihre Beteiligung am Umstrukturierungsprozess und Arbeitsplatzabbau. Sie sehen sich als Co-Manager, nicht nur bei der Aufgabe, Bombardier profitabel zu machen, sondern auch bei der Durchsetzung der Arbeitsplatzvernichtung. Sie sprechen sich nicht gegen Arbeitsplatzabbau, sondern nur gegen betriebsbedingte Kündigungen aus.

So hatte Anfang des Monats der IGM-Bezirksleiter von Berlin-Brandenburg-Sachsen, Olivier Höbel, gesagt: „Alle Pläne, die von einem Szenario von betriebsbedingten Kündigungen und Massenentlassungen ausgehen, werden auf den entschiedenen Widerstand der IG Metall stoßen.“

IGM-Funktionär Höbel, der für die Gewerkschaft im Bombardier-Aufsichtsrat sitzt, wählte seine Worte sehr genau: „Entschiedenen Widerstand“ für den Fall von „betriebsbedingten Kündigungen“ und „Massenentlassungen“. Mit anderen Worten: Er strebt einen Abbau ohne betriebsbedingte Kündigungen an – über das Auslaufen befristeter Verträge, das Ausscheiden von Leiharbeitern, „freiwillige“ Abfindungen und vorgezogene Renteneintritte.

Das ist die gebräuchlichste Methode, mit der die Gewerkschaften Arbeitsplatzabbau und Werksschließungen durchsetzen. Denn sie ist darauf ausgerichtet, die Belegschaft zu spalten, Unsicherheit und Angst zu verbreiten und einen gemeinsamen Kampf zu verhindern. Nicht selten wird dieser Ausverkauf mit einem befristeten Proteststreik eingeleitet, auf dem die gewerkschaftlichen Berufszyniker wortradikale Reden halten.

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