Wir rufen alle Autoarbeiter in Deutschland auf, einen Streik ihrer Kollegen in den USA zu unterstützen! Schickt uns Solidaritätsstatements und Erfahrungsberichte über den Stellenabbau und die Arbeitsbedingungen in Euren Betrieben und abonniert hier den Autoarbeiter-Newsletter der WSWS.
Seit Wochen weist die US-Autogewerkschaft United Auto Workers (UAW) ihre 150.000 Mitglieder bei GM, Ford und Stellantis darauf hin, sich auf einen Streik vorzubereiten, wenn ihre Tarifverträge am 14. September um 23:59 Uhr auslaufen. Bei einer Kundgebung zum Labor Day in Detroit erklärte der UAW-Präsident Shawn Fain, dass das Auslaufen des Tarifvertrags „eine Frist und kein Richtwert“ sei. Er fügte hinzu: „Wenn wir unseren Anteil an sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit nicht bekommen, verspreche ich euch eins: Am 14. September werden wir mit allen Mitteln aktiv werden und dafür eintreten.“
Am selben Tag erklärte Präsident Biden jedoch gegenüber Journalisten bei einer Veranstaltung zum Labor Day in Philadelphia, dass er sich „keine Sorgen über einen Streik“ mache, und ergänzte: „Ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird.“
Damit ließ Biden die Katze aus dem Sack. Er enthüllte, was Fain und die UAW-Bürokratie trotz ihrer gegenteiligen öffentlichen Statements der Regierung in zahllosen Gesprächen in den letzten zwei Monaten bereits zugesichert haben.
In einem Akt der Schadensbegrenzung erklärte Fain gegenüber der Detroiter Presse, er sei „schockiert“ über die Äußerungen des Präsidenten. „Er muss etwas wissen, was wir nicht wissen. Vielleicht planen die Autokonzerne, uns entgegenzukommen und unsere Forderungen zu erfüllen.“
Tatsächlich hat Fain den US-Präsidenten schon mehrfach untertänig für seine angebliche „Unterstützung“ gelobt. Seine Behauptung, er sei schockiert über Bidens Kommentar, fiel am selben Tag, an dem er und andere UAW-Funktionäre beim Labor Day in Detroit mit Politikern der Demokratischen Partei marschierten, die im letzten Jahr den Bahnstreik verboten haben. Diese Demokraten waren außerdem daran beteiligt, die Massenentlassungen und Einschnitte im Rahmen der Umstrukturierung von GM und Chrysler unter der Obama-Biden-Regierung 2009 durchzusetzen. Dass die UAW die Demokratische Partei – eine der beiden vom Kapital kontrollierten US-Parteien – unterstützt, ist das sicherste Zeichen dafür, dass Fain und Konsorten einen Ausverkauf vorbereiten.
Die Autoarbeiter haben mit 97 Prozent für einen Streik gestimmt, um jahrelange, von der UAW unterstützte Kürzungen rückgängig zu machen und wesentliche Verbesserungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen zu erreichen. Sie sind wütend über die Inflation, die ihre Gehälter auffrisst, die unerträglichen Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen und den missbräuchlichen Einsatz von Leih- und Zeitarbeitern. Deshalb sind sie entschlossen, sich der wachsenden Streikwelle in den USA und international anzuschließen, unter anderem von Drehbuchautoren, Schauspielern, Beschäftigten im Gesundheitswesen und Lehrern. Diese rebellische Stimmung ist das Dauerthema bei den täglichen Gesprächen zwischen der Biden-Regierung und dem UAW-Apparat, in denen sie überlegen, wie sie den Unmut eindämmen können.
Um die Kontrolle zu behalten, hat Fain eine Reihe von Forderungen der Arbeiter übernommen, darunter eine 40-prozentige Lohnerhöhung, die Wiedereinführung der Cost-of-Living Allowances (COLA) und die Abschaffung des Gehaltsstufensystems. Aber Fain und die von ihm geführte Gewerkschaftsbürokratie haben nicht die Absicht, geschweige denn eine Strategie, für diese Forderungen zu kämpfen.
Fain bereitet sich nicht nur darauf vor, seine unaufrichtigen Vorschläge fallen zu lassen. Er hat auch bereits der Vernichtung von Zehn-, wenn nicht Hunderttausenden von Arbeitsplätzen und massiven Lohnkürzungen zugestimmt, die die Autohersteller im Übergang zur Produktion von Elektroautos fordern. Im Gegenzug verlässt sich die UAW-Bürokratie darauf, dass die Biden-Administration die Autokonzerne dazu bringt, die Gewerkschaft in ihre Pläne einzubeziehen. Letzte Woche lobte Fain das Paket von 15,5 Milliarden Dollar, das die Regierung den Autoherstellern zur Verfügung stellt. Er sagte, damit werde „den Arbeitgebern klar gemacht, dass die Umstellung auf Elektrofahrzeuge starke Partnerschaften mit den Gewerkschaften braucht“.
Wenn es nicht zu einem Aufstand der Belegschaft gegen diese Verschwörung kommt, werden in den kommenden Jahren Hunderttausende Arbeiter entlassen, ihre Kinder und Enkel werden für den Mindestlohn arbeiten und ganze Städte nach dem Vorbild von Flint und Detroit in deindustrialisierte Brachflächen verwandelt. Mit anderen Worten: Der Ausgang dieses Kampfs wird über die Zukunft aller Autoarbeiter und ihrer Kinder entscheiden, nicht nur in den USA, sondern auch in Kanada, Mexiko und auf der ganzen Welt.
