Der Untersuchungsausschuss des US-Repräsentantenhauses zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 empfiehlt eine Anklage gegen den ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Das ist ein politischer Meilenstein.
Der Ausschuss hat damit endlich die ungeheuerliche Tatsache anerkannt, dass Trump – bis heute der politische Führer der Republikanischen Partei – an einer „Verschwörung zur Anstiftung, Unterstützung oder Beihilfe zu einem Aufstand“ beteiligt war. Die Verschwörung hatte das Ziel, die Wahlen im Jahr 2020 zu annullieren und eine Präsidialdiktatur zu errichten.
Die WSWS schrieb in ihrer Analyse der Ereignisse vom 6. Januar 2021 am folgenden Tag:
Was sich gestern zugetragen hat, war das Ergebnis eines sorgfältig durchgeplanten Komplotts. Der Anstifter war Donald Trump in Zusammenarbeit mit einer Bande faschistischer Verschwörer, die an strategischen Positionen im Weißen Haus und anderen mächtigen Institutionen und Behörden des Staates platziert sind. Die Operation vom Mittwoch verbreitet den penetranten Gestank von Trumps Söhnen, engen Beratern wie Stephen Miller und zahlreichen anderen, die hinter den Kulissen im Militär, der Nationalgarde und der Polizei die Fäden ziehen.
Fast zwei Jahre später erkennt der Ausschuss diese politische Realität an und stützt sich dabei auf eine Fülle von Beweisen, zusammengefasst in einem 154-seitigen Dokument, das am Montag veröffentlicht wurde. Heute soll der vollständige Abschlussbericht des Komitees erscheinen.
Der Untersuchungsausschuss empfiehlt auch strafrechtliche Schritte gegen Anwälte und Bundesbeamte, die eine führende Rolle bei der Verschwörung spielten, darunter die Putschisten und Anwälte John Eastman, Rudy Giuliani und Kenneth Chesebro, der ehemalige Beamte des Justizministeriums Jeffrey Clark und Trumps Stabschef Mark Meadows.
Die strafrechtlichen Empfehlungen richten sich an das Justizministerium unter Biden. Die Ermittlungen zum 6. Januar sowie zu Trumps Vorenthaltung von Geheimdokumenten auf seinem Anwesen in Mar-a-Lago in Florida werden von dem Sonderstaatsanwalt Jack Smith geleitet.
Die stellvertretende Vorsitzende und faktische Leiterin des Ausschusses Elizabeth Cheney, die eine rechte Kriegshetzerin und die Tochter des Kriegsverbrechers Dick Cheney ist, begann ihre Ausführungen am Montag mit einem Bezug zu ihrem Ururgroßvater, der 1861 in die Unionsarmee eintrat und im Amerikanischen Bürgerkrieg kämpfte. Ob bewusst oder unbewusst sprach Cheney mit dieser Bemerkung die Gefahr eines Bürgerkriegs in den heutigen USA an. Was sie dabei verschwieg: Ihre Partei – die Republikaner – waren damals gegen die Sklaverei und schlugen einen Aufstand der Sklavenhalter nieder, während sie heute die Partei der faschistischen Aufständischen sind.
Es wurde rasch deutlich, dass sich diese Tatsache nicht durch die Untersuchung oder die strafrechtlichen Empfehlungen des Ausschusses ändern wird. Die Republikanische Partei erkennt weder den Ausschuss noch die Biden-Regierung als legitim an. Das nationale Organisationsgremium der Republikaner (Republican National Committee) hat den Aufstand vom 6. Januar als „legitime Form des politischen Diskurses“ bezeichnet. Und trotzdem appellieren Biden und die Demokraten unablässig an die Republikaner, „Einheit“ und „Überparteilichkeit“ zu wahren.
Noch bevor der Untersuchungsausschuss am Montag seine Anhörung beendet hatte, bezeichnete Trump ihn als Scheingericht („kangaroo court“). Der Rechtsanwalt John Eastman nannte die Beratungen des Ausschusses „stalinistisch“. Eastman hatte selbst eine Schlüsselrolle dabei gespielt, Vizepräsident Mike Pence unter Druck zu setzen, damit er die Wahlmänner für Biden in den „Swing States“, den umkämpften Bundesstaaten, ablehnt. Die republikanischen Abgeordneten Jim Jordan, Scott Perry und Andy Biggs prangerten die Empfehlungen des Ausschusses als parteiische Hexenjagd an.
In weniger als zwei Wochen werden die Republikaner die Kontrolle über das Repräsentantenhaus zurückerlangen, nachdem sie bei den Zwischenwahlen im letzten Monat eine knappe Mehrheit errungen haben. Der Kongressabgeordnete Kevin McCarthy, der ebenfalls vom Ausschuss am 6. Januar genannt wurde, wird wahrscheinlich Sprecher des Repräsentantenhauses und damit der zweite in der Reihe der Präsidentschaftsnachfolger werden.
