Massenproteste am 9. Juli in Sri Lanka: Ein sozialistisches Programm für Arbeiter und Jugendliche

Der Aufstand von Arbeitern, Jugendlichen und Landarbeitern in Sri Lanka gegen die Regierung von Präsident Gotabhaya Rajapaksa hat sich weiter zugespitzt. Die Zustände auf der Insel haben ein katastrophales Ausmaß angenommen. Es mangelt an nahezu allem, täglich kommt es zu Stromausfällen und die Preise für lebenswichtige Güter schießen in die Höhe.

Durch die hohen Lebensmittelpreise steuert das Land auf eine massive Hungersnot zu. Die Regierung von Rajapaksa und Premierminister Wickremesinghe hat das Land derweil praktisch in einen Lockdown versetzt, weil es keinen Kraftstoff mehr gibt. Schulen wurden geschlossen und der öffentliche Sektor angewiesen, nur noch „unentbehrliches“ Personal zur Arbeit zu rufen. Durch den fehlenden Treibstoff ist der öffentliche Verkehr zum Erliegen gekommen. Die Wut der Bevölkerung gegen die Regierung hat unterdessen den Siedepunkt erreicht.

Social-Media-Aktivisten, die unter dem Namen „Gota Gogama“ bekannt sind, führen die Proteste an der Strandpromenade Galle Face Green in Colombo an. Für den 9. Juli haben sie einen „massiven Protest der Bevölkerung“ angekündigt und erklärt, es werde sich dabei um den „größten Aufstand der Geschichte Sri Lankas“ handeln. Die Proteste auf dem Galle Face Green dauern bereits drei Monate an.

Doch der „Aktionsplan für zukünftige Kämpfe“, der von den Anführern der Proteste am 5. Juli veröffentlicht wurde, stellt keine Lösung für die brennenden Probleme dar, mit denen die Massen konfrontiert sind. Vielmehr geraten Arbeiter, Jugendliche und Landarbeiter dadurch in die Fänge der Bourgeoisie und des kapitalistischen Profitsystems, das die eigentliche Ursache der Krise ist.

Der Aktionsplan fordert eine „Übergangsregierung“, also eine alternative bürgerliche Regierung, die von den Oppositionsparteien im Parlament – einschließlich der Samagi Jana Balawegaya (SJB) und der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) – angeführt und von pseudolinken Gruppen wie der Frontline Socialist Party (FSP) unterstützt wird. Ein führender Organisator der Proteste, Anuruddha Bandara, erklärte gegenüber Economynext, dass die Oppositionsparteien – die SJB, JVP und andere – „so gut wie an Bord“ seien.

Zu den wichtigsten Forderungen des Aktionsplans gehören die Rücktritte von Präsident Rajapaksa, des Premierministers, dem Ministerkabinett sowie von allen Personen, die von der Regierung auf hohe Posten berufen wurden. Darüber, wer Mitglied der vorgeschlagenen Übergangsregierung werden soll, schweigt der Aktionsplan. Es wird allerdings angedeutet, dass alle parlamentarischen Parteien Teil der alternativen bürgerlichen Regierung werden sollen. Dies hatten die Oppositionsparteien selbst vorgeschlagen.

Die Übergangsregierung soll sich „die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ziele, die den Protest tragen“, zu eigen zu machen. Zwar ist in der langen Liste mit „Zielen und Forderungen“ auch die Sicherstellung der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern wie Treibstoff und Lebensmitteln enthalten. Doch liegt kein konkretes Programm vor, wie diese zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Autoren des Aktionsplans hoffen einfach, dass die Übergangsregierung die Güter bereitstellt, wenn sie dazu gedrängt wird.

Darüber hinaus wird ein „Volksrat“ vorgeschlagen, in dem Vertreter der „Volksproteste“ die Möglichkeit erhalten sollen, „effektiv mit der Übergangsregierung zusammenzuarbeiten und zu vermitteln“. Die Aufgabe des „Volksrates“ besteht also darin, Druck auf die neue Regierung auszuüben. Es ist dasselbe Programm, das die pseudolinke FSP vertritt. Der Aktionsplan sieht außerdem vor, innerhalb eines Jahres per Volksabstimmung eine neue Verfassung zu verabschieden, die „die Exekutivpräsidentschaft abschaffen“ und „ein geeignetes Verfahren für faire Wahlen“ herstellen soll.

