Die Europäische Union und ihre nationalen Regierungen reagieren auf die Ankunft mehrerer Tausend verzweifelter Flüchtlinge in Lampedusa vergangene Woche mit einer massiven Verschärfung ihres Kriegs gegen Migranten.
Bei einem gemeinsamen Auftritt auf der Mittelmeerinsel am Sonntag übte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Schulterschluss mit der faschistischen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die geplanten Maßnahmen erinnern an die dunkelsten Zeiten der europäischen Geschichte. Es geht um die komplette Schließung der „Festung Europa“, Massendeportationen in die Kriegs- und Katastrophengebiete in Nordafrika und die Errichtung von Konzentrations- und Abschiebelagern durch das Militär.
Meloni, die sich selbst damit rühmt, „ein unbeschwertes Verhältnis zum Faschismus“ zu haben, und Mussolini als „guten Politiker“ bezeichnet, drohte auf Lampedusa, „außergewöhnliche Maßnahmen“ zu ergreifen. Am Montag beschloss ihre Regierung dann per Erlass, die Abschiebehaft zu verschärfen und das Höchstmaß der Haftdauer auf 18 Monate anzuheben. Das italienische Verteidigungsministerium erhielt den Auftrag, Strukturen zu schaffen, um „irregulär eingereiste“ Migranten festzusetzen. Die Einrichtungen sollen „in abgelegenen, möglichst dünn besiedelten Gebieten“ entstehen, die leicht eingegrenzt und überwacht werden können.
Darüber hinaus wiederholte Meloni ihre Forderung nach einem koordinierten Marineeinsatz gegen Flüchtlinge schon im Mittelmeer. „Wir müssen den Zustrom illegaler Migranten stoppen. Wir können keine Lösung finden, die einem Land dient und dem anderen nicht“, erklärte sie. Falls nötig, müsse die Marine eingesetzt werden, um Flüchtlingsboote auf dem Weg nach Europa zu stoppen. „Der Kampf gegen die illegale Masseneinwanderung und die Menschenhändler ist ein epochaler Kampf für Italien und für Europa.“
Das im Kern faschistische Vorgehen gegen Flüchtlinge wird von der gesamten herrschenden Klasse in Europa unterstützt. Von der Leyen präsentierte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Meloni am Sonntag einen 10-Punkte-Plan für „eine koordinierte Antwort der italienischen und europäischen Behörden“. Sie habe Italien „Unterstützung durch die Europäische Kommission, die Asylagentur der Europäischen Union und Frontex zur Bewältigung der unmittelbaren Krise zugesagt“.
Von der Leyen ließ keinen Zweifel daran, worin diese „Unterstützung“ besteht.
- Massenabschiebungen: Die EU biete der italienischen Regierung „die Unterstützung durch Frontex an, um eine rasche Rückführung von nicht asylberechtigten Personen in ihr Herkunftsland zu gewährleisten“. Personen, „die keinen Anspruch auf Asyl haben“, müssten „die Europäische Union verlassen“.
- Polizeilich-militärische Maßnahmen gegen Flüchtlinge schon in Afrika – in enger Koordination mit den reaktionären Regimes vor Ort: Man brauche „einen integrierten Ansatz – beispielsweise ein gemeinsames Vorgehen von Frontex und Europol in Zusammenarbeit mit Tunesien und entlang der Migrationsroute“, erklärte von der Leyen.
- Militäreinsatz gegen Flüchtlinge im Mittelmeer: „Wir werden die Überwachung auf See und die Luftüberwachung verstärken“. Auch dies könne die berüchtigte Grenzschutzagentur Frontex übernehmen. Außerdem unterstütze die EU „die Sondierung von Optionen zur Verstärkung bereits bestehender Marineeinsätze im Mittelmeer oder zu deren Ausbau“. Darüber hinaus werde man „die Lieferung von Ausrüstung an die tunesische Küstenwache beschleunigen“.
Die Politik der EU ist gleich in mehrfacher Hinsicht mörderisch und kriminell. Nachdem die führenden europäischen Nato-Mächte und die USA mit ihren neokolonialen Kriegen in Afrika und dem Nahen Osten ganze Länder zerstört haben, entschieden sie bewusst, Flüchtlinge ertrinken zu lassen, um andere abzuschrecken und von Europa fernzuhalten. Nach offiziellen Zahlen sind allein in der letzten Dekade mehr als 20.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken.
