Perspektive

Genosse Wije Dias: Kämpfer für den Trotzkismus (27. August 1941–27. Juli 2022)

Mit tiefer Trauer gibt das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) bekannt, dass Genosse Wije Dias verstorben ist. Genosse Wije war Generalsekretär der Socialist Equality Party (Sri Lanka) und ihres Vorläufers, der Revolutionary Communist League (RCL). Er übernahm diese Stellung im Dezember 1987 und hatte sie bis Mai diesen Jahres inne, als er in das neu geschaffene Amt des Parteivorsitzenden gewählt wurde.

Wije Dias

Wije, der nächsten Monat 81 Jahre alt geworden wäre, starb am Mittwochmorgen in Colombo an den Folgen eines Herzinfarkts. Er litt seit langem an einer koronaren Herzkrankheit. Nach einer Bypass-Operation 2013 erholte er sich vollständig und blieb bis zum letzten Tag seines Lebens in der Führung der Partei aktiv.

Das politische Leben von Genossen Wije umfasst sechzig Jahre und damit fast die gesamte Zeit, in der die Vierte Internationale vom Internationalen Komitee geführt wurde und wird. Er widmete sein Leben dem Kampf für die Befreiung der Arbeiterklasse von Not, Krieg und allen Formen kapitalistischer Unterdrückung.

Wije war ein unerschütterlicher Vorkämpfer für das internationalistische sozialistische Programm der permanenten Revolution und für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse. Seine Unbeugsamkeit bei der Verteidigung marxistischer und trotzkistischer Prinzipien rührte daher, dass er erlebt hatte, welche katastrophalen Folgen – politische Desorientierung, Reaktion und tragischer Verlust von Menschenleben – sich aus deren Aufgabe und Verrat ergeben.

Wije gehörte einer herausragenden Gruppe junger Menschen an, die die wesentlichen politischen Lehren aus dem historischen Verrat der Lanka Sama Samaja Party (LSSP) an der sri-lankischen Arbeiterklasse zogen. Sie orientierten sich dabei an der politischen Führung des IKVI, der Organisation orthodoxer Trotzkisten, die 1953 gegründet worden war, um das Programm der sozialistischen Weltrevolution gegen den pablistischen Opportunismus zu verteidigen.

Wije hatte sich nach Beginn seines Studiums an der University of Ceylon in Peradeniya 1962 der Jugendbewegung der LSSP angeschlossen, die sich zwar auf das lange Erbe des Kampfs für den Trotzkismus in Sri Lanka berief, aber zur Spaltung von 1953 eine ambivalente Haltung bezogen hatte. Sie hatte es abgelehnt, den „Offenen Brief“ des amerikanischen Trotzkisten und Führers der Socialist Workers Party (SWP) James P. Cannon zu unterstützen, mit dem das Internationale Komitee gegründet worden war.

Die LSSP war die dominierende Kraft in der Arbeiterklasse. Unter dem Einfluss von Ernest Mandel und Michel Pablo rückte sie jedoch immer offener von einer sozialistischen Politik ab und setzte stattdessen auf parlamentarische Manöver, Volksfrontbündnisse und Gewerkschaftertum. Innerhalb kurzer Zeit kapitulierte sie vor der singhalesisch-chauvinistischen Politik der herrschenden Klasse.

Der Pablismus war eine kleinbürgerliche liquidatorische Tendenz, die in der Vierten Internationale unter den Bedingungen der Restabilisierung des Kapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg entstand und versuchte, die Internationale in ein Anhängsel des Stalinismus, der Sozialdemokratie und – in den weniger entwickelten Ländern – des bürgerlichen Nationalismus zu verwandeln.

1964 verriet die LSSP einen mächtigen Aufstand der Arbeiterklasse, die Bewegung der „21 Forderungen“, die die Grundlage der bürgerlichen Herrschaft erschütterte. Die LSSP betätigte sich als wichtigste Stütze der sri-lankischen Bourgeoisie, indem sie einer kapitalistischen Regierung beitrat, die von der singhalesisch-chauvinistischen Sri Lanka Freedom Party (SLFP) geführt wurde.

