Die skrupellose Durchseuchungspolitik der Bundes- und Landesregierungen hat zu einem dramatischen Anstieg der Infektionszahlen in Deutschland geführt. Sowohl die Zahl der gemeldeten Fälle mit 92.223 am Freitag wie die Sieben-Tage-Inzidenz mit 515,7 am Sonntag erreichten einen neuen Höchstwert.
Aufgrund des exponentiellen Anstiegs der hochansteckende Omikron-Variante, die das Infektionsgeschehen inzwischen dominiert, stehen die Kliniken vor einer massiven Überlastung.
Christian Karagiannidis vom Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) erklärte am Samstag im Deutschlandfunk, er rechne damit, dass es in der nächsten oder übernächsten Woche deutlich mehr Corona-Patienten in den Notaufnahmen gebe werde.
Auch der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sagt eine starke Belastung in den Kliniken vorher: „Die steigenden Infektionszahlen werden sich unweigerlich in den Krankenhäusern bemerkbar machen.“
Die steigenden Patientenzahlen fallen mit hohen Ausfällen unter dem Klinikpersonal zusammen, das sich mit dem Virus infiziert hat. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, waren am Freitag allein im Münchner LMU-Klinikum 187 Mitarbeiter ausgefallen. 115 davon waren infiziert, die anderen in Quarantäne. „Die Tendenz ist stark ansteigend,“ erklärte die Klinik. Ähnliche Berichte gibt es von Dutzenden weiteren Kliniken im gesamten Bundesgebiet.
Diese Situation erhöht den Druck auf die verbleibenden Beschäftigten zusätzlich. „Wir haben Personal eingebüßt, und das Personal, was noch da ist – da kann ja keiner mehr. Wenn wir wieder Patientenzahlen wie aus der zweiten Welle haben – egal auf welchen Stationen –, dann droht wirklich eine Überlastung“, erklärte der Chefarzt des Sankt Gertrauden-Krankenhauses Berlin, Jörg Weimann, der taz.
Diese Welle sei mit den vorangegangenen kaum vergleichbar, ergänzte er. „Wenn wir tatsächlich gleichzeitig einen hohen Ausfall in allen Lebensbereichen inklusive der Krankenhäuser haben und viele Patienten kommen – selbst wenn die nur Sauerstoff brauchen und jemanden, der nach ihnen schaut –, dann sind wir in einer Situation, in der gar nicht mehr viel geht.“ Auch seriöse Wissenschaftler warnen seit vielen Wochen vor einer solchen Entwicklung.
An den landeseigenen Berliner Vivantes-Kliniken wird bereits über den Einsatz der Bundeswehr nachgedacht, um den Betrieb aufrecht zu halten, wie Geschäftsführer Johannes Danckert erklärte. Nachdem geplante Behandlungen und Operationen an den Kliniken seit Wochen abgesagt oder verschoben werden, sind bereits Pläne entwickelt worden, um möglichst noch die Grundversorgung schwerer Fälle zu gewährleisten. Intensivmediziner in Berlin hatten schon Ende letzten Jahres vor Versorgungseinbrüchen gewarnt.
Gerade an den Berliner Kliniken ist die Situation schon jetzt kritisch. Die Corona-Zahlen in der Hauptstadt sind die zweithöchsten im Land. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Samstag bei 956,9. Vier Berliner Bezirke verzeichnen Inzidenzen von mehr als 1000. In Friedrichshain-Kreuzberg, stieg sie am Samstag auf 1586,6.
Der rot-rot-grüne Senat in Berlin setzt strikt auf eine radikale Durchseuchungspolitik und verweigert angesichts der dramatischen Lage jede Schließung von Schulen und Betrieben. Die grüne Gesundheitssenatorin Ulrike Gote erklärte im Abgeordnetenhaus, dass die Testkapazitäten für die Omikronwelle „nicht ausreichen“ werden und der Senat nichts dagegen unternehmen wird.
Selbst das Netz des öffentlichen Nahverkehrs musste in den letzten Tagen ausgedünnt werden, da das Fahrpersonal reihenweise wegen Coronainfektionen ausfällt. Die Ausfälle von Bussen und Bahnen führen wiederum zu überfüllten Fahrzeugen und erhöhen das Risiko einer Ansteckung für die Fahrgäste.
