Neuseeland: Stimmt gegen den Ausverkauf der Wellingtoner Busfahrer! Gründet unabhängige Aktionskomitees!

Die Socialist Equality Group ruft die Busfahrer in Wellington auf, den neuen Entwurf des Tarifvertrags (CEA), den das Unternehmen NZ Bus und die Gewerkschaft Tramways Union vorlegen, entschieden abzulehnen.

Dies ist der vierte Vertrag, der den Busfahrern seit April vorgelegt wurde. Zuletzt hatten die Fahrer am 23. Juni einen von der Gewerkschaft unterstützten Ausverkaufsvertrag abgelehnt, der eine Senkung der Überstunden- und Wochenendzuschläge, die Abschaffung der Taxizulagen und die Verlängerung des Regelarbeitstages für geteilte Schichten von 11 auf 12 Stunden vorsah.

Im Namen von NZ Bus suggerierte die Gewerkschaft Tramways Union den Fahrern, dass sie mit keinem besseren Angebot rechnen könnten, aber durch einen Streik die „öffentliche Unterstützung“ verlieren würden. Die Fahrer, die wiederholt für einen Streik gestimmt hatten, reagierten verärgert auf die Versuche der Gewerkschaft, sie unter Druck zu setzen, damit sie das offenkundig unternehmerfreundliche Angebot annehmen.

Das „Nein“ am 23. Juni war ein wichtiger Schritt. Es war Teil des wachsenden Klassenkampfs in Neuseeland und auf der ganzen Welt. In Neuseeland geraten die Arbeiter zunehmend in Konflikt mit den Unternehmen, der Labour-geführten Regierung und den Gewerkschaften, die bei der Durchsetzung von Sparmaßnahmen und Kürzungen als Komplizen auftreten. Zeitgleich mit der Abstimmung der NZ-Busfahrer stimmen diese Woche etwa 30.000 Krankenschwestern und Beschäftigte im Gesundheitswesen über einen Deal ab, den die Gewerkschaft New Zealand Nurses Organisation unterstützt und der dem Lohnstopp der Regierung Ardern im öffentlichen Sektor Rechnung trägt.

Bisher haben sich Fahrerinnen und Fahrer in Wellington entschlossen gegen jede Verschlechterung ihrer Löhne und Arbeitsbedingungen gewehrt und sich dem starken Druck seitens des Unternehmens, der Gewerkschaft, den Medien und des politischen Establishments widersetzt. Jetzt ist nicht die Zeit, um nachzugeben.

Die jüngste Vereinbarung wurde den Mitgliedern am 25. Juli per E-Mail zugesandt, so dass die Beschäftigten nur vier Tage Zeit hatten, sie vor der Ratifizierungssitzung am 29. Juli zu prüfen. In einer Mitteilung an die Gewerkschaftsmitglieder behauptete der Sekretär der Tramways Union, Kevin O'Sullivan: „Alle Fragen, die auf der Sitzung vom 23. Juni aufgeworfen wurden, wurden berücksichtigt, und alle aktuellen Bedingungen sind zusammen mit einer erheblichen Lohnerhöhung in der neuen Vereinbarung übernommen worden.“

Dies ist völlig irreführend. Erstens behält der neue Vertrag zwar die Taxizulage bei und verlängert die Arbeitszeit nicht, aber die Fahrer erhalten weiterhin Hungerlöhne und viele von ihnen haben zermürbende 11-Stunden-Arbeitstage, an denen sie nur für acht Stunden bezahlt werden. In den nächsten vier Jahren wird NZ Bus die Löhne jährlich um lediglich zwei Prozent oder in Höhe der Inflationsrate erhöhen, je nachdem, welcher Wert höher ist.

Wie bei der im letzten Monat abgelehnten Vereinbarung hat sich der Greater Wellington Regional Council (GWRC) bereit erklärt, NZ Bus zu subventionieren, um den Grundlohn der Fahrer jetzt auf 22,10 $NZ (13,04 Euro) und im September auf 22,75 $NZ zu erhöhen.

Auf der Gewerkschafts-nahen Website „Living Wage Movement“ wird behauptet, dieser Lohn ermögliche es den Arbeitern, „die lebensnotwendigen Dinge zu bezahlen und sich als aktive Bürger an der Gemeinschaft zu beteiligen“. In Wirklichkeit liegt er kaum über dem Mindestlohn von 20 Dollar (11,75 Euro) pro Stunde, den die meisten Fahrer plus-minus weniger Cent derzeit erhalten.

