Die Sozialistische Gleichheitspartei protestiert auf das Schärfste gegen die Entlassung von Ghassan Hage durch die Max-Planck-Gesellschaft und fordert seine sofortige Wiedereinstellung. Wir appellieren an Akademiker, Studierende und alle, die demokratische Rechte nicht widerstandlos den Angriffen der Rechten preisgeben wollen, sich diesem Protest anzuschließen.
Der libanesisch-australische Wissenschaftler, der in Melbourne, Beirut, Nanterre (Paris), Kopenhagen und Harvard gelehrt hat, war seit April 2023 als Gastdozent am Max-Planck-Institut für Sozialanthropologie in Halle (Saale) tätig. Nun hat ihn die Max-Planck-Gesellschaft fristlos entlassen, weil er in sozialen Medien den israelischen Massenmord an den Palästinensern verurteilt hat.
Die Bedeutung des Angriffs auf Ghassan Hage geht weit über den individuellen Fall hinaus. Hier wird ein Präzedenzfall geschaffen, um Forschung und Lehre gleichzuschalten. Die Max-Planck-Gesellschaft hat mit 84 Forschungseinrichtungen, 24.000 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 2,5 Milliarden Euro enormen Einfluss darauf, welche Forschungsinhalte in Deutschland gefördert werden und wer eine Professoren- oder Doktorandenstelle erhält.
In einer Zeit, in der Deutschland massiv aufrüstet und die Regierung verkündet, die Deutschen müssten wieder „kriegstüchtig“ werden, signalisiert die Max-Planck-Gesellschaft mit dem Rauswurf Hages, dass sie keine Lehrinhalte und Meinungen mehr duldet, die im Gegensatz zu den politischen Zielen der Regierung und der herrschenden Eliten stehen.
Den Anlass für die Entlassung Hages lieferte ein reißerischer Hetzartikel, der am 5. Februar in der Tageszeitung Welt erschien. Unter der Überschrift „Antisemitismus-Skandal erschüttert deutsche Nobelpreis-Schmiede“ warf das rechte Springer-Blatt dem Wissenschaftler vor, er predige „Israel-Hass“ und glorifiziere unverkennbar den „Terror der Hamas“. Drei Tage später erfuhr Hage von seinem Rausschmiss durch die Führung der Max-Planck-Gesellschaft in München. „Niemand in München, ob Anwalt oder jemand anderes, hat mich kontaktiert oder um meine Meinung gebeten,“ berichtet er auf seinem Blog.
Die Max-Planck-Gesellschaft teilte in einer kurzen Stellungnahme von zwei Absätzen mit, man habe sich von dem „in der Fachcommunity bekannten und angesehenen libanesisch-australischen Wissenschaftler“ getrennt, weil „unter den von ihm in jüngerer Zeit über soziale Medien verbreiteten Ansichten viele mit den Grundwerten der Max-Planck-Gesellschaft unvereinbar“ seien. „Rassismus, Islamophobie, Antisemitismus, Diskriminierung, Hass und Hetze haben in der Max-Planck-Gesellschaft keinen Platz.“
Hage weist diese verleumderischen Vorwürfe kategorisch zurück. „Ich stehe zu allem, was ich in meinen sozialen Medien sage,“ schreibt er. „Ich habe ein politisches Ideal, für das ich in Bezug auf Israel/Palästina immer gekämpft habe. Es ist das Ideal einer multireligiösen Gesellschaft, die aus Christen, Muslimen und Juden besteht, die in diesem Land zusammenleben. Meine akademischen Schriften zu diesem Thema, und sie sind umfangreich, zeugen davon, wie ich immer für dieses Ideal gekämpft habe.“
Er habe sowohl Israelis wie Palästinenser kritisiert, die sich diesem Ziel widersetzten. „Wenn einige rechte Journalisten, die meine Politik nicht mögen, beschließen, aus all dem, was ich geschrieben habe, meine Kritik an Israel herauszupicken und mich des Antisemitismus zu beschuldigen, erwarte ich, dass mein Arbeitgeber meine Vorgeschichte kennt oder zumindest untersucht und mich gegen solche Anschuldigungen verteidigt. An eine multireligiöse Gesellschaft zu glauben und diejenigen zu kritisieren, die dagegen arbeiten, ist kein Antisemitismus. Ich werde es nicht akzeptieren, in eine Verteidigungsposition gebracht zu werden, in der ich mich dafür rechtfertigen muss, dass ich solche Ideale vertrete und für sie arbeite.“
Die Behauptung der Max-Planck-Gesellschaft, Ghassan Hage verbreite Rassismus und Antisemitismus, ist eine üble Verleumdung. Er wurde entlassen, weil er den Massenmord an den Palästinensern in Gaza öffentlich kritisiert. Die Zitate, welche die Welt als Beleg für seinen „Judenhass“ anführt, geißeln die Gewalt der israelischen Regierung und nehmen Partei für die palästinensische Bevölkerung. Von Antisemitismus findet sich darin keine Spur – es sei denn, man bezeichnet Protest gegen die Ermordung und Vertreibung von zwei Millionen Palästinenser durch die rechtsextreme israelische Regierung als Antisemitismus.
