„Allgemeine Begeisterung für seine Perspektiven, wütende Verteidigung des Imperialismus, seine Beschönigung in jeder nur möglichen Weise – das ist das Zeichen der Zeit“, schrieb Lenin in seinem Klassiker „Der Imperialismus“. Die Vorherrschaft des Finanzkapitals über die Gesellschaft und der Kampf zwischen den Großmächten um die Aufteilung der Welt im Ersten Weltkrieg hatten, wie der spätere Führer der Oktoberrevolution betonte, „zum geschlossenen Übergang aller besitzenden Klassen auf die Seiten des Imperialismus“ geführt.
Treffender könnte man auch den Parteitag der Linkspartei in Erfurt am vergangenen Wochenende nicht charakterisieren. Inmitten des eskalierenden Nato-Stellvertreterkriegs in der Ukraine, der immer direkter die Gefahr eines Dritten Weltkriegs heraufbeschwört, hat sie selbst ihre rhetorische Kritik an der Nato abgelegt und sich offen als Kriegspartei präsentiert. Den Parteitag prägte eine hysterisch Atmosphäre, in der zahllose Sprecher unter dem Applaus der Delegierten für einen härteren Kurs gegen Russland trommelten.
Dies sind nur einige Beispiele:
Gerhard Trabert, der Kandidat der Linken bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 2022, erklärte: „Eins ist mir wichtig. Bitte nicht die, die für Waffenlieferungen sind… verurteilen“, forderte er. „Ich persönlich war als Arzt in so vielen Hilfseinsätzen wo ich die Erfahrung gemacht habe, dass man gerade auch die Zivilbevölkerung gegenüber der Aggressivität eines Despoten nur schützen kann, indem man auch militärisch etwas entgegensetzen kann.“
Bodo Ramelow, der auf dem Parteitag prominent als der einzige „linke“ Ministerpräsident in Thüringen gefeiert wurde, stellte klar, dass sich die Die Linke als Regierungspartei bereits an Waffenlieferungen beteiligt. Keiner solle denken, „dass wir am Ende auf dieser Ebene frei entscheiden können“, gab er zu Protokoll. „Wenn die Frage besteht, ob Waffen bestellt werden – und aus Thüringen kommen Waffen – dann ist die Frage, ob ich mir erlauben kann, das [zu] verweigern.“
Ramelows eindeutige Antwort: „Nein“. Putin und Russland müssten gestoppt werden. Im Stile eines rechten, antirussischen Nato-Militaristen erklärte er: „Ich bin dafür, dass wir an der Seite der Ukraine, aber auch an der Seite von Moldau, Lösungen schaffen müssen. Damit sich Russland nicht Transnistrien holt, niemand dafür eintritt, dass die Krim, Donetsk und Luhansk zu russischem Gebiet wird.“
Seine Rede kulminierte in der Aussage, dass die Welt durchaus „eine deutsche Führungsmacht“ brauche, wenn sie sich denn auf den früheren SPD-Kanzler Willy Brand berufe und Worte wie „Frieden“, Abrüstung“ oder „Nichtangriffspakt“ endlich mal wieder ausspreche.
Auch das ist unmissverständlich. Die Linke unterstützt im Kern den außenpolitischen Kurs der Bundesregierung, die den durch die jahrzehntelange Nato-Offensive gegen Russland provozierten reaktionären Einmarsch Putins in die Ukraine nutzt, um zu einer aggressiven Großmacht- und Kriegspolitik zurückzukehren.
