Die Revolution in Russland ist für Arbeiter in aller Welt das Zeichen zum Aufbruch. Es kommt in dieser Maiwoche 1917 zu großen Streiks in Italien, Österreich, Frankreich und sogar bei den Bergarbeitern in Peru. Aber die kapitalistischen Staaten unterdrücken die heraufziehende Revolte, und die Parteien und Gewerkschaften, die in ihrem Namen auftreten, verraten sie. Die russischen Menschewiki unterstützen die Fortsetzung des Kriegs und lehnen die Antikriegshaltung der Bolschewiki rundweg ab.
Petrograd, 22.–25. Mai (9.–12. Mai): Gesamtrussische Konferenz der Menschewiki unterstützt Provisorische Regierung und Fortsetzung des Kriegs
Die Mehrheit der 89 Delegierten des Gesamtrussischen Kongresses der Menschewiki, der am 20. Mai (7. Mai) begonnen hat, unterstützt die neue Koalitionsregierung, die vor wenigen Tagen mit ihrer Hilfe entstanden ist. Die Konferenz fordert Arbeiter und ihre Mitglieder auf, sich hinter die Kriegsanstrengung der russischen Bourgeoisie zu stellen und „die Kampfkraft der russischen Armee auf jede mögliche Weise für eine umfassende Verteidigung des Landes gegen die drohenden Gefahren zu stärken“. Die Konferenz beschließt, dass die Menschewiki sich in den Sowjets im Namen rein demokratischer Errungenschaften zu einem engen Block mit Halbsozialisten oder gar Parteien (Trudowiki, Volkstümler) zusammenschließen müssen, die nur sozialistisch aussehen“. Die Menschewiki beschließen weiter, einen Vereinigungskongress der Russischen Sozialdemokratischen Partei vorzubereiten, der schließlich im August 1917 stattfinden wird.
Die Konferenz der Menschewiki vertritt diametral entgegengesetzte Positionen gegenüber der Gesamtrussischen Konferenz der Bolschewiki, die kurz zuvor stattfand. Die Bolschewiki haben in mehreren Resolutionen eine Unterstützung der Provisorischen Regierung und den imperialistischen Krieg der russischen Bourgeoisie abgelehnt. In einer Resolution erklären sie es als „absolut unzulässig“, ein Bündnis mit Parteien einzugehen, die den Krieg unterstützen und eine opportunistische Politik verfolgen.
Die ständige Krise der Provisorischen Regierung und die opportunistische Linie der Menschewiki führen zu Spaltungen in der menschewistischen Partei selbst. Der so genannte internationalistische Flügel der Menschewiki unter Julius Martow lehnt die Unterstützung der Provisorischen Regierung und des Kriegs ab. Er argumentiert, dass die Konferenz „in vielen wichtigen Punkten die Prinzipien des Klassenkampfs und des Internationalismus aufgegeben hat“. Deswegen weigern sich die sechzehn Delegierten der Menschewiki-Internationalisten, „politische Verantwortung für die Beschlüsse zu übernehmen“, und fühlen sich in ihrer praktischen Arbeit nicht an ihre Beschlüsse gebunden. Sie beteiligen sich auch nicht an den Wahlen zum Organisationskomitee der Partei.
New York City, 22. Mai: Gründung der Rechtsberatungsstelle für Kriegsdienstverweigerer
Acht sozialistische, pazifistische Frauen und Aktivistinnen für das Frauenwahlrecht treffen sich im Ginn-Gebäude an der Fifth Avenue 70 und gründen das New Yorker Büro für juristische Erste Hilfe (später Bureau of Legal Advice). Die Organisation will Bürgerrechte verteidigen und die Verletzung von Verfassungsrechten bekämpfen, die sich aus der amerikanischen Beteiligung am ersten imperialistischen Weltkrieg ergeben.
