Japan nimmt aggressivere Haltung gegenüber Russland und China ein

Japan hat den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine unterstützt und benutzt den Konflikt als Rechtfertigung für seine eigene Wiederaufrüstung. Vor allem bekräftigt Tokio auf aggressive Weise seine Gebietsansprüche auf die Kurilen-Inseln, um die es sich seit langem mit Moskau streitet. Gleichzeitig wirft es China vor, das Land bereite einen Überfall auf Taiwan vor.

Das japanische Außenministerium veröffentlichte am 22. April sein jährliches Diplomatisches Blaubuch für 2022. Darin werden die vier Inseln der Kurilen nördlich von Japan als Nördliche Territorien bezeichnet, die von Russland „rechtswidrig besetzt“ wurden. Weiter heißt es, dass „Japan die Souveränität über die Nördlichen Territorien hat, die ein inhärenter Teil des japanischen Staatsgebiets sind“. Russland bezeichnet die vier Inseln als Südliche Kurilen.

Es ist das erste Mal seit dem Jahr 2003, dass in dem Blaubuch der Begriff „rechtswidrig besetzt“ auftaucht. Die Bezeichnung eines Gebiets als „inhärenter“ Teil des japanischen Staatsgebiets wurde seit 2011 nicht mehr benutzt. Russlands Militärintervention in der Ukraine wurde in dem Bericht als „Skandal“ bezeichnet, der „die Grundlagen der internationalen Ordnung in Europa und Asien gefährdet“.

Die Beziehungen zwischen Tokio und Moskau haben sich seit Beginn des Ukrainekriegs im Februar rapide verschlechtert, da sich die japanische Regierung an die Seite der USA gestellt und Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt hat.

Tokio erhöht zudem die finanzielle Hilfe für die Ukraine um 300 Millionen Dollar und will Kiew Überwachungsdrohnen und Chemikalien-Schutzanzüge liefern. Damit unterstützt Japan Washingtons haltlose Unterstellungen, Russland bereite den Einsatz von Chemiewaffen vor.

Tokios Entscheidung, sich auf die Seite der USA und gegen Russland zu stellen, ist ein Wendepunkt in den Beziehungen sowohl zu Moskau als auch zu Peking. Ein Vertreter des Premierministers erklärte gegenüber Asahi Shimbun, die Sanktionen gegen Russland seien ein „politischer Meilenstein in der Geschichte der japanischen Außenpolitik“.

Am 21. März hat Russland formell die Verhandlungen mit Japan über die Kurilen abgebrochen. Als Grund nannte Moskau „die Unmöglichkeit, das zentrale Dokument über bilaterale Beziehungen mit einem Land zu diskutieren, das offen eine feindselige Haltung eingenommen hat und bestrebt ist, den Interessen unseres Landes zu schaden“.

Am 25. März gab der russische Östliche Militärbezirk bekannt, er führe auf den Kurilen Militärübungen mit mehr als 3.000 Soldaten und dem dazugehörigen Kriegsgerät durch.

Die Kurilen befinden sich nordöstlich von Hokkaido und erstrecken sich von dort bis zur russischen Halbinsel Kamtschatka. Nur vier Inselgruppen der Kette, diejenigen, die Hokkaido am nächsten liegen, sind umstritten. Dabei handelt es sich um Etorufu bzw. Iturup, Kunaschiri bzw. Kunaschir, Shitokan und die Habomai-Inseln. Die Inseln wurden von der Sowjetunion nach der Kapitulation Tokios am 15. August 1945 besetzt.

Während des Zweiten Weltkriegs einigten sich die Alliierten (Sowjetunion, USA und Großbritannien) darauf, Japan alle Kolonien und Inseln wegzunehmen bis auf die vier Hauptinseln und einige wenige, die sie für angebracht hielten. Im Abkommen von Jalta wurde ausdrücklich festgelegt, dass die Kurilen an die Sowjetunion gehen.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg brauchten die USA das stalinistische Regime in der Sowjetunion, um den Kapitalismus wieder zu stabilisieren. In Europa traten die Kommunistischen Parteien Frankreichs und Italiens in bürgerliche Regierungen ein, in Japan unterdrückte sie die riesige Streikbewegung.

Nachdem der Weltkapitalismus wieder stabilisiert war, gingen die USA in die Offensive, was zum Beginn des Kalten Kriegs führte. Japan wurde in eine Bastion des Antikommunismus und eine Basis für Militäroperationen in der Region verwandelt, vor allem im Koreakrieg.