Nur wenige Tage vor dem Linksparteitag hatte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in einer außenpolitischen Grundsatzrede betont, Deutschland müsse „nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung“ wieder „den Anspruch einer Führungsmacht haben.“ Auch Klingbeil berief sich dabei auf Willy Brand. Schon dieser habe „gewusst, dass die Grundlagen für eine kraftvolle Friedenspolitik auch militärische Stärke und Fähigkeit sind.“
Besonders aggressiv trat eine Schicht von jungen Linkspartei-Mitgliedern aus der Linksjugend Solid auf, die neben „#MeToo“- vor allem auch Kriegs-Hysterie verbreiteten. So bezeichnete etwa die 19-jährige Sofia Fellinger in einer Wutrede alle vorherigen Beiträge, die sich nicht explizit für Waffenlieferungen ausgesprochen hatten, als „unerträglich“. Man spreche immer von „Frieden“. Dieser komme „aber nicht, wenn man die Leute sterben lässt. Frieden kommt nicht von Panzer umarmen.“ Allen „die so realitätsfern“ seien, rate sie „mal zu ihren ukrainischen Genossinnen zu fahren, die gerade kämpfen und sterben“.
Es ist nicht bekannt, ob und wie viele Delegierte Fellingers Einladung annahmen, aber die Parteitagsleitung gab diesen „kämpfenden Genossen“ nur zu bereitwillig eine Plattform. In einer Grußbotschaft prahlte Olena Slobbodian, eine Vertreterin der ukrainischen Linkspartei Sozialny Rukh: „Unsere Genossen verteidigen jetzt die Ukraine als Teil der Streitkräfte und der territorialen Verteidigung“. Mit anderen Worten: sie kämpfen Arm in Arm mit rechtsextremen Milizen wie dem Azov-Bataillon und fungieren als Stellvertreterkräfte der Nato gegen Russland.
Provokativ behauptete Slobbodian: „Die Ukrainerinnen sind sehr enttäuscht von der Haltung der herrschenden Kreise Deutschlands, die sich in jeder Hinsicht der praktischen Unterstützung der Ukraine entziehen.“ Die „sogenannte deutsche Militärhilfe für die Ukraine“ sei „so mager, dass sie in der Ukraine nur ein trauriges Lächeln und sarkastische Witze hervorrufen“ könne.
Tatsächlich gehört Deutschland mittlerweile zu den stärksten Waffenlieferanten an Kiew. Bezeichnenderweise trafen in der Woche des Parteitags deutsche Panzerhaubitzen 2000 in der Ukraine ein. Laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) läuft auch die „Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten an den Flakpanzern Gepard“ und die Ausbildung „an den zugesagten Mehrfachraketenwerfern“ beginne. An weiteren Lieferungen – darunter das Luftabwehrsystem IRIS-T und Panzer-Ringtauschen mit osteuropäischen Statten – arbeite man „mit Hochdruck“.
Das Ziel von Nato und Bundesregierung, ein militärischer Sieg über Russland, wird im Kern von der Linkspartei geteilt. Auf dem Parteitag forderte die russische Oppositionelle Oxana Timofeeva, Professorin an der European University in Sankt Petersburg: „Ein Waffenstillstand ist unmöglich, denn zu den Bedingungen des Aggressors geschlossen, liefe er auf die Okkupation ukrainischen Territoriums durch russische Truppen hinaus“, erklärte sie. „Der einzige Weg, diesen Krieg zu beenden, ist ein Sieg der Ukraine. Dafür braucht sie die konsequente Unterstützung anderer Länder, die Unterstützung der Europäischen Union.“
Für ihre „klaren Worte“ wurde Timofeeva von führenden Linkspartei-Vertretern – wie dem ehemaligen Bundesgeschäftsführer und sicherheitspolitischen Sprecher Matthias Höhn – auch in den sozialen Medien gefeiert.
