Der Klassenkampf in den USA und der Kampf gegen Krieg

Am 4./5. Mai veranstaltete das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI), die trotzkistische Weltbewegung, seine mittlerweile sechste internationale Online-Maikundgebung. Zwölf führende Mitglieder der Weltpartei sprachen zu verschiedenen Aspekten der Weltkrise des Kapitalismus und zu den Kämpfen der internationalen Arbeiterklasse.

Die WSWS hat diese Reden im Wortlaut und als Tonaufnahmen veröffentlicht. Der heutige Bericht stammt von Niles Niemuth, einem führenden Mitglied der Socialist Equality Party und Kandidaten der Partei zu den US-Wahlen 2018 und Präsidentschaftswahlen 2016. Von besonderer Bedeutung ist auch der einleitende Bericht von David North, dem Leiter der internationalen Redaktion der WSWS und nationalen Vorsitzenden der Socialist Equality Party der USA.

Vor hundert Jahren wurde der große amerikanische Sozialist und Revolutionär Eugene Debs in ein Bundesgefängnis in Atlanta (Georgia) geworfen, weil er den blutigen Kampf der Imperialisten zur Neuaufteilung der Welt im Ersten Weltkrieg verurteilte. Debs Opposition gegen den Imperialismus und seine kompromisslose Haltung für den Klassenkampf waren legendär. Sie brachten ihm die Unterstützung und Bewunderung von Millionen Arbeitern auf der ganzen Welt ein.

Debs hatte 1915 erklärt: „Ich habe kein Land, für das ich kämpfen kann. Mein Land ist die Erde, und ich bin ein Weltbürger. Ich bin kein kapitalistischer Soldat, ich bin ein proletarischer Revolutionär… Ich weigere mich, den Befehlen der herrschenden Klasse zu gehorchen, aber auf einen Befehl, für die Arbeiterklasse zu kämpfen, werde ich nicht erst warten.“

Hundert Jahre später führen die USA weltweit Krieg und bereiten immer größere Kriege vor. Zurzeit wird der WikiLeaks-Gründer und Journalist Julian Assange in einer britischen Gefängniszelle festgehalten, weil er die Wahrheit über amerikanische Kriegsverbrechen gesagt hat. In den USA soll er aufgrund des gleichen Spionagegesetzes angeklagt werden, das auch gegen Debs zur Anwendung kam.

Der „Krieg zur Beendigung aller Kriege“, d.h. der Erste Weltkrieg, in dem Millionen junger Arbeiter in den Tod geschickt wurden, war nur die Voraussetzung für einen noch blutigeren imperialistischen Konflikt, den Zweiten Weltkrieg. Ein zweites Mal versuchten konkurrierende kapitalistische Cliquen, die Welt neu unter sich aufzuteilen.

Wie der Gründer unserer Bewegung, Leo Trotzki, 1928 schrieb, wird sich „die Hegemonie der Vereinigten Staaten während der Zeit einer Krise noch viel vollständiger, offener, schärfer und rücksichtsloser auswirken, als während der Zeit des Aufstiegs“. Dies ist deutlich zu sehen, seitdem die amerikanische herrschende Klasse ihre vorrangige wirtschaftliche Position, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg innehatte, verloren hat.

Die USA haben in den fast 75 Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Kriege und militärische Interventionen geführt. Seit der Auflösung der Sowjetunion vor fast dreißig Jahren, seit dem Ersten Golfkrieg im Irak 1990–1991 und dem Krieg in Jugoslawien, richten sie ein Blutbad nach dem andern an.

Im Jahr 2001 rief George Bush die „Kriege des 21. Jahrhunderts“ aus, und die Amerikaner marschierten in Afghanistan ein und besetzten das Land. Seither haben die USA fast zwanzig Jahre lang Kriege im Irak, in Libyen, Syrien, dem Jemen und Somalia geführt. Ganze Gesellschaften wurden zerstört und mindestens eine Million Menschen getötet, und Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen auf der Suche nach einer Zuflucht für sich und ihre Familien.

Jetzt verwandelt sich der so genannte „Krieg gegen den Terror“ in einen neuen Großmachtkonflikt. „Der Wettstreit der Großmächte – und nicht der Terrorismus – steht fortan im Mittelpunkt der nationalen Sicherheitspolitik der USA“, erklärten die Kriegsplaner im Pentagon im letzten Jahr zu ihrer Nationalen Verteidigungsstrategie.

Die Nuklearmächte China und Russland stehen im Fadenkreuz der Vereinigten Staaten und ihrer imperialistischen Verbündeten in Europa, Japan und Australien. Der Menschheit droht eine Katastrophe. Die Trump-Administration nutzt auch die rücksichtslose imperialistische Provokation in Venezuela, angeführt von dem verrückten Kriegsfalken John Bolton, um die Spannungen mit Russland, China und dem Iran zu schüren. Der historische Konflikt zwischen den USA und Europa, insbesondere Deutschland, bricht wieder auf.

Dieser neue globale Konflikt wird auf der ganzen Welt mit einer massiven militärischen Aufrüstung vorbereitet. Die globalen Militärausgaben beliefen sich im vergangenen Jahr auf über 1,8 Billionen Dollar. Sie sind so hoch wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr.

