Die Flutkatastrophe und der Bankrott des Kapitalismus

Gemessen an der Zahl der Todesopfer sind die aktuellen Überschwemmungen die schwerste Flutkatastrophe in Deutschland seit der Sturmflut an der Nordseeküste 1962. Offiziell starben bislang über 180 Menschen, davon mindestens 159 in Deutschland. In Belgien kamen mindestens 31 Menschen ums Leben. Hunderte werden noch immer vermisst.

Menschen weltweit sind entsetzt über die Verwüstungen, die die Flut angerichtet hat. Drohnen-Aufnahmen und Vorher-Nachher-Bilder zeigen das ganze Ausmaß der Zerstörung. Besonders in der Eifel wirkte sich das Hochwasser verheerend aus. Ganze Ortschaften an eigentlich kleinen Flüssen wie der Ahr, der Erft und der Rur, wurden weitgehend zerstört.

Ganze Straßenzüge wurden unterspült und von den Fluten mitgerissen; Wege, Bahnstrecken und Brücken wurden unpassierbar und stellenweise zerstört. Hunderttausende waren zwischenzeitlich von der Stromversorgung abgeschnitten, weil das Hochwasser mehrere Umspannwerke flutete. Auch Mobilfunknetze und die Trinkwasserversorgung war in einigen Regionen zusammengebrochen.

Am dramatischsten ist die Zahl der Toten, die ständig weiter ansteigt.

Alleine im Landkreis Ahrweiler kamen mehr als 110 Menschen ums Leben. Davon mindestens 28 in der Gemeinde Schuld (660 Einwohner) und und der Kleinstadt Sinzig (17.642 Einwohner). Für die individuellen Schicksale lassen sich kaum Worte finden. Menschen verloren ihre Eltern, Schwester, Brüder und Kinder. Unter den Toten in Sinzig befinden sich zwölf Bewohner einer Behinderteneinrichtung, die nicht rechtzeitig evakuiert wurde.

Ähnlich dramatische Szenen drohen sich nun in Bayern, Sachsen und Teilen von Österreich zu wiederholen. Seit Samstagnacht hat sich das Starkregengebiet nach Süden und Osten verlagert und die Pegelstände an Donau, Isar und Inn sowie an Nebenflüssen der Elbe steigen ständig an. In Bayern wurden u.a. die Innenstädte von Passau und Berchtesgaden überflutet; in Sachsen Ortschaften wie Bad Schandau und Krippen.

Die Hochwasserkatastrophe enthüllt gleich in mehrfacher Hinsicht den Bankrott des Kapitalismus und seiner politischen Vertreter.

Erstens ist sie ein direktes Ergebnis der vom kapitalistischen Profitsystem verursachten Klimakrise, die zu immer heftigeren Extremwetterereignissen führt. „Schon vor über 30 Jahren haben Klimamodelle vorhergesagt, dass Extremniederschläge häufiger werden, während Tage mit schwachem Regen seltener werden“, kommentierte Stefan Rahmstorf, Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Pro Grad Erwärmung könne „die Luft sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen und dann auch abregnen.“

Die Folgen des Klimawandels sind seit langem bekannt. In vielen Studien wurde aufgezeigt, dass die Erderwärmung Hochwasserkatastrophen und Dürren hervorbringt und letztlich das Überleben des Planeten und der gesamten Menschheit gefährdet. Aber die herrschende Klasse ist unfähig und unwillig, ernsthafte Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, weil dies ihr Profitstreben und ihre geostrategischen Interessen unterminieren würde. Die regelmäßigen Abkommen zum Klimaschutz sind das Papier nicht wert auf dem sie geschrieben sind.

Zweitens sind die tödlichen Auswirkungen des Klimawandels ein Resultat der seit Jahrzehnten vernachlässigten und kaputt gesparten Infrastruktur – dazu gehören neben notwendigen Hochwasserschutzmaßnahmen ein funktionierendes Frühwarnsystem und ein gut ausgestatteter und effektiven Katastrophenschutz. Internationale Experten wiesen darauf hin, dass die hohen Todeszahlen direkt auf Mängel in diesen Bereichen zurückzuführen sind.

„Wir sollten im Jahr 2021 nicht diese Anzahl von Todesfällen durch Überschwemmungen erleben. Das ist einfach inakzeptabel“, erklärte Hannah Cloke, Professorin für Hydrologie an der britischen Universität Reading.

Gegenüber dem ZDF wies die Professorin auf Probleme bei den Warnsystemen hin. „Schon mehrere Tage vorher konnte man sehen, was bevorsteht.“ Alle notwendigen Warnmeldungen der Wetterdienste seien rausgegangen, so Cloke, die selbst am Aufbau des Europäischen Flutwarnsystems EFAS beteiligt war. „Doch irgendwo ist diese Warnkette dann gebrochen, sodass die Meldungen nicht bei den Menschen angekommen sind.“

Das deckt sich mit Berichten, die die WSWS von Flutopfern erhielt. Ein Betroffener aus Ahrweiler berichtete, dass er und seine Familie erst zwei Stunden vor den Überschwemmungen im Ort gewarnt wurden. Die Sandsäcke, die sie dann noch erhielten, waren nicht gefüllt. Auf Grund der bereits herannahenden Wassermassen war es der Familie nicht mehr möglich, selbst noch Sand aufzutreiben. Binnen Kürze waren der Keller und der untere Bereich des Hauses komplett überschwemmt.

