Ford verschiebt Serienproduktion des neuen E-Modells in Köln und kündigt Entlassungen an

Mit Investitionen von 2 Milliarden Euro wurde das Kölner Ford-Stammwerk in den letzten zwei Jahren vollständig auf die Produktion von Elektro-Modellen umgestellt. William Clay Ford Jr., Vorsitzender des Verwaltungsrats des Ford-Konzerns in den USA, und Kanzler Olaf Scholz (SPD) kamen im Juni persönlich zur Neueröffnung.

Ford-Werke Köln-Merkenich [Photo by Raimond Spekking / via Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0]

Doch noch bevor die Serienproduktion eines E-Modells in Köln begonnen hat, steht jetzt wieder alles unter Vorbehalt.

Am 7. Juli rollte der letzte Ford Fiesta in Köln vom Band. Der Kleinwagen wurde erstmals 1976 gebaut. Im Herbst/Winter, spätestens Anfang 2024 sollte die Produktion des elektrischen SUV-Modells Explorer starten, Mitte nächsten Jahres sollte ein zweites Modell hinzukommen, ein unter dem legendären Namen Capri produzierter Crossover. Das alles ist nun Makulatur. Der Konzern hat den Start der Serienproduktion des Explorers auf den Sommer 2024 verschoben.

Der Konzern gab an, eine neue Batteriegeneration von Volkswagen abzuwarten. Denn Ford plant den Explorer auf Basis der von VW entwickelten Elektroplattform MEB einschließlich des Batteriekonzepts zu bauen. Die Entscheidung darüber ist Medienberichten zufolge offenbar in der Konzernzentrale in Detroit gefallen. Die bisher von Volkswagen verwendete Batterie sei nicht so schnell zu laden wie etwa die von koreanischen Konkurrenzmodellen, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nicht besonders geholfen habe auch, dass die Volkswagen-Modelle auf der gleichen technischen Basis, der ID.3, ID.4 und ID.5, derzeit keinen großen Erfolg auf dem Markt hätten.

Im Ergebnis sind nun nur wenige Beschäftigte in Köln mit der Produktion des Explorers in niedrigen Stückzahlen beschäftigt. Diese sollen potenziellen Kunden in den Verkaufsräumen der Händler zur Ansicht gestellt werden. Bestellt werden kann er aber noch nicht.

Im Presswerk, in dem normalerweise 400 Beschäftigte arbeiten, werden zudem einige Karosserieteile für die Ford-Werke in Saarlouis und vor allem im rumänischen Craiova gefertigt.

Doch die meisten der rund 4.000 Arbeiterinnen und Arbeiter in der Produktion in Köln haben derzeit nichts zu tun. „Wir sind aktuell noch in Gesprächen mit unseren Sozialpartnern [gemeint ist der IGM-Betriebsrat], um im Detail zu vereinbaren, was das für die Mitarbeiter bedeutet“, erläutert der Ford-Europa-Chef Martin Sander. Er ließ offen, ob das auch Kurzarbeit bedeuten könnte.

Aber dass das Management gerade mit dem IG-Metall-Betriebsrat einen erneuten Arbeitsplatzabbau aushandelt, ließ er deutlich erkennen. Es sei noch nicht entschieden, wie viele Fahrzeuge tatsächlich produziert werden sollen. „Davon hängt dann auch ab, wie viele Mitarbeiter wir wann für den Explorer beschäftigen können.“ Es gebe auch andere Möglichkeiten, Mitarbeiter im Unternehmen unterzubringen.

Die Kölner Beschäftigten sollten das als eine ernste Warnung verstehen. Die bislang getätigten Investitionen sind keine Garantie, dass tatsächlich die Elektroproduktion wie geplant nach Köln kommt. Das Ford-Werk im belgischen Genk wurde 2014 geschlossen, obwohl zuvor gerade erst investiert worden war.

Das Gerede von „Möglichkeiten, Mitarbeiter im Unternehmen unterzubringen“, soll beschwichtigen und die Belegschaft ruhighalten. Ford setzt gerade auf der ganzen Welt Mitarbeiter auf die Straße. „Wir haben an einigen Stellen einfach zu viele Leute, kein Zweifel“, hatte Fords oberster Chef Jim Farley auf einer Automobilkonferenz im Februar 2022 gesagt. Schon zuvor hatte Ford damit begonnen, Werke in Russland, Großbritannien, Frankreich und zuletzt in Indien zu schließen.

Das Ford-Werk in Saarlouis, das einst mehr als 7000 Menschen Arbeit gab, wird gerade einschließlich der Unternehmen des Zulieferparks von IG Metall und Betriebsrat abgewickelt. Anfang dieses Jahres hatte Ford angekündigt, dass europaweit zusätzlich rund 3.800 Stellen abgebaut werden, davon rund 2.300 vor allem in der Entwicklung und der Verwaltung in Köln. Der Betriebsrat unter Vorsitz von Benjamin Gruschka setzt diesen Abbau derzeit „sozialverträglich“ um.

