Human Rights Watch veröffentlichte am Donnerstag einen Bericht, aus dem hervorgeht, dass Soldaten von Burkina Faso in dem von Frankreich geführten Krieg in der Sahelzone außergerichtliche Massenhinrichtungen von Zivilisten durchführen.
Der Bericht entlarvt erneut, dass der von Frankreich und Deutschland geführte Krieg in Mali und der Sahelzone eine neokoloniale Intervention mit dem Ziel ist, die rohstoffreiche und geostrategisch wichtige Region und ihre Bevölkerung zu unterwerfen. Eine Reihe von früheren Berichten hatten ähnliche Verbrechen von Soldaten in Niger und Mali dokumentiert. Ihre Einheiten bilden zusammen mit denen von Burkina Faso, dem Tschad und Mauretanien die Truppe der G5-Koalition, die in der von Europa angeführten Intervention an der Seite der Europäer kämpft. Daneben verschärfen die europäischen Mächte zudem die Besatzung, die sie zynisch mit dem Kampf gegen „Terrorismus“ und für den Schutz von Menschenrechten rechtfertigen.
Der Bericht basiert auf Interviews mit 23 Bewohnern der nördlich gelegenen Stadt Djibo, die 45 Kilometer von der Grenze zu Mali entfernt ist. Unter ihnen befinden sich Bauern, Händler, Beamte und Beschäftigte von Hilfsorganisationen. Alle haben sich aus Angst vor Repressalien der Regierung nur anonym geäußert. In den letzten Monaten wurden alleine in Djibo Massengräber entdeckt, in denen mindestens 180 Leichen lagen – alles Männer, die in dieser Stadt getötet wurden. Alle Zeugen erklärten, die Morde seien ihrer Meinung nach von Sicherheitskräften verübt worden, nachdem die Opfer verhaftet worden waren.
Die Hinrichtungen sollen im Zeitraum von November 2019 bis Juni 2020 stattgefunden haben. Die Leichen wurden an Straßendämmen, Brücken, Feldern und leerstehenden Grundstücken zurückgelassen. Den meisten hatten die Hände eng hinterm Rücken gefesselt, die Augen verbunden und wurden in den Kopf geschossen. Ein Bauer erklärte gegenüber HRW: „Nachts hörte ich so oft die Geräusche von Fahrzeugen, und dann: Peng! Peng! Peng! Und am nächsten Morgen liegen die Leichen da.“
Laut den Bewohnern ließ man die meisten Leichen tage- oder wochenlang liegen. Jeder, dem Sympathien für die regierungsfeindlichen islamistischen IS-Kräfte unterstellt werden, riskiert selbst den Tod. Ein Einwohner erklärte: „Die Leute haben einfach nur Angst, dass sie auch abgeholt und ermordet werden, wenn sie die Leiche von jemandem abholen, der beschuldigt wurde, ein Terrorist zu sein.“
Der Bericht enthält konkrete Details über Massenhinrichtungen. Ein Mann erklärte: „Ich habe einige Meter von der Straße entfernt neun Leichen entdeckt, einer der Toten war mein 23-jähriger Neffe. Sie wurden einen Tag zuvor verhaftet. Ein Freund hatte um 11 Uhr vormittags angerufen und erzählt, es habe Ärger auf dem Markt gegeben, mein Junge sei verhaftet worden. Ich ging sofort zum Markt und sah, dass alle neun gefesselt mit dem Gesicht auf dem Boden lagen. Vier Gendarmen brachten sie zu ihrem Fahrzeug und führten sie weg. Um etwa 20 Uhr abends hörte ich nahe dem Damm von Djibo Schüsse; am Morgen sah ich sie im Busch liegen, gefesselt und von Kugeln durchlöchert... Wir trauten uns nicht mal, sie zu begraben... Wir mussten zusehen, wie mein Neffe zum Skelett zerfiel. Erst während der Massenbeerdigung im März wurde er mit Dutzenden anderen endlich bestattet, aber das war kaum eine richtige Beerdigung. Mein Junge war kein Dschihadist.“
Im März und April erhielten die Bewohner die Erlaubnis, die Leichen zu begraben. Allerdings wurde es ihnen „streng verboten“, die Massengräber zu fotografieren. Ein Einwohner erklärte: „Das hat niemand gewagt, weil die FDS [Verteidigungs- und Sicherheitskräfte] zugeschaut haben.“
Ein Einwohner erzählte: „Ich habe keinen von ihnen erkannt, aber mehrere Zuschauer bei der Beerdigung erzählten, sie hätten ihren Vater, Bruder oder Sohn erkannt... sie wurden vermisst, seit sie Wochen oder Monaten zuvor in Djibo oder ihrem Dorf von den Soldaten verhaftet worden waren... Sie sagten jedoch während der Beerdigung nichts, weil sie fürchteten, sie würden ebenfalls verhaftet werden.“
Die meisten Opfer der staatlichen Streitkräfte gehören der Ethnie der Peulh, oder Fulbe, an. Weil die überwiegende Mehrheit von ihnen Muslime sind, gelten sie als zugänglicher für die Rekrutierungsversuche des IS.
