Berlin: AfD-Vorstandsmitglied wird Leitender Oberstaatsanwalt

Die Berliner Justizbehörde hat Roman Reusch, Mitglied des AfD-Vorstands Brandenburg, zum Leitenden Oberstaatsanwalt ernannt. Er ist für die Leitung der Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“ zuständig.

Bei der AfD in Brandenburg, deren Vorstand er seit November 2015 angehört, leitet der Jurist seit diesem Jahr die Programmarbeit und ist damit enger Mitarbeiter des brandenburgischen AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland.

Im Jahr 2007 hatte Staatsanwalt Reusch mit rassistischen Äußerungen zur Jugend- und Ausländerkriminalität für Wirbel gesorgt. Zu diesem Zeitpunkt leitete er die Intensivtäter-Abteilung der Berliner Strafbehörde. Die damalige Justizsenatorin der rot-roten Berliner Koalition, Gisela von der Aue (SPD), hatte die Abteilung 2003 selbst ins Leben gerufen und Reusch als Leiter eingesetzt. Nachdem er in die Kritik geraten war, versetzte sie ihn Anfang 2008 auf eine weniger exponierte Position in der Generalstaatsanwaltschaft.

Ausgelöst wurde die Kontroverse damals durch einen Vortrag über „Migration und Kriminalität“, den Reusch bei einer Tagung der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung hielt. Darin hatte er geforedert, man müsse erreichen, „dass besonders auffällige ausländische Kriminelle außer Landes geschafft oder sonst ‚aus dem Verkehr‘ gezogen werden können“.

In einem Spiegel-Streitgespräch sagte er zur Begründung, 80 Prozent der von ihm betreuten Straftäter hätten Migrationshintergrund und „in diesem Land nicht das Geringste verloren“. Für jugendliche Migranten forderte er entgegen dem geltenden Jugendstrafrecht vorbeugende „U-Haft als Erziehungsmittel“.

In den Medien stießen seine Standpunkte nicht nur auf Kritik. Die FAZ-Redakteurin Regina Mönch verteidigte Reusch als „kritischen Geist“, die Bild-Zeitung nannte ihn „Deutschlands mutigsten Staatsanwalt“, und Frank Plasberg und Anne Will luden ihn in ihre jeweiligen Fernsehshows ein – was allerdings Reuschs damaliger Vorgesetzter, der Leitende Oberstaatsanwalt Andreas Behm, untersagte.

Heute weht ein anderer Wind. Reuschs Unterstützer haben Oberwasser gewonnen. Die Berliner Justizverwaltung verteidigte die Entscheidung, den umstrittenen Juristen ausgerechnet mit der Leitung der „Auslieferung ausländischer Straftäter“ zu betrauen. Seine AfD-Tätigkeit kommentierte Pressesprecher Martin Steltner lapidar mit den Worten, die AfD sei keine verbotene Partei und auch Staatsanwälte dürften politisch tätig sein.

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger protestierte heftig. Es sei zu befürchten, dass „die Staatsanwaltschaft es billigend in Kauf nimmt, sich in Auslieferungsfragen zum justiziellen Arm der AfD machen zu lassen. Sie beschädigt damit jedwedes potentielle Vertrauen in die Neutralität ihrer Entscheidungen.“

Als der Vorsitzende der Vereinigung Martin Rubbert letzten Donnerstag im Tagesspiegel bedauerte, dass Reusch von seinen Äußerungen bisher nicht abgerückt sei, setzte dieser noch eins drauf: „Warum soll ich davon abrücken, dass die kriminellen Araber hier nichts verloren haben?“ Er habe generell etwas gegen Kriminelle, „und wenn die dann auch noch Ausländer sind und man sie sich wegdenken kann, ohne dass einem was fehlen würde, dann kann man nur dafür sein, sie soweit wie möglich außer Landes zu schaffen.“

Was Reusch auftrumpfen lässt, ist die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und des SPD-geführten Berliner Senats. Innensenator Henkel (CDU) forciert seit Beginn des Jahres die Abschiebungen und verschärft die Gangart der Polizei gegen diejenigen, die Flüchtlingen helfen und sich gegen Rassismus stellen.

