Abhörskandal in Griechenland: Geheimdienst überwachte das Telefon des Pasok-Vorsitzenden

Die griechische Regierung unter der rechten Nea Dimokratia (ND) steckt seit Anfang August in einer Krise, nachdem bekannt wurde, dass der Inlandsgeheimdienst das Telefon von Nikos Androulakis, dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen Pasok, gehackt hatte.

Die Kette von Ereignissen, die zu den Enthüllungen führten, begann am 28. Juni, als Androulakis, der seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments ist, sein Telefon zur Inspektion an die Cybersicherheitsabteilung des Europäischen Parlaments übergab. Dabei stellte sich heraus, dass im September 2021 versucht worden war, sein Telefon mit der Spionagesoftware Predator zu infizieren.

Am 26. Juli reichte Androulakis eine Beschwerde beim Obersten Gerichtshof Griechenlands ein, woraufhin die griechische Behörde für Kommunikationssicherheit und Datenschutz (ADAE) Daten von Androulakis’ Telefonanbieter anforderte, um eine eigene Untersuchung durchzuführen. Die Spionagesoftware Predator hinterlässt keine leicht zu identifizierenden Spuren, aber die Telefonaufzeichnungen von Androulakis zeigten, dass er mit herkömmlichen Abhörmethoden vom griechischen Nachrichtendienst (EYP) überwacht worden war.

Die richterliche Genehmigung für das Abhören wurde Berichten zufolge im September 2021 aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ erteilt, während gleichzeitig versucht wurde, sein Telefon mit Predator zu infizieren. Zu dieser Zeit war Androulakis Kandidat bei den Wahlen für die neue Pasok-Spitze. Die Überwachung wurde Berichten zufolge kurz nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden im Dezember 2021 eingestellt.

Die Enthüllungen führten am 5. August zum Rücktritt des Geheimdienstchefs Dimitris Kontoleon und des Stabschefs und Neffen des Premierministers, Grigoris Dimitriadis. In einer Fernsehansprache drei Tage später beschuldigte Mitsotakis den Nachrichtendienst EYP, die Affäre falsch gehandhabt zu haben. Deshalb sei es zur „sofortigen Entlassung des EYP-Chefs“ gekommen, während sein Stabschef „die objektive politische Verantwortung“ übernahm und ebenfalls zurücktrat. Mitsotakis gab sich selbst unschuldig und leugnete jegliche Kenntnis des Hackerangriffs auf das Telefon von Androulakis.

Diese Behauptung ist völlig unglaubwürdig. Als eine der ersten Maßnahmen von Mitsotakis nach seinem Amtsantritt im Juli 2019 unterstellte er den EYP dem Amt des Premierministers. Zuvor war der Geheimdienst Teil des Ministeriums für Katastrophenschutz. Es ist nicht glaubhaft, dass Mitsotakis von der Bespitzelung eines prominenten Politikers, der kurz darauf Vorsitzender der drittgrößten Partei Griechenlands wurde, nicht gewusst haben soll.

Laut Regierungsquellen, die von der konservativen Tageszeitung Kathimerini und dem Nachrichtensender Alpha TV zitiert wurden, sei das Abhören auf direkte Anfrage der Geheimdienste der Ukraine und Armeniens erfolgt, weil Androulakis Mitglied des Ausschusses des Europäischen Parlaments ist, der sich mit den Handelsbeziehungen zwischen der EU und China befasst. Dem Bericht von Alpha TV zufolge „befürchteten die beiden Länder, dass Russland [ein wichtiger Verbündeter Chinas] einen Krieg vorbereite und dass sie [durch die Abhörung von Androulakis] etwas in dieser Hinsicht erfahren könnten“.

Es ist undenkbar, dass diese nachrichtendienstlichen Aktivitäten nicht auf Geheiß der Nato-Mächte und insbesondere Washingtons durchgeführt wurden. Die USA haben zahlreiche Provokationen lanciert, die Russland schließlich im Februar 2022 zum Einmarsch in die Ukraine veranlassten.

