Britische Eisenbahner nehmen Streiks wieder auf, aber Network Rail rechnet mit „kurz bevorstehendem“ Ausverkauf

Zehntausende Eisenbahner streiken in dieser Woche an fünf Tagen als Teil des seit langem andauernden Kampfs gegen die Umstrukturierung des britischen Eisenbahnnetzes und Bahnbetriebs. Unter der Tory-Regierung werden systematisch Arbeitsplätze abgebaut, die Arbeitsbedingungen und Verträge verschlechtert, die Sicherheit verringert und die Löhne niedrig gehalten.

Streikposten am Bahnhof von Leeds, 20. August 2022

Das größte Hindernis für ein gemeinsames Vorgehen der Eisenbahner ist noch immer der Gewerkschaftsapparat.

An den 48-stündigen Streiks bei Network Rail und 14 Eisenbahngesellschaften am 3. / 4. sowie am 6. / 7. Januar beteiligen sich etwa 40.000 Mitglieder der Gewerkschaft Rail, Maritime and Transport (RMT).

Weiter streiken am heutigen 5. Januar Tausende Mitglieder der Lokführergewerkschaft ASLEF bei 15 Eisenbahnunternehmen. Die ASLEF hat den Streik bewusst auf einen Tag begrenzt, damit er nicht mit den Ausständen bei RMT zusammenfalle. Die Gewerkschaft hat den Streik am 20. Dezember angekündigt, nachdem sie in einer Urabstimmung das klare Mandat für weitere Streiks erhalten hatte. Für Streik stimmten 93 Prozent, deutlich mehr als bei der ursprünglichen Abstimmung im letzten Jahr, die zu fünftägigen Streiks im Juli geführt hatte.

ASLEF-Generalsekretär Mick Whelan sah sich letzten Oktober mit Kritik aus der Belegschaft konfrontiert und warnte vor der „berechtigten Leidenschaft unter allen Zugführern“ die „alles in die Waagschale werfen“ wollten. Nach fast vier Jahren ohne Lohnerhöhung und der höchsten Inflation seit 40 Jahren fordert Whelan bloß unverbindlich ein „ernsthaftes und vernünftiges Angebot“. Außerdem isoliert die ASLEF-Führung den Lohnkampf der Zugführer vom Kampf der anderen Eisenbahner gegen die Angriffe auf ihre Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen.

Mick Whelan (links) mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des TUC Paul Nowak (Mitte) und Manuel Cortes von der TSSA bei einer Protestveranstaltung für eine bezahlbare Bahn in Staatseigentum, London 2015 [Photo by Trades Union Congress / CC BY-SA 2.0]

Die RMT begünstigt ihrerseits die spalterische Politik der ASLEF, indem sie nicht zum gemeinsamen Kampf aller Zugbegleiter und Lokführer aufruft. Sie alle sind betroffen, wenn die Regierung und die Eisenbahnunternehmen ihr Ziel durchsetzen, im ganzen Schienennetz das Driver Only Operated (DOO)-Prinzip einzuführen, bzw. die Züge nur noch von einer einzigen Person bedienen zu lassen.

Anfang Dezember hatten Gespräche im Rahmen der Rail Delivery Group (RDG) unter Vermittlung der Regierung stattgefunden. Die Bahnbetreiber hatten darauf bestanden, dass die DOO-Züge grundsätzlich im gesamten Netz akzeptiert werden müssten. Das bedeutet ihre Ausweitung auf die verbliebene Hälfte des Eisenbahnnetzes und erfordert die Herabstufung der sicherheitskritischen Rolle des Zugbegleiters. Es ebnet außerdem den Weg für den Verlust von Tausenden weiteren Arbeitsplätzen.