Mit diesem Verrat stellte sie sich offen gegen den sozialistischen Internationalismus und gegen die Theorie der permanenten Revolution, in der Trotzki aufgezeigt hatte, dass in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung wie Sri Lanka kein Teil der Bourgeoisie in der Lage ist, die demokratischen Bestrebungen und sozialen Bedürfnisse der Massen zu erfüllen.

Das Verhalten der LSSP fiel mit der Degeneration der Socialist Workers Party in den Vereinigten Staaten Mitte der 1950er und Anfang der 1960er Jahre zusammen. 1963 leitete die SWP eine Wiedervereinigung mit den Pablisten in die Wege. Eine Minderheit innerhalb der SWP wandte sich gegen diese prinzipienlose Wiedervereinigung und brachte 1964 einen Brief in Umlauf, in dem sie eine Diskussion über den „großen Verrat“ der LSSP in Sri Lanka forderte. Die Minderheit wurde daraufhin aus der SWP ausgeschlossen. Sie gründete zunächst das Amerikanische Komitee für die Vierte Internationale (ACFI) und 1966 die Workers League, die Vorgängerorganisation der Socialist Equality Party (US).

Wijes Reaktion auf diese Ereignisse sollte sich als der entscheidende Wendepunkt in seinem Leben erweisen. Er war entsetzt über den Verrat der LSSP und gehörte einer Gruppe junger Trotzkisten an, die nach intensiven Diskussionen in den Jahren 1964 bis 1968 zu der Erkenntnis gelangten, dass das IKVI zu Recht betonte, dass der Zusammenbruch der LSSP als trotzkistische Partei auf den Pablismus zurückging.

Die Diskussionen gipfelten schließlich in der Gründung der Revolutionary Communist League als sri-lankische Sektion des IKVI. Die führende Rolle in diesem Kampf nahm Keerthi Balasuriya ein, der bei der Gründung der RCL im Jahr 1968 zum Generalsekretär gewählt wurde.

Dabei verstanden Keerthi und seine Genossen, dass ein rein organisatorischer Bruch mit der LSSP nicht ausreichte. Notwendig war ein politischer Bruch mit dem Pablismus, der den politischen Deckmantel für deren Verrat geliefert hatte. Mit großer Sorgfalt entlarvte die RCL die zentristische Politik der LSSP (R), die von den Pablisten nach dem Ausschluss der führenden LSSP-Führer eilig gebildet worden war, um ihre Spuren zu verwischen.

In den folgenden Jahrzehnten drehte sich der Kampf der RCL-SEP vor allem um die Überwindung der politischen Folgen des Verrats der LSSP. Indem die LSSP die Arbeiterklasse an die kapitalistische Herrschaft fesselte und die gezielte Spaltung der Volksgruppen durch die herrschende Klasse Sri Lankas unterstützte, ebnete sie den Weg für die Entstehung kleinbürgerlich-radikaler Bewegungen in Form der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP), einer Mischung aus Castroismus, Maoismus und singhalesischem Chauvinismus, und der tamilisch-nationalistischen Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE).

1971 stellte die RCL ihre Prinzipientreue unter Beweis, indem sie eine isolierte Jugendrebellion auf dem Land unter Führung der JVP als politisch bankrott entlarvte und zugleich die Führer und Mitglieder der JVP gegen brutale staatliche Repression verteidigte. Damit machte sich die RCL selbst zur Zielscheibe staatlicher Unterdrückung und war gezwungen, im Untergrund zu arbeiten.

Die zweite LSSP-SLFP-Koalition von 1970–1976 stieß unter den Bedingungen der damaligen Weltwirtschaftskrise schroff mit der Arbeiterklasse zusammen. Die dadurch entstandene politische Verwirrung wurde von J. R. Jayawardene und seiner rechtsgerichteten United National Party (UNP) ausgenutzt, um 1977 die Macht zu übernehmen. Die neue Regierung startete sofort einen massiven Angriff auf die Arbeiterklasse, öffnete die Insel für ausländische Investitionen, provozierte 1980 einen Generalstreik und führte eine autoritäre Exekutivpräsidentschaft ein. Gleichzeitig schürte sie den singhalesischen Chauvinismus. Das Ergebnis war, dass 1983 ein ethnisch begründeter Krieg ausbrach, der die Insel für das nächste Vierteljahrhundert erschüttern sollte.

