UN müssen Lebensmittelverteilung aussetzen, da Israel 89 Prozent von Gaza evakuieren lässt

Der amerikanisch-israelische Völkermord in Gaza hat ein neues und noch schlimmeres Stadium erreicht. Die israelischen Behörden haben einen Evakuierungsbefehl für Teile der Stadt Deir al-Balah erlassen. Die vertriebene und hungernde Bevölkerung von Gaza wird dadurch auf einen immer kleineren Teil des Gebiets zusammengepfercht.

Palästinenser warten auf Ausgabe von Lebensmitteln, Rafah (südlicher Gazastreifen) 8. November 2023 [AP Photo/Hatem Ali]

Die Bevölkerung des Gazastreifens, die vor Beginn des Völkermords über zwei Millionen zählte, ist mittlerweile auf ein 41 Quadratkilometer großes Gebiet zusammengepfercht, d.h. auf elf Prozent der Gesamtfläche. Die restlichen 89 Prozent der Fläche wurden auf Befehl der Israelischen Verteidigungskräfte evakuiert.

Die Vereinten Nationen warnen: „In dem Gebiet fehlt es an wichtiger Infrastruktur und grundlegenden Dienstleistungen, und die Lieferung von Hilfsgütern ist aufgrund von Problemen bei Zugang und Sicherheit beschränkt. Die starke Überbevölkerung – 30.000 bis 34.000 Menschen pro Quadratkilometer – hat den schwerwiegenden Mangel an lebenswichtigen Ressourcen wie Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygieneversorgung, medizinische Einrichtungen, Schutz und Unterkünften noch verschlimmert.“

Die Vereinten Nationen gaben bekannt, dass sie als Folge der jüngsten ethnischen Säuberungsaktion ihre Lebensmittelverteilung zum zweiten Mal aussetzen müssen. Schon zuvor, im Verlauf der früheren Militäroperationen, war UN-Personal aus Rafah vertrieben worden.

Ein UN-Vertreter äußerte am Montag gegenüber Reuters: „Wohin sollen wir jetzt gehen?... Der Handlungsspielraum wird so weit eingeschränkt wie noch nie. ... Seit heute morgen sind wir nicht mehr in Gaza aktiv [um Lebensmittel und medizinische Versorgungsgüter zu verteilen], denn unter den derzeitigen Bedingungen können wir nicht liefern.“

Der UN-Untergeneralsekretär für Sicherheit, Gilles Michaud, erklärte: „Die Befehle zur Massenevakuierung sind die jüngsten in einer langen Liste von unerträglichen Drohungen gegen UN- und humanitäres Personal.“ Israelische Regierungsvertreter „haben uns nur wenige Stunden Zeit gegeben, um mehr als 200 UN-Beschäftigte aus ihren Büros und Wohnungen in Deir al-Balah, einem wichtigen Zentrum für humanitäre Hilfslieferungen, zu evakuieren.“

Louise Wateridge, die leitende Kommunikationsbeauftragte des UNRWA, erklärte gegenüber Al Jazeera: „Es ist ein einziger Kampf, die Menschen hier mit dem Notwendigen zu versorgen, weil wir nicht genug Hilfsgüter haben. Es kommt nicht genug Nachschub, und wir haben nicht genug Zugang, um sie an die Menschen zu verteilen.“

Sie fügte hinzu: „In Gaza sterben so viele Menschen an Krankheiten, die behandelt werden können. Sie könnten gerettet werden, aber wir haben nicht die Mittel dazu. Wir haben nicht die Mittel, um so gut zu arbeiten, wie wir könnten.“

Laut dem Gesundheitsministerium wurden zwischen dem 23. und dem 26. August 170 Palästinenser getötet und 390 verwundet, und die Bombardierungen und Bodenoffensiven gehen im gesamten Gazastreifen weiter. Laut offiziellen Statistiken wurden seit Oktober letzten Jahres 40.435 Palästinenser getötet und weitere 93.534 verwundet. Diese Zahl berücksichtigt jedoch nicht die 10.000 Menschen, die vermutlich tot unter den Trümmern begraben liegen.

Den offiziellen Zahlen zufolge befinden sich unter den Toten 17.000 Kinder, d.h. 2,6 Prozent aller Kinder des Gazastreifens wurden getötet, wobei seit dem 7. Oktober jeden Tag durchschnittlich 53 Kinder umgebracht wurden.

Die tatsächliche Zahl der Todesopfer liegt jedoch weit höher. Laut einer Schätzung der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet von Anfang Juli, die die grassierenden Krankheiten und die von Israel bewusst herbeigeführte Hungersnot berücksichtigte, hatte der Genozid da schon mindestens 186.000 Todesopfer gefordert.