Doch das scheint nur eine Etappe im weltweiten Arbeitsplatzmassaker zu sein. Wie alle Autokonzerne will Ford im internationalen Konkurrenzkampf die Umstellung auf die Elektromobilität nutzen, um auf Kosten der Beschäftigten seine Renditen zu verdoppeln und zu verdreifachen. Hunderttausende, wenn nicht Millionen Arbeitsplätze in der Automobil- und Zulieferindustrie sollen wegrationalisiert werden. Dass der Bau von Elektromodellen bedeutend weniger Arbeitszeit benötigt, als der von Fahrzeugen mit Verbrennermotoren, kommt ihnen dabei entgegen. Die einst 760 Beschäftigten des alten Motorenwerks in Köln bauen keine Motoren mehr.

Jetzt droht der aktuelle Nachfrageeinbruch nach Elektro-Modellen bei Ford, VW und anderen Herstellern die konkreten Pläne für die Elektromodellproduktion umzuwerfen. Bei Ford ist nicht nur in Köln, sondern auch im spanischen Almussafes (Valencia) fraglich, wann – wenn überhaupt – die Produktion eines neuen Elektromodells startet.

Das Werk in Almussafes war als angeblicher „Sieger“ aus dem von Gewerkschaft und Betriebsrat unterstützten Bieterwettbewerb mit dem Werk in Saarlouis hervorgegangen. Doch auch dort ist eineinhalb Jahre später noch keine Entscheidung für ein Elektro-Modell gefallen. Im Gegensatz dazu verliert Ford keine Zeit, die Lohnkürzungen und den Arbeitsplatzabbau umzusetzen, den die dortigen Betriebsräte der Gewerkschaft UGT unterzeichnet haben. Die Beschäftigten haben nach Gewerkschaftsangaben bereits zehn Prozent ihrer Reallöhne eingebüßt und werden bis 2025 weitere zehn Prozent verlieren.

Obwohl die Umstellung auf Elektroautos ein wichtiger Faktor bei der Umstrukturierung der Autoindustrie ist, sind die anhaltenden Entlassungen in der gesamten Autoindustrie Teil eines umfassenderen Angriffs auf die Rechte der Arbeiter. Die herrschenden Klassen der großen imperialistischen Staaten reagieren auf die internationale Krise des Kapitalismus mit Krieg nach innen und außen. Der Krieg gegen Russland dient nicht der Verteidigung der Ukraine oder gar der Demokratie und den Menschenrechten. Es geht um wirtschaftliche und geostrategische Interessen. So spielt die Kontrolle über die Bodenschätze Russlands und der Ukraine eine zentrale Rolle – vor allem über die für die Elektromobilität wichtigen seltenen Erden, Lithium, Kobalt, Kupfer usw.

Insbesondere die USA und Deutschland sind gerade dabei, ihre gesamte Wirtschaft auf Krieg auszurichten. Die Milliarden, die in die Aufrüstung der eigenen Streitkräfte und die Ukraine gehen, müssen über Kürzungen aus der arbeitenden Bevölkerung herausgepresst werden – direkt über Reallohnsenkungen und indirekt über Kürzungen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem, in der Daseinsvorsorge und in der Infrastruktur.

Dagegen wächst nun der Widerstand. In den USA drängen die rund 150.000 Beschäftigten der „Großen Drei“ – Ford, General Motors und Stellantis – auf einen Vollstreik und werden dabei von der Autoarbeitergewerkschaft UAW (United Auto Workers) zurückgehalten. Obwohl sich 97 Prozent aller Beschäftigten für einen Streik ausgesprochen haben, lässt die UAW nur 14.000, also weniger als 10 Prozent streiken. Dabei achtet sie genau darauf, dass die Arbeitsniederlegungen keinerlei negative Auswirkungen auf die Profite der Konzerne haben.

Inzwischen zeichnet sich ab, dass die UAW unter ihrem Vorsitzenden Shawn Fain einen Pilot-Tarifvertrag bei Ford nutzen will, um allen Autoarbeitern Reallohnsenkungen und Arbeitsplatzabbau aufzuzwingen. Dazu hat die kanadische Gewerkschaft schon einen Vertrag mit Ford für die dortigen 5600 Arbeiterinnen und Arbeiter durchgeboxt. Die UAW haben zuletzt die Ersatzteilzentren von Ford, anders als die von GM und Stellantis, vom Streik ausgeschlossen.

Die drohenden Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne bei Ford in Köln sind nur abzuwehren, wenn sich die dortigen Beschäftigten nicht spalten lassen und sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen in den USA, in Spanien, Rumänien, der Türkei, Großbritannien und anderen Ländern vereinen.

Die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte vor Ort haben sich zur Hauptaufgabe gemacht, das zu hintertreiben und die Angriffe im Auftrag ihrer Herren in den oberen Konzernetagen gegen die Belegschaften durchzusetzen. Daher müssen sich die Ford-Beschäftigten unabhängig von ihnen in Aktionskomitees organisieren. In Saarlouis haben dies Ford-Kolleginnen und -Kollegen begonnen. Auch in Köln und anderen Ford-Standorten müssen solche Aktionskomitees aufgebaut werden. Kontaktiert uns dazu über eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +49 163 33 78 340 und registriert euch über das untenstehende Formular.

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