Eine zentrale Aufgabe sieht die Die Linke darin, jede Kritik an der Nato und den imperialistischen Zielen hinter der Kriegsoffensive zu unterdrücken. Der außenpolitische Sprecher und Gründervater der Linkspartei Gregor Gysi rief den Delegierten zu: „Natürlich probieren sich die USA jetzt mit Waffen gegen Russland aus. Natürlich wollen sie jetzt Russland schwächen“. Die „Verantwortung“ liege jedoch „bei der russischen Führung“. Man dürfe „nicht den Krieg verurteilen und gleich danach ein ‚aber‘ setzen und die Verurteilung des Kriegs damit relativieren.“
Der Leitantrag des Parteivorstands, der auf dem Parteitag verabschiedet wurde, atmet diesen Geist. Während Russland als „geostrategisches Machtzentrum im fossilen Kapitalismus“ bezeichnet wird, das „eine nationalistische, militaristische und autokratische Großmachtideologie“ betreibe, heißt es über die Nato: „Insbesondere in den osteuropäischen Staaten ist der Wunsch nach einer Mitgliedschaft in der NATO durch den russischen Angriffskrieg gewachsen, der Krieg hat so der NATO vermeintlich neue Legitimation verliehen.“
Selbstkritisch erklärt die Linkspartei, sie habe in der Vergangenheit „imperiale Kriege jenseits der NATO zu wenig beachtet, wie etwa die militärischen Interventionen von Russland in Tschetschenien und Syrien.“ Russland betreibe seit Jahren „eine Politik, die darauf zielt, die postsowjetischen Staaten unter dem Einfluss Russlands zu halten: Indem versucht wird, autoritäre Vasallen-Regime einzurichten oder – wo das nicht gelingt –, die Staaten zu destabilisieren.“
Am Putin-Regime ist nichts progressiv. Es vertritt die Interessen einer mafiösen Oligarchie, die sich seit der Wiedereinführung des Kapitalismus durch die stalinistische Bürokratie vor 30 Jahren enorm bereichert hat. Aber der Leitantrag der Linkspartei stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Seit der Auflösung der Sowjetunion kreist die Nato Russland systematisch ein. Sie „destabilisiert“ nicht nur, sondern führt völkerrechtswidrige Angriffskriege und Regimewechseloperationen, die ganze Länder zerstört und Millionen Menschenleben gekostet haben.
Putins Einmarsch in die Ukraine ist reaktionär, aber auch in Osteuropa sind die imperialistischen Mächte der Aggressor. Anfang 2014 organisierten Washington und Berlin gestützt auf faschistische Kräfte wie die Swoboda-Partei und den Rechten Sektor einen Putsch in der Ukraine, um dort ein anti-russisches Regime zu installieren. Die Nato-Mächte haben die Invasion Russlands zunächst provoziert und nun eskalieren sie die Konfrontation jeden Tag weiter. Sie verfolgen das Ziel, das rohstoffreiche und geostrategisch zentrale Land militärisch zu unterwerfen und zu zerstückeln, sodass es von den imperialistischen Mächten ausgebeutet und dominiert werden kann.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die neu gewählte Parteiführung – die WSWS wird hierzu gesondert schreiben – hat die Aufgabe, die wachsende Opposition gegen diesen Wahnsinn zu kontrollieren und die Kosten der Kriegspolitik auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Bereits jetzt setzt Die Linke überall dort, wo sie auf Landesebene mit den Hartz-IV und Kriegsparteien SPD und Grüne regiert, heftige soziale Angriffe durch, schiebt brutal ab und treibt die Aufrüstung der Polizei und Geheimdienste voran.
Dafür ist die Partei unter Arbeitern und Jugendlichen zunehmend verhasst. Über dem gesamten Parteitag schwebte das Leichentuch des eigenen Niedergangs. Nach katastrophalen Wahlniederlagen auf Bundes- und Landesebene und internen Machtkämpfen warnte Gysi die Die Linke an ihrem „15. Geburtstag“ vor einer „existenziellen Krise“. Am Kurs der Partei, die nicht die Interessen der Arbeiter, sondern diejenigen des kapitalistischen Staats und wohlhabender Mittelschichten artikuliert, die nichts mehr fürchten als revolutionäre Kämpfe der Arbeiterklasse, ändert das nichts.
