Am 25. Februar bekräftigte die Ford Motor Company, dass sie ihr letztes verbliebenes Werk in Frankreich schließen werde. Ein verbessertes Übernahmeangebot des belgischen Getriebeherstellers Punch Powerglide lehnte der Konzern ab. Das Ford-Werk in Blanquefort, nördlich von Bordeaux, beschäftigt noch etwa 850 Mitarbeiter und indirekt mehrere tausend weitere Arbeitsplätze in der Region, die von Ford abhängig sind.
Die Entscheidung ist Teil einer globalen Umstrukturierung, die Ford im Dezember angekündigt hatte. Bis zu 25.000 Arbeitsplätze, hauptsächlich in Europa, sollen ihr zum Opfer fallen. Der Konzern will Milliarden Dollar einsparen, um seinen Aktionären und Investoren noch höhere Gewinne zu verschaffen. Große Stellenstreichungen sind im Montagewerk Saarlouis in Deutschland und bei Ford Bridgend Engine in Südwales zu erwarten. Eine Schließung droht auch den russischen Werken Wsewoloschsk (2.700 Arbeiter) und Nabereschnyje Tschelny (1.000 Arbeiter).
Der US-amerikanische Konzern reagiert auf den immer härteren Kampf der transnationalen Automobilkonzerne um Gewinne und Märkte. Die Autokonzerne leiden nicht nur unter den rückläufigen Verkaufszahlen, sondern stehen auch vor der Herausforderung, die Produktion auf Elektrofahrzeuge umzurüsten. Im Dezember kündigte auch General Motors an, fünf Werke in Nordamerika mit 15.000 Arbeitsplätzen und zwei weitere Werke weltweit zu schließen.
Die Manager der Autowerke verlassen sich in jedem Land auf die enge Kooperation der Gewerkschaften, die den Widerstand der Arbeiter unterdrücken und diese daran hindern, einen gemeinsamen Kampf gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage zu organisieren.
In Frankreich wird diese Rolle der Gewerkschaften vom Mitglied der Nouveau Parti anticapitaliste (NPA), Phillippe Poutou, unterstützt. Poutou ist Ford-Arbeiter in Blanquefort und gleichzeitig der lokale Sprecher der stalinistischen Gewerkschaft CGT. Bei den Präsidentschaftswahlen 2012 und 2017 war er der Kandidat der NPA. Seine Spezialität liegt in radikal klingenden, demagogischen Reden, und bei den Gewerkschaftsdemonstrationen tritt er regelmäßig auf, um die Vorbereitung fauler Ausverkäufe von „links“ abzudecken.
Seitdem Ford im vergangenen Jahr die Schließung angekündigt hat, erhalten Poutou laute Lamentis über die Profitgier des Unternehmens große Medienaufmerksamkeit. Die französische herrschende Klasse weiß, dass sie von Poutou und der NPA nichts zu befürchten hat, und dass die Gewerkschaften, die durch jahrzehntelangen Verrat diskreditiert sind, eine solche linke Fassade dringend benötigen.
Was seine Taten angeht, so geht Poutou wie jeder andere Gewerkschaftsbürokrat vor, wenn eine Schließung ansteht. Von vorneherein schließt er die Möglichkeit aus, dass Arbeiter einen prinzipiellen Kampf gegen die Schließung aufnehmen könnten. Für ihn ist es keine Option, Streiks und Besetzungen zu organisieren und an Ford-Kollegen und europäische Autoarbeiter, die den gleichen Angriffen ausgesetzt sind, zu appellieren.
Stattdessen erwartet Poutou, dass die Arbeiter auf Absprachen hinter verschlossener Tür vertrauen sollen, die er und andere Gewerkschaftsführer mit Ford und der Macron-Regierung führen, wobei es darum geht, das Werk an Punch Powerglide oder einen anderen Konkurrenten zu verschachern.
