Perspektive

Kein Maulkorb für Gegner des Völkermords in Gaza an den Universitäten!

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) verurteilen die Angriffe auf Gegner des Völkermords in Gaza, die derzeit an den Hochschulen in den Vereinigten Staaten betrieben werden. Wir fordern die sofortige Wiedereinstellung bzw. Wiederzulassung aller Lehrkräfte, Studierenden und Organisationen, die entlassen, ausgeschlossen oder suspendiert wurden. Um für diese Forderung zu kämpfen, muss eine möglichst breite Unterstützung in der Jugend und in der Arbeiterklasse mobilisiert werden.

Die Präsidentin der Columbia University Nemat Shafik bei ihre Aussage vor dem Parlamentsausschuss für das Bildungswesen zum Thema „Columbia in Crisis: Die Antwort der Columbia University auf Antisemitismus“, 17. April 2024 [AP Photo/Mariam Zuhaib]

Im vergangenen Monat wurden an Universitäten in den gesamten USA, darunter die Vanderbilt University in Tennessee und die Columbia University in New York City, Studierende wegen ihrer Teilnahme an pro-palästinensischen Demonstrationen verhaftet, exmatrikuliert oder suspendiert. Lehrkräfte wurden entlassen oder beurlaubt, unter anderem an der Columbia University und dem John Jay College in New York City. In Texas hat Gouverneur Greg Abbott die Universitäten des Bundesstaats per Erlass aufgefordert, „angemessene Strafen, einschließlich des Verweises von der Institution“ gegen Studierende zu verhängen, die gegen den Völkermord Stellung beziehen.

Am Dienstag wurde Asna Tabassum, die auf der Abschlussfeier ihres Studiengangs sprechen sollte, von der Leitung der University of Southern California der Mund verboten, nachdem sie sich auf Instagram gegen den Völkermord ausgesprochen hatte.

Diese systematischen Versuche, Gegner des Völkermords zu zensieren, einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen, soll nun verstärkt werden. Bei einer Anhörung im Kongress am Mittwoch ging es in erster Linie darum, die Leitung der Columbia University, die bei den Angriffen auf demokratische Rechte an den Hochschulen eine Vorreiterrolle spielt, unter Druck zu setzen, damit sie eine vollständige Säuberung von pro-palästinensischen Dozenten und Studenten durchführt.

Wie schon bei früheren Kongressanhörungen zu Eliteuniversitäten kamen rechtsextreme Republikaner zu Wort: Elise Stefanik, eine Anhängerin der antisemitischen und rassistischen „Great Replacement Theory“, und Jim Banks, ein offener Verteidiger des faschistischen Putschversuchs vom 6. Januar 2021 und Verbündeter der Antisemitin Marjorie Taylor Greene. Die meisten Redner begannen ihre Ausführungen mit der Lüge, dass Widerstand gegen den Zionismus gleichbedeutend mit Antisemitismus sei. Diese Lüge dient mittlerweile als wichtigste ideologische Rechtfertigung für die Kriminalisierung jeder Opposition gegen Faschismus, Imperialismus und Kapitalismus.

Der Kongressabgeordnete Tim Walberg, der Israel aufgerufen hat, Gaza mit Atomwaffen auszulöschen, forderte vehement, dass die Universität Joseph Massad, einen Professor für arabische Politik an der Columbia University, „zur Ordnung ruft“. Die Präsidentin der Columbia University Nemat Shafik, die zuvor hohe Posten beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Bank of England innehatte, antwortete, dass gegen Massad „Untersuchungen“ laufen würden – wovon der Professor bis zur Anhörung nichts wusste. Auf den Vorwurf, dass die Universität Mohamed Abdou eine Gastprofessor verliehen hatte, antwortete Shafik kaltschnäuzig: „Er wird nie wieder an der Columbia arbeiten.“

Stefanik und andere Vertreter des Kongresses verlangten die Entlassung mehrerer namentlich genannter Fakultätsmitglieder und forderten, dass die Universität ihre Einstellungsverfahren revidiert. Ein Kongressabgeordneter bezeichnete ein Fakultätsmitglied, das sich gegen den Völkermord ausgesprochen hatte, als „Abschaum“. Der Kongressabgeordnete Joe Wilson (Republikaner) rief zur Zensur von Lehrkräften und Studenten auf, die den Kapitalismus als „System wirtschaftlicher Unterdrückung“ betrachten.

