Daimler verdoppelt Stellenabbau von 15.000 auf 30.000

Die Aktionäre jubeln – der Aktienkurs steigt

Das Manager Magazin berichtete am Mittwoch, dass die Daimler AG mit voller Unterstützung der IG-Metall den Arbeitsplatzabbau drastisch erhöht. Statt der bisher angekündigten 15.000 sollen nun weltweit 30.000 Jobs vernichtet werden. Die Aktionäre reagierten begeistert. Kaum war die Nachricht bekannt, schnellte der Daimler-Aktienkurs in die Höhe.

Niemand sollte glauben, dass die Massenentlassung bei Daimler mit dieser Ankündigung bereits den Endpunkt erreicht haben. Die Daimler-Arbeiter und Millionen Beschäftigte in Unternehmen, die mit der Automobilindustrie verbunden sind, müssen diese Entlassungen als Beginn einer breit angelegten Kampagne beispielloser Angriffe verstehen.

Niemals seit der Gründung der Benz & Cie. 1883 durch Karl Benz hat es einen derart massiven Angriff auf die Arbeiter gegeben. Der Stellenabbau bei Daimler, dem Flaggschiff der deutschen Automobilindustrie und Motor der deutschen Wirtschaft, kündigt eine Entlassungswelle auch in anderen Bereichen der Branche an.

Am selben Tag gab die IG Metall bekannt, dass nach ihren Informationen in sehr vielen Betrieben massiv Arbeitsplätze abgebaut werden. Sie gehe davon aus, dass in der Metall- und Elektroindustrie mindestens 300.000 Jobs akut gefährdet seien. Gleichzeitig kündigte die Gewerkschaft an, dass sie nichts dagegen tun werde, außer die Zusammenarbeit mit den Konzernen und der Regierung zu verstärken. Sie plädiert vor allem dafür, „zur Entlastung der Unternehmen“ die Kurzarbeit auf bis zu 24 Monate zu verlängern.

Das Manager Magazin hatein Schaubild veröffentlicht, das weltweit zehn Produktionsstandorte als „Wackelkandidaten“ bezeichnet, die von Schließung oder Kürzung bedroht sind. Die Standorte befinden sich in Deutschland, Brasilien, Mexiko, Südafrika, Polen, Frankreich und Finnland und beschäftigen 43.400 Arbeiter.

Daimler hatte vor einer Woche für das zweite Quartal 2020 einen Verlust von 1,68 Milliarden Euro bekannt gegeben. Analysten hatten ein noch höheres Minus erwartet. Laut Daimler ist die Markterholung stärker als erwartet ausgefallen. Im Juni habe es ein „starkes Wachstum“ gegeben. Trotzdem sagte Daimler-Chef Ola Källenius: „Aber es bleibt viel zu tun... Wir müssen unsere systematischen Bemühungen fortsetzen, die Gewinnschwelle des Unternehmens durch Kostenreduktion und Kapazitätsanpassungen weiter zu senken.“

Der Daimler-Chef erklärte klar und deutlich, dass es weitere Entlassungen und Sparprogramme geben werde. Das Manager Magazin titelte „Källenius macht ernst“ und zitierte einen Aufsichtsrat: „Der zieht das jetzt durch.“ Daimler-Finanzchef Harald Wilhelm kommentierte: „Wir können unsere Kostenstruktur langfristig nicht akzeptieren.“ Die Kostenbasis bei Daimler zu senken, sei eine „Aufgabe für das gesamte laufende Jahrzehnt“.

Es bestätigt sich jetzt, was die WSWS Anfang letzter Woche über die Salamitaktik des Betriebsrats geschrieben hat. Die wirklichen Abbaupläne des Konzerns werden von Betriebsratschef Michael Brecht nur scheibchenweise bekannt gegeben. Denn andernfalls würden Betriebsrat und IG Metall die Kontrolle über die Beschäftigten verlieren.

Vor zwei Wochen hatte Daimler-Personalchef Wilfried Porth in einem ausführlichen Interview mit der Stuttgarter Zeitung die Pläne des Konzerns skizziert und darauf hingewiesen, dass Daimler weit mehr als 1,4 Milliarden Euro einsparen müsse. Deshalb müssten weit mehr Beschäftigte als geplant entlassen werden. Er sagte, die Geschäftsführung führe intensive Verhandlungen mit dem IG-Metall-Betriebsrat, um eine Strategie auszuarbeiten.

Die jüngste Ankündigung von 30.000 Entlassungen ist das Ergebnis dieser „intensiven Verhandlungen“. Aber auch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Porth, für den Arbeiter nur Zahlen in Bilanzen und Geschäftsberichten sind, hat bereits angekündigt, dass es keine heiligen Kühe geben werde. Alles, was sich die Beschäftigten in der Vergangenheit erkämpft haben – tarifliche Vereinbarungen zu Schichtzulagen, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld – müsse in Frage gestellt werden.

Das Daimler-Management und die IG Metall wissen, dass sie einem Aufstand der Arbeiter riskieren, wenn das Ausmaß der Pläne, die sie hinter dem Rücken der Beschäftigten ausgearbeitet haben, sofort und in vollem Umfang bekannt werden. Deshalb spielt der Betriebsrat bei der Bekanntgabe der Hiobsbotschaften den Ahnungslosen und behauptet, er habe von nichts gewusst.

