VW streicht mindestens 2200 Arbeitsplätze im Werk Zwickau und droht weiteren Standorten

Am Donnerstag gab die Unternehmensleitung von Volkswagen Sachsen auf einer Betriebsversammlung im Werk Zwickau bekannt, dass unmittelbar 269 Arbeiter ihre befristeten Stellen verlieren werden. In Zwickau haben von den insgesamt 11.000 Beschäftigten ca. 2.200 befristete Verträge. Angesichts des rapiden Rückgangs der Nachfrage nach den teuren VW-Elektroautos, müssen mindestens diese 2200 Beschäftigten damit rechnen, dass ihre im nächsten Jahr auslaufenden Verträge in den nächsten Wochen und Monaten nicht verlängert werden. Ob noch mehr Arbeitsplätze auf der Streichliste stehen ist nicht bekannt gegeben worden.

Vor drei Jahren wurde das Zwickauer Werk zur europaweit ersten reinen Fabrik für Elektroautos umgerüstet. Neben den VW- Modellen ID.3, ID.4 und ID.5 werden dort auch der Audi Q4 e-tron und der Q4 Sportback e-tron sowie der Cupra Born produziert. Damals behaupteten VW, Landesregierung und die IG Metall, es würden sichere Arbeitsplätze entstehen und eine blühende Zukunft der klimafreundlichen Mobilität stünde bevor.

Nun verhandeln seit Wochen die IGM-Betriebsräte mit den VW-Managern hinter verschlossenen Türen darüber, a) in welchem Ausmaß Schichten gestrichen werden sollen und b) wann und wie viele Beschäftigte gehen müssen. Die Belegschaft und die betroffenen Arbeiter sollen vor vollendete Tatsachen gestellt werden, damit es für sie zu spät ist, dagegen zu handeln.

Wie die Belegschaft von Politik und Gewerkschaften hintergangen wird, gab Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) eher unbeabsichtigt auf Anfrage zu: „Es ist eine ernste Situation“. Er sei seit mehreren Wochen (!) in Kontakt mit dem Betriebsrat und seinem niedersächsischen Amtskollegen Olaf Lies (SPD).

Diese Intrigen gegen die Interessen der Belegschaften dürfen nicht weiter zugelassen werden! Die Belegschaft hat das Recht zu erfahren, wie es um ihre Zukunft bestellt ist! Sämtliche Um- und Abbaupläne müssen sofort offengelegt werden.

VW nennt als Grund die „die aktuelle Marktsituation“. Wegen der hohen Inflation und rückläufiger Förderprämien hielten sich Käufer bei Elektrofahrzeugen zurück. Seit die staatlich subventionierten Förderprämien stark reduziert wurden und teilweise ganz wegfallen gehen die Neubestellungen rasant zurück. Nahezu 70 Prozent der neu zugelassenen Elektroautos entfielen auf gewerbliche Kunden.

Auf der Betriebsversammlung in Zwickau hat die VW-Geschäftsleitung beschwichtigt und auf die wieder steigenden Verkaufszahlen im nächsten Jahr vertröstet. Arbeiter, mit denen wir sprachen, teilen diesen Optimismus nicht. Da selbst das kleinste VW-Elektromodell, der ID.3, gut 40.000 Euro kostet, ist es für die meisten Käufer unerschwinglich.

Unter diesen Bedingungen die von VW kürzlich beschlossenen Profitsteigerungen zu erreichen, verlangt ein wahres Massaker bei Arbeitsplätzen, Löhnen und Arbeitsbedingungen. Allein durch weitere staatliche Subventionen, die VW verlangt, ist dies auf keinen Fall zu bewerkstelligen. Derartige Maßnahmen sollen vielmehr die Belegschaften stillhalten.

In Wirklichkeit benutzt der VW-Konzern, genau so wie die anderen Autokonzerne, den Umbau von Verbrenner- zu elektrobetriebenen Fahrzeugen als willkommenen Anlass, um Kosten drastisch zu senken und zehntausende Arbeitsplätze abzubauen.

VW will 2026 zehn Milliarden mehr als in diesem Jahr verdienen, wie Markenchef Thomas Schäfer im Juni auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg ankündigte. Das Performance-Programm von VW und IG Metall sieht eine Verdoppelung bis Verdreifachung der jetzigen Renditen vor.