Die Vertreter der Hochschulleitung, darunter ein ehemaliger Goldman-Sachs-Manager, ein ehemaliger führender CNN-, ABC- und NBC-Journalist sowie ein Mitglied der rechtsgerichteten Juristenvereinigung Federalist Society, gaben sich alle Mühe, dem Kongressausschuss zu beweisen, dass sie zuverlässige Verbündete beim Angriff auf die Meinungsfreiheit sind.

Shafik erklärte, dass die Universität „in regelmäßigem Kontakt mit der Polizeibehörde von New York und dem FBI“ stehe und dass weitere „disziplinarische Maßnahmen“ gegen abweichende Studierende und Dozenten ergriffen würden.

Die Universität hat bereits die Studentenorganisation „Students for Justice in Palestine“ und die „Jewish Voice for Peace“ suspendiert und Demonstrationen auf dem Campus fast völlig verboten. Während der Anhörung hatte die New Yorker Polizei den Eingang zum Columbia-Campus verbarrikadiert, wo Studenten mit einem Protestcamp ein Ende des Völkermords forderten.

Die Polizei von New York versperrt und bewacht den Haupteingang der Columbia University, 17. April 2024

Die Anhörung im Kongress machte deutlich, dass es die herrschende Klasse in den USA auf nichts Geringeres abgesehen hat, als die Säuberung des Lehrkörpers und der Studentenschaft an den Universitäten, um die Hochschulbildung vollständig der Kriegsmaschinerie unterzuordnen. Wer es wagt, sich gegen die US-Außenpolitik auszusprechen, wird hinausgeworfen, auf eine schwarze Liste gesetzt und zur öffentlichen Zielscheibe von Angriffen durch Zionisten und Rechtsextreme gemacht.

Solche Angriffe finden bereits statt. An der Columbia University mussten protestierende Studenten ins Krankenhaus eingeliefert werden, nachdem sie von ehemaligen Soldaten der israelischen Streitkräfte auf dem Campus mit chemischen Waffen angegriffen worden waren. Allein in den vergangenen zwei Wochen wurden zwei muslimische Jugendliche auf dem Campus der University of Texas in Austin angegriffen, und ein Mitglied der juristischen Fakultät der UC Berkeley griff einen protestierenden muslimischen Studierenden körperlich an.

Der rechtsextreme Republikaner Tom Cotton rief am Dienstag offen zur Selbstjustiz gegen Demonstranten auf: Leute, die wegen der „Blockaden des Pro-Hamas-Mobs im Verkehr stecken bleiben“, sollten „die Sache selbst in die Hand nehmen. Es ist höchste Zeit, diesem Unfug ein Ende zu setzen.“

Die Demokratische Partei ist voll und ganz an dieser Kampagne beteiligt. Die Politik der Regierung Biden besteht darin, mit den rechtsextremen Republikanern eine gemeinsame Front zu bilden, die sowohl im Ausland als auch im eigenen Land Krieg führt. Die Demokratische Partei arbeitet zum einen eng mit den Republikanern zusammen, um die Meinungsfreiheit an den Universitäten abzuschaffen, und stützt sich zum anderen auf die Gewerkschaftsbürokratien, um jeden unabhängigen Widerstand der Arbeiterklasse zu unterdrücken, der sich gegen den Angriff auf demokratische und soziale Rechte und gegen den Krieg und den Völkermord in Gaza richtet.

Beides ist Teil ein und derselben Strategie: Vom Standpunkt der herrschenden Klasse ist die Unterdrückung des Klassenkampfs und der politischen Opposition im eigenen Land die wichtigste Voraussetzung für die Kriegsführung im Ausland.

Für diese Strategie erhält die Regierung Biden entscheidende Unterstützung von angeblich „linken“ Demokraten. Alexandria Ocasio-Cortez hat sich als wichtigste Geldgeberin für die Wiederwahlkampagne von „Genocide Joe“ entpuppt. Gleichzeitig schweigt sie zu den Säuberungsaktionen gegen Lehrkräfte und Studierende. Auch Jacobin, das Sprachrohr der Democratic Socialists of America, schwieg erst monatelang zu dieser Hexenjagd und legitimierte dann die rechtsextreme Kampagne, die zur Absetzung von Claudine Gay als Präsidentin der Harvard University führte.

Dieser Angriff auf demokratische Rechte ist von internationaler Tragweite. Vergangenen Freitag führte die Polizei in Berlin eine Razzia gegen den Palästina-Kongress durch. Prominenten Wissenschaftlern und Politikern, darunter dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis, wurde die Einreise nach Deutschland verweigert. Sie durften nicht einmal per Video zugeschaltet werden. Nach zwei Weltkriegen und dem Holocaust stellt der deutsche Imperialismus ebenso wie die USA, Frankreich und Großbritannien Geld und Waffen für den israelischen Völkermord in Gaza bereit.