Jessie Ashley, eine der wenigen weiblichen Anwälte der Zeit, wird zur Kassiererin gewählt, Frances Witherspoon, eine Sozialistin und Pazifistin, zur Sekretärin. Ashley hat Verbindungen zu den radikalen Industrial Workers of the World (IWW). Am besten bekannt ist sie durch ihr Engagement während des Seidenstreiks in Paterson 1913. Im Juni 1913 half sie, eine festliche Demonstration zu organisieren, in deren Verlauf eintausend Textilarbeiterinnen von Hoboken, New Jersey, nach New York City und die Fifth Avenue hinunter zogen, um an einer Solidaritätsaktion der IWW im Madison Spare Garden teilzunehmen.
Die juristische Organisation setzt sich das Ziel, Personen zu verteidigen, deren Meinungsfreiheit bedroht ist, Männer im wehrpflichtigen Alter juristisch zu beraten und sich für Personen, insbesondere Einwanderer („Fremde“), einzusetzen, die aufgrund ihrer Mitgliedschaft in radikalen oder Antikriegsgruppen von Deportation bedroht sind.
Ein Historiker schrieb später: „Das Büro war auch die einzige juristische Hilfsorganisation in New York City, die Wehrpflichtige und ihre Familien kostenlos beriet. Dies führte dazu, dass sie tausende Fälle übernahmen, bei denen sie überwiegend Immigranten und Arbeiter verteidigten.“
Mailand, 23. Mai: Armee ertränkt Antikriegsproteste im Blut
Am 23. Mai unterdrückt die italienische Armee gewaltsam einen Aufstand in Mailand, der zum großen Teil von Arbeiterinnen ausgeht. Fünfzig Menschen werden getötet, 800 verhaftet. Die Bewegung hat wenige Wochen zuvor in Turin mit Brotunruhen begonnen und sich auf zahlreiche Industriezentren Italiens ausgebreitet. In Sestri Ponente, Terni, Piombino, Neapel, Livorno, Prato und andern Städten kommt es diesen Monat zu größeren Streiks und Demonstrationen.
Die Arbeiter haben jeden Grund für Proteste: Die Arbeitszeiten sind lang und die Löhne miserabel, und hinzu kommt der Umstand, dass Grundnahrungsmittel immer knapper und teurer werden. Im Vergleich mit der Vorkriegszeit hat die Kaufkraft einer durchschnittlichen Arbeiterfamilie in Mailand um ein Drittel abgenommen (in Florenz um 48%, in Rom um 40% und in Neapel gar um 51%). Da die Männer eingezogen sind, müssen Frauen und Kinder fürs Überleben schuften. Zwischen 1915 und 1918 sind fast 200.000 (meist junge) Frauen und 60.000 Kinder in der Rüstungsindustrie und in Betrieben beschäftigt, die für den Krieg produzieren.
Weil unter den Frontsoldaten viele Bauern sind, leidet die Landwirtschaft, und Mangelwirtschaft breitet sich aus. Im Sommer 1917 ist das Brot rationiert. Die Bäcker dürfen Brot nur scheibenweise, 80 Gramm pro Person, abgeben. Unterernährung und Hunger breiten sich aus und fördern Krankheiten wie Tuberkulose, Auszehrung und „Spanische Grippe“. Die Zahl der zivilen Toten entspricht beinahe der Zahl der getöteten Soldaten an der Front.
Aus Unzufriedenheit wird offene Rebellion. Die Proteste nehmen sofort eine politische Dimension an, und die Forderung nach Beendigung des Kriegs wird laut. Die Parolen lauten: „Frieden jetzt!“, „Die Waffen nieder!“, „Raus aus den Schützengräben!“ und „Nieder mit dem Krieg!“
Mitte Mai erreicht die Bewegung die Außenviertel von Mailand. Die Textilarbeiterinnen legen die Arbeit als erste nieder. Bauern aus den nahegelegenen Orten Gallarate und Busto Arsizio marschieren gleichzeitig ins Stadtzentrum, wo Landfrauen und Industriearbeiterinnen jetzt gemeinsam und lautstark das Ende des Kriegs fordern. Um einen Generalstreik zu vermeiden, verhängt die rechte Boselli-Regierung am 22. Mai den Notstand. Am nächsten Tag marschiert die Armee in Mailand ein und zerschlägt die Rebellion.