Es sei „unglaublich frustrierend.“ In Deutschland habe es ein Versagen gleich auf mehreren Ebenen gegeben, so Cloke weiter. Zum einen gebe es keine „bundesweit einheitliche Herangehensweise an Flutrisiken“, wobei es „unterschiedliche Flutpläne für verschiedene Szenarien“ brauche. Zum anderen hätten „lokale Verwaltungen oft keine ausreichenden Mittel, um sich angemessen darauf vorzubereiten.“

Tatsächlich sind viele Kommunen infolge der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse bankrott. Die Mittel für den Katastrophenschutz wurden in den letzten Jahren massiv zusammengestrichen. Das gilt für den Bau von Notfallkrankenhäusern, Schulungen und die Bereitstellung von Material für zehntausende ehrenamtliche Zivilschutzkräfte genauso wie für die Unterhaltung von bundesweiten Geräte- und Medikamentenlagern. Auch das Sirenen-Warnnetz wurde weitgehend demontiert.

Das dem Innenministerium untergeordnete Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe verfügt gerade einmal über 344 Bedienstete und den mickrigen Jahresetat von knapp 250 Millionen Euro.

Notwendige Ausgaben in den Hochwasserschutz wurden nicht ansatzweise getätigt. „Die Umsetzung hochwasserbezogener Maßnahmen“ sei „durch Mängel bei der Zuweisung von Finanzmitteln beeinträchtigt“, heißt es etwa in einem Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes aus dem Jahr 2018 zur Umsetzung der europäischen Hochwasserrichtlinie. Die Mitgliedstaaten seien auch „nicht in der Lage“ gewesen, „die Auswirkungen des Klimawandels auf das Ausmaß, die Häufigkeit und den Ort des Auftretens von Hochwasser einzukalkulieren.“

Die gleichen Regierungspolitiker, die jetzt in den Katastrophengebieten Krokodilstränen vergießen und gebetsmühlenartig „schnelle und unbürokratische Soforthilfen“ versprechen, sind verantwortlich für diese Situation. In den letzten Jahren haben sie hunderte Milliarden Euro den Konzernen und Banken in den Rachen geworfen und die Militärausgaben immer weiter gesteigert. Gleichzeitig haben sie eine Kürzungsorgie organisiert, die Millionen Arbeiter und ihre Familien in tiefe Armut gestürzt hat.

Die Pandemie hat die herrschende Klasse genutzt, um die Politik der sozialen Umverteilung auf die Spitze zu treiben. Im Rahmen der sogenannten Corona-Rettungspakete wurden mit Unterstützung aller Bundestagsparteien erneut gigantische Summen in die Großunternehmen und Banken gepumpt. Um die Profite der Finanzoligarchie sicherzustellen lassen alle Regierungsparteien bewusst die Ausbreitung des Virus zu und lehnen die wissenschaftlich notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ab. Die Folge sind über vier Millionen Tote weltweit – davon mehr als eine Million in Europa und über 91.000 in Deutschland.

Die gleiche menschenverachtende Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben und Wohlergehen der Bevölkerung zeigt sich nun auch in der Flutkatastrophe. Die auf Video festgehaltenen Witzeleien des Ministerpräsidenten von NRW und CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet bei einem öffentlichen Auftritt mitten im Katastrophengebiet sind davon nur der abstoßendste Ausdruck. Nach dem ersten Schock werden Arbeiter und Jugendliche beginnen, aus den Erfahrungen weitreichende Konsequenzen zu ziehen.

Der Kampf gegen den Klimawandel ist – wie der Kampf gegen die Pandemie und die Gefahr von Faschismus und Krieg – eine politische Frage, eine Frage der revolutionären Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus. Die arbeitende Bevölkerung weltweit trägt die Hauptlast der Auswirkungen der Erderwärmung. Gleichzeitig wird sie in Kämpfe gezwungen und definiert sich objektiv immer stärker als internationale Klasse, deren elementare Lebensinteressen nicht mit dem kapitalistischen Privateigentum an den Produktionsmitteln vereinbar sind.

„Kein gesellschaftliches Problem kann gelöst werden, ohne die Banken und Konzerne zu enteignen und unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse zu stellen“, heißt es im Wahlaufruf der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP). „Ihre Gewinne und Vermögen müssen beschlagnahmt und die Billionen, die ihnen im letzten Jahr zur Verfügung gestellt wurden, zurückgeholt werden. Die Weltwirtschaft muss auf der Grundlage eines wissenschaftlichen und rationalen Plans neu organisiert werden.“

Das ist die entscheidende Lehre der vergangenen Tage. Nur durch eine sozialistische Reorganisation der Gesellschaft, kann der Kampf gegen Klimawandel und für eine sichere und gerechte Zukunft gewonnen werden.

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