87. Wie sich zeigte, waren die theoretischen Revisionen Grants und Cliffs nur ein Vorgeschmack auf jene des Pablismus, der bösartigsten und gefährlichsten Tendenz, die unter dem politischen Druck der Nachkriegsära aus der Vierten Internationale hervorging.
88. Die SWP und das Internationale Exekutivkomitee, das sich unter der Führung von Michel Pablo und Ernest Mandel in Europa befand, hatten gegen die Morrow-Goldman-Bewegung und ihre Anhänger in Großbritannien Stellung bezogen. Aber nach 1949 begann Pablo auf die Konsolidierung der US-Vorherrschaft im Westen und die Bildung stalinistischer Regimes in Osteuropa und China zu reagieren und seine Haltung zu verändern. Er schrieb nun, der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus werde sich über „Jahrhunderte von degenerierten Arbeiterstaaten“ hinziehen. Er beteuerte, der Konflikt zwischen der UdSSR und den USA werde einen globalen Bürgerkrieg auslösen, in dem die Sowjetbürokratie gezwungen sein würde, die sozialistische Revolution durchzuführen. „Für unsere Bewegung“, erklärte Pablo, „besteht die objektive gesellschaftliche Realität im Wesentlichen aus dem kapitalistischen Regime und der stalinistischen Welt“.
89. Hinter seiner apokalyptischen Vision einer „Kriegsrevolution“ festigte Pablo die impressionistischen Positionen, die sich innerhalb der Weltbewegung zu einer liquidatorischen Tendenz verdichtet hatten. Sie schrieben die Arbeiterklasse als revolutionäre Kraft ab und reduzierten die Rolle der Vierten Internationale auf die einer Gruppe, die auf Stalinisten, Sozialdemokraten und bürgerlich-nationalistische Bewegungen nur Druck ausüben konnte. Auf dem Dritten Weltkongress der Vierten Internationale 1951 erklärte Pablo:
„Was uns noch mehr von der Vergangenheit unterscheidet, und was die Qualität unserer Bewegung heute und die sicherste Garantie für unsere zukünftigen Siege darstellt, ist unsere wachsende Fähigkeit, die Massenbewegung so zu verstehen, so zu nehmen, wie sie ist – häufig verwirrt, häufig unter verräterischer, opportunistischer, zentristischer, bürokratischer oder sogar bürgerlicher und kleinbürgerlicher Führung – und unsere Bestrebungen, unsern Platz in dieser Bewegung einzunehmen, um sie von ihrer jetzigen auf höhere Ebenen zu erheben. (…) Diese Bewegungen von vornherein abzulehnen, sie als reaktionär, faschistisch oder für uns bedeutungslos zu bezeichnen, wäre ein Ausdruck der alten, „trotzkistischen“ Unreife und der dogmatischen, abstrakten und im negativen Sinne intellektuellen Beurteilung der Massenbewegung.“[25]
90. Auf dieser Grundlage formulierte Pablo seine Definition eines Entrismus sui generis (von besonderer Art). War die entristische Taktik der Trotzkisten zuvor dem Aufbau unabhängiger Organisationen untergeordnet gewesen, wurde dieses Konzept nun über Bord geworfen. Stattdessen ging es nur noch darum, die alten Parteien nach links zu drücken.
„Es gibt heute keine einzige trotzkistische Organisation, in der nicht alle oder zumindest ein Teil ernsthaft, tiefgreifend und konkret verstehen, dass es notwendig ist, alle organisatorischen Erwägungen betreffs der formalen Eigenständigkeit oder sonst etwas der wirklichen Integration in die Massenbewegung, wie sie sich in jedem Land ausdrückt, unterzuordnen, bzw. der Integration in eine wichtige Strömung in dieser Massenbewegung, die man beeinflussen kann.“[26]