Alles hängt jetzt von der Initiative der einfachen Arbeiter ab, diese Verschwörung zu stoppen und einen Vollstreik vorzubereiten, der von den Arbeitern selbst kontrolliert und geleitet wird. Nur so können der Arbeitsplatzabbau und die Lohnkürzungen der Konzerne abgewehrt werden.
In diesem Kampf sollten die Arbeiter die Forderungen von Will Lehman aufgreifen. Der Sozialist und Arbeiter bei Mack Trucks hatte in seiner Wahlkampagne für das Amt des UAW-Präsidenten die Abschaffung und Entmachtung der Gewerkschaftsbürokratie und die Übertragung der Macht in den Betrieben auf die Arbeiter gefordert.
Lehman erhielt bei der Wahl fast 5.000 Stimmen und hätte noch mehr gewonnen, wenn der UAW-Apparat nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt hätte, um die Wahl zu sabotieren und die letzte Wahlrunde auf zwei langjährige Bürokraten, darunter Fain, zu beschränken. Das Ergebnis unterstreicht, dass es in allen Betrieben eine starke Unterstützung dafür gibt, neue Macht- und Entscheidungsorgane der Arbeiter aufzubauen. Lehman verklagt derzeit Bidens Arbeitsministerium, weil es die Wahl gebilligt hatte, obwohl 90 Prozent der UAW-Mitglieder ihr Wahlrecht nicht ausüben konnten.
Fain und seine Anhänger bei den Democratic Socialists of America (DSA) und anderen pseudolinken Organisationen hoffen, dem Vorbild der Gewerkschaftsbürokratie der Transportarbeiter, den Teamsters, zu folgen. Diese hatten vor Ablauf des Tarifvertrags für 340.000 UPS-Beschäftigte eine Einigung angekündigt und dann einen Vertrag durchgesetzt, der auf Lügen, Einschüchterung und zweifelhaften Abstimmungsmethoden beruhte. Dieser „historische“ Tarifvertrag, den die Teamsters unterzeichnet haben, bedeutet Armutslöhne für die Mehrheit der UPS-Beschäftigten und tödliche Arbeitsbedingungen für Paketzusteller.
Sollte die UAW nicht in der Lage sein, einen ähnlichen Deal einzufädeln, und bei Auslaufen der Tarifverträge mit Arbeitsniederlegungen rechnen müssen, könnte Fain gezwungen sein, einen begrenzten Streik in einigen wenigen Werken auszurufen. Ein solcher Arbeitskampf würde die Profite der Autokonzerne und den Streikfonds der UAW in Höhe von 825 Millionen Dollar möglichst wenig belasten. Es wäre nichts als ein PR-Trick, um in der Belegschaft Dampf abzulassen und die Arbeiter auf einen massiven Ausverkauf vorzubereiten.
Die Biden-Regierung ihrerseits bindet die Gewerkschaftsbürokratie stärker in den Staatsapparat ein, um die Kosten der Wirtschaftskrise und der militärischen Konfrontation mit Russland und China auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Dies würde die Art von Sparmaßnahmen und „Arbeitsdisziplin“ bedeuten, die man mit Diktaturen verbindet.
Das sind ihre Pläne – aber die Arbeiter müssen ihnen ihre eigenen Pläne entgegensetzen. Dabei ist es entscheidend, die unabhängige Initiative und Aktivität der einfachen Arbeiter in Opposition zur UAW-Bürokratie und den beiden kapitalistischen Parteien zu entwickeln.
In einem ersten Schritt muss das Netzwerk der Aktionskomitees beim GM-Werk in Flint, Stellantis Warren Truck, GM Delta/Lansing und an anderen Standorten auf alle Werke und Lager ausgedehnt werden. Nur so können Arbeiter die Lügen durchbrechen und Informationen austauschen, die erzwungene Spaltung überwinden und sich über die Grenzen der Gehaltsstufen, Schichten, Werke, Unternehmen, Bundesstaaten und Länder hinweg zusammenzuschließen.
Folgende Forderungen sollten aufgestellt werden: eine sofortige Anhebung des Streikgelds auf 750 Dollar pro Woche, detaillierte Berichterstattung über und Kontrollierung aller Tarifverhandlungen durch die Belegschaft, die Bekanntgabe aller geplanten Werksschließungen und ein Vollstreik der Beschäftigten in der Automobil- und Zulieferindustrie am 15. September.
Diese Strategie muss mit den Kollegen auf der ganzen Welt koordiniert werden, darunter die Autoarbeiter in Kanada, deren Tarifverträge am 18. September auslaufen, ebenso wie die Arbeiter in Mexiko, Deutschland, der Türkei und China, die ebenfalls mit massiven Angriffen auf ihre Arbeitsplätze und Lebensbedingungen konfrontiert sind.
Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) hat die Erklärung „Stoppt das Arbeitsplatzmassaker in der Autoindustrie!“ veröffentlicht und koordiniert den Kampf der Autoarbeiter über nationale Grenzen hinweg.
In einer Woche läuft der Tarifvertrag aus. Es ist keine Zeit zu verlieren. Wir rufen Euch auf, das Netzwerk der Aktionskomitees der Autoarbeiter auszuweiten, alle Kolleginnen und Kollegen über die Fragen zu informieren, die in diesem Kampf auf dem Spiel stehen, und eine neue Führung der Arbeiter aufzubauen. Erst dann kann die große Kraft der Arbeiterklasse mobilisiert werden, um Arbeitsplätze zu verteidigen und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu erkämpfen.