Die Transport Salaried Staffs' Association (TSSA), die leitende Angestellte und anderes Bahnhofspersonal vertritt, organisierte am 26. Dezember einen eintägigen Streik bei Cross Country und am 28. Dezember einen weiteren bei Great Western Railway und West Midlands Trains sowie im gleichen Zeitraum Arbeitsniederlegungen bei zehn Bahnbetreibern. Die Gewerkschaft jammerte über den Abbau von Arbeitsplätzen und die Schließung von Fahrkartenschaltern, das seien „inakzeptable zusätzliche Härten“. Die RDG verlangt sie als Gegenleistung für eine geringfügige Lohnerhöhung von vier Prozent im Jahr 2022 und die gleiche Erhöhung in diesem Jahr, was einer massiven Reallohnsenkung gleichkommt. Auch den Mitgliedern von RMT drohen eine faktische Reallohnsenkung von zehn Prozent und der Abbau von Arbeitsplätzen.

Ein Aufruf zu gemeinsamen Aktionen würde auf große Unterstützung stoßen. Es ist im Kampf gegen die Arbeitgeber und die Regierung die einzige erfolgsversprechende Strategie. Die britische Socialist Equality Party (SEP) schrieb letzten Oktober in einer Erklärung mit dem Titel „Die Basis muss die Kontrolle über den britischen Eisenbahnerstreik übernehmen“: „Die Klassenziele der Eisenbahner und der Gewerkschaftsbürokratie sind diametral entgegengesetzt. Die Arbeiter wollen kämpfen, um die Angriffe der Regierung auf Löhne, Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen abzuwehren, während die Bürokraten an der Spitze von RMT, ASLEF, TSSA und Unite eine Übereinkunft mit der Regierung anstreben.“

Das wird durch die Tatsache bewiesen, dass TSSA und Unite den minderwertigen Tarifvertrag von Network Rail kurz vor Weihnachten durchgesetzt haben. Damit haben sie die wichtigen Beschäftigten in den Kontrollräumen von weiteren Arbeitskampfmaßnahmen ausgeschlossen. Im Vergleich mit dem Angebot der RDG lobte die Gewerkschaft dieses angeblich „beste und endgültige“ Lohnangebot unverholen, obwohl es nur einen Prozentpunkt über den neun Prozent für zwei Jahre liegt. Die angebliche Arbeitsplatzsicherheit, die es vorgaukelt, besteht in einem Abkommen über den aktuellen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen.

Den gleichen Deal hatten die RMT-Mitglieder abgelehnt, da ihnen die sofortige Umsetzung von Massenentlassungen drohte. Als Network Rail anbot, bis Januar 2025 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, hob RMT-Generalsekretär Mick Lynch dies positiv hervor. Aber dieser Vorbehalt wird Network Rail nicht daran hindern, sein Wartungspersonal um etwa ein Fünftel zu reduzieren und 1.900 Arbeitsplätze abzubauen.

Der RMT-Vorstand hat versucht, sich von der niederträchtigen Rolle der anderen Gewerkschaftsführer abzuheben. Allerdings ist dieser Versuch bereits gründlich entlarvt. Lynch spielt die führende Rolle bei der Durchsetzung einer korporatistischen Einigung, weil er keine Konfrontation mit der Tory-Regierung riskieren will. Er wird weitere von den Arbeitgebern geforderte Opfer akzeptieren.

Die Streiks in dieser Woche finden nicht dank Lynch, sondern trotz Lynch statt. Er hat alles getan hat, um weitere von der Regierung vermittelte Gespräche mit Network Rail und der RDG zu organisieren und den Tarifstreit zu beenden. Am 2. Januar forderte er die Regierung in einer Pressemitteilung erneut auf, den Bossen der Eisenbahnkonzerne zu erlauben, frei über eine Einigung zu verhandeln.

Er erklärte: „Die Regierung blockiert die Versuche der Gewerkschaft, eine Verhandlungslösung mit den Eisenbahn-Arbeitgebern auszuhandeln. ... Wir arbeiten seit der Privatisierung im Jahr 1993 mit der Eisenbahnbranche zusammen, um erfolgreich Lösungen auszuhandeln. Und wir haben für das gesamte Eisenbahnnetz 2021 und 2022 Deals ausgehandelt, an denen das Verkehrsministerium nicht beteiligt war.“

Diese Darstellung der Privatisierung als Erfolgsgeschichte muss allen Eisenbahner zur Warnung dienen: Lynch und die RMT-Führung verhandeln über die Bedingungen einer Kapitulation.