Deshalb haben Japan und die Sowjetunion nie einen Friedensvertrag geschlossen, um ihren Konflikt aus dem Zweiten Weltkrieg formell zu beenden. In den 1950ern verhinderte die Einmischung der USA eine Lösung des Konflikts und die Unterzeichnung eines Friedensvertrags, wobei die Auseinandersetzung um die Kurilen Washington als Vorwand diente, seine Militärpräsenz in Japan und der Region beizubehalten.

Der Streit schwelte auch nach der Auflösung der Sowjetunion weiter. Im Jahr 2018 verhandelten der japanische Premierminister Shinzo Abe und der russische Präsident Wladimir Putin über einen möglichen Friedensvertrag und eine Lösung des Streits um die Kurilen, konnten aber keine Einigung erzielen.

Nach der Veröffentlichung des japanischen Blaubuchs beharrte Moskau auf seinen Territorialrechten an den Kurilen. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, die vier Inseln seien „integrales russisches Staatsgebiet“, verurteilte Tokio für sein „feindseliges Vorgehen“ gegenüber Moskau und erklärte, künftige Friedensverhandlungen seien unwahrscheinlich geworden.

Japans aggressive Haltung gegenüber Russland geht einher mit seiner eigenen Wiederaufrüstung, die unter dem früheren Premierminister Shinzo Abe mit dessen Erhöhung der Militärausgaben intensiviert wurde. Er hat außerdem begonnen, die Nachkriegsverfassung des Landes umzuschreiben, die es Japan formell verbietet, eine Armee zu unterhalten oder sie im Ausland einzusetzen. Die derzeitige Regierung von Premierminister Fumio Kishida hat diesen Kurs fortgesetzt.

Auch nach seinem Rücktritt im Jahr 2020 hat Abe weiterhin großen Einfluss in der amtierenden Liberaldemokratischen Partei. Im Februar rief er die Regierungen zu Diskussionen über die Stationierung von US-Atomwaffen auf, um Japan direkter in die Kriegspläne der USA zu integrieren, die sich vor allem gegen China richten. Kishida wies Abes Äußerungen damals zwar zurück, doch im März begann die LDP stillschweigend Diskussionen über seinen Vorschlag, obwohl sie weiß, dass es dagegen großen Widerstand in der Bevölkerung gibt.

Abe hat obendrein eine wichtige Rolle dabei gespielt, die Spannungen mit China über Taiwan zu verschärfen. Im März hatte er sich online mit der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen getroffen, um über den Krieg in der Ukraine zu diskutieren. Tsai erklärte gegenüber Abe: „Diese Art von einseitigem Einsatz militärischer Gewalt, um den Status quo zu verändern und die Souveränität einer demokratischen Nation zu verletzen, darf in der Indopazifik-Region nicht geduldet werden.“

Obwohl Tsai Peking und Taipeh nicht ausdrücklich erwähnte, kamen ihre Äußerungen einer Bezeichnung Taiwans als souveräner Nation und damit einem offenen Angriff auf die Ein-China-Politik sehr nahe. Gemäß der Ein-China-Politik ist Taiwan Teil Chinas, wobei Peking und Taipeh sich auf unterschiedliche Interpretationen geeinigt haben, solange Taiwan nicht seine Unabhängigkeit erklärt. Staaten, die diplomatische Beziehungen zu Peking unterhalten, wie die USA und Japan, halten sich an die Ein-China-Politik und erkennen Taiwan nicht als unabhängigen Staat an.

Abe erklärte, er sei an einem Besuch in Taiwan interessiert. Ein solcher Besuch würde von Peking nahezu mit Sicherheit als große Provokation interpretiert werden. Abe ist zwar kein Premierminister mehr, sein Einfluss und sein Status als wichtiger Unterstützer der Wiederbewaffnung würden jedoch als ernste Infragestellung der Ein-China-Politik interpretiert werden.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbi erklärte als Reaktion auf das Treffen zwischen Abe und Tsai: „Taiwan ist Chinas Angelegenheit, nicht die von Japan.“

Tokio versucht, die Flutwelle von antirussischer und antichinesischer Propaganda für seine eigenen Pläne zur Wiederaufrüstung auszunutzen. Das hat nichts mit der Unterstützung von demokratischen Rechten oder „Menschenrechten“ in Russland oder China zu tun, sondern soll die weit verbreitete Antikriegsstimmung in der Arbeiterklasse und unter Jugendlichen ersticken.

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