Am Samstag haben die mexikanische Regierung von Andrés Manuel López Obrador (AMLO) und seine Bewegung für die Nationale Erneuerung (Morena) die Vertreter des Bundesstaats Tamaulipas, der Grenzstadt Matamoros und der Gewerkschaften angewiesen, den Streik von zehntausenden Arbeitern in etwa 40 „Maquiladora“-Fabriken zu beenden, in denen für amerikanische und europäische Unternehmen produziert wird.
Am Freitag war es dem Unterstaatssekretär im Arbeitsministerium nicht gelungen, die Arbeiter zur Beendigung des Streiks zu bewegen, indem er mit „unerwarteten Folgen“ drohte. Daraufhin wies der Morena-Senator und Vorsitzenden des Ausschusses für politische Koordination (Jucopo) Ricardo Monreal Avila die Polizei des Bundesstaats im Namen der López Obrador-Regierung an, die Arbeiter an den Streikposten mit Gewalt zu entfernen und die Wiederöffnung der geschlossenen Werke zu erzwingen.
Die Rebellion begann am 12. Januar mit massiven wilden Streiks gegen den Willen der Gewerkschaften und Regierungsbehörden. Damals wählten die Arbeiter Streikkomitees aus ihren Reihen, um eine deutliche Lohnerhöhung und die Auszahlung einer versprochenen Einmalzahlung zu fordern. Drei Wochen später befindet sich der Streik der Maquiladora-Arbeiter jetzt an einem wichtigen Scheidepunkt.
Zehntausende Arbeiter weltweit verfolgen aufmerksam die Berichterstattung der World Socialist Web Site. Angesichts des Wiederauflebens der weltweiten Arbeitskämpfe setzen die Arbeiter von Matamoros ein Beispiel für den Klassenkampf, das in den Augen der mexikanischen, amerikanischen und internationalen herrschenden Klasse nicht hinnehmbar ist. Dass der Streik von den internationalen Medien seit zwei Wochen völlig totgeschwiegen wird, ist ein unverkennbarer Ausdruck dieser Angst.
Die mexikanische Regierung droht mit dem Einsatz von Gewalt, u.a. mit dem Einsatz von Marinesoldaten in den Industriegebieten. Die Unternehmen kündigen derweil Werksschließungen und Massenentlassungen an.
Die wilden Streiks breiteten sich schnell unter Kollegen in der Stadt und darüber hinaus aus, da die Arbeiter und Arbeiterinnen von den Streikenden als Klassenbrüder und -schwestern angesprochen wurden. In dieser Situation schickte das politische Establishment die Arbeitsrechtsanwältin Susana Prieto nach Matamoros, die in ihrer Heimatstadt Ciudad Juarez als Aktivistin für Morena tätig ist. Ihre Aufgabe war es, die unabhängige Initiative der Arbeiter zu zermürben und die Unruhen in die Kanäle von sinnlosen Appellen an López Obrador und die Gewerkschaftsbürokratie zu lenken.
Am Sonntagmorgen kursierte im Internet ein Video, in dem Gewerkschaftsführer Villafuerte und ein weiterer Funktionär des nationalen Gewerkschaftsbundes CTM offen die Befehle der Bundesregierung und des Senators Monreal per Lautsprecher an Prieto weitergeben: Der Streik müsse beendet werden, damit „die Wirtschaft des Bundesstaates und der Gemeinde nicht zusammenbricht“. Damit ist praktisch bewiesen, dass sie die Befehle von López Obrador umsetzen.
Die Arbeiter reagieren mit Wut auf die Morena-Regierung und fordern jetzt erneut, die Gewerkschaft vom Kampf auszuschließen. Auch was Prietos Rolle angeht, herrscht zunehmend Skepsis.
An diesem Scheideweg rufen Arbeiter mit Kontakt zum WSWS Autoworker Newsletter ihre Kollegen auf, die entscheidende Schlussfolgerung zu ziehen: Weitere Appelle an die Gewerkschaften und López Obrador (wie es Prieto vorschlägt) können nur in einer Katastrophe enden. Stattdessen sollten alles darauf ausgerichtet sein, an die Arbeiterklasse in ganz Mexiko und im Rest der Welt zu appellieren.
Ein Arbeiter aus Matamoros, der für den US-Konzern Tyco International arbeitet, sagt: „Ich bin wütend darüber, was bei der CTM passiert. Die Bundesregierung hat mich enttäuscht. Sie versuchen uns zu entzweien. Daraus schließe ich, dass wir durchhalten müssen.“
Und weiter: „Glaubt ihr, in den USA wird ein Streik ausbrechen? Ich rufe die Arbeiter auf, in den Streik zu treten.“ Damit meint er den Kampf der amerikanischen und kanadischen Autoarbeiter gegen die von GM angekündigten Werksschließungen und Massenentlassungen. „Ich habe auf der anderen Seite der Grenze in den USA gelebt, und ich habe die USA ganz anders wahrgenommen. Seit zehn Jahren lebe ich in Mexiko, meine Wahrnehmung hat sich verändert, und ich habe gesehen, wie die US-Konzerne den Reichtum all unserer Länder an sich reißen und unsere Arbeiter ausbeuten.“
Eine Arbeiterin des US-Unternehmens Kearfott, das in Matamoros 214 Arbeiter beschäftigt und Teile für militärische und kommerzielle Navigationssysteme baut, appelliert direkt an die Tausenden von Arbeitern bei diesem Unternehmen und dessen Mutterkonzern Astronautics in den USA, Europa, dem asiatisch-pazifischen Raum und Australien: „Wir fordern euch auf, uns zu unterstützen, damit man auf der ganzen Welt den verzweifelten Schrei hört. Die Wirtschaft wird überall von ein paar wenigen kontrolliert, die unsere Integrität mit Staatsgewalt bedrohen. Dieser einflussreiche Konzern, von dem wir am wenigsten profitieren, muss mit uns rechnen. Danke.“
Sie wirft den Konzernen vor, sie „geben uns nie irgendwas ab und lassen uns in den roten Zahlen. Jetzt wollen sie uns alle mit insgesamt 790.000 Pesos [36.300 Euro] abspeisen und sechs Millionen [276.000 Euro] für sich behalten“. Gemeint ist die vorgeschlagene Auszahlung eines geringen Anteils der von den Arbeitern geforderten Einmalzahlung von 1.500 Euro pro Kopf.
