Am Dienstag stellte die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), den neuen Wehrbericht vor. Wie bereits in den vergangenen Jahren verfolgt er das Ziel, die deutsche Aufrüstungs- und Kriegsoffensive voranzutreiben.
Bei der Vorstellung des Berichts in der Bundespressekonferenz erklärte Högl, sie müsse „leider feststellen“, dass die Bundeswehr „immer noch von allem zu wenig“ habe. „Es fehlt an Munition, an Ersatzteilen, an Funkgeräten. Es fehlt an Panzern, an Schiffen und an Flugzeugen.“
Die kriegslüsternen Medien griffen Högls Aussagen begierig auf und zeichneten das Bild einer „Truppe im roten Bereich“ (Süddeutsche Zeitung), die endlich hochgerüstet und kriegstauglich gemacht werden müsse. Der Tagesspiegel schrieb: „Schrumpfende Truppe, desaströse Kasernen: So hart urteilt der neue Wehrbericht über die Zeitenwende.“ Und die F.A.Z. klagte: „Vollständig einsatzbereit sind die Streitkräfte demnach noch nicht.“
Mit dieser Propaganda verfolgt die herrschende Klasse eine Reihe miteinander verbundene Ziele. Zum einen sollen die Militärausgaben weiter erhöht werden. Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, Oberst André Wüstner, forderte im ARD-Morgenmagazin eine massive Aufstockung des Wehretats: „Wir haben in allen Teilstreitkräften massive Probleme gemessen am Auftrag, an der Lage. Jetzt zu investieren, ist elementar.“ Das Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro habe „leider Gottes“ nichts verbessert.
Högl selbst hatte schon 2023 ein Sondervermögen in Höhe von 300 Milliarden Euro angemahnt. Der neue Wehrbericht stellt fest, es sei bereits heute erkennbar, „dass nach Ausschöpfen des Sondervermögens“ bis zum Ende des Jahres 2027 „eine deutliche Erhöhung des Verteidigungsetats in einer Größenordnung von mehreren Milliarden Euro notwendig sein wird“.
Dabei ist die Aufrüstung, die mit heftigen Angriffen auf soziale und demokratische Rechte einhergeht, bereits jetzt gigantisch. Offiziell plant die Regierung in diesem Jahr rund 72 Milliarden Euro für Verteidigung auszugeben. 51,95 Milliarden Euro entfallen dabei auf den regulären Verteidigungshaushalt und rund 20 Milliarden Euro stammen aus dem Sondervermögen. Berücksichtigt man weitere Militärausgaben, die in anderen Haushaltsposten und Fonds versteckt sind, beträgt der wirkliche Kriegsetat sogar 85,5 Milliarden Euro.
Unmittelbar geht es der herrschenden Klasse darum, die Kriegsunterstützung für die ukrainische Armee, die schreckliche Verluste erleidet und mit dem Rücken zur Wand steht, stark auszuweiten. „Trotz der eskalierenden und beunruhigenden Lage im Nahen Osten darf der Krieg in der Ukraine nicht in den Hintergrund rücken“, heißt es im Wehrbericht. „Bei der Unterstützung der Ukraine“ leiste die Bundeswehr „einen beachtlichen Beitrag“ und müsse das auch weiterhin tun.
Der Bericht gibt einen Eindruck davon, in welchem Ausmaß die Bundeswehr bereits Kriegspartei ist. Mit Ausrüstungs- und Waffenlieferungen aus eigenen Beständen sowie durch staatlich finanzierte Lieferungen der Industrie würden „materielle militärische Unterstützungsleistungen geboten, wie beispielsweise gepanzerte Gefechtsfahrzeuge, Mittel der Luftverteidigung, Artillerie und Logistik, Pionier- und Durchhaltefähigkeiten sowie Schutz- und Spezialausrüstung für die ukrainischen Streitkräfte.“ Zusätzlich habe die Bundeswehr „bislang etwa 10.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten, vor allem auf westlichen Waffensystemen, im Orts- und Häuserkampf, im Sanitätsdienst, als Pioniere und infanteristisch, erfolgreich und einsatzorientiert“ ausgebildet.
Derzeit bereitet die Bundesregierung – allen gegenteiligen Beteuerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Trotz – die Lieferung von „weitreichenden Waffensystemen“ vor, um der Ukraine „gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors zu ermöglichen,“ wie es in einem Bundestagsbeschluss der Ampelkoalition vom 22. Februar heißt.
Nachdem sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Sonntag erneut für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew ausgesprochen hatte, berichtete gestern die Welt, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) den Auftrag erteilt habe, „alle Taurus einsatzbereit“ zu machen. Nach Informationen des Blatts sei der Verteidigungsausschuss des Bundestags im geheimen Teil seiner Sondersitzung am Dienstagabend über die Pläne unterrichtet worden.