Die deutsche Regierung ist tief in die Verbrechen des Netanyahu-Regimes verstrickt. Sie beliefert es mit Waffen, verteidigt es gegen internationale Kritik und beteiligt sich selbst militärisch am Konflikt im Nahen Osten. In Deutschland verbietet sie Demonstrationen, untersagt Parolen und verhaftet Aktivisten, die sich für die Verteidigung der Palästinenser einsetzen. Die Medien blenden das blutige Geschehen in Gaza weitgehend aus.
Der Grund dafür ist nicht, wie die offizielle Propaganda immer wieder behauptet, die „deutsche Verantwortung für den Holocaust“. Im Namen der „Verantwortung für den Holocaust“ das Abschlachten zehntausender palästinensischer Zivilisten zu unterstützen, ist übelster Zynismus. Der wirkliche Grund ist das Bemühen Deutschlands und seiner Nato-Partner, den Nahen Osten wieder vollständig ihrer Herrschaft zu unterwerfen.
Der Nahe Osten ist nur eine Front, an der Deutschland militärisch in die Offensive geht. Die Regierung finanziert den Krieg gegen Russland in der Ukraine mit zig Milliarden Euro, schließt jede Verhandlungslösung kategorisch aus und stationiert Truppen an der russischen Grenze.
Der ranghöchste deutsche General, Generalinspekteur Carsten Breuer, hat der Welt am Sonntag erklärt, die Bundeswehr müsse binnen fünf Jahren „kriegstüchtig“ sein, um einen Krieg gegen Russland führen zu können. Kriegstüchtigkeit bedeute „sehr viel mehr“ als Verteidigungsfähigkeit, fügte er hinzu. „Neben der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft geht es auch um den nötigen Mentalitätswechsel, dem wir uns unterziehen müssen.“ Es brauche eine „Gedankenwende, sowohl in der Gesellschaft als auch und vor allem in der Bundeswehr“.
Das erklärt, weshalb die Regierung keine öffentlichen Äußerungen mehr toleriert, die sich gegen ihre Kriegspolitik richten. Schon in der Weimarer Republik landeten Kriegsgegner wie Carl von Ossietzky im Gefängnis, lange bevor Hitler die Macht übernahm und jeden Widerstand brutal unterdrückte.
Dass jetzt mit der Max-Planck-Gesellschaft auch die führende deutsche Wissenschaftsinstitution diese Kampagne unterstützt, darf nicht zugelassen werden. Es ist noch gut in Erinnerung, welche erbärmliche Rolle die deutsche Wissenschaft nach der Machtübernahme der Nazis spielte. Hitler musste die Universitäten nicht gleichschalten, sie taten es selbst. Der Jurist Carl Schmitt und der Philosoph Martin Heidegger waren die bekanntesten Köpfe einer großen Schar von Professoren, die Loblieder auf den Führer sangen, ihre Lehre an die Rassenideologie der Nazis anpassten und die Lehrstühle ihrer jüdischen Kollegen arisierten.
Dass es beim Rauswurf Ghassan Hages nicht um den Kampf gegen Antisemitismus geht, zeigt auch der auffallende Gegensatz zum Verhalten der akademischen Welt gegenüber dem rechtsextremen Historiker Jörg Baberowski. Als dieser 2014 im Spiegel verkündete, Hitler sei nicht grausam gewesen, und sich mit dem Nazi-Apologeten Ernst Nolte solidarisierte, wandten sich dieselben Professoren und Medien, die jetzt gegen Ghassan Hage hetzen, nicht gegen Baberowski – sondern gegen Studierende, die ihn kritisierten.
Selbst als Gerichte bestätigten, dass man Baberowski einen Rechtsextremen und Geschichtsfälscher nennen dürfe, dieser öffentlich gegen Flüchtlinge hetzte und Studierende seines Lehrstuhls beleidigte und physisch angriff, stellte sich die Universitätsleitung hinter ihn. Er leitet noch immer seinen Lehrstuhl an der Berliner Humboldt-Universität.
Wehret den Anfängen! Verteidigt Ghassan Hage! Lasst nicht zu, dass Universitäten und wissenschaftliche Institutionen zu Zentren der Kriegspropaganda werden!
Schickt Protestschreiben gegen die Entlassung Hages an die Max-Planck-Gesellschaft in München (post@gv.mpg.de) und an das Max-Planck-Institut für Sozialanthropologie in Halle (info@eth.mpg.de)! (Schickt eine Kopie der Nachricht an sgp@gleichheit.de, damit wir sie anonymisiert veröffentlichen können)