Opel erhöht Druck auf Beschäftigte des Rüsselsheimer Entwicklungszentrums

Trotz Pandemie hat der Stellantis-Konzern, zu dem auch Opel gehört, seinen Reingewinn im ersten Halbjahr 2021 massiv auf 5,9 Milliarden Euro gesteigert. Gleichzeitig erhöhen das Opel-Management und die Betriebsräte den Druck auf die Arbeiter.

Das haben zuletzt Beschäftigte des Internationalen Technischen Entwicklungszentrums (ITEZ) in Rüsselsheim zu spüren bekommen. Ingenieure aus Forschung und Entwicklung und Mitarbeiter der Schmiede, des Designs und des Werkzeug- und Prototypenbaus haben Briefe von Opel-Personalchef Ralph Wangemann erhalten. Darin werden sie aufgefordert, sich im Konzern nach einer anderen Tätigkeit umzusehen – oder „freiwillig“ ihren Abschied zu nehmen. Darüber hat der Nachrichtendienst businessinsider berichtet.

Der News-Dienst hat auch die Stelle im Brief zitiert, an der Wangemann darauf pocht, dass alle angedrohten Schritte ausdrücklich „im Rahmen des mit dem Betriebsrat vereinbarten Vorgehens“ erfolgten. Zwar hat sich der Betriebsrat in einem internen Handzettel umgehend davon distanziert und das Vorgehen des Managements als „inakzeptabel“ bezeichnet. Aber wen will er damit täuschen? Es ist nur ein schwacher Versuch, seine Spuren zu verwischen.

Wie jeder Arbeiter weiß, haben Betriebsrat und IG Metall bei Opel eine Vereinbarung unterzeichnet, bis zum Ende des Jahres weitere 2100 Stellen abzubauen. Schon bei der Übernahme durch PSA im Jahr 2017 hatte die Gewerkschaft den sogenannten „Zukunftsvertrag“ namens PACE! unterschrieben, der den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen besiegelte. Innerhalb von zehn Jahren sollten von den damals noch 19.000 Arbeitsplätzen die Hälfte vernichtet werden, und diese Pläne werden gnadenlos durchgezogen. Die Fusion von PSA mit Fiat Chrysler (FCA) zu Stellantis hat im letzten Januar den Prozess weiter beschleunigt.

Derzeit sind die Medien voll des Lobes über den scheidenden Opel-Vorstandschef Michael Lohscheller. Er wird den Stellantis-Konzern verlassen und in Vietnam die Leitung eines Elektroauto-Konzerns übernehmen. Lohscheller wird gepriesen, weil er in den letzten vier Jahren, seit der Übernahme durch PSA im Jahre 2017, den Opel-Vauxhall-Konzern aus den roten Zahlen in die Gewinnzone geführt hat. Er hat in den vergangenen drei Jahren einen kumulierten Gewinn von 2,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Dazu ist zweierlei zu sagen: Erstens sind es die Arbeiter von Opel und Vauxhall, die die Kosten dafür in Form von Entlassungen, Lohnverzicht und mörderischer Arbeitslast tragen. Und zweitens ist jeder einzelne Schritt in enger Abstimmung mit der Gewerkschaft erfolgt.

Schon vor der Fusion mit Opel trafen sich die Spitzenmanager der Groupe PSA und von Opel-Vauxhall mit den führenden deutschen Gewerkschaftschefs, dem Ersten IG-Metall-Vorsitzenden Jörg Hofmann und dem damaligen Opel-Betriebsratsvorsitzenden Wolfgang Schäfer-Klug. Damals hieß es auf der Konzern-Website, dass „in konstruktiven Gesprächen“ und „in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Betriebsrat und der IG Metall“ die Weichen für einen „europäischen Automobil-Champion mit deutsch-französischen Wurzeln“ geschaffen werde. Auch die Stellantis-Fusion zum viertgrößten Autokonzern der Welt haben die Gewerkschaften begeistert begrüßt.

Sowohl Schäfer-Klug, der immer noch den Europabetriebsrat leitet, als auch der jetzige Opel-Gesamtbetriebsratschef Uwe Baum haben beide hoch-dotierte Posten im Aufsichtsrat von Opel Automobile GmbH. Sie sind seit langem in alle Umstrukturierungspläne eingeweiht. Dazu gehört die Umstellung des Stammwerks in Rüsselsheim auf die Elektromobilität, sowie die praktische Demontage des ITEZ, zu dem noch vor wenigen Jahren rund 7000 Beschäftigte zählten.

