Die Angriffe auf Palästinenser im besetzten Westjordanland halten an. Sie sind Teil einer umfassenderen Kampagne ethnischer Säuberungen. Deutlich zeigte sich dies im pogromartigen Überfall hunderter israelischer Siedler auf die Stadt Huwara am 26. Februar, bei dem das israelische Militär zuschaute.
Die Kampagne wird von zionistischen Siedlern unter dem Schutz der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) geführt. Politisch gedeckt wird sie von der neu installierten Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der faschistische, rassistische und ultrareligiöse Parteien angehören. Das erklärte Ziel ist es, die palästinensischen Gebiete zu annektieren und eine Apartheidherrschaft einzuführen, wie sie im „Nationalstaatsgesetz“ verankert ist. Dieses schreibt die jüdische Vorherrschaft als rechtliche Grundlage des Staates fest.
In Huwara griffen „Bürgermilizen“ an, schlugen die Bewohner mit Metallstangen und Steinen, töteten einen Menschen und verletzten 400 weitere. In einer vier- bis fünfstündigen Gewaltorgie setzten sie zahlreiche Häuser und Geschäfte sowie Hunderte von Fahrzeugen in Brand. Sie griffen auch die Ortschaften Burin und Einbus im nördlichen Westjordanland an. Alle Orte befinden sich in einem Teil des Westjordanlandes, der von den israelischen Sicherheitskräften kontrolliert wird; nur wenige Autominuten entfernt befindet sich ein Armeehauptquartier. Doch israelische Soldaten standen während des Pogroms tatenlos daneben. Kein einziger Minister hat die Gräueltat verurteilt. Nur 10 Personen wurden festgenommen, von denen alle bis auf eine wieder freigelassen wurden.
Itamar Ben-Gvir, Minister für nationale Sicherheit und Führer der faschistischen Gruppe Jewish Power, erklärte: „Die Regierung Israels, der Staat Israel, die IDF, die Sicherheitskräfte - sie sind diejenigen, die unsere Feinde vernichten müssen“, und nicht die Siedler. Am letzten Mittwoch wiederholte der für die Siedlungen im Westjordanland zuständige Finanzminister und Führer des religiösen Zionismus, Bezalel Smotrich, dass Israel Huwara „auslöschen“ solle. Seine Forderung erinnerte an die Schrecken, die den Palästinensern angetan worden waren, als 1948/49 mehr als 700.000 Menschen durch zionistische Milizen vertrieben wurden.
Die Geschäfte der Stadt haben gerade erst wieder geöffnet. Zuvor hatte das israelische Militär befohlen, die Türen geschlossen zu halten, wodurch Ladenbesitzer ohne Einkommen dastanden. Die Siedler haben in sozialen Medien damit gedroht, dass sie in die Stadt zurückkehren und wiederholt ein Pogrom verüben würden. Sie pflasterten die Gegend mit Plakaten, auf denen sie die Armee aufforderten, die „Feinde zu vernichten“. Auf einem heißt es: „Die Intifada ist da. Wir fordern die Zerschlagung! Wir fordern, mit Krieg zu antworten!“
Am Montag stürmten israelische Streitkräfte das Gebiet Umm Said südöstlich von Beit Lahm und zerstörten eine palästinensische Moschee mit der Begründung, sie sei ohne Baugenehmigung errichtet worden. Aber Baugenehmigungen werden vonseiten der israelischen Behörden nie erteilt. Am 23. Januar stürmten Soldaten die palästinensische Stadt Isawiyyeh und die Gemeinde Khan Al-Ahmar in Ostjerusalem, wo sie ein Gewächshaus demolierten.
Das Büro des Hochkommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen (OHCHR) hat kürzlich die Großmächte aufgefordert, Maßnahmen gegen die systematische und willkürliche Zerstörung palästinensischer Gebäude durch Israel zu ergreifen. Israel hat allein im Januar 132 palästinensische Gebäude (darunter 34 Wohnhäuser und 15 von Fördergebern finanzierte Gebäude) in 38 Gemeinden des Westjordanlandes abgerissen. Das ist eine Steigerung um 135 Prozent gegenüber 2022.
Am Montag forderte Ben-Gvir die Polizei auf, während des am 23. März beginnenden Ramadan weiterhin palästinensische Häuser zu zerstören. In der Vergangenheit hatte Israel von einer solchen Praxis abgesehen, um die Spannungen nicht weiter anzuheizen. Die versuchte Vertreibung von Familien aus dem Sheikh-Jarrah-Viertel in Ostjerusalem während des Ramadans im Jahr 2021 war einer der Auslöser für den Raketenbeschuss durch die Hamas. (Die der Muslimbruderschaft nahestehende Gruppe kontrolliert den Gazastreifen.) Kurz darauf bombardierte Israel im Mai desselben Jahres den Gazastreifen, und in den gemischten palästinensisch-jüdischen Städten Israels brachen Unruhen aus.
