Proteste in ganz Frankreich nach Durchsetzung von Macrons Rentenkürzungen

Am Montagabend und Dienstag kam es in ganz Frankreich zu Protesten. In der Nationalversammlung war zuvor ein Misstrauensantrag gegen die Regierung von Premierministerin Elisabeth Borne gescheitert, die Präsident Emmanuel Macrons unpopuläre Rentenkürzungen ohne Abstimmung durchgesetzt hatte.

In mehreren Städten in ganz Frankreich kam es daraufhin es zu gewaltsamen Zusammenstößen, und bis in die Nacht hinein trotzten Tausende protestierende Jugendliche und Arbeiter der schwer bewaffneten Polizei.

Nur 279 von 577 Abgeordneten in der Nationalversammlung stimmten für den Misstrauensantrag. Eingebracht hatte ihn der rechte Abgeordnete Charles de Courson, und Marine Le Pens neofaschistisches Rassemblement National und Jean-Luc Mélenchons La France Insoumise (LFI, Unbeugsames Frankreich) hatten ihn unterstützt. Der Antrag verfehlte die Mehrheit um nur neun Stimmen. Gemäß dem obskuren und reaktionären Verfassungsartikel 49.3, der aus dem Jahr 1958 stammt, sind Macrons Kürzungen damit offiziell als Gesetz angenommen, obwohl keine parlamentarische Abstimmung stattgefunden hat.

Diese Vorgänge haben den Staat als Klassendiktatur der kapitalistischen Oligarchie entlarvt. Drei Viertel der französischen Bevölkerung lehnen Macrons Kürzungen ab, und zwei Drittel befürworten einen Generalstreik, um die Wirtschaft lahmzulegen und die Einführung der Kürzungen zu verhindern. Dennoch hat sich die Nationalversammlung über den Willen der Bevölkerung hinweggesetzt. Das beweist, dass es keinen parlamentarischen Weg gibt, um die Ausplünderung der französischen Bevölkerung durch eine fest etablierte herrschende Klasse zu verhindern. Sie ist entschlossen, die Renten um hunderte Milliarden Euro zu kürzen, um Bankenrettungen für die Reichen und den Krieg gegen Russland zu finanzieren.

Der Misstrauensantrag hat auch die Gewerkschaftsbürokratie und pseudolinke Parteien wie die LFI in niederschmetternder Weise entlarvt. Während der wochenlangen Proteste von Millionen Arbeitern und Jugendlichen hatten sie behauptet, die massenhafte Teilnahme an den Protesten reiche aus, um die Nationalversammlung zu überzeugen, Macrons Kürzungen abzulehnen. Tatsächlich gab es in der Nationalversammlung nie eine Mehrheit für ein Misstrauensvotum gegen die Borne-Regierung oder gegen die Kürzungen. Das vorhersehbare Ergebnis entlarvt die politischen Scharlatane, die diese Illusionen verbreitet haben.

Stattdessen bahnt sich eine direkte Konfrontation zwischen der Arbeiterklasse und dem kapitalistischen Polizeistaat an. Die anhaltende Eskalation der Proteste sorgt in den herrschenden Kreisen für eine spürbare und zunehmende Furcht.

Die Beschäftigten der Fluggesellschaften, des Eisenbahnwesens und der Raffinerien setzen ihre Streiks fort. Der Streik bei den Raffinerien sorgt in Südostfrankreich bereits für Treibstoffknappheit. Am Dienstag zwangsverpflichtete die Regierung Arbeiter der Esso-Raffinerie im südfranzösischen Fos-sur-Mer zur Wiederaufnahme des Betriebs. Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Auch unter Lehrern gibt es eine wachsende Bewegung: Sie wollen aus Protest gegen Macron die Abiturprüfungen ausfallen lassen.

Für den 23. März ist ein landesweiter Proteststreik geplant, und selbst in den offiziellen Medien mehren sich die Spekulationen, dass die Gewerkschaften nach diesem Datum nicht mehr in der Lage sein könnten, eine unkontrollierte soziale Explosion von Streiks und Protesten zu verhindern.

Als nach dem Scheitern des Misstrauensantrags am Montagabend spontane Proteste ausbrachen, war dies bereits die fünfte Protestnacht in Folge, seitdem am letzten Donnerstag, 16. März, Macron angekündigt hatte, die Kürzungen ohne parlamentarische Abstimmung durchzusetzen. Seither geht die Regierung Macron im ganzen Land mit brutalen Polizeieinsätzen gegen Demonstrierende vor. Mit Plastikschilden, Pistolen, und Sturmgewehren bewaffnete Bereitschaftspolizisten feuerten Tränengas und Gummigeschosse auf die Demonstrierende ab und schlugen brutal mit Schlagstöcken auf sie ein. Unter den Opfern waren auch Frauen.

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In Toulouse kam es am Bahnhof Jean-Jaurés zu Zusammenstößen mit der Polizei, in Straßburg um den Kléber-Platz, in Lille auf der Place de La République, in Lyon um den Bellecour-Platz. In Straßburg wurden Demonstrierende von der Polizei in engen Straßen eingekesselt und mit mehreren Salven Tränengas beschossen; einige bekamen keine Luft mehr und verloren das Bewusstsein.

