Im Verlauf der letzten Woche haben in Italien die schwersten flutartigen Überschwemmungen seit einem Jahrhundert 13 Menschenleben gefordert, 20.000 wurden obdachlos, und Tausende weitere sind von Stromausfällen betroffen. In der norditalienischen Region Emilia Romagna traten zwei Dutzend Flüsse über die Ufer und verursachten fast 300 Erdrutsche, die 41 Städte betrafen, 400 Straßen beschädigten und 5.000 Bauernhöfe überschwemmten. Da mehrere Uferdämme Risse zeigen, sind weitere Gebiete gefährdet.
Die Überschwemmungen sind nur die jüngsten in einer ganzen Reihe von Naturkatastrophen in Italien. Durch den vom Kapitalismus angetriebenen Klimawandel sind sie mittlerweile zu einer regelmäßigen Erscheinung geworden. Nur zwei Wochen zuvor waren bei Überschwemmungen in der gleichen Region zwei Menschen ums Leben gekommen. Die verursachten Schäden werden auf ein bis zwei Milliarden Euro beziffert.
Das Formel-1-Rennen in Imola, das am Wochenende in der Region stattfinden sollte, wurde abgesagt. Der Musiker und Songwriter Bruce Springsteen wurde heftig für die egoistische und unsensible Entscheidung kritisiert, am Donnerstagabend wie geplant ein Konzert in Ferrara zu geben.
Von Mittwoch auf Donnerstag fiel innerhalb von 36 Stunden mehr Regen als sonst in zwei Monaten, in manchen Regionen sogar so viel wie sonst in sechs Monaten (50 cm). Der Präsident der italienischen Meteorologischen Gesellschaft, Luca Mercalli, erklärte: „Innerhalb von 15 Tagen wurden in derselben Region zwei Rekorde gebrochen. Ein Ereignis wie am 2. Mai geschieht vielleicht einmal in 100 Jahren, aber nur 15 Tage später passierte es ein zweites Mal.“
Die Reaktion der neofaschistischen Meloni-Regierung war völlig unzureichend, und die Rettungsmaßnahmen wurden durch überflutete Straßen behindert. Für Dienstag wurde eine Krisensitzung einberufen.
Anwohner und Experten haben darauf hingewiesen, dass versäumt wurde, angemessene Hochwasserschutzmaßnahmen vorzubereiten oder die Flussufer auszubauen. Zivilschutzminister Nello Musumeci gab zu, dass in der Region seit 40 Jahren keine Dämme mehr errichtet wurden. Der Europäische Rechnungshof veröffentlichte 2018 einen Bericht, in dem Probleme bei der Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen in ganz Europa festgestellt wurden. Er beschrieb insbesondere ein Flusseinzugsgebiet in Italien, für das eine geschätzte Lücke von 1,1 Milliarden Euro zwischen geplanten und verfügbaren Ausgaben genannt wurde.
Der Präsident des Nationalen Rats der Geologen, Arcangelo Francesco Violo, äußerte sich zu dem Problem ungeplanter, profitgieriger Stadt- und Agrarentwicklung und verwies auf die Auswirkungen „intensiver und ungeordneter Urbanisierung und der hohen Dichte des Bodenverbrauchs“.
Auch der Biologe Andrea Agapito vom WWF Italien erklärte, die Ufervegetation an den Flüssen, die eine lebenswichtige „Schwammwirkung“ hat, sei entfernt worden. Zudem würden „natürliche Überschwemmungsgebiete... für Siedlungen und Ackerbau genutzt“. Die Organisation forderte eine „Anpassung an den Klimawandel, die über die Bewältigung von Notfällen hinausgeht und die Auswirkungen der normalen Planung berücksichtigt“.
Doch die italienische Regierung hat ihren Nationalen Plan zur Anpassung an den Klimawandel erst letzten Dezember veröffentlicht – mit vier Jahren Verzögerung und inmitten von Kritik, dass er stark unterfinanziert ist.
Selbst wenn für diese Maßnahmen ausreichend Geld zur Verfügung gestellt würde, so könnten sie nur die ersten Symptome einer unkontrollierbaren Klimakrise bekämpfen, die alle „Anpassungen“ überrollen wird, wenn sie unkontrolliert bleibt. Laut der italienischen Zivilschutzbehörde sind 94 Prozent der Kommunen des Landes anfällig für Naturkatastrophen. Violo erklärte, die Überschwemmungen seien Teil einer Kette von „extremen [Wetter]-Ereignissen, die schwerwiegende Auswirkungen auf städtische Gebiete haben“, selbst in Gegenden, in denen „Wartungsarbeiten stattfinden“.
Die jüngsten Überschwemmungen sind das Ergebnis von zwei Prozessen, die mit dem Klimawandel zusammenhängen. Der erste ist „eine Zunahme des jährlichen Gesamtniederschlags, aber ein Rückgang der Regentage und ein Anstieg der Niederschlagsintensität an den wenigen Tagen, an denen es regnet“, wie es der Klimaforscher Antonello Pasini vom Nationalen Forschungsrat formulierte.
Die Auswirkungen der sintflutartigen Regenfälle wurden durch die Auswirkungen der langen Dürre noch verstärkt, unter der Italien und ein Großteil Europas letztes Jahr zu leiden hatten – die schlimmste Dürre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und vermutlich die schlimmste des letzten halben Jahrtausends.
Europa erwärmt sich etwa doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt. In den letzten fünf Jahren hat es sich bereits um 2,2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Durchschnitt erwärmt. Im Jahr 2022 erlebte der Kontinent den heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, bei dem durch die extreme Hitze rund 20.000 Menschen ums Leben kamen.
