Am Montagabend sprach der niederländische Rechtsextremist Geert Wilders auf einer Pegida-Demonstration in Dresden. Obwohl nur wenige tausend Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet zu der Versammlung kamen, waren die großen Medien bemüht, den Auftritt Wilders für eine Wiederbelebung der islamfeindlichen Bewegung zu nutzen.
Die selbsternannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) demonstrieren seit dem 20. Oktober wöchentlich in Dresden und erhielten früh überproportionale Medienpräsenz. Zahlreiche Politiker sprachen sich für einen Dialog mit den Islamfeinden aus. Auf der Grundlage dieses Rummels kamen zeitweise bis zu 20.000 Menschen zu den rechtsextremistischen Aufmärschen.
Die Zahl der Demonstranten sank aber ebenso rasch wieder. In den letzten Wochen sprach selbst die Polizei nur noch von einigen tausend Teilnehmern, die jeweils aus ganz Deutschland anreisten. Die Pegida-Organisatoren versuchten diesem Trend durch die Einladung Wilders‘ entgegenzuwirken und wurden dabei durch eine umfassende Berichterstattung im Vorfeld der Veranstaltung unterstützt.
Wilders gehört zu den übelsten Hetzern und Rechtsextremisten in Europa. Er macht den Islam und den Koran für extremistischen Terrorismus verantwortlich und fordert das Verbot muslimischer Texte und Bräuche. Die Einwanderung will er reduzieren und die Grenzkontrollen innerhalb der EU wieder einführen.
In seiner Rede rief er die Pegida-Demonstranten auf, stolz auf Deutschland zu sein und sich der „islamischen Barbarei“ entgegenzustellen. Der Islam rufe zur Tötung von Juden und Christen auf und dürfe deshalb nicht zum Teil Deutschlands werden, sagte Wilders und warnte vor der „Islamisierung unserer Gesellschaft“.
Die Einladung Wilders‘ ist Teil des Versuchs, Pegida europaweit zu vernetzen und eine islamfeindliche und rechtsextremistische Bewegung in Deutschland zu verstetigen. Neben Wilders waren auch der Ex-Journalist Udo Ulfkotte und der frühere Berliner CDU-Abgeordnete und Gründer der rechten Partei Die Freiheit, René Stadtkewitz, als Redner vertreten. Im März sprach der Schweizer Rechtsextremist Ignaz Bearth auf einer Pegida-Versammlung, und auch der neu-rechte Vordenker Götz Kubitschek erhielt eine Plattform.
Zugleich kündigte Pegida am Ostermontag an, eine eigene Kandidatin für die Dresdner Wahl des Oberbürgermeisters am 7. Juni aufzustellen. Die Rechtsextremisten wollen Tatjana Festerling ins Rennen schicken, die die Rückständigkeit und Vulgarität der Bewegung wie keine andere verkörpert.
Festerling war Gründungsmitglied des Hamburger Landesverbands der rechtskonservativen Alternative für Deutschland (AfD). Sie war die stellvertretende Marketingverantwortliche des Landesverbands und hat nach eigenen Angaben auch Kampagnen der Bundespartei entworfen. In Hamburg war sie als Bezirkskandidatin der Partei aufgestellt.
Nachdem sie auf der Internetplatform Journalistenwatch die Hooligan-Demonstration gegen Salafisten in Köln verherrlicht hatte, bei der es zu heftigen Ausschreitungen gekommen war, drohte die AfD mit einem Parteiausschluss. Die Verteidigung von rechtsextremistischen Schlägern ging selbst den AfD-Verantwortlichen zu weit.
Einem Ausschlussverfahren entzog sich Festerling Ende Januar durch ihren Austritt. Sie wurde Rednerin auf den Pegida-Demonstrationen in Dresden und avancierte zur neuen Frontfrau der Bewegung. In ihren Reden machte sie aus ihrer rechtsextremistischen Gesinnung keinen Hehl.
Es gebe „Asylantenströme“, mit denen „die Deutschlandvernichter von Merkel und Gabriel bis Tillich unser Dresden, unser Sachsen und unser Deutschland fluten“, sagte sie. Viele Asylbewerber seien „Männer, die ihre Familie und Heimat im Stich lassen, weil es hier Schöner Wohnen und ordentlich Knete vom Staat gibt“.
In zahlreichen Reden, die sie nicht nur in Dresden, sondern auch auf den Mini-Demonstrationen von Pegida-Ablegern in anderen Städten hielt, hetzte sie gegen „die dauerbeleidigten, dauerfordernden unverschämten Minderheiten aus islamischen Ländern, die uns mit ihrem Koran und den Sonderrechten auf den Geist gehen“.
Die 50-Jährige stellt sich explizit hinter die Auffassung Geert Wilders‘, der Islam sei mit dem islamischen Extremismus identisch. „Ich unterscheide nicht zwischen Islamismus und Islam“, sagte sie in einem Interview.
Ihre ausländerfeindlichen Tiraden paart sie mit wortreichen und vulgären Angriffen auf Homosexuelle und sexuelle Minderheiten, die ihrer Ansicht nach die Mehrheit terrorisieren. Sexualaufklärung in der Schule vergleicht sie mit Pädophilie. Sollte sich Dresden nicht anders vor solchen Entwicklungen schützen lassen, schlägt die Hamburgerin Festerling den Bau einer neuen Mauer vor.
Dass eine solch dumpfe und vulgäre Persönlichkeit zu einer politischen Figur stilisiert wird, spricht nicht nur Bände über Pegida, sondern auch über die Medien und Politiker, die die Bewegung seit Oktober unterstützt haben.
Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich hatte noch im Januar dieses Jahres gesagt, er wolle die Pegida-Demonstranten nicht ausgrenzen. Zugleich hatte er erklärt, der Islam sei kein Teil Deutschlands und die muslimischen Verbände in Deutschland müssten sich deutlicher von Terroristen distanzieren. „Die Menschen haben Angst vor dem Islam, weil Terrorakte im Namen des Islam verübt werden“, sagte er der Welt am Sonntag.
Am 23. Januar lud die steuerfinanzierte Landeszentrale für politische Bildung Sachsens Pegida-Vertreter zu einem offiziellen Meinungsaustausch ein, an dem auch der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) teilnahm.
All diese Bemühungen konnten die Pegida-Bewegung nicht festigen. Regelmäßig demonstrierten deutlich mehr Gegendemonstranten als Rechtsextreme auf den Straßen, und die Teilnehmerzahl der Islamfeinde war rückläufig. Innerhalb des Pegida-Bündnisses kam es im Februar zu einer Spaltung, und die Clique um Pegida-Gründer Lutz Bachmann orientierte sich stärker an europäischen Rechtsextremisten.
Erst als die Bewegung wieder schrumpfte, distanzierten sich einige zuvor zustimmende Politiker von Pegida. Dass die Medien der Bewegung mit dem Auftritt Wilders erneut eine bundesweite Aufmerksamkeit verschafften, zeigt, dass die rechtsradikale Gruppe nach wie vor Unterstützung erfährt und von Teilen der herrschenden Elite als brauchbar eingeschätzt wird.
Die sozialen Angriffe in Europa und die Militarisierung der deutschen Außenpolitik werden von der großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Mit Pegida wird der Bodensatz der Gesellschaft mobilisiert, um diese Opposition einzuschüchtern und eine soziale Basis für ihre Unterdrückung zu schaffen.