Busfahrer aus Sheffield unterstützen Kampagne gegen David O'Sullivans Entlassung

Kürzlich sprach ein Team der Socialist Equality Party (SEP) aus Großbritannien mit Busfahrern aus Sheffield über die Kampagne gegen die Entlassung des Londoner Busfahrers David O'Sullivan. Die Fahrer betonten besonderes die Standhaftigkeit, mit der O'Sullivan konsequente Schutzmaßnahmen für seine Kollegen aus dem öffentlichen Nahverkehr zum Schutz vor dem Corona-Virus fordert.

Das SEP-Team verteilte auf dem Betriebshof Olive Grove sowie am Busbahnhof Pond Street im Stadtzentrum das Flugblatt „Sofortige Wiedereinstellung des Londoner Busfahrers David O'Sullivan: Für Corona-sichere Arbeitsplätze! Stoppt alle ungerechten Entlassungen!“ unter den Fahrern des Busbetreibers First South Yorkshire (FSY). Die FSY ist eine Tochtergesellschaft der First Group, einem großen transnationalen Bus- und Bahnunternehmen mit weltweit rund 200.000 Mitarbeitern. Das Unternehmen erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 7,8 Milliarden Pfund und betreibt 20 Prozent aller britischen Fernbuslinien.

Das Flugblatt löste eine breite Debatte über die Gefahren aus, denen die Fahrer seit Beginn der Pandemie ausgesetzt sind, sowie über die Umstrukturierungen, die der private Betreiber nun fordert.

Die Fahrer waren empört darüber, wie O'Sullivan aufgrund seiner prinzipiellen Haltung zu Sicherheitsmaßnahmen von den Londoner Verkehrsbetrieben behandelt wird. Sie stimmten außerdem zu, dass es sich bei seiner Entlassung um einen Testfall handelt, was die Rechte aller Arbeiter während der Pandemie betrifft.

Besonders diskutiert wurde auch die Rolle der Gewerkschaft Unite. Anfangs waren die Fahrer schockiert darüber, dass Unite O'Sullivan nicht unterstützt und sich auf die Seite der Londoner Verkehrsbetriebe stellt. Doch noch größer ist ihre Wut über die zunehmend schlechteren Arbeitsbedigungen, denen sie selbst seit Beginn der Pandemie ausgesetzt sind, und die auf einer Absprache zwischen der Gewerkschaft und der First Group beruhen. Unite hat den neuen Arbeitsbedingungen zugestimmt, die nun vertraglich festgehalten werden sollen.

Die Fahrer in Sheffield berichteten, dass die maximale Arbeitszeit von viereinhalb Stunden auf fünfeinhalb Stunden erhöht werde und Dienstpläne später als bisher bekanntgegeben würden, um dem Management die Zeitplanung zu erleichtern.

Die First Group treibt mit Hilfe von Unite Armutslöhne voran und beutet die Fahrer zunehmend aus, ähnlich wie in der Gig-Economy.

Am Donnerstag vergangener Woche stimmten die Fahrer in Sheffield gegen den neuen Vertrag, der die Handschrift von Unite trägt.

Die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und dem Unternehmen wurden bisher nicht veröffentlicht, und auch auf der Website von Unite wurde weder über die Abstimmung, noch über die Inhalte berichtet. Der Vertrag sieht außerdem längere Lenkzeiten ohne Pause vor, einen gekürzten Stundenlohn für die Zeit, die ein Fahrer nicht hinter dem Lenkrad verbringt – einschließlich der Ablöse eines Fahrzeugs zwischen Fahrern – sowie eine Ausweitung der unbezahlten Pause auf 70 Minuten. Schulungen sollen an freien Tagen und ohne Lohn absolviert werden. Die Löhne der Fahrer wurden nicht angehoben, mit Ausnahme des Stundensatzes am Wochenende, der um 0,60 Pfund (ca. 0,70 Euro) pro Stunde erhöht wurde.

Wie die Fahrer bestätigten, steht Unite auf der Seite des Unternehmens und steckt mit dem Management unter einer Decke.

Die folgenden Kommentare veröffentlichen wir zum Schutz der Fahrer ohne Namen.

Ein langjähriger Fahrer erklärte: „Ich habe euer [SEP-]Flugblatt gelesen. Wenn man zwischen den Zeilen liest, sieht es so aus, als würde Unite mit dem Unternehmen zusammenarbeiten, um ihn [O'Sullivan] zu schikanieren. Das ist eine Schande.

Wir sind zunehmend schlechteren Arbeitsbedigungen ausgesetzt und die Gewerkschaft hat uns gesagt, dass wir nicht streiken sollen, weil es langwierig wäre und nichts bringen würde. Meine Antwort darauf ist, dass wir aufs Ganze gehen müssen.

Die Gewerkschaft bestreitet, dass sie auf der Seite des Managements steht, aber bei allem, was das Unternehmen fordert, gibt die Gewerkschaft nach, und das Unternehmen bekommt, was es will.“

Ein weiterer Fahrer sagte über O'Sullivan: „Er ist ein Held, doch heutzutage haben Helden nichts zu lachen, wenn sie die Wahrheit ans Licht bringen. Das Land wird wie ein Unternehmen geführt. Profite gehen vor Leben. Die Maskenpflicht wurde nie vollständig durchgesetzt und von uns wurde erwartet, dass wir mit Bargeld hantieren, um Fahrkarten zu verkaufen!