Petrograd, Mai 1917: Bauernerhebungen. Lenin vertieft Agrarfrage
Der Gesamtrussische Kongress der Bauerndeputierten, der vom 17. Mai bis am 10. Juni (4.–28. Mai) dauert, setzt seine Tagungen fort, während auf dem Land offene Bauernrebellionen ausbrechen. Alarmiert schildert die New York Times am 24. Mai das Geschehen: „Seit dem Sturz der alten Autorität breiten sich auf dem Land immer schlimmere Unordnung, offene Konfiskation von Eigentum, Aufwiegelung und andere gefährliche Anzeichen der Anarchie aus … Die Bauern, die jede Mäßigung von sich weisen, haben Staats- und Privateigentum niedergebrannt, geplündert und beschlagnahmt, und überall herrscht Anarchie.“
Eine zentrale Frage auf dem Kongress der Bauerndeputierten ist die so genannte „Agrarfrage“ über die Besitzergreifung der Gutsbesitzerländereien. Auf dem Kongress wird der Vorschlag gemacht, die Gutsbesitzer zu entschädigen. Andere Vorschläge sehen die Umverteilung von Land in Privateigentum an die Bauern vor. Lenin erläutert die Position der Bolschewiki in einem Prawda-Artikel vom 2. Juni (20. Mai) 1917:
Unsere Partei, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki), hat in einer exakt formulierten Resolution vorgeschlagen, dass das Eigentum am Grund und Boden in die Hände des ganzen Volkes übergehen solle. Folglich lehnen wir jede Aneignung des Bodens als Eigentum ab …
Die Ländereien der Gutsbesitzer müssen sofort konfisziert, d.h., das Eigentum an ihnen muss sofort, und zwar ohne Loskauf aufgehoben werden. Wie steht es aber mit dem Besitz an diesen Ländereien? Wer soll sie sofort in Besitz nehmen, sie bestellen? Die Bauern an Ort und Stelle, und zwar in organisierter Weise, d.h. nach dem Beschluss der Mehrheit. Das ist der Rat, den unsere Partei erteilt. Die Gutsbesitzerländereien werden sofort an Ort und Stelle den Bauern übergeben, bleiben aber Eigentum des Volkes.
Es ist geplant, dass Lenin auf dem Kongress sprechen soll, aber die Organisatoren streichen seine Rede wiederholt von der Tagesordnung.
Budapest, 23. Mai: Ungarischer Ministerpräsident tritt zurück
Unter dem Druck von Kaiser Karl I. (dem letzten Kaiser von Österreich) bietet der ungarische Ministerpräsident István Tisza seinen Rücktritt an. Der Kaiser versucht auch, das Stimmrecht auf größere Teile der ungarischen Bevölkerung auszuweiten, um die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu beschwichtigen. Tisza hat eine Mehrheit im ungarischen Reichstag, der allerdings nur von zwanzig Prozent der ungarischen Bevölkerung gewählt wird.
Tisza spricht für die Interessen der ungarischen Elite (Magyaren), die von 407 Abgeordneten im Parlament vertreten wird. Im Unterschied dazu werden acht Millionen Menschen nicht-ungarischer Nationalität aus einer Gesamtbevölkerung von zwölf Millionen nur von sechs Abgeordneten vertreten.
Tisza ist Gegner jedweder Schwächung des ungarischen Einflusses in der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie. Das geht so weit, dass er 1914 sogar Zweifel am Kriegseintritt angemeldet hat. Er befürchtet, der Krieg könne dazu führen, dass eine angewachsene slawische Bevölkerung im Reich den Einfluss Ungarns schmälern könnte. Die nationalistischen Spannungen nehmen zu, und Karl und die österreichische Elite ziehen begrenzte Zugeständnisse an die anderen Nationalitäten in Betracht.
Die Massen sehen Tisza als Vertreter einer verhassten Kriegsregierung. Er überlebt im Ganzen drei Attentatsversuche und wird schließlich im Oktober 1918 von Soldaten in seinem Haus ermordet.