Diese Deals, die das „Recht“ von Konzernen wie Ford voraussetzen, die Produktion stillzulegen und die Existenzbedingungen tausender Arbeiter zu zerstören, werden als „Kampf“ um die Erhaltung von Arbeitsplätzen hingestellt. In Wirklichkeit sind es Verhandlungen, bei denen alle Beteiligten auf Seiten der Konzernleitung stehen. Im Zentrum steht die Frage, wie man die Arbeiter angreifen könne, ohne einen Aufstand zu provozieren.
Im Dezember verhandelten die Gewerkschaften und die Macron-Regierung im Rahmen eines Kaufangebots von Punch über einschneidende Kürzungen und sagten, diese seien notwendig, um die Arbeitsplätze zu retten. Macrons Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire prahlte schon damit, was er alles erreicht habe: Die Gewerkschaften hätten „schwierigere Arbeitsbedingungen, die Abschaffung der 35-Stundenwoche, längere Arbeitszeiten und jahrelang eingefrorene Löhne“ akzeptiert.
Die Tatsache, dass die Arbeiter keine Möglichkeit gesehen haben, sich gegen solche Angriffe zur Wehr zu setzen, ist allein schon ein vernichtendes Misstrauensvotum gegen die Gewerkschaften und die NPA. Die Arbeiter wissen genau, dass die Gewerkschaften keinen Kampf organisieren, und auch Poutou verteidigt die Kürzungen mit der Begründung, es sei der einzige gangbare Weg.
Die NPA agiert mehr oder weniger als Propaganda-Abteilung der Macron-Regierung. Während er unausgesetzt Geheimverhandlungen mit Konzernmanagern und Ministern führt, gibt Poutou vor, diese bösartige arbeiterfeindliche Regierung eines 41-jährigen Ex-Bankers, der als „Präsident der Reichen“ berüchtigt ist, stehe auf Seiten der Ford-Arbeiter.
In einer Erklärung vom 9. Januar auf der Ford-Website der CGT berichtete Poutou über die Ergebnisse der jüngsten Diskussionen: „Der Staat hat seine Bereitschaft und sogar seine Entschlossenheit bekräftigt, die Fabrik zu retten.“ Dieses Statement erschien am selben Tag, als Macrons Polizei mit Gewalt gegen Arbeiter und Jugendliche vorging, und als Teilnehmer der „Gelbwesten“, die gegen soziale Ungleichheit protestieren, durch Gummigeschosse ein Auge verloren.
Die Hauptforderung der NPA lautete, dass Macron intervenieren müsse, um Ford eine Zeitlang davon abzuhalten, das Werk zu schließen. Um Zeit für die Suche nach einem Käufer zu gewinnen, sollte die Macron-Regierung offiziell die Ratifizierung eines notwendigen Finanzdokuments verzögern. Poutou hat die Regierung auch aufgefordert, das Werk vorübergehend zu kaufen.
Nun, da alle diese Appelle abgelehnt worden sind, versucht die NPA, die Arbeiter zu demoralisieren, und erklärt, dass das Werk sowieso geschlossen werde, und dass nichts weiter getan werden könne, um das zu verhindern. In einem Interview mit der Zeitschrift Marianne erklärte Poutou nach der jüngsten Entscheidung von Ford: „Ford wird bekommen, was es will: die Schließung der Fabrik. Dennoch halten wir an unserem Kampf fest.“
Er hoffe nur, sagte Poutou am letzten Mittwoch, dass die Arbeit am so genannten Beschäftigungsschutzplan (PSE) jetzt rasch vorankomme, „damit zu große Arbeitsplatzverluste in der Region vermieden werden“. Er hoffe auch darauf, dass sich andere Unternehmen das Werksgelände aufteilten: „Es muss ein Industrieprojekt geben, das Kontakt mit Unternehmen derselben Branche aufnimmt, damit sie die 12 Hektar des Blanquefort-Geländes übernehmen“, so Poutou.