In Opposition zu dem Programm der Anführer der Proteste, die einzig eine alternative bürgerliche Regierung vorschlagen, tritt die Socialist Equality Party (SEP) in Sri Lanka für ein revolutionäres sozialistisches Programm für die Arbeiterklasse ein. Wir rufen zur unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse auf Basis eines klaren Aktionsprogramms auf. Nur auf diesem Weg können Arbeiter ihre Bedürfnisse gegen die Rajapaksa-Regierung und die bürgerliche Herrschaft durchsetzen.

Die SEP vertritt den Standpunkt, dass es unter der bürgerlichen Herrschaft und dem kapitalistischen Profitsystem keine Lösung für die brennenden Fragen gibt, mit denen die Massen konfrontiert sind. Ebensowenig können diese Fragen auf nationaler Ebene gelöst werden. Wie groß der Druck, der auf die derzeitige oder zukünftige bürgerliche Regierung ausgeübt wird, auch sein mag – er wird die herrschende Klasse nicht dazu bringen, auf die Bedürfnisse der Massen einzugehen.

Die SEP unterstützt die Hauptforderung der Massen nach dem Rücktritt von Präsident Rajapaksa. Gleichzeitig besteht die SEP darauf, dass die aktuelle Regierung nicht durch eine andere bürgerliche Regierung, sondern durch eine Arbeiter- und Bauernregierung ersetzt werden muss, die für die Verwirklichung einer sozialistischen Politik steht.

Ganz zu Beginn der Massenproteste erklärten wir in unserem Statement Anfang April, dass die SEP die sofortige Abschaffung der autokratischen Exekutivpräsidentschaft fordert. Auch in unseren folgenden Statements bekräftigten wir diese Forderung. Wir forderten außerdem, dass repressive Gesetze wie der Essential Services Act, der Public Security Act und der Prevention of Terrorism Act, welcher den Sicherheitskräften die Vollmächte eines Polizeistaats verleiht, aufgehoben werden. Im vergangenen Monat wandte Rajapaksa Gesetze zur Sicherstellung der Grundversorgung an, um den Arbeitern in entsprechenden Bereichen (z. B. Elektrizitäts- und Gesundheitswesen) das Streikrecht zu entziehen. Er nutzte seine Notstandsbefugnisse, um das Militär auf die Straße zu schicken und Arbeiter zu unterdrücken, die tagelang Schlange standen, um Kraftstoff zu erhalten.

Es ist unerheblich, wie die bürgerliche Regierung zusammengesetzt ist, die das Rajapaksa-Wickremesinghe-Regime ablösen soll. Sie wird dieselben harten Sparmaßnahmen fortführen, die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) diktiert werden. Sie wird versuchen, die volle Last der Wirtschaftskrise auf Arbeiter und Landarbeiter abzuwälzen.

Alle Oppositionsparteien, einschließlich der SJB, der JVP und der Tamil National Alliance, haben – offen oder stillschweigend – ihre Unterstützung für die Politik des IWF zum Ausdruck gebracht. Die im Aktionsplan vorgeschlagene Übergangsregierung wird zum Werkzeug der kapitalistischen herrschenden Elite werden, um diese Politik ohne Rücksicht auf Verluste umzusetzen und jeden Widerstand unter Arbeitern zu zerschlagen.

Wie brutal das Programm des IWF ist, wurde in einer Rede von Premierminister Wickremesinghe im Parlament am vergangenen Dienstag deutlich. Mit Blick in die Zukunft, die vom Diktat des IWF geprägt sein soll, sagte er: „Vor uns liegt eine schwierige und bittere Reise… Wenn sich die Dinge nicht ändern, wird das ganze Land zusammenbrechen.“

Zu den Veränderungen zählen eine massive Schrumpfung des öffentlichen Sektors, die Privatisierung von Staatsbetrieben sowie Steuererhöhungen. Die Veränderungen werden zum Abbau von Arbeitsplätzen, zur Absenkung der Löhne sowie weiterer Leistungen für Beschäftigte im öffentlichen Sektor führen. Die Preise für Wasser und Strom werden ansteigen und Subventionen weiter gekürzt werden.