Doch die Belegschaft hat bis heute keinerlei Information erhalten, wie viele und welche Arbeitsplätze dem Sparprogramm zum Opfer fallen sollen. Wir haben bereits diesen Artikel dazu veröffentlicht.

Die Ereignisse in den letzten Wochen zeigen jedoch, wohin die Reise bei VW geht. Nicht nur in Zwickau und Dresden werden Arbeitsplätze abgebaut. Auch im Emdener Werk wurde die Produktion der beiden Elektroautos ID.4 und des ID.7 heruntergefahren. 300 von 1500 Leiharbeitern werden ab August nicht mehr beschäftigt und Kurzarbeit ist mittlerweile die Regel.

In einer Reihe von Standorten hat VW Kurzarbeit verhängt oder die Produktion ganz eingestellt, weil ein Volkswagen-Zulieferwerk wegen des Hochwassers in Slowenien nicht mehr liefern könne. Es fehle überall an Zahnkränzen, die für den Motor-Antrieb bei Verbrennern dringend nötig seien.

VW-Kollegen sowohl aus Zwickau als auch aus Emden werden zur Unterstützung nach Slowenien geschickt, berichtete uns ein VW-Arbeiter. Von den Kollegen habe er erfahren, dass die Emdener Kollegen 135 Euro Auslöse am Tag, die aus Zwickau nur 35 Euro am Tag erhielten. Auch so wird an der Spaltung der Belegschaften auch auf der kleinsten möglichen Ebene festgehalten.

Obwohl weder die Arbeiter des slowenischen Volkswagen-Werks noch die Belegschaften der betroffenen VW-Werke die geringste Verantwortung für die Lieferengpässe tragen, sind sie diejenigen, die durch Lohnkürzung oder Lohnausfall dafür bluten müssen. Und auch hier stehen die VW-Betriebsräte vollständig auf der Seite des Managements. Eine VW-Sprecherin teilte lapidar mit: „Aufgrund der volatilen Situation entscheidet das Unternehmen gemeinsam mit dem Betriebsrat über die weitere Fahrweise.“

Es gibt kein Werk, dass gegenwärtig nicht von Veränderungen betroffen ist. Im VW-Werk Kassel in Baunatal stehen die Bänder teilweise still, was fast 3.500 Arbeiter betrifft. Auch in Osnabrück fallen Schichten aus.

Im portugiesischen VW-Werk Autoeuropa wurde seit letzter Woche ein neunwöchiger Produktionsstopp verhängt. Das hat dazu geführt, dass bereits 300 Leiharbeiter und Arbeiter mit befristeten Verträgen ihren Job verloren haben, davon 100 direkt aus dem VW-Werk, 200 aus weiteren Firmen. Tausende Arbeiter in Zulieferungsfirmen im Industriegebiet in Palmelavon sind jetzt auf Sozialleistungen angewiesen, weil der VW-Konzern keinen Lohnausgleich für sie bezahlt.

Im Stammwerk Wolfsburg ist bis zum 29. September Kurzarbeit eingeführt worden. Dort werden vor allem Golf und Tiguan gebaut, einem VW-Sprecher zufolge sind abwechselnd alle vier Montagestrecken betroffen. Es gibt Medienberichte, die darauf hindeuten, dass das Wolfsburger Werk im Oktober sogar ganz zum Erliegen kommen könnte.

Am Mittwoch gab Vorstandschef Oliver Blume bekannt, dass es die ursprünglich geplante hochmoderne eigene Fabrik für die Baureihe „Trinity“ am Stammsitz in Wolfsburg nicht geben wird. Der Trinity soll im bestehenden VW-Hauptwerk Wolfsburg gebaut werden, allerdings erst in einigen Jahren.

Die Auslastung des Wolfsburger Werks, das gegenwärtig auf parallele E-Auto-Produktion umgebaut wird, ist daher keineswegs sicher. Es stellt sich auch die Frage, ob zu Lasten des Zwickauer Werks Wolfsburg priorisiert wird. Bemerkenswerterweise sollen trotz geringer Auslastung im Zwickauer E-Autowerk, die Produktion des Audi Q4 e-tron auf das Werk in Brüssel und des VW ID.3 auf Wolfsburg ausgeweitet werden.

Es stellt sich die Frage, ob es Pläne gibt, die Werke in Zwickau oder in Emden zu schließen. Warum schweigen die Betriebsräte und die IG Metall? Was wissen sie oder haben sie bereits beschlossen?

