Das Ergebnis der Regionalwahl in Madrid vom letzten Dienstag ist eine Warnung an die Arbeiterklasse in Spanien und der Welt. 85 Jahre nach dem faschistischen Putsch von 1936, mit dem der Spanische Bürgerkrieg begann, kommen in Madrid Verteidiger dieses Putsches an die Macht.
Der Wahlkampf war ein entwürdigendes, von faschistischer Gewalt geprägtes Spektakel. Die amtierende Gouverneurin, Isabel Diaz Ayuso von der rechten Partido Popular (PP), trat mit der Parole „Kommunismus oder Freiheit“ an, bezeichnete Lockdowns gegen Covid-19 als „kommunistisch“ und forderte die Verteidigung der „Freiheit“, indem man alle Maßnahmen zur sozialen Distanzierung beendet und einen massiven Anstieg der Infektionen erlaubt. Sie verbündete sich mit der rechtsextremen Vox, die Francos Putsch offen lobt.
Vertretern der Partido Socialista Obrero Español (PSOE), die die Interessen der Großkonzerne vertritt, und dem Podemos-Spitzenkandidat in Madrid, Pablo Iglesias, wurden faschistische Morddrohungen und Gewehrpatronen geschickt, die aus staatlichen Waffenarsenalen stammten.
Obwohl die Reaktion der Europäischen Union auf Covid-19 in Spanien zu mehr als 100.000 Toten geführt hat, erhielt das Bündnis aus PP und Vox 54 Prozent der Stimmen. Bemerkenswerterweise konnte sich die PP nicht nur in ihrer traditionellen Basis, den wohlhabenderen Stadtteilen im Norden von Madrid, durchsetzen. Sie wurde in 175 der 179 Wahlkreise der Region stärkste Kraft, darunter auch in den Arbeitervororten im Süden der Stadt, die wegen ihrer historischen Unterstützung für die PSOE und ihre Verbündeten und ihres Widerstands gegen den Franquismus traditionell als der „rote Gürtel“ bezeichnet werden.
Die Wahl war ein Debakel für die PSOE/Podemos-Zentralregierung und ein persönliches Debakel für Iglesias, der seinen Rückzug aus der Politik bekanntgab. Vor allem war sie jedoch eine Warnung. Indem die pseudolinken Parteien des begüterten Kleinbürgertums wie Podemos rücksichtslos die Interessen des spanischen und europäischen Kapitals durchsetzen, darunter auch die Öffnungspolitik der EU trotz der anhaltenden Pandemie, stärken sie die faschistischen Kräfte.
Europaweit sind eine Million Menschen an Covid-19 gestorben und das Virus verbreitet sich immer noch massiv. Am Freitag meldete Spanien 7.960 Neuinfektionen und 160 Tote. In Madrid allein gab es 2.074 Infektion und 19 Todesfälle. Dennoch beenden die PSOE und Podemos den „Alarmzustand“ in Spanien, durch den sie Maßnahmen wie Lockdowns, Ausgangssperren und Maskenpflicht durchsetzen konnten. Auch Ayuso plant für das Wochenende die Abschaffung von Ausgangsbeschränkungen, die Veranstaltung von Stierkämpfen, die Öffnung von Restaurants, religiösen Einrichtungen, Casinos und anderen Veranstaltungsorten in Madrid.
