Jeremy Corbyn kandidiert als Parteiloser bei den britischen Parlamentswahlen

Der ehemalige Vorsitzende der Labour-Partei Jeremy Corbyn hat angekündigt, dass er bei den britischen Parlamentswahlen als unabhängiger Kandidat für seinen Londoner Wahlkreis Islington North gegen den Labour-Kandidaten Praful Nargund antreten wird. Wegen seiner Kandidatur gegen die Labour Party wird Corbyn nach 58 Jahren Mitgliedschaft aus der Partei ausgeschlossen.

Corbyn ist nicht aus freien Stücken von der rechtsgerichteten, kriegstreiberischen Partei abgesprungen, sondern sah sich dazu gezwungen Die Parteiführung ließ der Labour Party in seinem Wahlkreis nur die Wahl, sich für einen von zwei vorggegebenen Kandidaten zu entscheiden, und verweigerte ihr das Recht, eigene Kandidaten zu nominieren. Corbyn war von 1983 bis 2021 Labour-Abgeordneter für Islington North gewesen.

Jeremy Corbyn bei einer Demonstration in London gegen den Völkermord in Gaza, 3. Februar 2024

Corbyn lehnt jede politische Kampfansage an Labour ab und hält an seiner Lebensaufgabe fest, die Arbeiterklasse dieser pro-imperialistischen Partei unterzuordnen. Selbst nachdem er Opfer einer Hexenjagd und aus der Partei ausgeschlossen wurde, weigert er sich immer noch, eine Offensive gegen Sir Keir Starmers „Nato-Partei“, den Zionismus und die Sparpolitik zu starten. Er beschränkt sich darauf, in einer lokalen Kampagne seine persönlichen Skrupel zu verbreiten.

Seit Corbyn die Führung der Labour Party an Starmer abgetreten hat, haben verschiedene pseudolinke Organisationen in Aussicht gestellt, dass er an der Spitze einer neuen linken Partei antreten werde. Dies gewann besondere Brisanz, als sich Millionen erbittert gegen Starmers Partei wandten, weil sie Israels Völkermord an den Palästinensern in Gaza unterstützt.

Monatelang tat Corbyn genau das Gegenteil – er weigerte sich, auf den Plattformen der „Stop the War Coalition“ Starmer oder die Labour Party zu kritisieren oder auch nur beim Namen zu nennen, und richtete lediglich vage Appelle an alle Parteien, einen Waffenstillstand zu unterstützen.

Nun hat Corbyn angekündigt, bei den Wahlen gegen die Labour-Partei anzutreten, verzichtet jedoch weiterhin darauf, seine frühere Partei wegen ihrer Unterstützung von Massenmord und ethnischer Säuberung in Gaza, wegen des De-facto-Kriegs der Nato gegen Russland in der Ukraine oder überhaupt wegen irgendetwas zu kritisieren. Er hat seinen Wahlkampf mit Bedacht so ausgelegt, dass er außerhalb des Bezirks Islington North nicht mit der Labour-Partei kollidiert.

In einem auf X veröffentlichten Video und in einem Artikel der lokalen Islington Tribune, in dem Corbyn seine Kandidatur bekannt gab, kommt das Wort Gaza nicht vor. Er spricht lediglich verschwommen von „globalen Fragen des Friedens und der Gerechtigkeit“, während im Hintergrund zwei Sekunden lang eine Aufnahme von ihm als Redner auf einer pro-palästinensischen Demonstration eingeblendet wird.

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Anstelle einer systematischen Kritik an der Labour Party beklagt Corbyn, dass „den Mitgliedern von Islington North das Recht verweigert wurde, ihren eigenen Kandidaten zu wählen“, und schließt mit den Worten: „Deshalb müssen wir aufstehen. Wir müssen aufstehen und sagen, dass wir das nicht mehr hinnehmen. Wir werden unsere Rechte durchsetzen.“

Das ist auch schon der Gipfel von Corbyns Entschlossenheit, und das, obwohl seit 2015, dem Jahr seiner Wahl zum Labour-Vorsitzenden, eine politische Hexenjagd gegen ihn betrieben wird. Hunderte seiner Anhänger, darunter einige seiner engsten Verbündeten, als wurden als „Judenhasser“ verleumdet und aus der Partei vertrieben.

Corbyn ist in den fünf Jahren seines Parteivorsitzes ständig vor der Parteirechten um Blair zurückgewichen, sei es bei Mitgliederausschlüssen oder bei politischen Grundsatzfragen wie der Bombardierung Syriens, der Nato-Mitgliedschaft ode rder Erneuerung der britischen Atomwaffen. Nichts kann Corbyn dazu bewegen, einen Kampf gegen den rechten Parteiflügel zu führen, der gemeinsam mit den Tories und den Sicherheitsdiensten dafür gesorgt hat, dass die Labour-Partei in vollem Umfang wieder zu einer Partei der Sozialkürzungen und des Krieges wird.