Hinter dem eskalierenden Angriff auf die Meinungsfreiheit auf internationaler Ebene, der von allen Teilen der herrschenden Klasse vorangetrieben wird, steht die Ausweitung und Verschärfung eines beginnenden Weltkriegs. In der vergangenen Woche sind die USA und die europäischen imperialistischen Mächte einem direkten Konflikt mit dem Iran im Nahen Osten näher gekommen denn je zuvor. In Europa zieht die Nato die Entsendung von Truppen in die Ukraine in Betracht, wo ihre ukrainische Söldnerarmee im Krieg gegen Russland in eine katastrophale Lage geraten ist. Die beiden Kriegsschauplätze sind untrennbar miteinander verbunden: Beide sind Teil einer imperialistischen Neuaufteilung der Welt, die sich nicht nur gegen Russland und den Iran, sondern auch gegen China richtet.

Mit ihrer wütenden Kampagne zur Unterdrückung jedes Widerstands gegen den Völkermord in Gaza versucht die herrschende Klasse, dem Entstehen einer noch breiteren und mächtigeren Massenbewegung gegen den Krieg und gegen den Kapitalismus zuvorzukommen und deren gewaltsame Unterdrückung vorzubereiten. Sie weiß, dass die Proteste gegen den Völkermord in Gaza ein Vorbote einer solchen Bewegung sind. Deshalb führt sie wieder „einen psychologischen Krieg“ – wie sich der amerikanische Trotzkistenführer James P. Cannon in der McCarthy-Ära der frühen 1950er Jahre ausdrückte – „gegen freie Gedanken und abweichende Meinungen in einem Ausmaß, das weit über die gesetzliche Unterdrückung hinausgeht“.

Allerdings deutet alles darauf hin, dass die herrschende Klasse diesen „psychologischen Krieg“ bereits verloren hat. Die Tatsache, dass die Demonstranten vor dem staatlichen Frontalangriff nicht zurückgewichen sind, ist symptomatisch für einen weitaus umfassenderen Prozess der Radikalisierung. In den Augen von Millionen haben das kapitalistische System und insbesondere der US-Imperialismus, der lange Zeit als dessen wichtigstes Bollwerk fungierte, jede historische, politische und moralische Legitimität verloren.

Doch so engagiert und mutig sie auch sein mögen, auf sich allein gestellt sind junge Menschen nicht in der Lage, den Völkermord zu stoppen, gegen den Imperialismus zu kämpfen oder das kapitalistische System zu stürzen. Die Erfahrungen der Proteste im letzten halben Jahr haben bereits gezeigt, dass eine neue politische und gesellschaftliche Orientierung dringend notwendig ist.

Bislang wurden die Proteste von kleinbürgerlich-nationalistischen Kräften wie der neostalinistischen Partei für Sozialismus und Befreiung (PSL) und Tendenzen wie Socialist Alternative dominiert, die sich an der Präsidentschaftswahlkampagne des Berufsopportunisten und Pragmatikers Cornel West orientieren.

Diese Tendenzen verbreiten die Illusion, dass Druck von unten auf die Regierung Biden und die Demokratische Partei die herrschende Klasse zu einem „Kurswechsel“ zwingen könne. Diese Perspektive ist eine Sackgasse. Die bittere Lehre aus den Antikriegsbewegungen der Vergangenheit – sei es gegen den Vietnam- oder den Irak-Krieg – lautet, dass jede Bewegung, die der Demokratischen Partei untergeordnet und auf den Rahmen der bürgerlichen Protestpolitik beschränkt bleibt, unweigerlich scheitern und von der Bourgeoisie manipuliert werden wird.

Aber das 20. Jahrhundert hält noch eine weitere Lehre bereit: Die Oktoberrevolution von 1917 in Russland, die den Anfang vom Ende des Ersten Weltkriegs einleitete, und die gesamte Geschichte der trotzkistischen Bewegung zeigen, dass der Kampf für die Verteidigung demokratischer Rechte und der Kampf gegen den Krieg nur dann erfolgreich sein können, wenn sie in einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse verankert sind. Deshalb betonen die IYSSE, dass eine neue, sozialistische Antikriegsbewegung aufgebaut werden muss, mit einer klaren Ausrichtung auf das Programm und die Theorie des revolutionären Marxismus und auf die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse als wichtigster revolutionärer Kraft in der Gesellschaft.

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