Selbst der GWRC-Vorsitzende Daran Ponter, ein Mitglied der Labour Party, gab am 16. Juni gegenüber Radio NZ zu: „Der ‚existenzsichernde Lohn‘ ist [angesichts der hohen Lebenshaltungskosten] nicht akzeptabel.“ In Wellington sind die Preise sehr hoch, und eine durchschnittliche Wochenmiete liegt schon bei knapp 600 Dollar, was allein im letzten Jahr einem Anstieg von 8 Prozent entspricht. Der wöchentliche Mindestlohn ist nach Steuern kaum höher.

Es besteht keine Garantie dafür, dass die Fahrer den „existenzsichernden Lohn“ länger als ein Jahr erhalten werden. Im Entwurf der Vereinbarung heißt es, dass die Löhne um 2 Prozent auf 23,20 Dollar pro Stunde angehoben würden, wenn sich NZ Bus und der Stadtrat bis zum 3. September 2022 nicht auf geeignete „Finanzierungsvereinbarungen“ einigen könnten, „selbst wenn der existenzsichernde Lohn höher liegen würde“.

Die Behauptung der Gewerkschaft, dass das neue Angebot „alle derzeitigen Bedingungen“ beibehält, ist falsch.

Überstunden und Samstage werden nicht mehr, wie bisher, mit anderthalb Stundenzuschlägen, und Sonntage nicht mehr mit dem doppelten Zuschlag vergütet. Im Entwurf des GAV heißt es: „Der existenzsichernde Lohn wird nicht für Stunden gezahlt, die nach 8 Uhr täglich oder nach 40 Stunden wöchentlich oder am Wochenende geleistet werden, oder für andere Stunden, für die Überstunden oder Zuschläge zu zahlen sind.“

Die Überstunden- und Wochenendtarife basieren auf den Basistarifen des Unternehmens, ohne den Zuschlag der Stadt. Ein Fahrer, der unter der Woche einen Stundenlohn von 22,10 Dollar erhält, bekommt sonntags etwas mehr als 40 Dollar. Wenn der 'existenzsichernde Lohn' zugrunde gelegt würde, würde er 44,20 Dollar erhalten. Die Fahrer verrichten also dieselbe Arbeit für zwei verschiedene Grundlöhne, je nachdem, wann sie arbeiten.

Die Beschäftigten müssen die Behauptung des Unternehmens, es könne es sich nicht leisten, sie anständig zu bezahlen, mit Verachtung zurückweisen. NZ Bus befindet sich im Besitz der transnationalen Private-Equity-Firma Next Capital mit Sitz in Australien, die über 600 Millionen Dollar verwaltet. Sie kauft und verkauft Unternehmen in beiden Ländern mit dem erklärten Ziel, eine Kapitalrendite von 25 Prozent für ihre wohlhabenden Aktionäre zu erzielen. Dies geschieht auf Kosten von Arbeitsplätzen, Arbeitsbedingungen und Löhnen.

Der NZ-Bus-Konflikt hat die Rolle der Gewerkschaften als Vollstrecker dieser Angriffe in aller Deutlichkeit aufgezeigt. Sie sind keine Arbeiterorganisationen, sondern privilegierte Bürokratien, die Hand in Hand mit dem Großkapital und der Regierung gegen die Arbeiterklasse arbeiten.

Wie die Socialist Equality Group in unserer jüngsten Online-Sitzung erläuterte, haben die Tramways Union und andere Gewerkschaften von Anfang an darauf hingearbeitet, die NZ-Busfahrer systematisch zu isolieren und sie davon zu überzeugen, dass es keine Hoffnung gibt, für einen anständigen Tarifvertrag zu kämpfen.

Ein Fahrer sagte der World Socialist Web Site: „Wenn es ein bisschen mehr Einigkeit in der gesamten Fahrergemeinschaft gäbe, könnten wir viel energischer vorgehen.“

Es gibt fünf öffentliche Verkehrsunternehmen, die von der GWRC unter Vertrag genommen wurden: NZ Bus, Tranzit, Uzabus, Mana Coach Services und der Nahverkehrszugbetreiber Transdev. Ihre Beschäftigten haben alle ähnlich niedrige Löhne und unzumutbare Schichten. Die Gewerkschaften haben dafür gesorgt, dass es keine einheitliche Kampagne für alle diese Beschäftigten gibt.