Neben den akuten Covid-Infektionen beginnen mittlerweile auch die zahlreichen Fälle von Long-Covid und Post-Covid die Gesundheitseinrichtungen zu belasten. Schon jetzt sind Kliniken und Reha-Einrichtungen, die sich auf die vielfältigen chronischen Folgen einer Covid-Infektion spezialisieren, vollständig ausgelastet.
Aktuellen Studien zufolge werden zwischen 10 und 40 Prozent der Infizierten unter Spätfolgen leiden. „Oft sind bei Long Covid 20- bis 50-jährige gesunde und leistungsstarke Menschen ohne Vorerkrankungen betroffen, die bis dato nie auf eine ärztliche Infrastruktur angewiesen waren“, bemerkt Chefärztin Jördis Frommhold dazu.
Die Medizinerin geht beim derzeitigen Pandemiegeschehen von „mehreren Hunderttausend bis zu Millionen Menschen“ mit Spätfolgen aus. Schon vor Beginn der Pandemie war das Gesundheitssystem in Deutschland, wie überall in Europa, durch jahrzehntelange Sparpolitik und Profitorientierung völlig ausgeblutet. Wegen den Folgen der Pandemie, für die allein die herrschende Klasse und ihre Profite-vor-Leben-Politik verantwortlich sind, steht es nun vor dem Kollaps.
Die durch schlechte Bezahlung und miserable Arbeitsbedingungen hervorgerufene Personalnot verstärkte sich in den letzten zwei Jahren erheblich. Hinzu kam die ständige Infektionsgefahr am Arbeitsplatz. Eine Umfrage der Berliner Alice-Salomon-Hochschule (ASH) macht deutlich, wie die extreme Belastung von Pflegekräften während der Pandemie diese Situation weiter verschärft.
Laut der deutschlandweit durchgeführten Umfrage erwägen 40 Prozent der Pflegekräfte einen Berufswechsel. Befragt wurden 2700 Personen aus den Bereichen Klinik, Langzeitpflege und ambulante Pflege zu den Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie. 40 Prozent gaben an, mindestens einmal im Monat daran zu denken, den Pflegeberuf zu verlassen. Rund 30 Prozent erwägen mindestens einmal im Monat, den Arbeitsplatz innerhalb der Branche zu wechseln, und rund ein Drittel will die Arbeitszeit reduzieren.
Wenn die Pflegenden ihre Ausstiegsabsichten tatsächlich realisieren sollten, bestünde für das deutsche Gesundheitssystem die „akute Gefahr“ eines Zusammenbruchs. In der Pandemie sei der Kollaps bisher verhindert worden, erklärte Johannes Gräske, Professor für Pflegewissenschaften an der ASH.
Diese Entwicklungen waren vorhersehbar. Wissenschaftler und Mediziner warnen seit Langem vor einer ungebremsten Durchseuchung der Bevölkerung und den Folgen für das Gesundheitssystem. Doch diese Warnungen werden bewusst missachtet.
Die Regierung nutzt die Pandemie, um gegen die Beschäftigten vorzugehen und den Kahlschlag im Gesundheitssystem fortzusetzen. So wurden die Proteste von Pflegekräften für angemessene Arbeitsbedingungen und mehr Gehalt an mehreren Kliniken mit Unterstützung der Gewerkschaften abgewürgt. Die Beschäftigten an öffentlichen Kliniken wurden für ihre aufopferungsvolle Arbeit mit einer Reallohnkürzung bestraft, und der von der Bundesregierung ausgelobte „Pflegebonus“ ist schlichtweg eine Provokation.
Mit Karl Lauterbach (SPD) wurde ein rücksichtsloser Verfechter von Massendurchseuchung, sozialen Angriffen und Klinikschließungen an die Spitze des Gesundheitsministeriums gesetzt. Schon 2019 hatte er dafür plädiert, zur Senkung der Kosten jede zweite Klinik in Deutschland zu schließen. In den Pandemiejahren 2020 und 2021 wurden in Deutschland 30 Kliniken ganz und weitere 20 teilweise geschlossen. Die Schließung von 31 weiteren Krankenhäusern steht bereits fest.
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