Die Parteivorsitzende Janine Wissler, die mit knapp 58 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde, sprach sich in ihrer Rede bezeichnenderweise für schärfere Sanktionen und Handelskriegsmaßnahmen gegen Russland aus. Dabei ist sie sich vollständig bewusst darüber, dass dies dramatische Auswirkungen für die arbeitende Bevölkerung haben wird – nicht nur in Russland, sondern auch hierzulande und weltweit.
„Wir waren bei vergangenen Konflikten aus guten Gründen häufig gegen Sanktionen, weil sie breite Teile der Bevölkerung treffen,“ erklärte sie. Nur um hinzuzufügen: „Gezielte Sanktionen gegen Oligarchen und den militärisch-industriellen Komplex hingegen befürworten wir, wenn sie denn konsequent durchgesetzt würden.“ Ein Gasembargo hätte „dramatische Folgen für die Bevölkerung“ und „würde zu dramatischen sozialen Verwerfungen führen“, warnte sie. Es sei aber richtig, „die Abhängigkeit von Gas undfossiler Energie zu reduzieren.“
Um die im Kern rechte kapitalistische Politik ihrer Partei zu verschleiern, spickte Wissler ihre Rede mit einigen sozialen Phrasen und behauptete am Ende sogar, Die Linke würde „in der Tradition der sozialistischen Bewegung, in der Tradition Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts“ stehen. Was für eine Absurdität! Luxemburg und Liebknecht waren revolutionäre Marxisten, die ihren unermüdlichen und prinzipiellen Kampf gegen Imperialismus und Krieg und für die Machteroberung der Arbeiterklasse mit dem Leben bezahlten.
Die Linkspartei hingegen war immer eine bürgerliche Partei, die den deutschen Kapitalismus und Imperialismus verteidigt hat und dafür mit Ministerposten und staatlichen Millionenzuschüssen belohnt wird. Sie gründete sich im Sommer 2007 durch den Zusammenschluss zweier bürokratischer Apparate, der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) und der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), die beide über jahrzehntelange Erfahrung in der Unterdrückung der Arbeiterklasse verfügten.
Die PDS war die Erbin der stalinistischen Staatspartei der DDR, die 1990 die deutsche Einheit auf kapitalistischer Grundlage mitorganisierte und unmittelbar danach Ordnungsfunktionen in den neuen Bundesländern übernahm. Die WASG wurde von langjährigen SPD- und Gewerkschaftsfunktionären mit dem Ziel initiiert, die soziale Wut über die Agenda-Politik von Bundeskanzler Gerhard Schröder aufzufangen. Die Initiative zum Zusammenschluss ging neben Gysi von Oskar Lafontaine aus, einem der erfahrensten bürgerlichen Politiker, der zuvor 40 Jahre lang Führungsfunktionen in Regierung und SPD ausgeübt hatte. Mittlerweile hat er auch die Linkspartei wieder verlassen.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) hat Die Linke – anders als pseudolinke Tendenzen wie Marx21, der Wissler entstammt – von Anfang an als Gegnerin des Sozialismus und der Arbeiterklasse eingeschätzt. Das ist nun offen sichtbar. Eine Partei, die sich derartig aggressiv auf die Seite der imperialistischen Kriegspolitik schlägt ist, was sie ist: eine rechte, pro-imperialistische Kriegspartei.
Arbeiter und Jugendliche müssen aus dem Parteitag in Erfurt die notwendigen politischen Schlussfolgerungen ziehen. Der Kampf gegen die Gefahr eines Dritten Weltkriegs erfordert den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung, gestützt auf die Arbeiterklasse – in Russland, der Ukraine, Deutschland und ganz Europa, den USA und weltweit – die für den Sturz des Kapitalismus und die sozialistische Reorganisation der Gesellschaft kämpft. Die einzige Partei, die dieses Programm vertritt, ist die SGP, die deutsche Sektion der Vierten Internationale.