Die EU versucht, trotz einer weiteren Ausbreitung des Virus, die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung aufzuheben, um die Profite der Banken und Konzerne zu erhöhen. Um dies durchzusetzen, diskutiert die herrschende Elite darüber, der extremen Rechten mehr Macht zu verleihen. In Frankreich, wo die Neofaschistin Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr die Nachfolge von Emmanuel Macron antreten könnte, gab es ebenfalls Putschdrohungen von Offizieren der Armee. Der italienische Neofaschist Matteo Salvini, der den italienischen Diktator Benito Mussolini bewundert, erklärte gegenüber der sozialdemokratischen spanischen Zeitung El País begeistert: „Ich und Ayusos Partido Popular haben viel gemeinsam.“
Am Donnerstag rief der ehemalige PP-Ministerpräsident, José María Aznar, die PP auf, ein „Kräftebündnis“ mit der Vox zu bilden. Diese Äußerung widerlegt Ayusos Versuche, sich als demokratische Frau des Volkes zu inszenieren. Beispielhaft dafür war ihr Tweet: „Roter Gürtel, lila Gürtel? Nein! Freie Menschen des 21. Jahrhunderts! Selbstständige, Geschäftsleute, Jugendliche, Erwachsene, Männer und Frauen, die ihre Familien und ihre Geschäfte voranbringen wollen – das ist der Süden von Madrid.“
In Wirklichkeit verfolgt Ayuso eine Gesundheitspolitik des „sozialen Mordes“ und unterhält enge Beziehungen zu den franquistischen Kräften im Offizierskorps, die einen Putsch planen. Im letzten Herbst löste Ayusos Forderung nach einer Wiederöffnung der Schulen trotz der massiven Ausbreitung des Virus Proteste aus. Sie erklärte seinerzeit: „Wahrscheinlich werden sich praktisch alle Kinder in der einen oder anderen Form mit dem Coronavirus infizieren.“ Daneben ist sie auch mit Klagen gegen die Entscheidung ihrer Regierung konfrontiert, positiv getesteten Altenheimbewohnern die Aufnahme in Krankenhäuser verweigert zu haben. Aus dieser Gruppe sind 5.000 gestorben.
Ayuso verteidigt auch ihre Beziehungen zu Vox und behauptet, die Kritik an ihrem Bündnis mit den Faschisten beweise, dass sie „auf der richtigen Seite der Geschichte steht“. Dabei wurde erst letzten Dezember bekannt, dass Vox-Funktionäre mit ehemaligen Generälen verhandeln, die ihre Loyalität zum Faschismus erklärt und zum Mord an „26 Millionen“ Spaniern aufgerufen haben. Im Vorfeld hatten die Arbeiter im März 2020 durch Streiks und Arbeitsniederlegungen Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 gefordert.
Die Verantwortung für Ayusos Sieg liegt eindeutig bei Podemos, deren reaktionäre Politik die Arbeiterklasse in Wut versetzt und verwirrt. Genau wie andere pseudolinke Parteien in ganz Europa hat Podemos im letzten Frühjahr mit den Gewerkschaften zusammengearbeitet, um Streiks für eine Stilllegung der Betriebe zu isolieren und sogar die Polizei gegen streikende Stahlarbeiter eingesetzt. Nachdem sie im letzten Frühjahr gezwungenermaßen einen strengen Lockdown durchsetzen mussten, setzten sie danach nur „Teil-Lockdowns“ um, bei denen die nicht systemrelevanten Betriebe und Schulen offenblieben, obwohl sich Millionen mit dem Virus infizierten.
Zudem war Iglesias persönlich die treibende Kraft, um die Putschdrohungen von Vox und ehemaligen spanischen Generälen zu verharmlosen. Als diese Berichte im Dezember aufkamen und in den sozialen Netzwerken die Wut stieg, trat er im Auftrag der PSOE/Podemos-Regierung in Fernsehinterviews auf, um die Bevölkerung zu beruhigen. Er erklärte: „Was diese bereits pensionierten Herren im Alter, und mit zu viel Alkohol im Blut, in einem Chat sagen, stellt keine Bedrohung dar.“
Seine Entscheidung für die Kandidatur in Madrid, bei der er angeblich einen massiven Kampf „für Demokratie gegen Faschismus“ führen wollte, war ein zynisches Wahlmanöver. Als Vox-Anhänger durch den Madrider Arbeitervorort Vallecas zogen, mobilisierte seine Regierung die Bereitschaftspolizei, um sie zu schützen. Sie forderte außerdem die Einwohner von Vallecas auf, keine Gegendemonstrationen zu veranstalten. Iglesias hat keinen Kampf zur Verteidigung der Demokratie geführt, sondern den spanischen kapitalistischen Staat und seine rechtsextremen Handlanger verteidigt, indem er die Arbeiterklasse demobilisiert hat.