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In Paris griff die Polizei Demonstrierende in mehreren Teilen der Stadt an, u.a. auf dem Vauban-Platz nahe der Nationalversammlung, am Bahnhof St. Lazare sowie dem Châtelet- und dem Bastille-Platz. Die Demonstrierenden, die vom Bastille-Platz aus losmarschierten, skandierten in Anspielung auf die Französische Revolution von 1789: „Wir haben Ludwig XVI. geköpft. Macron hat Angst, dass wir das wieder tun.“

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Während große Trupps schwer bewaffneter Polizisten durch die Pariser Innenstadt stürmten, gingen einige von ihnen auch auf die Gäste von Restaurants los, die zufällig in der Nähe zu Abend aßen.

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Es bahnt sich eine objektiv revolutionäre Situation an, da die Arbeiterklasse in Frankreich auf eine direkte Konfrontation mit der kapitalistischen Staatsmaschinerie zusteuert. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer Welle von Streiks von Millionen Arbeitern in ganz Europa, in Deutschland, Großbritannien, Portugal, Griechenland, Belgien, den Niederlanden und weiteren Ländern gegen Austerität und Inflation. Die entscheidende Frage, die sich angesichts des zunehmenden Klassenkampfs stellt, lautet: Mit welcher Perspektive kann der Kampf gegen Macron geführt werden?

Wenn der Weg der „demokratischen“ parlamentarischen Opposition verschlossen ist, wird die Arbeiterklasse auf den Pfad der sozialistischen Revolution gezwungen. Das bedeutet vor allem, den Gewerkschaftsbürokratien und pseudolinken Parteien, die die Arbeiter mit der Aussicht auf „Sozialdialog“ mit Macron an den kapitalistischen Staat binden, die Kontrolle über den Kampf zu entreißen. Stattdessen muss die Arbeiterklasse ihre eigenen Organisationen aufbauen, die sie in den Kampf um die Macht führen werden.

Die nervöse und panische Reaktion der Gewerkschaftsfunktionäre und pseudolinken Politiker, die in der Vergangenheit Illusionen in Macron geschürt haben, bestätigt, dass sie die Bewegung der Arbeiterklasse gegen den kapitalistischen Staat nicht anführen, sondern sabotieren wollen.

Die Abgeordnete der Grünen, Sandrine Rousseau, erklärte gegenüber FranceInfo: „Ich glaube, wir befinden uns in einer Herrschaftskrise und nähern uns einem unbekannten politischen Moment.“ Sie fügte hinzu, in Frankreich „steht die Fünfte Republik vor dem Ende“. Doch Rousseaus Verbündete in Mélenchons Parteienkoalition NUPES vertreten die Perspektive, mit Macron oder anderen Kräften der politischen Rechten Vereinbarungen auszuhandeln.

Ähnlich wie der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF), Fabien Roussel, richtete auch der Funktionär der Mélenchon-Partei LFI, François Ruffin, einen ohnmächtigen Appell an Macron, „das Land zu befrieden“, und auf die ohne Abstimmung durchgesetzten Rentenkürzungen zu verzichten.

Die stalinistische CGT erklärte in einer Stellungnahme, das Scheitern des Misstrauensantrags „wegen einiger weniger Stimmen – ändert nichts! ... Nichts kann die Entschlossenheit der Arbeiter, Arbeitslosen, Jugendlichen und Rentner im Kampf gegen eine Rentenkürzung aufhalten, die alle für ungerechtfertigt, ungerecht und brutal halten.“ Die CGT rief die Arbeiter auf, an den Protesten vom 23. März „und notfalls auch an weiteren Protesten“ teilzunehmen.

Bezeichnenderweise hat Mélenchon zu keinem Zeitpunkt zur Mobilisierung der fast acht Millionen Menschen aufgerufen, die letztes Jahr in der Präsidentschaftswahl für ihn gestimmt hatten. Er hatte damals in mehreren Arbeitervierteln der großen französischen Städte die Mehrheit erhalten. Doch kein solcher Aufruf war von ihm zu hören, und er hielt es nicht einmal für nötig, einen eigenen Misstrauensantrag in der Nationalversammlung einzubringen. Stattdessen unterstützte er den „parteiübergreifenden“ Antrag des rechten Abgeordneten de Courson.

Am Montagabend verbreitete Mélenchon erneut die Illusion, eintägige Proteste würden Macron dazu veranlassen, sein Gesetz zurückzunehmen: „Da das Misstrauensvotum im Parlament nicht funktioniert hat, ist es jetzt an der Zeit, einen Misstrauensantrag der Bevölkerung zu stellen. Ich wünsche mir, dass sich dieses Misstrauen massiv äußert, an allen Orten und unter allen Umständen, und dass wir damit die Rücknahme des Gesetzes erzwingen ... Wir werden diese Entscheidung mit den Methoden der gesellschaftlichen Demokratie ändern müssen. Die Bevölkerung muss aktiv werden, und das wird sie.“

Die Behauptung, nach den explosiven Ereignissen der letzten Wochen habe sich nichts geändert, hält keiner Überprüfung stand. Die von Macron gegen den überwältigenden Widerstand der Bevölkerung durchgesetzte, antidemokratische Rentenkürzung, die Kapitulation der Nationalversammlung und der Rückgriff auf massive Polizeigewalt haben den kapitalistischen Staat in Frankreich als Polizeistaat entlarvt und nachhaltig diskreditiert. Die Arbeiterklasse wird aktiv – nicht mit „sozialdemokratischen“ Methoden, sondern durch eine mächtige, beginnende Aufstandsbewegung.

Der einzige Weg vorwärts für diese Bewegung ist der Aufbau eigener Kampforganisationen, die unabhängig von den Gewerkschaftsbürokratien sind, und der Kampf für die Übertragung der Staatsmacht vom reaktionären kapitalistischen Polizeistaat an diese Arbeiterorganisationen in einer sozialistischen Revolution.

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