Durch die jüngste ethnische Säuberungsoperation in Deir al-Balah werden die Palästinenser, die dort Zuflucht gefunden haben, erneut vertrieben.

Eine Frau erklärte in einem Interview mit Reuters, sie sei mit ihren Kindern schon elfmal vertrieben worden: „Ich habe die Hälfte meiner Kinder in der Nähe meiner Sachen zurückgelassen, jetzt bin ich hier mit den Kleinsten und meiner Tochter. Nur Gott kann uns helfen... Ich habe kein Geld für die Fahrt, ich werde zu Fuß in den Bereich 17 gehen, wo meine Familie wohnt. Ich habe meine Kinder mitgenommen, und drei sind zurückgeblieben, ich habe keine Ahnung, wo sie jetzt sind.“

Hunderttausende Menschen hatten in der Nähe des Al-Aqsa-Krankenhauses Zuflucht gefunden, der wichtigsten noch aktiven medizinischen Einrichtung im Zentrum von Gaza. Jetzt werden sie erneut vertrieben.

Das Krankenhaus liegt in einem Gebiet, für das der jüngste Evakuierungsbefehl gilt. Also sind die Menschen, die dort Zuflucht suchten, erneut zu fliehen gezwungen. Eine Frau, die aus dem Krankenhaus flüchtete, erklärte gegenüber Associated Press: „Unser Schicksal ist es zu sterben. Wir können nirgendwo hin. Es gibt keinen sicheren Ort.“

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) erklärte, sie müsse wegen eines Bombenangriffs in der Nähe des Krankenhauses über die Unterbrechung der medizinischen Versorgung dort nachdenken: „Deshalb überlegt MSF, ob es die Wundversorgung vorläufig aussetzt und versucht, lebensrettende Behandlungen aufrechtzuerhalten.“

Israel intensivierte am Dienstag seine Bombardierung von Deir al-Balah. Bei israelischen Angriffen im gesamten Gazastreifen wurden mindestens 40 Palästinenser getötet.

Ein Einwohner erklärte gegenüber Al Jazeera: „Eine Rakete von einer F-16 ist in diesem Gebiet eingeschlagen und hat alles zerstört. Wir können die Opfer nicht herausholen. Noch immer sind dort viele Menschen drin, das Haus war voll.“

Ein anderer Bewohner fügte hinzu: „Wir suchen einen sicheren Ort, und es gibt wirklich keinen sicheren Ort im gesamten Gazastreifen.“

Der Al Jazeera-Journalist Tareq Abu Azzoum berichtete aus Deir al-Balah: „Die israelischen Evakuierungsbefehle treiben die Familien zur Verzweiflung, wenn sie nach einem Platz zum Schlafen suche. Bald werden sie vor einer weiteren Herausforderung stehen: Wasser zu bekommen. Da 70 Prozent der Entsalzungsanlagen und Brunnen in Gaza in den evakuierten Gebieten liegen, wurden die Menschen von ihren Hauptquellen abgeschnitten. Einige Palästinenser erwägen sogar, dorthin zurückzukehren, auch wenn sie dabei riskieren, getötet zu werden.“

Nach Angaben des Welternährungsprogramms leiden 96 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens unter akuter Ernährungsunsicherheit, neun von zehn Menschen haben jeweils 24 Stunden oder länger nichts gegessen.

Mindestens 50.000 Kinder in Gaza müssen wegen akuter Unterernährung behandelt werden, und bei mehr als 96 Prozent der Säuglinge zwischen 6 und 23 Monaten wird der grundlegende Nährstoffbedarf nicht gedeckt.

Angesichts von Israels anhaltendem Krieg gegen Gesundheitseinrichtungen grassieren Infektionskrankheiten. Human Rights Watch warnte in einer Erklärung, dass Israels Vorgehen zu einem Polio-Ausbruch führt.

Julia Bleckner, eine Sprecherin der Organisation, erklärte: „Wenn die israelische Regierung weiterhin dringend benötigte Hilfslieferungen blockiert und die Wasser- und Abwasser-Infrastruktur zerstört, wird das die Ausbreitung einer Krankheit begünstigen, die weltweit fast ausgerottet war. Israels Partner müssen die Regierung dazu drängen, die Blockade sofort aufzuheben und uneingeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe im Gazastreifen zu gewährleisten, damit rechtzeitig Impfstoffe verteilt werden können und der Polioausbruch eingedämmt wird.“

Loading