In Italien lagen die durchschnittlichen Temperaturen im Sommer durchweg zwei bis drei Grad über dem jahreszeitlichen Durchschnitt, in einigen Landesteilen sogar zehn Grad darüber. Alleine durch die Hitze starben in 33 Großstädten mehr als 700 Menschen, was einem Anstieg von 20 Prozent im Vergleich zu früheren Durchschnittszahlen entspricht. Sie führte auch zur Verhärtung des Bodens, was das Risiko schwerer Überschwemmungen erhöht.
Mauro Rossi, ein Forscher des Nationalen Forschungsrats Italiens (CNR), erklärte dazu, lange Dürren „trocknen den Boden aus und verändern seine Durchlässigkeit auf verschiedene Weise“. In Verbindung mit „extremen Regenfällen“ werden Überschwemmungen dadurch viel wahrscheinlicher.
Ähnliche Umstände führten letzten November auf der süditalienischen Insel Ischia zum Tod von zwölf Menschen, als schwere Regenfälle einen Erdrutsch verursachten. Im letzten September kamen elf weitere Menschen bei Sturzfluten in der Region Marche ums Leben, und im Juli starben elf Menschen durch Gletscherlawinen in den italienischen Alpen. Derartige Ereignisse werden zunehmend häufiger und bedrohen nicht nur Menschenleben, sondern auch die Lebensgrundlage der Bevölkerung.
Der italienische Bauernverband Coldiretti erklärte unter Berufung auf die Europäische Unwetter-Datenbank, es sei dieses Jahr in Italien fünfmal häufiger zu Extremwetter-Ereignissen gekommen als vor zehn Jahren. Die Organisation erklärte dazu: „Diese Vermehrung von Extremwetter-Ereignissen hat in der Landwirtschaft im Jahr 2022 Schäden im Wert von über sechs Milliarden Euro verursacht, was zehn Prozent [des Werts] der nationalen Produktion entspricht.“ Die Dürre führte im vergangenen Jahr zu einem Rückgang der Ernteerträge um bis zu 45 Prozent.
Italien ist nicht das einzige Land, das derartige Erfahrungen macht. Laut dem Internal Displacement Monitoring Centre musste im Jahr 2020 in Europa und Zentralasien eine Rekordzahl von 126.000 Menschen wegen Überschwemmungen ihr Zuhause verlassen. Weitere 6.200 Menschen wurden durch schwere Stürme vertrieben.
Im Jahr 2021 kamen bei Überschwemmungen in ganz Europa mindestens 243 Menschen ums Leben, die meisten davon in Deutschland und Belgien. Es entstanden Sachschäden in zweistelliger Milliardenhöhe, und 200.000 Haushalte waren vom Stromnetz abgeschnitten. Die Flutkatastrophe im Ahrtal und Umgebung war die tödlichste Naturkatastrophe in Deutschland seit der Nordseeflut von 1962, und fast 200 Menschen kamen in der viertreichsten Volkswirtschaft der Welt dabei ums Leben.
Seither sind 39 Klimaforscher der World Weather Attribution Group zu dem Schluss gekommen, dass die aus der Erderwärmung resultierende wärmere Luft, die mehr Wasserdampf aufnehmen kann, die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe um das 1,2- bis 9-Fache erhöht und die Intensität der Niederschläge in der Region um 3 bis 19 Prozent gesteigert hat.
Im globalen Süden sind die Auswirkungen des Klimawandels noch verheerender. In Somalia spielt sich Ähnliches ab wie in Italien: Hier haben Sturzfluten nach der schlimmsten Dürre seit vier Jahrzehnten laut der somalischen Katastrophenschutzbehörde mindestens 22 Todesopfer gefordert und eine Viertelmillion Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Davor hatte die Dürre im letzten Jahr schätzungsweise 43.000 Todesopfer gefordert, die Hälfte davon waren Kinder unter fünf Jahren.
Pakistan hat sich immer noch nicht vom letzten Sommer erholt, als es von den schwersten Überschwemmungen seiner Geschichte heimgesucht wurde. Es war außerdem eine der teuersten Überschwemmungen der Weltgeschichte: Mehr als 1.700 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden zu Flüchtlingen, mehr als eine Million Häuser, 22.000 Schulen und 13.000 Kilometer Straße wurden zerstört und über eine Million Tiere wurden getötet. Daneben wurden weite Teile der landwirtschaftlichen Flächen verwüstet.
Die Ursachen dieser Katastrophen, und wie man sie revidieren kann, sind seit Jahrzehnten bekannt. Das Intergovernmental Panel on Climate Change veröffentlichte vor zwei Monaten den letzten Teil seines sechsten Sachstandsberichts, in dem es unmissverständlich feststellte: „Das Zeitfenster, in dem wir eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle sichern können, schließt sich rapide. ... [Erforderlich sind] eine tiefgreifende, schnelle und nachhaltige Verringerung der Treibhausemissionen [und] schneller und weitreichender Wandel.“
Er wies höflich auf „Lücken“ zwischen den politischen Versprechen und der Realität hin sowie bei den erforderlichen globalen Investitionen auf „Hindernisse bei der Umlenkung von Kapital in den Klimaschutz“ und auf „Finanzströme, die hinter dem erforderlichen Niveau zurückbleiben“. Kurz gesagt, bedeutet das: Die Kapitalistenklasse ist nicht in der Lage, die Klimakrise zu lösen, und jede neue Katastrophe zeigt die Konsequenzen für den Rest der Menschheit.
Tatsächlich erforderlich ist eine revolutionäre Umgestaltung der Eigentums- und Produktionsverhältnisse, die das blind zerstörerische Prinzip des privaten Profitstrebens durch die geplante und nachhaltige Erfüllung menschlicher Bedürfnisse ersetzt.