Die RCL-SEP war die einzige Partei, die sich vom Standpunkt des revolutionären Defätismus und des sozialistischen Internationalismus gegen den Krieg und gegen die chauvinistische sri-lankische Bourgeoisie stellte. Die RCL forderte den sofortigen Abzug aller Truppen aus dem mehrheitlich von Tamilen bewohnten Norden und Osten der Insel. Sie wandte sich zugleich gegen die kommunalistische Politik der LTTE, die sich die Unterstützung Indiens und der imperialistischen Mächte sichern wollte. Die RCL setzte sich dafür ein, die singhalesischen und tamilischen Arbeiter und die arme Landbevölkerung im Kampf für Vereinigte Sozialistische Staaten von Lanka und Tamil Eelam zu vereinen.

In den Jahren 1985–1986 spielte die RCL innerhalb der Führung des Internationalen Komitees eine maßgebliche und entscheidende Rolle im Widerstand gegen die national-opportunistische Degeneration der Workers Revolutionary Party (WRP) in Großbritannien. An der Spitze der Opposition gegen den Verrat der WRP an trotzkistischen Prinzipien standen die Workers League, die US-Sektion des IKVI, und ihr nationaler Sekretär David North. Die wichtigsten Dokumente des IKVI, in denen die politische Grundlage für den Bruch mit der WRP dargelegt wurde, entstanden in enger Zusammenarbeit von Keerthi und North.

David North (links) und Wije Dias (rechts), 1988

Wie North in einer Würdigung aus Anlass des 75. Geburtstags von Wije Dias schrieb, spiegelte Keerthis „herausragende Leistung die enorme Erfahrung und politische Festigkeit der RCL-Führung und ihrer Kader wider, die das Ergebnis ihres langjährigen Kampfs für den Trotzkismus waren“. Weiter heißt es:

Aus diesem Grund konnte die RCL den vorzeitigen und völlig unerwarteten Verlust von Genossen Keerthi im Dezember 1987 überstehen. Sein Tod im Alter von 39 Jahren war ein schrecklicher und tragischer Verlust für die Revolutionary Communist League und das Internationale Komitee. Nach allen objektiven Maßstäben zeugt es von der ungeheuren politischen Stärke der RCL-Führung, dass sie – inmitten des Bürgerkriegs, unter Angriffen der JVP-Mörder und ständiger Verfolgung durch den Staat – die Folgen von Keerthis Tod überwinden konnte. Aber es steht außer Frage, dass Du, Genosse Wije, die entscheidende Rolle dabei gespielt hast, die Einheit der Partei zu erhalten, ihre revolutionäre und internationalistische Orientierung zu verteidigen und ihre Arbeit voranzubringen. Kein einziger Genosse in der RCL/SEP oder im Internationalen Komitee würde dem widersprechen.

Der Sieg des IKVI über die WRP in den Jahren 1985–1986 war ein entscheidender Wendepunkt im Kampf um die Verteidigung und Weiterentwicklung des Programms und der Strategie der sozialistischen Weltrevolution, nicht zuletzt, weil er eine umfassende Zusammenarbeit zwischen den Führern der Sektion in Sri Lanka und ihren internationalen Mitstreitern und Genossen möglich machte.

Keerthis Tod fiel mit einer tiefen politischen Krise zusammen, die durch die Besetzung des tamilischen Nordens und Ostens durch die indische Armee im Rahmen des indo-sri-lankischen Abkommens ausgelöst wurde.

Genosse Wije stellte sich dieser Herausforderung mit politischem Mut und Standhaftigkeit. In den darauf folgenden unruhigen Jahren des Bürgerkriegs, der staatlichen Repression, der Angriffe der JVP und der chronischen politischen Krise sollte Wije das in ihn gesetzte politische Vertrauen vollauf bestätigen. In seiner eigenen Sektion und bei den Führern und Kadern des gesamten IKVI genoss er überaus großen Respekt.