Heute arbeiten im ITEZ mit 3000 Beschäftigten nicht einmal mehr die Hälfte von damals, und der Arbeitsplatzabbau geht ständig weiter. Während der Werksferien im Juli haben die Arbeiter sogar entdeckt, dass Maschinen und Arbeitsgeräte aus ihren Hallen auf Ebay-Kleinanzeigen verramscht werden. Mehrere hundert Beschäftigte wurden schon gezwungen, zum französischen Entwicklungsdienstleister Segula zu wechseln, und die Opel-Bereiche Schmiede und Getriebe sollen bis Ende 2021 ganz geschlossen werden.

Die gewerkschaftlichen Betriebsräte werben fieberhaft für die „freiwillige“ Aufgabe der Arbeitsplätze über Abfindungen, Altersteilzeit, Vorruhestand und die eigens geschaffene interne Transfergesellschaft. Noch Ende Mai behauptete Wolfgang Schäfer-Klug auf einer Kundgebung der IG Metall in Rüsselsheim, dass jeder Stellenabbau ausschließlich „auf freiwilliger Basis“ geschehe. Wangemanns Drohungen zeigen nun, was davon zu halten ist. Wenn sich nicht genug Arbeiter „freiwillig“ melden, drohen die Daumenschrauben der betriebsbedingten Kündigungen. In jedem Fall sind die Arbeitsplätze auch für die nächsten Generationen verloren.

Aus diesem Grund schlagen die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) den Arbeitern die Schaffung von Aktionskomitees vor, die unabhängig von den Gewerkschaften für die Verteidigung der Arbeitsplätze kämpfen können. Wir treten dafür ein, dass Arbeiter den Kampf für ihre Interessen in die eigenen Hände nehmen.

In einem Artikel über die Stellantis-Fusion hat die WSWS vor kurzem darauf hingewiesen, dass Autoarbeiter auf der ganzen Welt gezwungen sind, unter schweren und gefährlichen Bedingungen zu arbeiten, weil angeblich für ihre Bedürfnisse kein Geld vorhanden sei, während die Topmanager und Aktionäre von Stellantis märchenhafte Gewinne und Millionenprämien einstreichen.

Dort heißt es: „Um erfolgreich gegen die transnationalen Konzerne zu kämpfen, brauchen die Arbeiter neue Kampforganisationen, die unabhängig von den nationalistischen Gewerkschaften sind. Sie brauchen eine internationalistische Strategie, auf deren Grundlage sie – egal mit welcher Nationalität, Ethnie oder Hautfarbe – ihre Kämpfe gemeinsam führen können.“

Diese Perspektive hat eine reale Grundlage. Auf der ganzen Welt mehren sich die radikalen Streiks und Arbeitskämpfe. Bei General Motors (zu dem Opel fast neunzig Jahre lang gehörte) kam es in den USA vor zwei Jahren zum seit langer Zeit ersten nationalen Streik von 46.000 Autoarbeitern. In Virginia (USA) haben Volvo-Arbeiter diesen Sommer fünf Wochen lang einen Arbeitskampf gegen den Willen der Autogewerkschaft UAW erzwungen. Zuvor hatten sie ein unabhängiges Aktionskomitee gegründet.

Die Gewerkschaftsfunktionäre sind nicht nur zutiefst korrumpiert und in die Managementstrukturen integriert. Sie sind auch ihrer Geschichte und Funktion nach aufs Engste mit dem Kapitalismus und den Nationalstaaten verbunden. Sie spalten die Arbeiter nach nationalen Standorten und spielen sie gegeneinander aus.

Aber die Globalisierung ist weit fortgeschritten. Das ist in der Autoindustrie auf Schritt und Tritt zu sehen und zu spüren. Deshalb müssen sich Arbeiter international zusammenschließen. Sie müssen die Produktion und fortschrittliche Technologie den Profitinteressen der Finanzaristokratie entreißen und sie in den Dienst der Gesellschaft stellen. Niemand anderes wird es für sie tun.

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