Wer angesichts der abgehobenen Spekulationen der Bundestagsparteien und Mainstreammedien über die Gründe der Wahlniederlagen der SPD im Unklaren ist, der sehe nach Baden-Württemberg. Der Fall des ehemaligen Porsche-Betriebsratsvorsitzenden und SPD-Politikers Uwe Hück zeigt anschaulich den wahren Charakter der SPD und der mit ihr verbündeten Gewerkschaften – und damit den wirklichen Grund für den gerade stattfindenden Zusammenbruch der Sozialdemokraten.
Hück, der im Februar nach fast 35 Jahren überraschend Porsche verließ und für die SPD in die Kommunal-Politik wechselte, schwadroniert auf Marktplätzen von Perspektiven für Jugendliche, Werten wie Respekt, Anstand und Rücksichtnahme, während er gleichzeitig seit vielen Jahren ein gekaufter Handlanger des Porsche-Konzerns war und ist.
Wie letzte Woche bekannt wurde, haben Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung und Landeskriminalamt am Dienstag letzter Woche mit 176 Einsatzkräften verschiedene Standorte der Volkswagen-Tochter Porsche, Finanzbehörden und Privatwohnungen durchsucht, darunter das Büro des Porsche-Chefs Oliver Blume und die Wohnung von Hück in Pforzheim.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart geht dem Verdacht auf Steuerhinterziehung, Untreue und Geheimnisverrat nach. Demnach soll ein Beamter des Konzernprüfungsamts Stuttgart bei einer Betriebsprüfung geheime Informationen an einen Steuerberater von Porsche verraten haben. Im Gegenzug habe seine Tochter einen Job bei Porsche erhalten.
Gleichzeitig besteht den Staatsanwälten zufolge der Verdacht, dass Uwe Hück unverhältnismäßig hohe Vergütungen gezahlt worden seien. Medien gehen von einem Jahresgehalt von bis zu einer halben Million Euro aus, das wären mindestens 40.000 Euro im Monat. Auch dass Hück nicht nur einen eigenen Sportwagen, sondern auch einen Fahrer in Anspruch genommen hat, spiele bei den Ermittlungen eine Rolle. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte schon kurz nach Hücks Abgang bei Porsche berichtet, er habe 7.500 Euro an Steuern nachzahlen müssen, weil er sich von einem Porsche-Beschäftigten zu privaten Terminen habe chauffieren lassen.
Nun besteht gegen fünf Porsche-Manager und -Führungskräfte sowie den Steuerberater der Verdacht, sich mit den Zahlungen an Hück der Untreue und der Steuerhinterziehung strafbar gemacht zu haben. Unter den Verdächtigten sollen sich neben dem Vorstandsvorsitzenden Blume auch Finanzchef Lutz Meschke und Personalvorstand Andreas Haffner befinden. Letzterer war laut einem ehemaligen Manager für das Gehalt des Betriebsratsvorsitzenden zuständig.
Hück selbst ist nicht beschuldigt. Die Staatsanwaltschaft interessiert nicht, ob er sich hat kaufen lassen, sondern nur, ob das hohe Gehalt den Fiskus und die Aktionäre geschädigt hat. Hück sagte der Pforzheimer Zeitung, sein Gehalt sei „sauber“. Auch Porsche habe sich schon vorher mit der zulässigen Höhe der Betriebsratsvergütung beschäftigt, sagte Porsche-Chef Blume. In der Vergangenheit hatte Porsche die Bezüge von Ex-Betriebsratschef Uwe Hück mehrfach gerechtfertigt.
Freigestellte Betriebsräte sollen laut Gesetz durch ihre Tätigkeit weder benachteiligt noch bevorzugt werden. Ihr Gehalt muss daher ihrer vermuteten beruflichen Entwicklung angepasst werden. Hück hatte 1985 als Lackierer bei Porsche begonnen und war 1990 Betriebsrat, 1994 freigestellter Betriebsrat geworden. Schon drei Jahre später übernahm er den Vorsitz des Betriebsrats der Standorte Zuffenhausen und Ludwigsburg, bevor er 2002 zum Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats gewählt wurde. 1998 zog Hück in den Porsche-Aufsichtsrat ein. Im Jahr 2007 wurde er stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche Automobil Holding SE, seit 2010 war er in gleicher Position bei der Porsche AG.
Der Fall Hück hat Parallelen zum Fall des Betriebsrats-Vorsitzenden bei Volkswagen, Bernd Osterloh. Industriekaufmann Osterloh hat bis zu 750.000 Euro im Jahr erhalten. Auch hier stand u. a. der verantwortliche Personalvorstand, der in der Autoindustrie traditionell über die IG Metall an seinen Millionenjob kommt, unter Untreueverdacht. Im Zuge von Ermittlungen gegen das Unternehmen wurde Osterlohs Gehalt kurzzeitig auf knapp unter 100.000 Euro im Jahr gekürzt – sehr zu dessen Leidwesen. Nach einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht erhält er nun wieder weit mehr als das Doppelte.
Hück soll jahrelang 400.000 bis 500.000 Euro Jahresgehalt bekommen haben. Umso überraschender war sein plötzlicher Weggang von Porsche. Auch wenn der ehemalige „mächtige Mann“ bei Porsche eine ansehnliche Abfindung aushandelt haben dürfte, wird der 56-jährige Hück einige Millionen Euro an Gehalt aufgegeben haben.