Griechenland ist einer der entschiedensten Unterstützer des Nato-Stellvertreterkriegs in der Ukraine. Es gehörte zu den ersten EU-Ländern, die Waffenlieferungen zusagten und vor allem Gewehre und Panzerabwehrraketen schickten. Die griechischen Streitkräfte sind in der Schnellen Eingreiftruppe (NRF) der Nato vertreten, die nach der russischen Invasion aktiviert und an der Ostflanke eingesetzt wurde. Nach den jüngsten Zahlen der Nato hatte Griechenland mit 3,7 Prozent des BIP im Jahr 2021 die höchsten Pro-Kopf-Militärausgaben im Nato-Bündnis. Dieser Aufwärtstrend wird sich fortsetzen. Bis Ende dieses Jahres gibt Athen voraussichtlich 3,76 Prozent aus.

Die Enthüllungen haben in herrschenden Kreisen die Sorge ausgelöst, dass Griechenlands Rolle als verlässlicher Klientelstaat des westlichen Imperialismus untergraben werden könnte. In einem kürzlich erschienenen Artikel der New York Times wurde beklagt, dass „Griechenlands Watergate“ die „üble Überwachung unter der glitzernden Oberfläche“ von Mitsotakis’ Projekt „Griechenland 2.0“ aufgedeckt habe. Der Regierung war erst vor kurzem gelungen, Investitionen von Unternehmen wie Microsoft, Pfizer und JPMorgan Chase anzuziehen.

Schon vor den Enthüllungen über das Abhören von Androulakis kursieren seit über einem Jahr Berichte über die aggressive staatliche Überwachung. Im November 2021 enthüllte ein investigativer Bericht der Efimerida Ton Syntakton (Ef.Syn.), dass EYP Informationen über Journalisten, Anwälte und Aktivisten sammelt, die sich für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten einsetzen.

Im April dieses Jahres deckte Reporters United auf, dass EYP im Juni 2020 die Genehmigung erhalten hatte, das Telefon des Journalisten Thanassis Koukakis aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ zu hacken. Dem Bericht zufolge wurde die Überwachung zwei Monate später abrupt gestoppt, nachdem Koukakis nach wiederholten technischen Problemen mit seinem Telefon seit dem Frühjahr 2020 und einem anschließenden Hinweis von einer Quelle eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde ADAE eingereicht hatte.

Die ADAE konnte den Verdacht des Abhörens bestätigen. Doch bevor sie Koukakis darüber informierte, beantragte sie Anfang März eine richterliche Genehmigung, um sicherzustellen, dass die Informierung des Betroffenen nicht die operativen Ziele des Abhörens gefährden würde. Nur 20 Tage nach dem Antrag der ADAE wurde ein Gesetz im Schnellverfahren durch das Parlament gebracht, das das Recht der überwachten Bürger auf Information über Überwachungsmaßnahmen aufhebt.

Einige Tage vor dem Beitrag von Reporters United enthüllte ein weiterer Recherchebericht von Inside Story, dass Koukakis Ende März darüber informiert wurde, dass sein Telefon nicht nur abgehört wurde, sondern auch erfolgreich mit der Spionagesoftware Predator infiziert worden war. Dies wurde bestätigt, nachdem er sein Telefon zur Analyse an das Citizen’s Lab der Universität von Toronto geschickt hatte.

In einem Bericht vom Dezember 2021 erklärte Citizen’s Lab, dass es über Netzwerk-Scannning nach Predator-Servern in der ganzen Welt „wahrscheinliche Predator-Kunden in Armenien, Ägypten, Griechenland, Indonesien, Madagaskar, Oman, Saudi-Arabien und Serbien“ gefunden habe.

Citizen’s Lab bestätigte, dass Predator benutzt wurde, um die Telefone eines ägyptischen Fernsehjournalisten und des ägyptischen Politikers Ayman Nour, der in der Türkei im Exil lebt, zu hacken.