Die Zertifizierung der Waffensysteme durch den Hersteller MBDA sei zwar noch kein „Indiz für einen Sinneswandel beim Bundeskanzler“, aber dennoch eröffne „die Entscheidung, alle Taurus der Bundeswehr nun einsatzbereit zu machen, der Bundesregierung weitere Optionen“, kommentiert die Welt. „Sie könnte in der Zukunft mehr von den Marschflugkörpern an die Ukraine geben, ohne die eigene Landesverteidigung zu entblößen.“ Und auch ein sogenannter Ringtausch, wie ihn die britische Regierung jüngst angeboten hat, werde „dadurch eher möglich“.
Die Stoßrichtung ist klar: die herrschende Klasse reagiert auf das geleakte Gespräch der deutschen Luftwaffenführung über die mögliche Lieferung der Taurus an die Ukraine und ihren Einsatz gegen russische Ziele, indem sie diese Pläne forciert. Auch Högl ließ auf der Pressekonferenz durchblicken, dass sie die Taurus-Lieferung unterstützt. Auf die Frage, „ob dieses sensible Gerät der Ukraine zur Verfügung gestellt werden sollte“, antwortete sie, die Ukraine müsse „mit allem, was sie braucht, unterstützt werden“. Die Soldatinnen und Soldaten sähen das auch als ihren Auftrag an.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Deutschlands Unterstützung des Ukrainekriegs und des Genozids in Gaza zielen darauf ab, den deutschen Militarismus zu stärken, damit er eine führende Rolle im Kampf um die imperialistische Neuaufteilung der Welt spielen kann. Das macht auch der Wehrbericht deutlich. „Gemein ist beiden Kriegen: Sie verändern die globale Ordnung. Die Welt wird multipolarer, und es gibt immer mehr Krisen, Konflikte und Kriege,“ heißt es dort. „Unsere Solidarität mit Israel und mit der Ukraine muss deshalb dazu führen, dass wir es schaffen, selbst stärker zu werden.“
Auf diesem Weg habe man im vergangenen Jahr bereits wichtige Schritte gemacht. So habe die Bundesregierung unter dem Titel „Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig“ im Juni des Berichtsjahres „erstmalig eine Nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt“. Im November 2023 folgte dann die Vorstellung der „neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien für die Zeitenwende“ durch Pistorius und Generalinspekteur Carsten Breuer auf der Bundeswehrtagung in Berlin. Beide Dokumente sind darauf ausgerichtet, alle Bereiche der Gesellschaft wieder auf Krieg auszurichten.
„Unsere Wehrhaftigkeit erfordert eine kriegstüchtige Bundeswehr,“ heißt es in den Richtlinien. Das bedeute, „dass ihr Personal und ihre Ausstattung auf die Wahrnehmung ihrer fordernden Aufträge ausgerichtet“ seien. Soldaten bräuchten „jederzeit die Bereitschaft zum Kampf mit dem Anspruch auf Erfolg im hochintensiven Gefecht“. Die Auseinandersetzung mit einem „mindestens ebenbürtigen Gegner“ wollen wir „nicht nur gewinnen, sondern wir müssen“.
Eine weiteres Ziel lautet: „Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime.“ Deutschland brauche „Soldatinnen und Soldaten, die den Willen haben, unter bewusster Inkaufnahme der Gefahr für Leib und Leben das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“.
Genau darum geht es nun: deutsche Soldaten und Zivilisten sollen wieder massenhaft mobilisiert werden, um für die räuberischen Interessen des deutschen Imperialismus den Kopf hinzuhalten. „Als nächster Schritt müssen die Vorgaben der Verteidigungspolitischen Richtlinien in ein neues Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und in eine Militärstrategie überführt werden“, verlangt der Wehrbericht. Zentral dabei sei, „dass eine breite gesellschaftliche Mehrheit bereit ist, eine erstarkte Bundeswehr zu tragen“ und „die Bundeswehr tief in der Mitte der Gesellschaft zu verankern“. Die Wehrbeauftragte begrüße deshalb „die Debatte über die Einführung eines Gesellschaftsjahres“, d.h. einer Form der Wehrpflicht.
Die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Jugend- und Studierendenorganisation IYSSE verurteilen diese Pläne auf das Schärfste, die das Leben Hunderttausender junger Menschen – und im Fall einer nuklearen Eskalation die gesamte Menschheit – bedrohen. In der Bevölkerung existiert nach den deutschen Verbrechen im Ersten und vor allem im Zweiten Weltkrieg eine tief verwurzelte Opposition gegen Militarismus und Krieg, die mit einer wachsenden Protest- und Streikwelle zusammenkommt. Die SGP nimmt an den Europawahlen teil, um diesen Widerstand zu entwickeln und mit einer sozialistischen Perspektive zu bewaffnen.