Die Tramways Union weigerte sich auch, Hunderte von NZ Bus-Beschäftigten in Auckland und Bay of Plenty zu mobilisieren, deren Bedingungen noch schlechter sind als die in Wellington. Auch die Krankenschwestern und Zehntausende anderer Beschäftigter des öffentlichen Sektors, die vom Lohnstopp der Regierung Ardern betroffen sind, wurden nicht zum gemeinsamen Kampf aufgerufen.

Die gewerkschaftliche Dachorganisation Council of Trade Unions (CTU) versuchte während des Konflikts, Nationalismus zu schüren, indem sie sich darauf konzentrierte, dass der Eigentümer von NZ Bus Australier sei, und damit unterstellte, dass die Unternehmen in Neuseeland irgendwie freundlicher seien. Mit dieser Propaganda sollte von der wahren Ursache der Angriffe abgelenkt werden: dem Streben aller Unternehmen, auch der neuseeländischen, nach höherem Gewinn. Die Gewerkschaften versuchen, die neuseeländischen Arbeiter von ihren Kollegen in Australien zu trennen, um einen gemeinsamen Kampf gegen transnationale Arbeitgeber wie Next Capital zu verhindern.

Die CTU behauptete auch zu Unrecht, die Labour-Regierung unterstütze die Fahrer. Tatsächlich hat die Regierung seit ihrer ersten Wahl im Jahr 2017 nichts getan, um die Löhne und Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern. Das hielt die Gewerkschaften nicht davon ab, den Arbeitern zu empfehlen, sie 2020 wiederzuwählen.

Die Socialist Equality Group fordert eine Rebellion der Basis gegen die Gewerkschaften und einen vollständigen politischen Bruch mit der Labour Party. Dies muss der erste Schritt zur Organisation eines echten Kampfs gegen die Sparpolitik von Unternehmen und Regierung sein.

Den Weg vorwärts zeigen Arbeiter auf der ganzen Welt, die unabhängig von der Gewerkschaftsbürokratie und in Opposition zu ihr Aktionskomitees bilden, die die Arbeiter selbst demokratisch kontrollieren.

Im Vereinigten Königreich kämpft das Londoner Aktionskomitee der Verkehrsarbeiter gegen die lebensbedrohlichen Bedingungen, die während der Covid-19-Pandemie vorherrschen. Allein in London sind bereits mehr als 60 Busfahrer gestorben.

Im US-Bundesstaat Virginia haben Beschäftigte von Volvo Trucks ein Aktionskomitee gegründet, um sich dem Versuch der Gewerkschaft United Auto Workers zu widersetzen, den jüngsten Streik von fast 3.000 Arbeitnehmern auszuverkaufen. Nachdem die Arbeiter dreimal die unternehmensfreundlichen Vereinbarungen der Gewerkschaft abgelehnt hatten, setzte die Gewerkschaft schließlich in diesem Monat eine ähnliche Vereinbarung durch und entlarvte sich damit als Teil der Unternehmensleitung.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) ruft zu einem internationalen Bündnis solcher Komitees auf, um die Kämpfe der Arbeiter über die Grenzen hinweg zu koordinieren. Im Gegensatz zum nationalistischen Gift der Gewerkschaften ist eine internationale Strategie notwendig, um die Isolation der kämpfenden Arbeiter zu durchbrechen und die multinationalen Konzerne gemeinsam zu besiegen.

Ein Aktionskomitee der NZ-Bus-Beschäftigten würde eine sofortige Lohnerhöhung und bessere Bedingungen fordern, die tatsächlich den Bedürfnissen der Beschäftigten entsprechen – und nicht denen des Unternehmens und der Gewerkschaftsbürokraten. Es würde dafür kämpfen, Verbindungen mit Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs, Krankenschwestern und anderen in ganz Neuseeland, Australien und anderen Ländern anzuknüpfen.

Vor allem muss ein echter Kampf sozialistische Forderungen aufstellen, einschließlich der Forderung nach öffentlichem Eigentum an allen Verkehrsdiensten, sowie Dutzenden von Milliarden Dollar zur Verbesserung der Infrastruktur, zur Schaffung von gut bezahlten, sicheren Arbeitsplätzen und einem kostenlosen Nah- und Fernverkehr für alle. Diese Mittel müssen aus den Milliarden von Dollar gewonnen werden, die heute die Reichen horten, einschließlich der Banken und Private-Equity-Firmen. Sie haben während der durch die Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise gewaltig profitiert.

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