Als Lynch Mitte Dezember Gespräche mit Verkehrsminister Mark Harper führte, erklärte er gegenüber der BBC, er akzeptiere, dass alle Verbesserungen der Angebote von Network Rail und den Bahnbetreibern „selbst erbracht“ und aus der „Arbeitspraxis der Mitglieder“ geschöpft werden müssten.

Am 27. Dezember hat der Daily Mail einen Artikel über die jüngsten Verhandlungen veröffentlicht. Er trägt den Titel: „Bahn-Bosse sind optimistisch, ein positives Ergebnis erreichen zu können, denn Gewerkschaftschef Mick Lynch ,gibt nach‘ und ,erwägt praktische Lösung‘“. Darin heißt es unter Berufung auf Insider der Gespräche: „Unterhändler versuchen, mit der Sprache ,kreativ‘ umzugehen, vor allem hinsichtlich der Reform der Branche, damit beide Seiten eine Einigung besser verkaufen können.“

Eine Quelle erklärte gegenüber der Zeitung: „Mick war so versessen auf eine Einigung wie noch nie. Er braucht einen Ausweg aus dem Tarifstreit.“

RMT-Chef Mick Lynch bei einer Rede auf der Kundgebung „Enough is Enough“ in London am 1. Oktober 2022

Die RMT-Führung hat schon in Schottland und Wales durch den Einsatz „kreativer Sprache“ einen minderwertigen Deal durchgesetzt, was Lynch als Vorbild für eine Beendigung des nationalen Eisenbahnerstreiks bezeichnet. In beiden Fällen sind die unter der Inflationsrate liegenden Abschlüsse nur deshalb höher als die mickrigen Angebote von Network Rail und der RDG, weil sie gleichzeitig Produktivitätssteigerungen als Gegenleistung vorsehen. Bei ScotRail liegt die Lohnerhöhung zwischen 7 und 9 Prozent und bei Transport for Wales zwischen 6,6 und 9,5 Prozent.

Als der Streik am Dienstag begann, wandte sich Lynch erneut mit Bitten an die Regierung, an Network Rail und die Bahnbetreiber: „Wir wollen keine Störung, wir wollen eine Einigung. Die Politik der Regierung hat bereits zu viele Störungen des Eisenbahnverkehrs ausgelöst, und wenn wir vernünftige Vorschläge bekommen, können wir an einer Lösung arbeiten.“ Es ist klar: Hier werden Kapitulationsbedingungen ausgeheckt.

Später am Dienstag erklärte der Chefunterhändler von Network Rail, Tim Shoveller, eine Einigung sei in „greifbarer Nähe“. Er forderte von der RMT, ihren Mitgliedern „die Reformelemente des Deals“ schmackhaft zu machen. „Wir wollen sicherstellen, dass wir jetzt mit der RMT zusammenarbeiten und Klarheit schaffen können, wo es bisher Missverständnisse gab, und die Vereinbarung erneut vorlegen.“

Die Eisenbahner dürfen nicht tatenlos zusehen, wie die RMT, die Regierung und die Arbeitgeber einen faulen Deal abschließen. Sie müssen die Eisenbahnergewerkschaften daran hindern, einen gemeinsamen Kampf zu verhindern. Sie müssen ihnen die Kontrolle über den Kampf entreißen.

Die WSWS erklärt dazu: „Eisenbahner müssen einen gemeinsamen wirtschaftlichen und politischen Kampf führen, um die Umstrukturierung der Schienennetze zu verhindern, deren Ziel die weitere Plünderung durch private Betreiber und ihre Aktionäre ist. Zusammen mit den Beschäftigten der Post, des NHS, den Lehrkräften und weiteren Millionen Arbeitern müssen sie vom Gewerkschaftsapparat unabhängige Aktionskomitees aufbauen, die von den Arbeitern selbst kontrolliert werden. Dies wird es der Arbeiterklasse ermöglichen, ihre Kämpfe im gesamten Vereinigten Königreich zusammenzuschließen und sich der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees im Rest der Welt anzuschließen.“

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