Wije Dias mit seiner Frau, Piyaseeli Wijegunasingha

Im Jahr 2010 verlor Genosse Wije seine Frau und Genossin Piyaseeli, eine herausragende politische und kulturelle Persönlichkeit.

Drei Jahre später unterzog sich Wije einer Bypass-Operation. Trotz seiner nachlassenden Gesundheit und den körperlichen Beschwerden, die sich mit dem Alter naturgemäß einstellen, blieb er bis in seine letzten Tage politisch aktiv und gab seinen Genossen auf der Grundlage seines umfangreichen Wissens und seiner großen Erfahrung Führung und politische Ratschläge. Noch am Dienstag nahm er an einer Sitzung der sri-lankischen Redaktion der World Socialist Web Site teil.

In den Monaten vor seinem Tod war er wesentlich daran beteiligt, die Antwort der Partei auf den Massenaufstand der arbeitenden Bevölkerung auszuarbeiten, der Sri Lanka seit April erschüttert und Anfang des Monats Präsident Gotabaya Rajapaksa zum Rücktritt und zur Flucht aus dem Land veranlasste.

Auch auf dem Dritten Parteitag der SEP Sri Lankas im Mai spielte Wije eine führende Rolle. In enger Zusammenarbeit mit dem IKVI leistete er einen zentralen Beitrag zur Ausarbeitung des SEP-Aufrufs „Für einen demokratischen und sozialistischen Kongress der Arbeiter und ländlichen Massen in Sri Lanka“, der am 20. Juli, genau eine Woche vor seinem Tod, veröffentlicht wurde. Dieser Aufruf macht deutlich, dass die SEP in unversöhnlicher Opposition zur kapitalistischen Herrschaft steht. Gestützt auf die umfangreichen Erfahrungen der Arbeiterklasse im letzten Jahrhundert, von der Russischen Revolution 1917 bis zu den Lehren aus dem Verrat der LSSP 1964 und der gescheiterten ägyptischen Revolution 2011, wird darin eine Strategie entwickelt, um ausgehend vom Aufbau unabhängiger Kampforganisationen der Arbeiterklasse für Arbeitermacht und Sozialismus zu streiten.

Genosse Wije hatte ein erfülltes und reiches Leben. Wie auf zahlreichen Videos zu sehen ist, war er ein eindrucksvoller Redner, sowohl in seiner Muttersprache Singhalesisch als auch in Englisch.

Er verfügte über ein umfangreiches Wissen über die Geschichte Sri Lankas und Indiens, die internationale Arbeiterbewegung und die südasiatische wie auch die westliche Kultur.

Wije Dias im Jahr 2003

Er war furchtlos in seiner Opposition gegen den Klassenfeind, aber selbst seine ärgsten Feinde konnten seine politische Integrität nicht in Frage stellen und wagten es auch nicht.

Er verfügte über einen sprühenden Humor, mit dem er die Eitelkeit und Käuflichkeit der politischen Vertreter der Bourgeoisie und der kleinbürgerlichen Opportunisten sehr wirkungsvoll entlarvte. Trotz seiner eindrucksvollen politischen Verdienste war Wije ein überaus bescheidener Mensch.

Wije musste die lang andauernden schwierigen Umstände bewältigen, die mit dem kolossalen Verrat an der Arbeiterklasse durch die Stalinisten, Sozialdemokraten und ihre pablistischen Komplizen verbunden waren. Aber er erlebte noch einen neuen revolutionären Aufschwung der Arbeiterklasse in Sri Lanka – einen Aufschwung, der sich unter den Bedingungen der globalen Krise des kapitalistischen Systems rasch als Vorbote für Entwicklungen auf der ganzen Welt erweisen wird.

Genosse Wije Dias ist eine herausragende Persönlichkeit im Kampf für den Trotzkismus in Sri Lanka. Sein Leben und sein Vermächtnis gehen nun in die Geschichte des Kampfs für den Sozialismus ein. Sein Vorbild wird Arbeiter und junge Menschen inspirieren, ihnen vor allem aber eine politische Orientierung geben in diesem Jahrzehnt, das sich als das Jahrzehnt der sozialistischen Weltrevolution erweisen wird und muss.

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