Trotzdem verschärft die EU den Krieg gegen Flüchtlinge immer weiter. Es ist bezeichnend, dass von der Leyens Zehn-Punkte-Plan ausschließlich auf die Abwehr von Flüchtlingen zielt und keine einzige konkrete „humanitäre“ Maßnahme beinhaltet. Und dies, obwohl das Erdbeben in Marokko und die Flutkatastrophe in Libyen in den vergangenen zwei Wochen Tausende getötet und Hunderttausende in noch größeres Elend gestürzt haben.
Vor allem die Flut in der libyschen Hafenstadt Derna ist nicht einfach eine Naturkatastrophe, sondern das direkte Produkt des Nato-Bombenkriegs 2011, der das Land weitgehend zerstört hat. Die europäischen Regierungen und politischen Kräfte, die den Krieg geführt oder ihn als „humanitäre“ Intervention gerechtfertigt haben, haben Blut an den Händen. Nun eskalieren sie mit ähnlichen Propaganda-Argumenten den Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine.
Tatsächlich besteht zwischen dem Terror gegen Flüchtlinge und der Kriegsoffensive ein direkter Zusammenhang. Je aggressiver die herrschende Klasse ihre Politik des Militarismus und der damit einhergehenden sozialen Angriffe forciert, desto offener setzt sie auf Autoritarismus und faschistische Methoden, um die wachsende soziale und politische Opposition im Inneren zu unterdrücken. Der Krieg gegen Flüchtlinge richtet sich gegen die gesamte Arbeiterklasse. Was jetzt den Flüchtlingen und Migranten angetan wird, droht morgen allen. Dieser Kurs wird auch von den nominell linken Parteien unterstützt.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In der deutschen Bundesregierung geben Sozialdemokraten und Grüne den Ton an. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Anfang September seinen reaktionären „Deutschlandpakt“ verkündete, forderte er explizit einen verschärften „Kampf gegen die irreguläre Migration“ und eine „Ausweitung der Abschiebehaft“ – und damit genau die Maßnahmen, die jetzt umgesetzt werden.
In Griechenland verschärfte die pseudolinke Syriza-Regierung zwischen 2015 und 2019 die Migrationspolitik massiv und brachte im Bündnis mit den rechtsextremen Unabhängigen Griechen (Anel) im Wesentlichen die gleichen Maßnahmen auf den Weg, die jetzt von Rom und Brüssel forciert werden. Dazu gehörten die Inhaftierung von Flüchtlingen in Konzentrationslager-ähnlichen „Hotspots“ wie Moria, massenhafte Abschiebungen und ein Militäreinsatz gegen Migranten in der Ägäis.
In Spanien setzt die Koalitionsregierung aus sozialdemokratischer PSOE und pseudolinker Podemos regelmäßig das Militär, Spezialeinheiten und Bereitschaftspolizei ein, um gegen Migranten vorzugehen, die über Marokko nach Spanien fliehen. In Deutschland organisiert Die Linke als Regierungspartei in den Bundesländern brutale Abschiebungen. Dabei hetzt vor allem der Wagenknecht-Flügel in AfD-Manier gegen Flüchtlinge.
Die Tatsache, dass alle Fraktionen der herrschenden Klasse den Terror gegen Flüchtlinge vorantreiben, unterstreicht, dass Arbeiter und Jugendliche mit revolutionären Aufgaben konfrontiert sind. Der europäische Kapitalismus kann nicht reformiert werden, sondern er muss gestürzt werden. Die Verteidigung demokratischer Rechte erfordert genauso wie der Kampf gegen Krieg und Faschismus die revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms.
Dafür kämpfen die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterorganisationen in ganz Europa. „Arbeiter müssen der EU der Banken und Konzerne, des Massensterbens und des Kriegs die Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entgegensetzen“, heißt es im Wahlaufruf der SGP für die Europawahl. „Der Krieg kann nicht beendet, Menschenleben können nicht gerettet und die Löhne nicht verteidigt werden, ohne die Macht der Banken und Konzerne zu brechen und sie unter demokratische Kontrolle zu stellen.“