Der Stellenabbau in der globalen Automobilindustrie legt an Tempo zu. Die Automobilhersteller versuchen, sich auf dem hart umkämpften Markt für Elektrofahrzeuge einen Vorsprung zu verschaffen, indem sie Arbeitsplätze abbauen. Die Kosten tragen die Arbeiter in aller Welt.
Stellantis, der drittgrößte Automobilhersteller der Welt, hat am vergangenen Freitag die dritte Schicht in seinem Werk Detroit Assembly Complex-Mack gestrichen. Das Unternehmen macht diesen Schritt im Rahmen seines globalen Kostensenkungsprogramm Dare Forward 2030. Stellantis behauptet, die 2.455 Entlassungen seien nur vorübergehend, aber die Unternehmensleitung hat bereits wiederholt von der Möglichkeit des dauerhaften Abbaus von Arbeitsplätze im Werk gesprochen.
„Viele Leute haben am Freitag hier geweint, aber die meisten haben nicht darüber gesprochen“, sagte ein Mack-Mitarbeiter der WSWS. „Die dritte Schicht wurde gestrichen, also werden den Leuten neue Jobs zugewiesen.“ Die Arbeiter sagen, dass unter den Entlassenen auch 750 Zeitarbeiter sind, die nicht auf Weiterbeschäftigung bestehen können, auch wenn sie Mitglied der Gewerkschaft United Auto Workers sind und vorgeblich von ihr vertreten werden.
Weitere 1.225 Stellenstreichungen in Stellantis' Toledo Assembly Complex, die ursprünglich für Montag geplant waren, wurden auf den 19. Februar verschoben, so berichten Arbeiter gegenüber der WSWS. Im November hatte die Gewerkschaft versucht, den Beschäftigten den ausgehandelten und zur Abstimmung stehenden Tarifvertrag schmackhaft zu machen. UAW-Vertreter behaupteten, das Unternehmen werde eine dritte Schicht im Werk einrichten und mehr Arbeiter einstellen. Die UAW stellte weiterhin in Aussicht, dass 1.100 Zeitarbeiter mit Teilzeitstellen in Toledo im Rahmen der neuen Vereinbarung Vollzeitstellen erhalten würden.
„Jeder am Arbeitsplatz redet, aber alles, was wir haben, sind Gerüchte“, sagte ein Zeitarbeiter der WSWS. „Ich warte nur darauf, ob ich einen Kündigungsbescheid bekomme. Jedes Mal, wenn man versucht, Informationen von der Gewerkschaft zu bekommen, sagen sie einem, dass niemand die Informationen hat. Keiner weiß, was vor sich geht. Aber sie kommen damit durch.“
Die 5.500 Beschäftigten, die Jeep Wranglers und Gladiators herstellen, streikten sechs Wochen lang während des so genannten „Stand-Up“-Streiks, den der UAW-Vorsitzende Shawn Fain im vergangenen Jahr erfunden hatte. In diese „Light-Version“ von Streik blieben zwei Drittel der UAW-Mitglieder am Arbeitsplatz und waren vom Streik ausgeschlossen. Trotz dieser Bemühungen, ihren Widerstand zu zermürben, stimmten die Beschäftigten von Toledo gegen den ausgehandelten Tarifvertrag. „Jeder in meinem Team sagte während des Streiks, dass sie wahrscheinlich am Ende alle Zeitarbeiter entlassen würden“, so der Arbeiter.
Am 12. Januar entließ Stellantis 539 Zeitarbeiter im Großraum Detroit und in Kokomo, Indiana, und strich einige Wochen später die Krankenversicherung. UAW-Vertreter räumen ein, dass das Unternehmen in den kommenden Wochen unternehmensweit weitere 1.600 Entlassungen plant. Sie haben auch deutlich gemacht, dass sie nichts dagegen unternehmen werden.
Im Rahmen der Vereinbarung mit Stellantis stimmte die UAW auch der Schließung von 10 Teilevertriebszentren und dem Tipton-Getriebewerk in der Nähe von Kokomo zu. Tipton wird wahrscheinlich das erste von vielen Getriebewerken sein, das geschlossen wird, wenn Stellantis beginnt, Getriebe von Hyundai Transys, einer Tochtergesellschaft der südkoreanischen Hyundai Motor Group, zu kaufen. Die Marke Jeep „wird die erste sein, die die Hyundai Transys-Getriebe einbaut“, berichtete Maeil Business News Korea.
„Jeder ist besorgt darüber, dass das Unternehmen Getriebe von Hyundai kauft“, sagte eine kürzlich entlassene Zeitarbeiterin aus dem Indiana Transmission Plant, einem von mehreren Stellantis-Getriebewerken in der Gegend von Kokomo, die mehr als 3.600 UAW-Mitglieder beschäftigen. „Sie feuern uns, bevor wir uns umdrehen, um uns unsere Gewinnbeteiligung und höhere Löhne zu nehmen“ so die Arbeiterin.
