Streikwelle in Großbritannien: Arbeitsniederlegungen auch in der Ölraffinerie Grangemouth und bei Amazon

Am Mittwoch begannen hunderte Leiharbeiter des petrochemischen Werks Ineos Grangemouth in Schottland einen spontanen Streik, um eine bessere Bezahlung zu fordern. Sie legten um 7 Uhr morgens die Arbeit nieder und blockierten drei Stunden lang den Zugang zu der Raffinerie.

Die Leiharbeiter, die für mehrere Fremdfirmen arbeiten, lehnen das Angebot einer 2,5-prozentigen Lohnerhöhung für dieses sowie für nächstes Jahr ab. Es kommt einer zehnprozentigen Lohnsenkung gleich, denn die Inflation wird innerhalb weniger Wochen auf dreizehn Prozent ansteigen.

Bei Amazon setzt sich unterdessen mit einem spontanen Streik von Lager- und Vertriebsarbeitern die landesweite Serie von Arbeitsniederlegungen und Aktionen fort, die letzte Woche aus Protest gegen eine erbärmliche Erhöhung des Stundenlohns um 35 bis 50 Pence begann. Betroffen waren bisher schon Standorte in Tilbury, Coventry, Rugeley, Bristol, Coalville, Dartford, Belvedere, Hemel Hempstead und Chesterfield.

Neben einer neuen Streikrunde bei den Eisenbahnen wurden in dieser Woche auch Streiks in weiteren wichtigen Bereichen angekündigt.

Wirtschaftlich besonders verheerend könnte sich die geplante achttägige Arbeitsniederlegung von 1.900 Hafenarbeitern der Felixstowe Dock and Railway Company auswirken, die vom 21. bis zum 29. August stattfinden soll. Die Hafenarbeiter lehnen das Angebot einer siebenprozentigen Lohnerhöhung und einer Bonuszahlung von 500 Pfund ab. Felixstowe ist der wichtigste Containerhafen Großbritanniens, in dem 48 Prozent des Containerfrachtverkehrs abgewickelt werden. Ein Streik dort würde die nationalen Lieferketten, die Logistik- und Speditionsbranche und den internationalen Seehandel schwer treffen.

Am Samstag werden die Lokführer der Gewerkschaft ASLEF 24 Stunden lang für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen streiken. Zu den betroffenen Unternehmen gehören Arriva Rail London, Avanti West Coast, Crosscountry, Greater Anglia (zu der u. a. .der Stansted Express gehört), die Great Western, Hull Trains, LNER, London Overground, und Southeastern and West Midlands Trains.

Streikposten von Eisenbahnern vor dem Wartungsdepot Cowlairs in Springburn im Norden von Glasgow während des landesweiten Eisenbahnstreiks am 25. Juni 2022

Die Gewerkschaft Rail, Maritime and Transport (RMT) hat für den 18. und 20. August zu zwei weiteren Streiktagen von 40.000 Bahnarbeitern bei Network Rail und mehr als einem Dutzend kleineren Zugbetreibern aufgerufen. An diesen beiden Tagen werden außerdem 2.500 Mitglieder der Transport Salaried Staffs Association streiken, darunter Kontrolleure und Mitarbeiter der elektrischen Kontrollräume bei Network Rail und Mitglieder der Gewerkschaft Unite.

Am 19. August werden 10.000 RMT-Mitglieder bei der Londoner U-Bahn einen 24-stündigen Streik abhalten. Unterstützt werden sie von 400 Arbeitern der London Overground, die für Arriva Rail London arbeiten.

Mehr als 1.600 Busfahrer von London United, die von der Gewerkschaft Unite repräsentiert werden, planen für den 19. und 20. August einen Streik gegen das Angebot einer Lohnerhöhung von nur 3,6 Prozent in diesem und 4,2 Prozent im nächsten Jahr. Bereits seit drei Wochen streiken die Busfahrer von Arriva North West, die ebenfalls von Unite vertreten werden.

Am Montag kündigte auch die Communication Workers Union einen viertägigen Streik für bessere Bezahlung von mehr als 115.000 Postbeschäftigten vom 26. bis 31. August sowie einen weiteren am 8. und 9. September an.