Die Arbeiterklasse muss diese brutale Politik des Klassenkriegs und alle Fallen, die ihr von einer Übergangsregierung gestellt würden, zurückweisen. Arbeiter müssen ihr eigenes unabhängiges Eingreifen entwickeln und sich dabei auf ein Programm stützen, das ihre Interessen formuliert und die enorme gesellschaftliche Macht freisetzt, die sie während der Generalstreiks am 28. April, 6. Mai und 10. Mai bereits demonstriert haben. Dieses Programm muss sich auf die sozialen Bedürfnisse der Arbeiter und Landarbeiter stützten, nicht auf die Profitinteressen des Großkapitals.

Der erste Schritt im Kampf für dieses Programm besteht im Aufbau von demokratisch gewählten, unabhängigen Aktionskomitees der Arbeiter in Fabriken und Betrieben im ganzen Land, auf allen Plantagen und in allen Arbeiterwohnvierteln. Die Aktionskomitees müssen unabhängig von sämtlichen kapitalistischen Parteien und den Gewerkschaften sein, die nichts anderes sind, als die Handlanger und Verteidiger des kapitalistischen Establishments.

Die SEP ermutigt Arbeiter zum Aufbau dieser Aktionskomitees, die eine Lösung der von der herrschenden Klasse verursachten sozioökonomische Krise vorantreiben werden, und wird die Arbeiter dabei unterstützen. Mit Hilfe der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC), die das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) ins Leben gerufen hat, müssen die Kämpfe der Arbeiterklasse international vernetzt werden.

Um das vom kapitalistischen System geschaffene Massenelend zu überwinden, stellt die SEP folgende Forderungen als Kampfprogramm für die Aktionskomitees auf:

  • Für die demokratische Kontrolle der Arbeiter über Produktion und Verteilung aller lebenswichtigen Güter und sonstigen Ressourcen, die für das Leben der Menschen wichtig sind! Banken, Großkonzerne, Plantagen und andere wichtige Knotenpunkte des Wirtschaftslebens müssen verstaatlicht werden!
  • Zurückweisung aller Auslandsschulden! Nein zu den Sparauflagen des IWF und der Weltbank, die im Namen der internationalen Banker und Finanzhäuser agieren!
  • Errichtet ein staatliches Außenhandelsmonopol, um Korruption im Import und Export zu beseitigen und die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern sicherzustellen!
  • Enteignet die Riesenvermögen der Milliardäre und Konzerne!
  • Erlass aller Schulden der armen und in ihrer Existenz bedrohten Bauern und Kleinunternehmer! Wiedereinführung aller Subventionen, einschließlich der Düngemittelsubventionen für Bauern!
  • Arbeitsplatzgarantie mit angemessenen und sicheren Arbeitsbedingungen für alle! Bindung der Löhne an die Lebenshaltungskosten!

Eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse, die sich in Aktionskomitees organisiert und für die genannten Forderungen eintritt, wird die arme Landbevölkerung und die unterdrückten Massen mobilisieren. Eine solche Bewegung der Arbeiter wird die Grundlage für eine Massenbewegung schaffen, die sich den Aufbau einer Arbeiter- und Bauernregierung zur Umsetzung sozialistischer Politik zum Ziel setzt.

Der Kampf für dieses Programm ist Teil eines umfassenderen Kampfs für Sozialismus, der nicht nur in Südasien, sondern weltweit von einer vereinten Bewegung der internationalen Arbeiterklasse geführt werden muss.

Die Massenproteste in Sri Lanka und das machtvolle Eingreifen der Arbeiter haben das Potential für eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse deutlich zum Ausdruck gebracht. Besonders deutlich wurde dies in den Generalstreiks am 28. April, 6. Mai und 10. Mai, an denen sich Millionen beteiligten.

Doch nicht nur in Sri Lanka haben Arbeiter den Kampf aufgenommen: In den letzten Wochen streikten 50.000 britische Eisenbahner und auch die internationalen Luftverkehrsunternehmen sind von Streiks betroffen. Von Südamerika bis Asien und von Europa bis in die Vereinigten Staaten nehmen Erzieher, Autoarbeiter, Arbeiter im Verkehrs- und Gesundheitswesen und aus vielen weiteren Branchen den Kampf gegen steigende Preise, Ausbeutung und Ungleichheit auf.

Wir rufen Arbeiter und Jugendliche dazu auf, sich der SEP anzuschließen und den Kampf für eine sozialistische Politik und eine sozialistische Perspektive aufzunehmen.

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