Petrograd, 23. Mai (10. Mai): Lenin als Gast an Interrayonisten-Konferenz
Lenin, Kamenew und Sinowjew nehmen als Gäste an einer Konferenz der Interrayonisten teil. Die Meschrayonka (Interrayonisten- oder Zwischenbezirks-Organisation) besteht aus etwa 3000 Mitgliedern. Sie wurde im November 1913 gegründet und beheimatet viele hervorragende künftige Führer der Russischen Revolution, allen voran Leo Trotzki. Viele Interrayonisten unterstützen Trotzkis Konzeptionen der russischen Revolution und der permanenten Revolution. In scharfem Gegensatz zu den Menschewiki nehmen die Meschrayonzy durchwegs eine klare internationalistische Haltung zur Frage des imperialistischen Kriegs ein. Allerdings unterstützen sie im Unterschied zu Lenin die Vorstellung einer Wiedervereinigung der menschewistischen und der bolschewistischen Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Russlands.
Lenin schlägt auf der Konferenz eine Vereinigung aller internationalistischen sozialdemokratischen Gruppen auf der Grundlage der Resolutionen der 7. Gesamtrussischen Konferenz der Bolschewiki vor. In einem Treffen mit Lenin stimmt Trotzki zu, dass es weder möglich noch wünschenswert sei, die Bolschewiki mit den Menschewiki zu vereinen. In den Notizen, die Lenin von den beiden Reden Trotzkis auf der Konferenz gemacht hat, lehnt Trotzki allerdings eine abrupte Auflösung der Meschrayonka in der bolschewistischen Partei ab und schlägt stattdessen die Gründung einer neuen Partei vor, in der die Bolschewiki und die Interrayonisten aufgehen sollen. Lenin hat eine freie Diskussion darüber vorgeschlagen, welche Bedingungen am schnellsten zur Vereinigung führen. Unter den Interrayonisten gibt es noch Vorbehalte gegen eine Vereinigung mit den Bolschewiki. Dennoch ist Lenins Teilnahme an der Konferenz ein erster Schritt in der historischen Zusammenarbeit zwischen Lenin und Trotzki und legt den Grundstein für die letztliche Vereinigung der Interrayonisten mit den Bolschwewiki.
Wien, 24. Mai: 42.000 Arbeiter im Streik für höhere Löhne und Arbeitszeitverkürzung
Auf dem Höhepunkt von seit Tagen anwachsenden Streiks in der Kriegsindustrie legen 42.000 Arbeiter in der österreichischen Hauptstadt die Arbeit nieder. Am 22. Mai sind die Hauptforderung der Streiks aufgestellt worden. Sie lauten: Achtstundentag und Lohnerhöhungen, außerdem Suppenküchen in den Arbeitervierteln, um den chronischen Lebensmittelmangel auszugleichen.
Arbeiterunruhen nehmen in Wien und ganz Österreich schon seit März ständig zu. Da die Produktion Österreich-Ungarns sich auf die Kriegsindustrie konzentriert, gehen der Weizenanbau und die Erzeugung anderer Lebensmittel dramatisch zurück. Das führt zu einer starken Erhöhung der Lebensmittelpreise. Mangelernährung und Armut sind in der Arbeiterklasse weit verbreitet.
Ein Polizeibericht über den Streik stellt fest, er sei so verbreitet, dass man „schon von einem Generalstreik in staatlichen Betrieben sprechen kann“. In einigen Distrikten gehen die Arbeiter zu anderen Fabriken, um ihre Kollegen davon zu überzeugen, sich dem Arbeitskampf anzuschließen. Etwa 200 Arbeiter gelangen mit der Straßenbahn bis vor das Kriegsministerium, wo sich ihnen die Polizei in den Weg stellt.
Die Gewerkschaften versuchen, den Streik einzudämmen und zu beenden.