In einem Interview mit einem lokalen NBC-Nachrichtensender in Detroit am Sonntag wiederholte Fain, dass die von der UAW ausgehandelten Tarifverträge „die besten in unserer Geschichte“ seien. Auf die Frage nach den Massenentlassungen von Zeitarbeitern antwortete er, diese seien durch die „Gier der Unternehmen“ bedingt und hätten nichts mit dem UAW-Abschluss zu tun. „Sie wissen, dass wir einen Vertrag haben und im Rahmen dieses Vertrags arbeiten werden, aber wir erwarten, dass sich das Unternehmen um unsere Mitglieder kümmert und wir werden bei jedem Schritt für sie kämpfen.“
„Er muss denken, dass wir dumm sind“, sagte Hannah, die vor kurzem zusammen mit 170 anderen Zeitarbeitern im Warren Truck Werk in einem Vorort von Detroit entlassen wurde. „Diese Entlassungen waren vorsätzlich. Die UAW-Vertreter sagten uns, dass wir übernommen werden würden und dass unsere Arbeitsplätze sicher wären, wenn der Vertrag unterschrieben sei. Jetzt hat Fain Biden unterstützt, der diese Kriege will. Das war die ganze Zeit der Plan. Fain und Biden haben daran gearbeitet, diesen Vertrag durchzusetzen und unsere Arbeitsplätze zu streichen“, sagte sie.
„Wir sind hier draußen auf der Suche nach Arbeit und versuchen, unsere Kinder zu ernähren. Wenn sie das mit den befristeten Teilzeitarbeitern machen können, können sie es auch mit den Vollzeitbeschäftigten machen. Wir können nicht darauf warten, dass die UAW-Bürokraten uns Antworten geben oder unsere Arbeitsplätze schützen - sie haben sich bereits entschieden, auf welcher Seite sie stehen. Wir müssen Aktionskomitees bilden, um die Spaltungstaktik der Gewerkschaftsfunktionäre zu überwinden, Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte zu vereinen, Massendemonstrationen abzuhalten und Maßnahmen zu ergreifen, um unsere Arbeitsplätze zurückzufordern und die Arbeitsplätze aller zu verteidigen.“
Am Sonntagabend nahmen Automobilarbeiter an einem Online-Treffen teil, das vom UPS Aktionskomitee und der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) veranstaltet wurde. Es ging bei dem Treffen darum, gegen den kürzlich angekündigten Abbau von 12.000 Arbeitsplätzen bei UPS zu kämpfen und die Arbeitnehmer branchen- und grenzübergreifend zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze und ihres Lebensunterhalts zu vereinen.
Stellantis beschleunigt seine weltweite Kampagne zum Abbau von Arbeitsplätzen. Die Produktion im Werk Mirafiori in Turin, Italien, wird in den nächsten zwei Monaten aufgrund der schwachen Marktnachfrage nach dem vollelektrischen Kleinwagen Fiat 500 und den Maserati-Modellen reduziert, berichtete Reuters am Montag. Die Verlangsamung der Produktion kommt zusätzlich zu den bereits angekündigten Entlassungen von etwa 2.250 Arbeitern im Zeitraum vom 12. Februar bis zum 3. März. Das Werk wird bis zum 30. März auf eine achtstündige Schicht pro Tag statt zwei Schichten pro Tag reduziert, außer in der Woche des 12. Februar, in der es vollständig geschlossen sein wird. Vertreter der Gewerkschaft FIM Cisl erklärten, dass von den insgesamt 1.250 Arbeitern, die den elektrischen Fiat 500 herstellen, und den weiteren 1.000, die Maserati-Modelle produzieren, jede Woche 300 bis 350 entlassen werden.
Ein Vertreter der Gewerkschaft CFE-CGC sagte, das Unternehmen begründe die Kürzungen mit der allgemeinen geopolitischen Lage und dem „derzeitigen Preiskampf mit der Konkurrenz bei Elektroautos“, so Reuters.
Die Entlassungen bei Stellantis sind Teil eines europaweiten Arbeitsplatzabbaus. VW streicht Tausende von Stellen, um die Kosten um 11 Milliarden Dollar zu senken. Bosch, der weltgrößte Automobilzulieferer, kündigte an, bis Ende 2026 insgesamt 1.200 Mitarbeiter in seiner Software- und Elektroniksparte zu entlassen. ZF Friedrichshafen, der zweitgrößte deutsche Zulieferer, könnte in einem „Worst-Case-Szenario“ bis 2030 nicht weniger als 12.000 Stellen abbauen, berichtete die Financial Times.
Am Montag dementierte der Vorstandsvorsitzende von Stellantis, John Elkann, Berichte, wonach der Autohersteller eine Fusion mit dem Konkurrenten Renault in Erwägung ziehe. Dies würde die Umstrukturierung der globalen Industrie verschärfen und zu zehn-, wenn nicht hunderttausend weiteren Stellenstreichungen führen. Am Sonntag berichtete die italienische Tageszeitung Il Messaggero, dass die französische Regierung, die der größte Anteilseigner von Renault ist und eine Beteiligung an Stellantis hält, einen Fusionsplan zwischen den beiden Automobilherstellern prüft, um „ihren Einfluss auf den Sektor zu stärken und der chinesischen und deutschen Konkurrenz zu begegnen“.
Reuters berichtet, dass die Fusionsdiskussion in den italienischen Medien durch die Äußerungen von Stellantis-CEO Carlos Tavares in den letzten Wochen angeheizt wurde. Diese sagte voraus, dass der Kampf um Preissenkung und Gewinnung von Marktanteilen ohne ausreichende Senkung der Arbeitskosten zu einem „Blutbad“ und einem „Wettlauf nach unten“ in der globalen Autoindustrie führen würde.
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