Jim Jordan, der während des faschistischen Sturms auf das Kapitol am 6. Januar mit Trump konspirierte, wird den Vorsitz im Justizausschuss des Repräsentantenhauses übernehmen. Biggs, der eine führende Rolle bei der Organisation der „Stop the Steal“-Demonstrationen in Washington spielte, und Perry, der dem rechtsextremen House Freedom Caucus vorsteht, werden ebenfalls Schlüsselpositionen im Justizausschuss einnehmen.
Sie alle, und praktisch die gesamte republikanische Fraktion, haben sich verpflichtet, nicht gegen Trump zu ermitteln, sondern gegen den Untersuchungsausschuss zum 6. Januar, der aufgelöst wird, sobald der 118. Kongress im neuen Jahr zusammentritt. Vier der neun Mitglieder des Ausschusses verlassen den Kongress.
Die Regierung Biden hat sich ihrerseits nicht zu den strafrechtlichen Empfehlungen des Ausschusses geäußert. Bei einem Briefing am Montagnachmittag wich die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, wiederholt Fragen zu den Ergebnissen und Empfehlungen des Untersuchungskomitees aus. Die der Demokratischen Partei nahestehende New York Times veröffentlichte nicht einmal einen Leitartikel dazu.
Im Einklang mit der Linie der Regierung und der Demokratischen Partei versucht der Untersuchungsausschuss, den Putschversuch und die fortlaufenden autoritären Verschwörungen als das Werk eines Mannes – Trump – und einer Handvoll republikanischer „Verrückter“ darzustellen, deren Machenschaften von der Mehrheit der Republikanischen Partei sowie der Polizei, dem Militär und den Geheimdiensten vereitelt worden seien.
Die letzten drei der 17 Erkenntnisse in dem Bericht dienen größtenteils der Vertuschung. Sie liefern ein Alibi für die Polizei, das Militär und die Geheimdienste, darunter auch Trumps Vertraute im Pentagon, die den Putschversuch ermöglicht haben.
Die Biden-Regierung will insbesondere keine ernsthafte Untersuchung der sozialen und politischen Kräfte, die hinter dem Staatsstreich stehen. Bei ihrem Amtsantritt hatte sie zum Aufbau einer „starken“ Republikanischen Partei aufgerufen.
Als Reaktion auf die Zwischenwahlen bekräftigte Biden im vergangenen Monat sein Versprechen, „mit meinen republikanischen Kollegen zusammenzuarbeiten“, und verwies insbesondere auf die Notwendigkeit, die „parteiübergreifende Haltung in der Konfrontation gegen die russische Aggression in der Ukraine“ beizubehalten.
Biden verkündete das Ende der „endlosen politischen Auseinandersetzungen“ und betonte die Notwendigkeit, „in die Zukunft zu blicken und sich nicht auf die Vergangenheit zu fixieren“.
Die Opposition der Demokraten gegen Trump hat nichts mit Treue zur Demokratie zu tun. Vielmehr betrachten sie es als notwendig, eine Unterstützerbasis innerhalb der Republikanischen Partei zu halten, um zwei Kriege zu führen: erstens den imperialistischen Krieg um ihre globale Vormachtstellung gegen die Hauptkonkurrenten in Europa und Asien und zweitens den Krieg gegen die Arbeiterklasse im eigenen Land.
Das ist der Grund, warum Anfang des Monats ein Gesetz verabschiedet wurde, das den Bahnarbeitern das Streikrecht entzieht und einen vom Unternehmen diktierten Tarifvertrag durchsetzt, der von den Beschäftigten abgelehnt worden war.
Für die amerikanische herrschende Klasse ist der Erhalt des Zweiparteiensystems, das von den Konzernen kontrolliert wird und mit dem sie seit fast zwei Jahrhunderten regiert, eine existenzielle Frage. Dies gilt auch für die Notwendigkeit, den repressiven Staatsapparat auszubauen und der Arbeiterklasse die Vorbereitungen einer Diktatur zu verheimlichen.
Dieselben Bedingungen, die die Gefahr von Faschismus und Diktatur hervorbringen, – die objektive Krise des amerikanischen Kapitalismus, die extreme Zunahme der sozialen Ungleichheit und die endlosen Kriege – treiben auch den Klassenkampf voran. Sie schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Millionen Menschen in den USA und weltweit erkennen, warum die demokratischen Rechte nur durch einen Kampf gegen den Kapitalismus und für die Errichtung der Arbeitermacht und des Sozialismus verteidigt werden können.