Bei VW ist die IG Metall maßgeblich an der Entwicklung und Durchsetzung der konkreten Abbaupläne beteiligt. „Im Präsidium des Aufsichtsrats, wo alle grundsätzlichen Entscheidungen zur Unternehmensstrategie sowie zu den Werken und Modellen des größten europäischen Autoherstellers fallen“ – so beschreibt das Manager Magazin dieses machtvolle Gremium – sitzen die wichtigsten Vertreter der Großaktionäre: der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch, die beiden Familienoberhäupter der VW-Familien-Clans Dr. Hans Michel Piëch und Dr. Wolfgang Porsche sowie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) für das Land, das 20 Prozent der VW-Aktien besitzt.

In diesem mächtigen Präsidium sitzen auch vier hochbezahlte IG-Metall-Bürokraten. Der IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, die Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von AUDI, Peter Mosch und Jens Rothe, der bis Februar 2023 Vorsitzender des Betriebsrates von VW in Zwickau und des Gesamtbetriebsrat in Sachsen war – und inzwischen Personalleiter von VW in Dresden ist.

Denn als im Frühjahr der Bundesgerichtshof klagenden VW-Betriebsräten nach Gehältern in Managerhöhe nicht nachkam, wechselte der langjährige Betriebsratschef kurzerhand direkt ins VW-Management. Als Personalleiter der Gläsernen Manufaktur in Dresden solle er „die strategische Neuausrichtung des Standortes“ voranbringen, hieß es in einer VW-Mitteilung.

In keinem anderen deutschen Unternehmen ist die Zusammenarbeit zwischen Management und Gewerkschaft so ausgefeilt wie bei Volkswagen. IG Metall und Betriebsrat sorgen mit einem Heer vollamtlicher Funktionäre dafür, dass die Entscheidungen des Konzerns reibungslos umgesetzt werden und kein Widerstand dagegen aufkommt.

Dafür werden sie regelmäßig „belohnt“. Bernd Osterloh der Vorgänger von Cavallo hatte in den besten Jahren als Betriebsrat bis zu 750.000 Euro im Jahr erhalten. Nun vergoldet er sich den Ruhestand als Personalvorstand bei der LKW-Tochter Traton. Jahresgehalt: 2 Millionen Euro.

Das hat Methode. Gunnar Kilian, Ex-Generalsekretär im VW-Betriebsrat, ist der gegenwärtige Personalchef von VW, Jahresgehalt 2022: 6,8 Millionen Euro. Alle seine Vorgänger auf diesem Posten waren zuvor langjährige SPD- und IGM-Bürokraten.

Für den Aufbau von Aktionskomitees und internationale Zusammenarbeit

Um die Arbeitsplätze bei VW zu verteidigen, müssen Aktionskomitees aufgebaut werden, in denen sich alle VW-Arbeiterinnen und Arbeiter zusammenschließen, die ernsthaft kämpfen wollen. Diese Komitees müssen unabhängig vom Betriebsrat und der IG Metall sein.

Um die gewaltigen Kosten für Krieg und Handelskrieg zu finanzieren und die Aktienkurse weiter in die Höhe zu treiben, greifen Kapital und Regierungen überall soziale Errungenschaften und Rechte an.

Die VW-Arbeiter sind nicht allein. Der drohende Kahlschlag bei Volkswagen ist Teil eines internationalen Angriffs auf die Arbeiterklasse. Gegenwärtig stehen 150.000 Autoarbeiter in den USA in Tarifauseinandersetzungen mit Ford, GM und Stellantis. Obwohl nach Jahrzehnten der Lohnkürzungen und Werksschließungen 97 Prozent der Belegschaften für einen Vollstreik stimmten, missachtet die Gewerkschaft der Autoarbeiter UAW (United Auto Workers) dieses Votum und lässt lediglich einige Tausend Arbeiter streiken.

Die Gründung eines Aktionskomitees bei VW wird entscheidend dazu beitragen, eine Achse des Widerstands zwischen Wolfsburg, Detroit und anderen Autometropolen aufzubauen und den Kampf gegen den Kahlschlag bei VW zum Bestandteil einer systematischen, internationalen Offensive in der Auto- und Zulieferindustrie zu machen.

Wir rufen alle VW-Beschäftigten auf: Meldet euch per Whatsapp-Nachricht unter +491633378340 oder füllt das folgende Formular aus.

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