Es wird immer klarer, dass die Strategie der europäischen Mächte darauf beruht, ethnische Konflikte zwischen den Fulbe und Dogon zu schüren. Die beiden Ethnien haben lange Zeit in den gleichen Städten in der ganzen Region friedlich zusammengelebt. Doch seit Frankreich im August 2014 den Krieg in Mali begonnen hat, gab es eine Reihe von immer schrecklicheren ethnischen Massakern. In der Presse wird ausgiebig darüber berichtet, dass lokale Sicherheitskräfte im Rahmen des Kriegs gegen den IS Dogon-Milizen bewaffnet und unterstützt haben und dabei sektiererische Massaker tolerierten.
Alleine in Zentral-Mali hat Human Rights Watch laut eigenen Angaben die Ermordung von 800 Zivilisten in Dutzenden von größeren Massakern an Fulbe und zahlreiche Ermordungen von Zivilisten durch bewaffnete Fulbe-Gruppen und Islamisten dokumentiert.
Am 14. Februar 2020 wurden in dem Dorf Ogossagou 35 Einwohner von einer Dogon-Miliz getötet; ein Jahr zuvor, am 23. März 2019, wurden am gleichen Ort mehr als 150 Menschen massakriert. Nur wenige Stunden zuvor hatte eine Einheit der malischen Sicherheitskräfte, die nach dem Massaker im Vorjahr dort stationiert wurde, das Dorf verlassen.
Die Regierung hat unerklärlicherweise behauptet, die Entscheidung zum Abzug der Schutztruppen aus dem Dorf sei ein „taktischer Fehler“ gewesen. Human Rights Watch veröffentlichte im Mai einen Bericht, laut dem sie sich aus dem Dorf zurückgezogen haben, ohne den Bewohnern irgendetwas zu erklären. Nur wenige Stunden später sammelten sich in der Dogon-Wohngegend bewaffnete Männer. Die Dorfbewohner setzten sich mit hohen malischen Behördenvertretern, darunter auch Ministern der Regierung, und mit der UN-Friedensmission in Verbindung und forderten Schutz.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In dem Bericht heißt es: „Sie erklärten, sie hätten sich mit Angehörigen der Sicherheitskräfte, u. a. mit Gendarmen und Militärpersonal, in Verbindung gesetzt, die nur 15 Kilometer entfernt in Bankass stationiert waren... Ein Zeuge, der an einem Treffen von hochrangigen Regierungsvertretern und Vertretern [der UN-Mission] MINUSMA teilgenommen hatte, erklärte ... drei Minister, darunter der Verteidigungs- und der Sicherheitsminister, hatten am Abend des 13. Februar Anrufe bekommen, in denen vor einem drohenden Angriff gewarnt wurde.“ Man hat das Massaker geschehen lassen.
Dem europäischen Imperialismus dienen solche religiös motivierten Massaker nicht nur dazu, die lokale Bevölkerung zu terrorisieren, sondern liefern ihnen auch eine Rechtfertigung dafür, die Region im Namen von „Menschenrechten“ dauerhaft besetzt zu halten. In der Sahelzone befinden sich Uranvorkommen, die Frankreich für seine Energieproduktion benötigt. Die Region liegt zudem in einem geografisch wichtigen Gebiet Westafrikas, in der der europäische Imperialismus versucht den wachsenden wirtschaftlichen und diplomatischen Einfluss Chinas zurückzudrängen.
Der französische und der deutsche Imperialismus verfolgen mit krimineller Rücksichtslosigkeit die gleiche Strategie, die auch der US-Imperialismus bei seinen Besetzungen des Iraks und Afghanistans angewandt hat. Die Folge waren die Zerstörung ganzer Gesellschaften, über eine Million Todesopfer und die Flucht von Dutzenden Millionen.
Le Monde veröffentlichte am 6. Juli eine kriegslüsterne Kolumne des deutschen SPD-Abgeordnete Nils Schneider, in der dieser erklärte: „Im Gegensatz zu den Anti-Dschihadisten-Operationen im Irak und Afghanistan unter Führung der USA tragen Frankreich und Deutschland die Hauptverantwortung dafür, was in der Sahelzone passiert. Deshalb dürfen wir unsere Verantwortung nicht an die Amerikaner abgeben oder unsere Truppen einfach abziehen!“
Tatsächlich benutzen Frankreich und Deutschland ihre Besetzung der Sahelzone als Testgelände für die Methoden, die die USA in ihrem jahrzehntelangen „Krieg gegen den Terror“ im Nahen Osten entwickelt haben. Frankreich setzt bereits von Niger aus bewaffnete Drohnen für gezielte Tötungen ein, und auch Deutschland plant den Einsatz von Drohnen in der Region. Der französische Präsident Emmanuel Macron ist am 30. Juni zu einem internationalen Gipfeltreffen mit den Staatschefs der G5-Staaten nach Mauretanien gereist, um eine Verschärfung der Intervention und eine noch engere Zusammenarbeit mit den G5 anzukündigen.
Der jüngste Bericht von Human Rights Watch wurde in den französischsprachigen Medien kaum erwähnt, auch die französische Regierung äußerte sich nicht dazu. Wenn Streitkräfte, die mit dem Iran, China oder Russland zusammenarbeiten, solche Verbrechen begehen würden, kann man sich nur zu gut vorstellen, wie in allen Leitartikeln darüber berichtet würde und wie Regierungen die Vorfälle verurteilen und mit Sanktionen drohen würden.