„Die Leute arbeiten jahrelang in dieser Firma, und sie zahlen niemandem eine Abfindung. Sie warten darauf, dass die Leute sterben oder kündigen, damit sie weniger Geld bekommen, als sie verdienen. Die meisten Produkte, die wir herstellen, sind Elektroteile für die Luft- und Raumfahrtindustrie. Es ist lächerlich, wenn der Manager behauptet, es sei nicht genug Geld da, um uns zu bezahlen: Wir bauen hier Teile, die 80.000 US-Dollar pro Stück kosten.“
Auch unter den Arbeitern in den USA wächst die Unterstützung für den Streik und die Bereitschaft, dem Beispiel von Matamoros zu folgen und wilde Streiks gegen die Gewerkschaften und das Management aufzunehmen. Ein Autoarbeiter bei Jeep in Ohio sagte gegenüber dem WSWS Autoworker Newsletter: „Sagt unseren Brüdern und Schwestern in Mexiko bitte, wie stolz wir auf sie sind. Sie sind wahre Helden! Ich wünschte, ich hätte mich an der Grenze mit ihnen treffen und an ihrer Demonstration teilnehmen können. Wir sind im Geiste bei ihnen und hoffen, dass sie stark bleiben!!!“
Die Gewerkschaften und das politische Establishment in den USA, Kanada und Mexiko tun alles, um zu verhindern, dass aus der wachsenden Solidarität und Unterstützung der nordamerikanischen Arbeiter ein bewusster Kampf für soziale Gleichheit über internationale Grenzen hinweg wird.
In Mexiko versuchen Prieto und Villafuerte immer verzweifelter und offensichtlicher, die Einheit der Arbeiter zu untergraben und so die Beendigung des Streiks zu erleichtern.
Beide haben ohne demokratische Diskussion oder Entscheidungsfindung durch die Arbeiter die „juristisch sanktionierten“ Schritte unternommen, den Streik in einzelnen Werken zu beenden, sobald die Unternehmen den Forderungen zustimmen. Diese Gewerkschaftsverteidiger haben auch die Forderungen der Arbeiter von letzter Woche aufgegeben, in allen von Schließung bedrohten Werken sämtliche Arbeiter wieder einzustellen. Die Arbeiter wollen den Streik nicht in einem Werk nach dem anderen beenden. Sie wollen gemeinsam mit den noch immer streikenden Arbeitern in allen Werken kämpfen, u.a. bei Tridonex und anderen Maquiladoras, die nicht zu Villafuertes Gewerkschaft gehören.
Bis Sonntagabend hatten sich 14 der 48 bestreikten Fabriken in Matamoros bereit erklärt, die Löhne um 20 Prozent zu erhöhen und einen Bonus von 1.500 Euro auszuzahlen, wie es die Arbeiter forderten. Villafuerte und die CTM reagierten darauf, indem sie die Arbeiter aufforderten, sofort an die Arbeit zurückzukehren. Sie „hoffen, diesen Arbeitskampf bald beenden zu können“ und wiederholten die Drohungen der Bundesregierung.
Gleichzeitig versuchte Prieto, das Image von Villafuerte und der Bundesregierung zu verbessern. Am Sonntagmorgen rief sie diesen bekannten Handlanger der Konzerne auf, „mit der Hand auf dem Herzen zu versprechen, dass Sie diese Bewegung nicht verraten werden“. Gleichzeitig hat sie versucht, López Obrador von Senator Monreal zu distanzieren und den Präsidenten aufgefordert, „eine direkte Erklärung abzugeben“, um die repressiven Befehle seiner Regierung gegen die Arbeiter von Matamoros zu beschönigen.
Die repressive und rechtswidrige Reaktion der AMLO-Regierung ist ein Ausdruck des Rechtsrucks der mexikanischen herrschenden Klasse und ihrer Hinwendung zu Polizeistaatsmethoden. Damit demonstriert sie, dass sie der Arbeiterklasse und den verarmten Massen nichts zu bieten hat. Die Arbeiter in Matamoros müssen den Gewerkschaften die Kontrolle über den Kampf aus der Hand nehmen und zu diesem Zweck ein stadtweites Streikkomitee mit eigenen Vertretern bilden. Sie müssen für ihre vollständige Unabhängigkeit von allen kapitalistischen Parteien und ihren Vertretern kämpfen und an die Arbeiter in allen anderen Maquiladora-Zentren entlang der Grenze, in den USA, Kanada und der Welt appellieren.
Alle Arbeiter, die eine gemeinsame internationale Strategie entwickeln wollen, sollten uns unter der E-Mail-Adresse autoworkers@wsws.org über unsere Facebook-Seite kontaktieren, um diese entscheidenden Schritte zu unternehmen. Weitere Informationen über die Kundgebung in Detroit am 9. Februar unter wsws.org/auto.