Vom 24. bis zum 31. August wollen 1.500 Müllwerker in fünfzehn schottischen Kommunen gegen eine Lohnerhöhung von nur 2 Prozent streiken.

Auch die Rechtsanwälte an Strafgerichtshöfen haben in den letzten sieben Wochen mehrfach die Arbeit niedergelegt, zuletzt für fünf Tage. Jetzt wollen sie über einen unbefristeten flächendeckenden Ausstand in England und Wales ab dem 5. September abstimmen.

Nächsten Monat werden Hunderttausende von Pflegekräften in England und Wales wegen des Tarifstreits am Royal College of Nursing über einen Streik abstimmen. Es wäre der allererste Streik von RCN-Pflegekräften in England und Wales. In Schottland endete die Urabstimmung der Pflegekräfte am 5. August. Allerdings hat die RCN das Ergebnis bisher noch nicht bekanntgegeben.

Auch die University and College Union (UCU), die mehr als 84.000 Beschäftigte des Hochschulwesens vertritt, beginnt eine Abstimmung im gesamten Hochschulwesen über einen Streik während des Herbstsemesters. Sie bezeichnet es als „größten Kampf für bessere Löhne, Arbeitsbedingungen und Renten in der Geschichte des britischen Hochschulwesens“.

Trotz aller Versuche der Gewerkschaften, die immer weiter steigende Zahl von offiziellen Streiks voneinander isoliert zu halten, bahnt sich ein Generalangriff auf die Unternehmer und die Tory-Regierung an. Diese Entwicklung wird von den explodierenden Lebenshaltungskosten angetrieben, die für Millionen Arbeiter eine soziale Katastrophe bedeuten.

Die Streiks und Urabstimmungen in Großbritannien sind Teil einer internationalen Bewegung, der überall die gleichen Probleme zugrunde liegen. In diesem Jahr war es bereits in Griechenland, Italien und Belgien zu Generalstreiks gekommen. Diese Woche kündigte das Kabinenpersonal von Ryanair in Spanien an, dass es nach einem mehrtägigen Arbeitskampf im Juli für die nächsten fünf Monate streiken wird. Die Arbeitsniederlegungen im Streit um Löhne und Urlaubsansprüche sollen jede Woche von Montag bis Donnerstag stattfinden.

Diese Woche berichteten die Medien, eine typische Gas- und Stromrechnung für britische Haushalte werde sich ab Januar 2023 auf 4.266 Pfund pro Jahr belaufen – eine enorme Steigerung gegenüber den durchschnittlich 1.277 Pfund, die im April dieses Jahres anfielen. Der „Verbraucherschützer“ Martin Lewis warnte, Millionen von Haushalten „werden sich das einfach nicht leisten können... Wir sind hier mit einem finanziellen Notstand konfrontiert, der Menschenleben kosten könnte.“

Der derzeitige Wettbewerb zwischen Liz Truss und Rishi Sunak um die Nachfolge von Boris Johnson an der Parteiführung der Torys hat gezeigt, dass die Regierung alle Forderungen nach einer Abmilderung der Krise ablehnt und statt Zugeständnissen weitere Unterdrückungsmaßnahmen vorbereitet.

Letzten Monat wurde ein Gesetz verabschiedet, das den Einsatz von Zeitarbeitern als Ersatz für streikende Arbeiter erlaubt, außerdem wurde die Geldstrafe für „rechtswidrige“ Streiks auf eine Million Pfund vervierfacht. Die Regierung will Streiks von unterschiedlichen Gewerkschaften im selben Betriebs innerhalb eines bestimmten Zeitraums verbieten. Sie will nur sechs Streikposten an kritischen Punkten der Infrastruktur zulassen, „einschüchternde Sprache“ bei Urabstimmungen verbieten und Streiks durch ein Recht auf eine „Reaktionszeit“ für den Arbeitgeber verzögern. Daneben will sie das Gesetz abschaffen, das es Gewerkschaften erlaubt, ein Streikmandat innerhalb von sechs Monaten zu nutzen, und plant die Einführung einer verpflichtenden Abkühlungsperiode von bis zu 60 Tagen nach jedem Streik.