Die Gewerkschaften stehen nicht auf der Seite der Arbeiter. Sie stehen auf der Seite der Konzerne.' Zu dem Busfahrerstreik in Manchester, der sich gegen das Prinzip des „Hire and Fire' richtet, sagte der Fahrer: „Ich denke nicht, dass sie eine Ausweitung des Streiks bei Go North West anstreben.“

Ein junger Busfahrer verdeutlichte seine Wut über die Entlassung von O'Sullivan und erzählte, wie er sich zum ersten Mal mit politischen Themen auseinandersetzen musste. Er sagte:

„Es ist abscheulich zu hören, dass man [O'Sullivan] entlassen hat. Er arbeitet hart und ist offensichtlich sehr engagiert, aber für die bist du nur eine Nummer. Er hat sich für seine Rechte eingesetzt und für die von allen anderen.

Es geht allein um Gier und Geld. Ich interessiere mich eigentlich nicht für Politik, aber diese Regierung ist gegen die Arbeiterklasse. Wir müssen im ganzen Land, ja auf der ganzen Welt, zusammenstehen.“

Vielen Fahrern aus Sheffiield war bekannt, dass es unter ihren Kollegen in London aufgrund der Pandemie viele Todesopfer gegeben hatte. Sie erklärten, dass auch sie gezwungen waren, selbstständig Maßnahmen gegen das Unternehmen und die Gewerkschaft zu ergreifen, um sich zu schützen. Ganz ähnlich also, wie ihre Kollegen in den Betriebshöfen in London. Landesweit wurden 14 Todesfälle von Mitarbeitern der First Group registriert, wobei es besonders in Leeds und Schottland gehäuft zu Infektionen und Todesfällen kam.

Ein Fahrer sagte dazu: „Es war richtig, dass er sich für die Sicherheit eingesetzt hat. Arbeiter müssen Maßnahmen ergreifen, um die ihnen zustehenden Rechte zu verteidigen. Weil es sonst niemand tut, auch nicht Unite. Zu Beginn der Pandemie erhielten wir keinerlei Ausstattung, um uns zu schützen, und die Gewerkschaft unternahm auch nichts. Wir mussten Frischhaltefolie mitbringen, um die Löcher in der Trennscheibe [zwischen Fahrersitz und Fahrgästen] abzudecken und eigenes Desinfektionsmittel für die Hände. Auch später gaben sie uns bloß Handschuhe.

Die Gewerkschaft steckt mit der Firma unter einer Decke. Sie kämpfen nicht auf unserer Seite.'

Der Widerstand gegen die neuen Vertragsbedingungen beruht auf der Erkenntnis, dass die First Group auch während der Pandemie Profite eingefahren hat – auf dem Rücken der Fahrer, die unter gefährlichen Bedingungen gearbeitet haben sowie mit der Hilfe staatlicher Subventionen.

Ein anderer langjähriger Fahrer erklärte: „Die stecken sich das Geld in die eigene Tasche und unterstützen die Fahrer in keinster Weise. Es geht nur darum, sich die Taschen zu füllen.

Ich arbeite durchgehend seit Beginn der Pandemie vor fast 18 Monaten und habe noch kein Dankeschön oder einen zusätzlichen Penny bekommen. Und jetzt wollen sie unsere Arbeitsbedingungen verschlechtern und Löhne kürzen. Das ist widerlich.

Sie sagen, dass die Pandemie sie 2,6 Millionen Pfund gekostet habe. Ich sage, es kostet sie nichts, weil sie Unterstützung von der Regierung bekommen.

Sollte der Vertrag, über den wir abstimmen, nicht zustande kommen, gehe ich davon aus, dass sie zu Plan B übergehen werden – sprich, eine Kündigungsfrist von 90 Tagen, oder wir akzeptieren die Vertragsbedingungen, die sie uns aufzwingen.

Ich habe mir euer Flugblatt angesehen. Es ist super, was ihr für die Fahrer tut. Er [O'Sullivan] hat die Situation sehr gut zusammengefasst. Ich wünsche ihm alles Gute.

Alle Fahrer sollten sich zusammentun und sagen: 'Richtig so! Wir kämpfen bis zum bitteren Ende!‘. Vergesst die Gewerkschaft, denn die ist nicht das, was sie sein sollte. Vor 25 Jahren hätten sie vielleicht noch etwas für uns rausgeholt. Aber heute nicht mehr. Sie [die Gewerkschaft] speist sich jetzt aus Mitteln des Unternehmens.“

Das vorrangige Ziel der Fahrer muss es sein, sich aus dem Würgegriff der Gewerkschaft zu befreien. Die Gewerkschaften fungieren als Handlanger und Betriebspolizei der Unternehmen, um Profite zu schützen. Die Aufhebung aller Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie durch die Johnson-Regierung am 19. Juli und die zunehmend schlechten Arbeitsbedingungen treiben Arbeiter in ernste Kämpfe. Allein durch den Aufbau von Aktionskomitees können diese Kämpfe voran gebracht und die weltweite Arbeiterklasse im Kampf gegen den Kaptialismus vereint werden.

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