Führend waren erneut die USA, die 649 Milliarden Dollar für die Rüstung ausgaben, so viel wie die nächsten acht Länder zusammen. Die Vereinigten Staaten machen damit über ein Drittel der weltweiten Militärausgaben aus.

Dieser Trend wird sich fortsetzen. Trump hat für 2019 ein Militärbudget von 686 Milliarden Dollar unterzeichnet, und für 2020 beantragt er 718 Milliarden Dollar für das Pentagon. Der Haushaltsausschuss des Kongresses geht davon aus, dass die USA in den nächsten zehn Jahren sieben Billionen Dollar für ihr Militär ausgeben werden. Das entspricht dem Betrag, der für Bildung, Infrastruktur und öffentliche Gesundheitsprogramme zusammen eingesetzt wird.

Damit die Ressourcen in todbringende Maschinen investiert werden können, vernachlässigt man die Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit und drückt die Löhne. Für Flugzeugträger, Kampfflieger, Hyperschallraketen und Atombomben werden Millionen verschwendet. Gleichzeitig sagt man uns, für einen vernünftigen Lebensstandard für die Lehrer und eine kostenlose und qualitativ hochwertige Ausbildung für die Schüler sei kein Geld da.

Diese gewaltige Militäraufrüstung genießt die Unterstützung aller Fraktionen des politischen Establishments, und nicht der Hauch eines Protests erhebt sich dagegen. Tatsächlich kommt die Hauptkritik der Demokratischen Partei an Trump von rechts: Sie fordert einen noch größeren Militärausbau und eine noch aggressivere Haltung gegenüber Russland.

Die amerikanische Arbeiterklasse lehnt den Krieg entschieden ab. Vor sechzehn Jahren rief der blutige, unrechtmäßige Angriff auf den Irak Massendemonstrationen in den USA und auf der ganzen Welt hervor. Pseudolinke Kräfte taten ihr Möglichstes, den Widerstand gegen den Krieg in das Fahrwasser der Demokraten zu lenken. Und was war das Ergebnis?

Ex-Präsident Obama, der Pionier der Drohnenmorde (auch an amerikanischen Bürgern), führte vom ersten Tag seiner Präsidentschaft an Krieg. Außenministerin Hillary Clinton lachte im Jahr 2011 vor Freude über die Ermordung des libyschen Führers Muammar Ghaddafi und trug dazu bei, den verheerenden Regimewechselkrieg in Syrien anzuheizen.

Der selbsternannte demokratische Sozialist Bernie Sanders, der zurzeit als Präsidentschaftskandidat der Demokraten für 2020 kandidiert, versprach eine Außenpolitik „mit Drohnen und vielem mehr“, als er 2016 für das Präsidentenamt kandidierte.

Julian Assange und Whistleblowerin Chelsea Manning sitzen hinter Gittern, während diejenigen, die Kriegsverbrechen begangen haben, an der Macht bleiben und neue Kriege anzetteln.

Aber heute wächst der Widerstand der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt, von den Massenprotesten in Algerien und im Sudan über die Gelbwesten in Frankreich bis hin zu Lehrerstreiks in den Vereinigten Staaten. Die amerikanischen Arbeiter erlebten, wie ihre Kolleginnen und Kollegen in Matamoros (Mexiko) sich Anfang des Jahres in einer mächtigen Streikbewegung über die Grenze hinweg erhoben. Überall auf der Welt kämpfen Arbeiter gegen die gleichen Probleme und gegen dieselben transnationalen Unternehmen.

Letzte Woche demonstrierten 20.000 Lehrer im südlichen Bundesstaat North Carolina zum Schutz der staatlichen Bildung. Ein Lehrer sagte uns, Geld werde für den Verstand gebraucht und nicht für Landminen. Über die Kriege, die im Namen des amerikanischen Volkes geführt werden, herrscht große Wut.

Die Gewerkschaften, Trump und die Demokraten versuchen, amerikanischen Nationalismus aufzupeitschen, doch der internationale Klassenkampf vereitelt diese Bemühungen. Dies ist die objektive Kraft, die den Versuch, Arbeiter im Krieg aufeinander zu hetzen, durchkreuzen wird.

Diese Bewegung, die sich noch in ihren Anfängen befindet, muss mit einem internationalen sozialistischen Programm bewaffnet werden.

Der Kampf gegen Krieg ist nicht ohne den Kampf für Sozialismus möglich, und den Sozialismus kann man nicht aufbauen, ohne den Krieg zu bekämpfen. Vor allem aber muss der Kampf gegen den Imperialismus in den Kämpfen der Arbeiterklasse verwurzelt sein.

Kriminalität und Gangstertum in der Außenpolitik sind die Kehrseite von Parasitismus und Spekulation in der Wirtschaft. Die internationale Arbeiterklasse muss und wird gegen den imperialistischen Krieg kämpfen. Dies wird Teil ihres Kampfs für den Sturz des kapitalistischen Systems und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft auf der Grundlage von Gleichheit, internationaler Einheit und Frieden sein.

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