Was Reusch 2007 forderte – die AfD gab es noch nicht und Gauland war noch führendes CDU-Mitglied –, deckt sich fast wörtlich mit den jüngsten Regierungsbeschlüssen und Vorhaben in der Asylpolitik. Er trat für die Aufhebung von Abschiebungshindernissen wie dem Fehlen eines Reisepasses ein, für die „Erzwingungshaft“ bei „mangelnder Mitwirkung des Ausländers“, für den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft bei Doppelstaatlern, falls sie sich etwas zu Schulden kommen lassen, für die Beschränkung des Familien- und Ehegattennachzugs und für „die Einführung des Prüfsteins der Integrationswilligkeit- und fähigkeit“.

Er begründete seine Forderungen mit plumpen rassistischen Vorurteilen. So behauptete er, „orientalischstämmige Täter“ würden „von Kindesbeinen an von ihren Müttern bereits zum Stehlen angehalten“. Weiter sagte er in seiner Rede bei der Hanns-Seidel-Stiftung: „Jugendliche aus solchen Familien dazu anzuhalten, zu lernen und zu arbeiten, kommt dem Versuch gleich, Wasser mit einem Sieb aufzufangen. … Sie haben eine Selbstbedienungsmentalität entwickelt, die darauf abzielt, sich zu nehmen, was immer sie wollen und wann und so oft sie es wollen“ Und: „Mädchen und junge Frauen, die diesen Tätern im wahrsten Sinne des Wortes in die Hände fallen, müssen immer auch damit rechnen, Opfer sexueller Übergriffe zu werden.“

Es gebe „nur eine einzige Maßnahme, die sie wirklich beeindrucken könnte, nämlich die Haft“, konstatierte Reusch. Er trat explizit dafür ein, Täter mit Migrationshintergrund nach anderen Rechtsprinzipien als Täter aus deutschen Familien zu behandeln. Sogar die Kinder straffälliger Ausländer wollte er bestrafen und ihnen das Recht auf Einbürgerung verweigern. Denn, so Reusch, es sei von „Kindern krimineller Sippen“ zu erwarten, „dass sie ihrerseits kriminell werden.“

Solche Rechtsauffassungen sind das Markenzeichen einer Diktatur, nicht einer Demokratie. Sie lassen die braune Vergangenheit der deutschen Justiz durchscheinen. Solche Tiraden gegen „orientalische“ Täter, wie sie nach der Silvesternacht in Köln auch in vielen Medien zu finden waren, haben Rechtsextreme zu zahllosen Angriffen auf Flüchtlinge ermuntert und der AfD Anhänger zugetrieben.

Die Personalie Roman Reusch im Berliner Justizapparat ist daher kein normaler „beamtenrechtlicher Vorgang“, wie Sprecher des Justizsenats erklärten. Sie zeigt, wie die AfD von staatlichen Stellen gefördert wird.

Auch ist die Nähe zu rechtsextremen Parteien in den Berliner Justiz- und Sicherheitsorganen kein Einzelfall. 2008 wurde Staatsanwalt Rolf von Niewitecki zum Nachfolger Reuschs in der Intensivtäter-Abteilung berufen, der lange bei der Partei „Die Republikaner“ (REP) aktiv war, seit 1990 als stellvertretender Landesvorsitzender in Berlin. Erst nach öffentlichen Protesten wurde der Vorgang gestoppt.

Auch Matthias Bath, ein weiterer Staatsanwalt im Berliner Justizdienst und ehemaliger
DDR-Fluchthelfer gehörte laut Wikipedia in den 1990er Jahren dem Berliner Landesverband der Republikaner an.

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