Petrograd, 26. Mai (13. Mai): Trotzki warnt vor der konterrevolutionären Gefahr
In einer Rede im Petrograder Sowjet gegen den Eintritt der kleinbürgerlichen Opportunisten und Volkstümler in die kapitalistische „Koalitions“-Regierung, die den Krieg fortsetzt, warnt Trotzki vor der Gefahr einer Konterrevolution. „Achtet auf die Abwesenheit Kerenskis im Sowjet und auf die Art und Weise, wie die bürgerliche Presse seinen Namen ankündigt“, erklärt Trotzki, und wirft die Frage auf: „Versucht die Presse, Kerenski für die Zwecke eines russischen Bonapartismus zu nutzen?“
Westfront, 27. Mai: In der französischen Armee breiten sich Meutereien aus
Etwa 30.000 französische Soldaten verlassen ihre Schützengräben, marschieren in die Etappe und weigern sich, den Befehlen der Offiziere zu gehorchen. Viele Meuterer sind erfahrene Soldaten, die nicht mehr bereit sind, nutzlose Angriffe zu führen und tausende Menschenleben zu opfern. Sie sind von der russischen Revolution inspiriert und fordern Frieden. Seit Beginn des Krieges sind schon über eine Million französische Soldaten getötet worden.
Die Meuterer stellen jetzt auch andere Forderungen auf wie mehr Urlaub, eine bessere Behandlung der Soldatenfamilien und bessere Ernährung für die Soldaten.
Nur eine Woche vor der Meuterei hat eine Streikbewegung Paris ergriffen, wo sich die Bedingungen für Arbeiter seit Kriegsbeginn verschlechtert haben. Schneiderinnen sind am 11. Mai in den Streik getreten. Sie fordern die so genannte „englische Woche“ (den halben Samstag frei), höhere Löhne und eine kürzere Arbeitszeit. Die Bewegung breitet sich aus und gipfelt am 20. Mai in einer Demonstration von mehreren tausend Arbeiterinnen, die Parolen gegen den Krieg skandieren und laut verkünden, welche Oper ihre Väter, Brüder, Ehemänner und Verlobten an der Front bringen müssen.
East St. Louis, 28. Mai: Aufruhr und Massaker an schwarzen Migranten
Ein Mob von ca. 3000 Mann greift schwarze Arbeiter in East St. Louis (Illinois), dem Industrievorort von St. Louis (Missouri) an. Die örtliche Polizei schaut passiv zu, während die wütenden Schläger mehrere Arbeiter umbringen und Dutzende misshandeln. Sie zerstören Häuser und Geschäfte. Die Ausschreitungen dauern bis in die frühen Morgenstunden des 29. Mai. Ein noch viel brutalerer Angriff folgt im Juli.
Die meisten schwarzen Arbeiter sind erst kürzlich aus dem Süden zugewandert und finden Arbeit in den boomenden Munitionsfabriken und Fleischpackereien von East St. Louis. Aus „Dixie“ hat sie die Kornkäferpest vertrieben, die Jahr um Jahr die Baumwollernte zerstört; auch versuchen sie, den verheerenden Auswirkungen der Jim Crow-Rassentrennung aus dem Weg zu gehen. In den Städten des Nordens herrschen die Fabrikbesitzer, und sie nutzen die Stadtverwaltungen in der Hand der Demokraten, um Arbeiter verschiedener Hautfarbe und Abstammung gegeneinander aufzuhetzen. Ein perfides System von Patronage spielt die ethnischen Gruppen gegeneinander aus. Auch sind die Arbeiter in Gewerkschaften der American Federation of Labour (AFL) organisiert, die üblicherweise die Rassentrennung fortsetzen.
Alle diese Faktoren spielen in East St. Louis eine Rolle, wo die örtliche Parteimaschine der Demokraten unter Bürgermeister Fred Mollman die Zuwanderung der schwarzen Arbeiter als Verschwörung der Republikanischen Partei hinstellt. Die Gewerkschaftsvertreter beharren darauf, dass die Arbeiter „importiert“ worden seien, um die Löhne der Weißen zu drücken.
Kurz vor Beginn der Ausschreitungen hat eine Delegation von sechzig Gewerkschaftsbürokraten die Ratsversammlung der Stadt besucht, in der die Demokraten die Mehrheit haben, und ein Ende dieses „Imports“ verlangt.