Jeremy Corbyn (links) und Sir Keir Starmer bei einer Veranstaltung während der Parlamentswahlen 2019, als Corbyn noch Parteichef war [AP Photo/Matt Dunham, File]

Heute steht Starmer an der Spitze einer Partei, die in keiner grundlegenden Frage von den Tories zu unterscheiden ist und sogar Loblieder auf Margaret Thatcher anstimmt. Und Corbyn hat dem nichts entgegenzusetzen außer einen persönlichen Appell für eine „grundlegende Umverteilung von Macht und Reichtum, öffentliches Eigentum an Wasser-, Post- und Energieunternehmen“, Mietpreiskontrollen und „ein Gesundheitswesen, das nicht zum Spielball globaler Konzerne wird“. „Diese grundlegenden Forderungen“, so Corbyn höflich, „werden von der offiziellen Opposition im Moment nicht gestellt.“

Zu Corbyns eigenen Plänen im Fall seiner Wahl sagt er: „Wer auch immer der Premierminister ist“, er werde ihn „zur Verantwortung ziehen“. Die jahrzehntelangen Auftritte Corbyns als Hinterbänkler machen deutlich, was dies in der Praxis bedeutet: routinemäßiges, vergebliches Betteln und gelegentliche Schimpftiraden vor einem halbleeren Unterhaus.

Mit der Bemerkung, dass er den Wahlsieger zur Rechenschaft ziehen werde, weicht Corbyn einer Antwort auf die Frage aus, wie er zu einer Starmer-Regierung steht oder wie sein Verhältnis zu Starmer wäre, falls dieser gewählt würde. Tatsache ist, dass Corbyn Labour weiterhin von den Oppositionsbänken aus unterstützen und Arbeiter aufrufen würde, die Hoffnung nicht aufzugeben, eine Starmer-Regierung nach links zu drängen.

In seiner Wahlerklärung drückt er die „Hoffnung“ aus, „dass diejenigen, die Labour immer unterstützt haben und Mitglieder der Labour-Partei sind, verstehen werden, dass ich hier bin, um die Menschen in Islington North nach denselben Prinzipien zu vertreten und ihnen zu dienen, an denen ich als Abgeordneter für dieses Gebiet immer festgehalten habe.“

Corbyn hat die Mitglieder der Socialist Campaign Group (SCG) – Abgeordnete, die noch in der Labour-Partei sind – nicht dazu aufgefordert, sich ihm anzuschließen, und diese haben sich gehütet, ihre Mitgliedschaft in der Parlamentspartei durch Unterstützung für Corbyn aufs Spiel zu setzen.

Das wohl bemerkenswerteste Schweigen kommt von einer der engsten Verbündeten Corbyns, Diane Abbott. Sie wurde von Starmer wieder in ihre vollen Rechte als Parteimitglied eingesetzt, nachdem sie zuvor wegen angeblichen „Rassismus“ suspendiert worden war, und wird erst am 4. Juni zum Abschluss der Kandidatenauswahl erfahren, ob sie als Labour-Kandidatin für Hackney North und Stoke Newington, das sie seit 37 Jahren vertritt, wieder antreten darf.

Unterdessen arbeiten John McDonnell, Corbyns ehemaliger Schattenkanzler, und alle seine SCG-Kollegen weiter an der Kampagne für einen Labour-Sieg. Im Hinblick auf Widerstand gegen Starmer und sein Schattenkabinett aus rechten Ideologen wurde von all jenen, die sich als Vertreter einer Linkswende von Labour ausgeben, ein einseitiger Waffenstillstand ausgerufen.

Und Corbyn lässt keinen Zweifel daran, dass dies während des gesamten Wahlkampfs so bleiben soll. Er räumt ein, dass „dies ein Wahlkampf sein wird, in dem viel auf uns einprasselt“, und verspricht, dass er sich nicht wehren wird: „Wir werden uns an die Politik und an die Themen halten.“

Was über Corbyn gesagt wird, gilt auch für die neu gegründete Organisation Collective, die vom ehemaligen Vertreter des African National Congress Andrew Feinstein geleitet wird. Die World Socialist Web Site beschrieb Collective im letzten Monat als „eine Ansammlung von Strandgut des Corbyn-Projekts, das nach dem kläglichen Scheitern seines erklärten Ziels, die Labour-Partei nach links zu drängen, baden gegangen ist.“

Wir stellten fest: „Es spricht alles dafür, dass die formelle Gründung von Collective als Partei bis nach den Parlamentswahlen verschoben werden soll, wahrscheinlich um Corbyn entgegenzukommen, dem begehrten Aushängeschild der Partei, der in Islington North als Unabhängiger antreten und einen Wahlsieg von Starmer nicht anfechten will.“

Zwar wird dies an anderer Stelle nicht erwähnt, doch der New Statesman schreibt, dass „Corbyn Mitglied einer politischen Gruppierung von Kandidaten ist, die sich The Collective nennt“, neben „der ehemaligen Labour-Abgeordneten Claudia Webbe, Shamima Begums Anwalt Tasnime Akunjee und Andrew Feinstein“. Das Magazin fügt hinzu: „Langfristig strebt The Collective an, zur politischen Partei zu werden.“

Corbyns bisherige Feigheit bestätigt, dass eine solche Partei, sollte sie nach den Parlamentswahlen gegründet werden, eine „linke“ Quasselbude sein wird, die am Rande der Labour Party agiert, die sie niemals ersetzen kann.

Jahrelang hat jede pseudolinke Strömung im Vereinigten Königreich Corbyn als den Mann gepriesen, der Labour verändern würde. Sie liegen ihm immer noch zu Füßen und weigern sich, Arbeiter gegen Starmers Partei zu mobilisieren und seinem Beispiel folgen.

Die Socialist Equality Party und ihre Kandidaten werden ihrerseits den Wahlkampf nutzen, um die fortgeschrittensten Arbeiter und Jugendlichen auf den Aufbau der neuen Führung vorzubereiten, die die Arbeiterklasse braucht, um den politischen Klassenkampf gegen Austerität, Diktatur, Völkermord und Krieg voranzutreiben.

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