Predator wurde 2017 von dem nordmazedonischen Start-up-Unternehmen Cytrox entwickelt und anschließend 2019 von Intellexa übernommen, einem Cybersicherheitsunternehmen im Besitz von Tal Dillian, einem ehemaligen israelischen Kommandeur der Einheit 81, der geheimen Technologieeinheit der israelischen Armee. Intellexa ist der wichtigste kommerzielle Konkurrent der NSO Group, einer weiteren in Israel ansässigen Cybersicherheitsfirma, die Eigentümerin der Spionagesoftware Pegasus ist, mit der Journalisten und Politiker auf der ganzen Welt ausspioniert werden. Dillians LinkedIn-Profil zufolge ist sein derzeitiger Aufenthaltsort Griechenland, und Intellexa hat dort eine starke Firmenpräsenz.

Laut Inside Story war Felix Bitzios, der ehemalige stellvertretende Direktor von Intellexa in Griechenland, in den Skandal um die Verletzung von Kapitalkontrollen bei der Bank von Piräus verwickelt. Dies könnte ein mögliches Motiv für das Hacken von Koukakis’ Telefon sein, weil dieser ausführlich über diese Affäre geschrieben hatte. Vor seiner Tätigkeit bei Intellexa war Bitzios ein Frontmann der Libra-Gruppe in Griechenland, eines in den USA ansässigen Firmenkonglomerats einer griechischen Reederfamilie. Die Libra-Gruppe hatte die Piräus-Bank angeblich vor dem Bankrott gerettet und soll dafür hohe Summen erhalten haben, die ins Ausland geschafft wurden.

Im EU-Parlament wurde eine Untersuchung der Spionagevorwürfe gefordert. Auch das griechische Parlament stimmte für die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission. Untersuchungen in solch sensiblen Fragen werden in der Regel eingeleitet, um den öffentlichen Unmut zu besänftigen, und enden, ohne dass wirklich Licht in die Sache kommt – wiederum unter dem Vorwand der „nationalen Sicherheit“. Anfang dieses Jahres schloss die Europäische Kommission Ermittlungen gegen Mitgliedstaaten aus, die Pegasus zur Bespitzelung von Journalisten und Politikern eingesetzt hatten, mit der Begründung, das sei „wirklich Sache der nationalen Behörden“.

In der Debatte vor der Abstimmung über die parlamentarische Untersuchung warf Alexis Tsipras, Vorsitzender der pseudolinken Syriza, der größten Oppositionspartei Griechenlands, Mitsotakis „eine beispiellose gesetzliche und antidemokratische Abweichung seit der Wiederherstellung der Demokratie“ nach dem Sturz der Junta 1974 vor.

Die Abhörmaßnahmen haben laut ADAE unter Mitsotakis mit 15.475 genehmigten Abhöranträgen im Jahr 2021 erheblich zugenommen. Doch unter der vorherigen Syriza-Regierung hatte die Überwachung erst richtig Fahrt aufgenommen. Unter Tsipras stieg die Zahl der genehmigten Abhöranträge sprunghaft von 4.871 im Jahr 2015, als Syriza an die Macht kam, auf 11.680 im Jahr 2019, als Mitsotakis die Regierung übernahm. Tsipras straffte das Genehmigungsverfahren für Abhörmaßnahmen im Jahr 2018, indem er die Zahl der Staatsanwälte, die eine Operation genehmigen müssen, von zwei auf einen reduzierte.

Die Tatsache, dass die herrschende Elite in Griechenland Herrschaftsmethoden anwendet, die eng mit der Militärdiktatur 1967–1974 verbunden sind, muss den Arbeitern weltweit eine Warnung sein. In einer Perspektive über Trumps faschistischen Putschversuch in den USA stellte die WSWS fest, dass der 6. Januar 2021 „kein Ausreißer im Weltgeschehen“ war.

„Überall auf der Welt häufen sich die Angriffe auf die Demokratie und der Übergang zur Diktatur: in Brasilien, auf den Philippinen, in Sri Lanka und jüngst in Australien, wo bekannt wurde, dass Premierminister Scott Morrison 2021 heimlich die Kontrolle über fünf wichtige Ministerien übernommen hat, um als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie seine quasi-diktatorische Macht zu festigen. In Europa stehen Trump-Sympathisanten kurz davor, sowohl in Italien als auch in Großbritannien das Ruder zu übernehmen.“

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