In Wahrheit sitzen die führenden Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre im Aufsichtsrat und Wirtschaftsausschuss. Sie sind nicht nur bestens informiert, sondern sie präsentieren ihre eigenen Pläne für den Arbeitsplatz- und Sozialabbau, die vorher von der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung ausgearbeitet worden sind.

Immer mehr Arbeiter erkennen die feindseligen Manöver und Machenschaften der IG Metall. Die Stuttgarter Zeitung interviewte am Montag nach dem Interview mit Porth Arbeiter während des Schichtwechsels. Alle Befragten, die sich wütend äußerten, wollten ihren Namen vorsichtshalber nicht nennen.

Ein Arbeiter, der 30 Jahre lang in der Stahlgießerei gearbeitet hat, äußerte die Sorge, dass viele junge Arbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Die Stuttgarter Zeitung zitiert ihn mit den Worten, das gelte vor allem für diejenigen, die erst frisch dabei sind. Denn wer zuletzt gekommen sei, müsse bei Stellenstreichungen meist als erster gehen.

Fünf Tage nach dem Interview mit Porth gaben die beiden führenden Betriebsräte Michael Brecht und Ergun Lümali in einer E-Mail an alle Arbeiter zu, dass sie intensive Gespräche mit der Unternehmensleitung führen. Einzelheiten gaben sie nicht preis. In der E-Mail hieß es lediglich, „zusätzliche Maßnahmen“ seien erforderlich, um die finanzielle Situation von Daimler weiter zu stabilisieren.

Als seien sie selbst Manager, schrieben sie: „Es bezweifelt niemand, dass die Lage ernst ist. Und natürlich belasten die momentane Corona-Krise sowie der Wandel in der Automobilindustrie unsere wirtschaftliche Situation. Deshalb befinden wir uns in intensiven Gesprächen mit der Unternehmensleitung...“

Personalchef Porth machte unmissverständlich deutlich, dass betriebsbedingte Kündigungen auf dem Tisch lägen. Das Ziel könne nicht ausschließlich auf freiwilliger Basis erreicht werden. Brecht, Lümali und die IG Metall haben keine Pläne, dieser Drohung zu begegnen. Stattdessen zeigt ihre E-Mail, dass sie vollständig auf der Seite des Vorstands stehen und ihre Hauptaufgabe darin sehen, die Beschäftigten zu beruhigen und still zu halten.

Sie vertrösten sie mit der „Betriebsvereinbarung zur Zukunftssicherung“, die angeblich eine Beschäftigungssicherung bis 2030 beinhaltet. Tatsächlich sieht die Vereinbarung vor, dass dies nicht mehr der Fall ist, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern.

Am Tag, bevor er die skandalöse E-Mail verschickte, hatte Brecht auf einer Video-Pressekonferenz im Benz-Werk Gaggenau erklärt, worum es in Wirklichkeit geht. Er sagte: „Nicht nur der Betriebsrat, sondern beide Seiten“ müssten in wirtschaftlichen Krisen nach Lösungen suchen. „Wir haben Instrumente, in der Krise Personalkosten zu reduzieren“, gleichwohl könne es „nie eine hundertprozentige Garantie geben“.

Die Gewerkschaften sind nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt loyale Partner der Ausbeuter. Arbeiter müssen sich Klarheit über den Klassencharakter der Gewerkschaften verschaffen. Sie spielen eine zentrale Rolle dabei, eine unabhängige Mobilisierung und einen vereinten Kampf zur Durchsetzung der Forderungen der Arbeiter zu verhindern.

Die Corona-Krise und die technischen Veränderungen in der Automobilindustrie sind in den Augen der Investoren und Aktionäre eine willkommene Gelegenheit, um viele tausend Arbeiter zu entlassen, in der Vergangenheit erkämpfte soziale Errungenschaften zu zerstören und in den Fabriken sklavenähnliche Bedingungen einzuführen. Wie hoch die menschlichen Kosten der Krise auch sein mögen, die Steigerung der Profite steht im Vordergrund. Das ist der wahre Grund für immer neue Sparprogrammen und Fabrikschließungen.

Gewerkschaften, die das kapitalistische Profitsystem verteidigen und eng mit dem Nationalstaat verbunden sind, werden immer gegen die Interessen der Arbeiter vorgehen. Es ist höchste Zeit, dass die Daimler-Arbeiter der Verschwörung aus Vorstand und Betriebsrat entgegentreten.

Lohnsenkung und Sozialabbau retten keinen Arbeitsplatz, sondern bereiten weiteren Entlassungen den Weg. Alle Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen müssen verteidigt werden. Wenn Brecht & Co erklären, das sei nicht möglich, weil es die Profite der Vorstandsmillionäre und Kapitaleigner gefährde, heißt das nur, dass die Verteidigung der Arbeitsplätze und Löhne einen Kampf gegen den Kapitalismus erfordert.

Das Recht auf Arbeit und Lohn steht höher als die obszöne Bereicherung der Großaktionäre und ihrer Handlanger. Die Betriebsräte müssen gezwungen werden, alle Einzelheiten der geheimen Verhandlungen mit der Unternehmensleitung offenlegen.

Die Autoarbeiter stehen vor der Aufgabe, mit den Gewerkschaften und ihren gekauften Betriebsräten zu brechen, unabhängige Aktionskomitees zu bilden, sich international zusammenzuschließen und für ein sozialistisches Programm zu kämpfen. Wir rufen alle Leser und speziell die Daimlerarbeiter auf, mit der WSWS Kontakt aufzunehmen, um über diese Fragen zu diskutieren und einen gemeinsamen Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu organisieren.

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