Er fügte hinzu: „Die Regierung hat versprochen, neue Beschäftigungsmöglichkeiten durch einen Wechsel in das eine oder andere Unternehmen anzubieten. Da es eine so große Fabrik ist, die die Region verlässt, und da wir in der Öffentlichkeit so stark präsent sind, ist es möglich, dass wir Stellenangebote erhalten. Aber im Moment liegt nichts Konkretes auf dem Tisch.“
Poutous Aussagen folgten direkt denen der Macron-Regierung. Nur einen Tag vor diesen Äußerungen hatte Wirtschaftsminister Le Maire erklärt: „Wir haben eine Arbeitsgruppe geschaffen, an der Lokalpolitiker und Regierungs- und Gewerkschaftsvertreter teilnehmen, um an der Zukunft des Standorts zu arbeiten.“
Die gleichen leeren Versprechungen haben Arbeiter seit über dreißig Jahren im Vorfeld von Fabrikschließungen schon unzählige Male gehört. Sie bedeuten absolut nichts. Stattdessen werden ganze Arbeiterviertel, deren Bewohner auf Generationen hinaus von den Fabriken abhängig sind, auseinander gerissen und dem Verfall preisgegeben.
Poutous Rolle bei Blanquefort ist das Produkt des Programms und des Klassenstandpunkts der NPA selbst. Auch wenn sie gelegentlich linke Töne spuckt, ist sie doch ein Teil der Gewerkschaftsbürokratie und des politischen Establishments und bewegt sich im Umfeld der wirtschaftsfreundlichen Sozialistischen Partei (PS). Die NPA spricht für eine privilegierte Schicht der Mittelklasse, die jeden wirklichen Kampf der Arbeiterklasse ablehnt.
Die französische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, Parti de l’égalité socialiste, setzt sich für eine grundsätzlich entgegengesetzte Perspektive für die Ford-Arbeiter ein, um den Kampf gegen die Werksschließung aufzunehmen. In einer Erklärung, die sie am 15. Januar gemeinsam mit ihren Schwesterparteien in Großbritannien und Deutschland veröffentlicht hat, heißt es:
„Der Weg vorwärts für die Arbeiter besteht darin, sich aus dem organisatorischen Würgegriff der Gewerkschaften zu befreien und einen unabhängigen, internationalen Kampf zu organisieren. Sie müssen in allen Werken neue Organisationen aufbauen – Aktionskomitees, die demokratisch kontrolliert werden – um sich zusammen zu schließen und Arbeiter weltweit zur Verteidigung des sozialen Rechts auf einen Arbeitsplatz zu mobilisieren.
Ein solcher Kampf der Autoarbeiter würde in der internationalen Arbeiterklasse gewaltige Unterstützung finden, denn gegen soziale Ungleichheit, Militarismus, Austerität und die Politik der Großkonzerne und der kapitalistischen Regierungen wächst weltweit der Widerstand […].
Die Arbeiter stehen vor der entscheidenden Aufgabe, einen unabhängigen politischen Kampf aufzunehmen und allen Parteien und Organisationen zu trotzen, die den Kapitalismus verteidigen. Die herrschenden Klassen in jedem Land bieten der Bevölkerung heute bloß eine Zukunft von Verarmung, Handelskrieg und „Großmachtkonflikten“. Um den Widerstand gegen die wachsende soziale Ungleichheit aufzufangen, bauen sie diktatorische Polizeistaaten auf.
Die Antwort besteht darin, für Arbeiterregierungen und für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu kämpfen. Die Arbeiterklasse muss das gesamte Wirtschaftsleben neu ordnen, damit es der Befriedigung sozialer Bedürfnisse anstatt privater Profite dient. Dazu gehört auch die Umwandlung der riesigen Automobilkonzerne in öffentliche Unternehmen, die unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiter stehen. Die europäischen Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale nutzen die Europawahlen, um für diese Perspektive zu kämpfen.“