Die Arbeiter können mit der Klassenkriegsoffensive der Tories nur fertig werden, wenn sie auch mit der Labour Party und ihren Partnern in der Gewerkschaftsbürokratie abrechnen.

Obwohl bei den jetzt beginnenden Kämpfen zusammen etwa drei Millionen Arbeiter mobilisiert werden könnten, haben die Gewerkschaftsführer alle Streiks so ausgerichtet oder geplant, dass keine gemeinsame Offensive stattfinden kann. Mit nur sehr wenigen Ausnahmen streiken die Arbeiter nur ein paar Tage, ohne sich mit anderen zu koordinieren.

RMT-Chef Mick Lynch erklärte diese Woche als Antwort auf die Frage, ob er einen Generalstreik befürworte, er und die Vorsitzenden der anderen Gewerkschaften hätten dazu nicht die Macht. Es sei die Aufgabe der Unternehmen, „das Ihrige zu tun“ und „dem britischen Arbeiter eine Lohnerhöhung zu geben. Das ist das Grundlegende.“ Aber wenn das nicht passiere, könne der Trades Union Congress „aber nicht ich, einen Generalstreik ausrufen. Wenn er das tut, werde ich ihn voll und ganz unterstützen.“

Mick Lynch

Mit dieser Fassade militanter, aber äußerst höflicher Rhetorik, die den Unternehmern und dem TUC ganz und gar die Macht überlässt, schirmen Gewerkschaftsführer wie Lynch, Dave Ward von der CWU und Sharon Graham von Unite den zweiten großen Verschwörer gegen die Arbeiterklasse, die Labour Party, vor jeder Gefahr ab.

Mit ihren ständigen Forderungen, Labour-Parteichef Sir Keir Starmer müsse „Partei ergreifen“ und die Arbeiter im Kampf unterstützen, versuchen sie zu verbergen, dass Labour eine Partei des Großkapitals ist und mit den Torys zusammenarbeitet. Diese Partei ist genauso entschlossen, den Widerstand der Arbeiterklasse zu unterdrücken. Starmer hat seinen Schattenministern sogar verboten, auf Streikposten zu erscheinen, und seine absolute Ablehnung von Streiks und selbst geringsten Sozialreformen erklärt. Letztere bezeichnete er abschätzig als „Geldzauberbaum-Ökonomie“.

Um ihre Kämpfe fortzuführen, müssen die Arbeiter eine gemeinsame wirtschaftliche und politische Offensive gegen die herrschende Klasse und all ihre politischen Vertreter führen.

Die Socialist Equality Party ruft Arbeiter dazu auf, in allen Betrieben, Stadtteilen und Kommunen Aktionskomitees zu gründen, um die Sabotage der Gewerkschaften zu durchbrechen und die Vereinigung ihrer Kämpfe zu einem Generalstreik auf den Weg zu bringen. Nur eine derartige vereinte Bewegung kann eine Regierung besiegen, die plant, die gesamte Macht des Staates gegen die Arbeiterklasse einzusetzen.

Die SEP ruft die Arbeiter auch dazu auf, sofortige Neuwahlen zu fordern. Unser Ziel ist es dabei nicht, Illusionen in eine nicht existente parlamentarische Antwort auf die verzweifelte Lage der Arbeiter zu schüren oder die Behauptungen der Gewerkschaften zu wiederholen, Labour sei trotz Starmer das kleinere Übel als die Torys. Eine Neuwahl würde die faktische Labour-Tory-Koalition zum Scheitern bringen und es der Arbeiterklasse ermöglichen, auf politischer Ebene und durch Streiks gegen beide Parteien zu kämpfen und Unterstützung für eine sozialistische Alternative zum Kapitalismus zu gewinnen.

Die Arbeiter müssen die Kontrolle über ihr politisches Schicksal übernehmen. Sie müssen einen Kampf für den Sozialismus und gegen alle Verschwörer in Westminster führen, die jetzt einen offenen Krieg gegen Russland und China sowie die ungebremste Durchseuchung mit Covid-19 vorbereiten, während sie gleichzeitig den Lebensstandard und die demokratischen Rechte der Arbeiter zerstören.

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