Offiziell hieß es, Hück wolle in die Politik gehen. Die BILD am Sonntag spekulierte im März dieses Jahres, ob dies im Zusammenhang mit einer internen Untersuchung bei Porsche stehe. Die interne Revision prüfe mögliche Schmiergeldzahlungen an Betriebsräte, weil Hinweise eingegangen seien, dass befristet in der Produktion Beschäftigte Geld an Betriebsräte zahlen sollten, um eine der begehrten unbefristeten Stellen zu bekommen. Laut Bild sollen sogar Führungskräfte davon gewusst haben.
Porsche und Hück wiesen alle derartigen Beschuldigungen zurück. Die Umwandlung von befristeter in unbefristete Beschäftigung sei in einer rechtlich einwandfreien Betriebsvereinbarung geregelt.
Hück hatte sich bei Porsche verabschiedet und angekündigt, bei der bevorstehenden Gemeinderatswahl anzutreten – nicht auf der Liste der SPD, in der er seit 1982 Mitglied ist. Er wollte seine eigene Liste aufstellen. „Pforzheim liegt ebenso im Argen wie Porsche, als ich dort Betriebsrat wurde“, polterte er. Sein Freund Sigmar Gabriel, ehemaliger SPD-Vorsitzender und Außenminister, konnte ihn davon abbringen.
Hück stürzte sich schließlich für die SPD in den Wahlkampf – ähnlich wie bei Porsche lauthals und mit viel Demagogie. Sein Wahlkampfbüro nannte der Millionär großspurig „Revolutionsbüro“. Er wolle der AfD in ihrer Hochburg in Pforzheim das Fürchten lehren.
„Wir werden Pforzheim als Gewinner hinterlassen“, schrie Hück ins Mikrofon, berichtete der Pforzheimer Kurier über einen seiner Wahlkampfauftritte. Hück fordere nicht nur eine „Zukunft für Jugendliche“, sondern auch einen „ehrlichen Umgang mit Investoren“, ein Ende der „Neid-Diskussion“ – und mit Nachdruck das Ende von „Parallelgesellschaften“. Ans Grundgesetz müsse sich jeder halten – „egal, wo er herkommt“.
Die Pforzheimer SPD zeigte sich solidarisch mit dem Großverdiener Hück. Die Ermittlungen über ungerechtfertigt hohe Gehaltszahlungen hätten auf die Arbeit der SPD im Gemeinderat und darüber hinaus keinen Einfluss, erklärte die Kreisvorsitzende Annkathrin Wulff den Stuttgarter Nachrichten. Im Gegenteil, laut Pforzheimer Kurier wundere man sich in der SPD darüber, dass die Staatsanwaltschaft derart schweres Geschütz auffahre und eine Hausdurchsuchung bei Hück für notwendig erachtet habe. Es geht ja nur um eine halbe Million Euro an Jahresgehalt, möchte man hinzufügen.
Hücks Wahlkampf war dann nicht ganz so erfolgreich wie gedacht. Er ist zwar bei den Reichen und Mächtigen wegen seiner jetzigen Politik und seiner Biografie höchst beliebt. Im Heim aufgewachsen und als Profisportler zweimal Europameister im Thaiboxen, hat er im Zuge seines Aufstiegs bei Porsche eine eigene Stiftung gegründet, die benachteiligte Kinder und Jugendliche unterstützt. Im Jahr 2017 verlieh ihm dafür Bundespräsident Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz.
Gleichzeitig unterstützte Hück schon 2005 den Wahlkampf des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (SPD), nachdem dieser kurz zuvor seine Agenda 2010 einschließlich der Hartz-Gesetze gegen großen Widerstand in der Arbeiterklasse durchgedrückt hatte.
Wasser predigen und Wein trinken. Sein soziales Engagement haben die Pforzheimer Wähler ihm daher offensichtlich nicht abgenommen. Bei der Wahl am 26. Mai wurde er zwar als SPD-Spitzenkandidat in den Gemeinderat der 127.000-Einwohner-Stadt gewählt. Doch weniger als 45 Prozent der Wahlberechtigten hatten ihre Stimmen abgegeben, obwohl am gleichen Tag auch die Europawahl stattfand. Die SPD erreichte 13,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, weniger als die CDU und auch die AfD.
Betriebsräte wie Hück oder Osterloh sehen sich als Co-Manager, arbeiten die Kürzungen im Interesse der Aktionäre aus und setzen sie gegen die Belegschaft durch. „Konstruktive Konzepte“ seien gefragt, behauptete Hück im Kommunalwahlkampf.
So konstruktive Konzepte wie er sie bei Porsche durchgesetzt hat. So hatte er Ende 2015 im Stammwerk Stuttgart-Zuffenhausen und im nahegelegenen Weissach millionenschwere Lohnkürzungen vereinbart. Sie sollten die Investitionen für den neuen Elektro-Porsche mitfinanzieren. Die Beschäftigten geben neun Jahre lang, noch bis 2025, jedes Jahr 0,25 Prozent von der Tariferhöhung ab. Das soll 128 Millionen Euro einsparen. Zusätzlich wurde neueingestellten Arbeitern die Sonderzahlung gekürzt. Sie erhalten nun erst ab dem vierten Jahr den vollen Betrag.
Für solche Arbeit werden die Betriebsratsfürsten gut bezahlt und hofiert. So war Hück 2010 einer der Gäste auf der Feier zum 60. Geburtstag des damaligen Vorsitzenden der IG Metall, Berthold Huber, im Berliner Kanzleramt. Auf Einladung von Regierungschefin Angela Merkel (CDU) waren zahlreiche Konzernchefs, wie der damalige VW-Chef Martin Winterkorn, und Gewerkschaftsmillionäre, wie Hück, gekommen.