Aufgrund dieser erbärmlichen Vorgeschichte hat Podemos gegen Ayuso verloren. Angesichts der Aussicht auf endlose „Teil-Lockdowns“, die nichts gegen das Massensterben bewirken, waren die Arbeiter von seiner leeren Rhetorik unbeeindruckt. Da große Teile der Arbeiter und Kleinunternehmer keine oder kaum Einkünfte haben, konnte sich Ayuso mit ihrer verlogenen antikommunistischen Rhetorik über „Freiheit“ und die Rückkehr zur Normalität durchsetzen.
Man könnte hinzufügen, dass ähnliche Bedingungen in nahezu allen europäischen Staaten herrschen und ähnliche Wahlergebnisse zur Folge haben könnten.
Mehr als 100.000 Todesopfer in Spanien und die Machtübernahme von PP und Vox in Madrid machen jedoch eines klar: Ein Massensterben durch Covid-19 und eine rechtsextreme autoritäre Herrschaft sind reale Bedrohungen. Diese Wahl widerlegt auf verheerende Weise die antimarxistischen Perspektiven und postmodernen theoretischen Grundlagen von Podemos und ähnlichen „linkspopulistischen“ Parteien weltweit.
Die wichtigste akademische Autorin von Podemos, Chantal Mouffe, verurteilte im Jahr 2018 in ihrem Pamphlet Für einen linken Populismus diejenigen, die „der als Vehikel für die sozialistische Revolution dargestellten Arbeiterklasse einen ontologischen Vorrang einräumen“. Genau wie Iglesias in diesem Jahr wies auch sie einen Kampf für den Sozialismus zurück und rief stattdessen zum Kampf für die Demokratie auf. Sie erklärte, die Grundlage dafür sei in Spanien ein Bündnis zwischen der kapitalistischen PSOE, Podemos und diversen kleinbürgerlichen feministischen und nationalistischen Gruppierungen auf der Grundlage von Identitätspolitik:
Sie schrieb: „Was wir dringend brauchen, ist eine linkspopulistische Strategie, die auf die Konstruktion eines ‚Volkes‘ abzielt und die Vielzahl demokratischer Widerstandsbewegungen gegen die Postdemokratie bündelt, um eine demokratischere hegemoniale Formation zu etablieren. (…) [W]as dazu, wie ich behaupte, jedoch unnötig ist, ist ein ‚revolutionärer‘ Bruch mit dem liberal-demokratischen Regime.“
Die Wahl in Madrid entlarvt auf schärfste Weise, dass Podemos eine reaktionäre Rolle spielt. Die Lehren aus den 1930er-Jahren müssen dringend gezogen werden. Podemos spielt heute weitgehend die gleiche Rolle wie die Stalinisten und Sozialdemokraten in den 1930ern. Sie hatten sich damals mit einem Teil der spanischen Bourgeoisie in der Volksfront verbündet und lehnten revolutionäre Maßnahmen im Kampf gegen Franco ab. Das Ergebnis war die Niederschlagung der sozialistischen Revolution und Francos Sieg.
Heute erfordert der Kampf gegen die „Herdenimmunitäts“-Politik und den Kurs auf autoritäre Herrschaft die unabhängige Organisation und revolutionäre politische Mobilisierung der Arbeiterklasse. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) ruft zum Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees auf, um die internationale Arbeiterklasse unabhängig von den bankrotten nationalen Gewerkschaften zu organisieren. Eine entscheidende Aufgabe dabei ist der Aufbau von Sektionen des IKVI in Spanien und im Rest der Welt als revolutionäre sozialistische Opposition gegen die Pseudolinken.