Israels eskalierender Gewalt und die Nichtbeachtung elementarster Rechte hat im Jahr 2023 bislang zum Tod von mindestens 67 Palästinensern geführt. Das ist auf das Jahr bezogen die höchste Zahl an Toten seit 2005. Es bedeutet, dass pro Tag mehr als ein Palästinenser stirbt. Es ist eine weit höhere Rate als im letzten Jahr, als mindestens 171 Palästinenser im Westjordanland und in Ostjerusalem getötet wurden. Im Vorfeld von Ramadan und Pessach wird so die Bühne für einen gewalttätigen Flächenbrand bereitet, der nicht nur die besetzten palästinensischen Gebiete, sondern auch Israel und seine Nachbarn in den Abgrund reißen könnte.
Diese wachsende Bedrohung hat immer mehr Israelis dazu veranlasst, aus Protest auf die Straße zu gehen. Am vergangenen Samstagabend versammelten sich rund 160.000 Menschen in Tel Aviv, Israels wirtschaftlicher Hauptstadt und größter Stadt. Eine noch größere Zahl nahm an den Pro-Demokratie-Demonstrationen in Jerusalem, Herzliya, Netanya, Beersheba, Haifa, Ashdod und zahlreichen anderen Städten teil. Die Organisatoren sprachen von insgesamt 400.000 Demonstranten.
Dies ist besonders bedeutsam, da sie versucht haben, den Schwerpunkt der Demonstrationen auf den Widerstand gegen Netanjahus Pläne zur Beschneidung der Befugnisse der Justiz zu beschränken. Die wichtigsten Redner auf den Kundgebungen waren ehemalige Generäle, Geheimdienstchefs und Regierungsminister. Die meisten von ihnen waren Mitglieder der schönfärberisch benannten „Regierung des Wandels“ unter der Führung von Naftali Bennett, Yair Lapid und Benny Gantz. Diese dienten in der Vergangenheit auch unter Netanjahu und haben mit ihm nur wenige wesentliche Differenzen.
Bewusst ignorieren sie die wachsende soziale Ungleichheit und Armut sowie die Unterdrückung der Palästinenser. Sie verharmlosen sie und sorgen dafür, dass nur sehr wenige palästinensische Bürger Israels an den Kundgebungen teilnehmen. Ihr einziges Anliegen ist es, den israelischen Staat im Interesse der Plutokraten zu schützen.
Im Gegensatz zur Zurückhaltung des Militärs und der Grenzpolizei bei der Razzia der israelischen Siedler in Huwara hat Polizeipräsident Kobi Shabtai 1.000 Polizeibeamte auf die Demonstrationen vorbereitet, insbesondere in Tel Aviv. Er war entschlossen, sie daran zu hindern, die Ayalon-Autobahn zu blockieren, die Hauptverkehrsstraße der Stadt, die in den letzten Jahren zu einem Symbol des Widerstands bei Demonstrationen geworden ist.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Bis zum „Nationalen Tag der Störung“ am vergangenen Mittwoch hatte die Polizei weitgehend darauf verzichtet, in die Kundgebungen einzugreifen. Sie griffen erst ein, nachdem Ben-Gvir den Polizeichef provokativ aufgefordert hatte, die von ihm als „Anarchisten“ bezeichneten Demonstranten von der „Störung der Ordnung“ abzuhalten.
Am Samstag kam es zu einem zweiten Gewaltausbruch, nachdem die Behörden in Tel Aviv berittene Polizei, Spezialkräfte und Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt hatten, die die Schranken der Ayalon-Autobahn durchbrochen und den Verkehr zum Stillstand gebracht hatten. Sie skandierten „Schande!“ und „Wo wart ihr in Huwara?“ gegenüber den Polizeibeamten, die Protestierende festnahmen. Nach den Kundgebungen sagte Ben-Gvir, er habe nicht die Absicht, sich bei irgendjemandem zu entschuldigen, „schon gar nicht bei den Anarchisten, die Tel Aviv in Brand setzen wollen“.
Die Organisatoren der Proteste kündigten an, dass sie am Donnerstag, den 9. März, einen weiteren „Tag der Störung“ im ganzen Land durchführen würden.
Aber für israelische Arbeiter ist es unmöglich, die Diktaturpläne der Regierung aufzuhalten oder einen totalen Krieg gegen die Palästinenser zu verhindern, ohne den Nationalismus abzulehnen und sich direkt mit den Palästinensern zu verbünden. Das bedeutet, dass sie das zionistische Projekt eines jüdischen Staates ablehnen müssen, das auf der ethnischen Säuberung der palästinensischen Bevölkerung basiert.
Zudem muss die israelische Arbeiterklasse ihre Kämpfe mit denen ihrer arabischen Klassenbrüder und -schwestern zusammenschließen und für den Sturz des kapitalistischen Profitsystems und des nationalstaatlichen Rahmens kämpfen, auf dem dieses System beruht. Gemeinsam müssen sie für die sozialistische Neuorganisation der Wirtschaft in der gesamten Region Nahost kämpfen, damit deren enorme Ressourcen von allen dort lebenden Menschen genutzt werden können.
Für eine solche Perspektive muss man sich gegen all jene Parteien und Organisationen wenden, welche die Arbeiterklasse einem Bündnis mit der einen oder anderen imperialistischen Macht und den arabischen Regimen unterordnen wollen. Es bedeutet, Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in Israel/Palästina und im gesamten Nahen Osten aufzubauen, um diesen Kampf zu führen und zu organisieren.