Die pseudolinken Tendenzen innerhalb und im Umfeld der Linkspartei reagieren auf die Massenmobilisierung gegen die AfD und die Zunahme von Streiks und Protesten in Deutschland und international mit einem weiteren Rechtsruck. Sie fürchten, dass die Opposition gegen Faschismus und die Wut über soziale Ungleichheit, Flüchtlingshetze und Kriegspolitik der Kontrolle von Regierung und Gewerkschaftsbürokratie entgleiten und unabhängige Formen annehmen.
Während die Sozialistische Gleichheitspartei dafür kämpft, die Proteste und Streiks zu einer bewussten Bewegung der Arbeiterklasse gegen die Regierung und den Kapitalismus zu entwickeln, verteidigen Marx 21, SAV und RIO Organisationen, die für die rechte Politik und den Aufstieg der Faschisten verantwortlich sind. Ihre Orientierung auf die Regierungsparteien, die Gewerkschaften und den bürgerlichen Staat richtet sich nicht gegen die AfD, sondern zielt darauf ab, eine unabhängige sozialistische Bewegung der Arbeiterklasse gegen Kapitalismus, Faschismus und Krieg zu unterdrücken.
Marx 21 und der Ruf nach dem bürgerlichen Staat
Besonders deutlich zeigt das der Ruf von Marx 21 nach einem AfD-Verbot. Die staatskapitalistische Tendenz, der die Linkspartei-Vorsitzende Janine Wissler entstammt, erklärt in einem Kommentar, dass ein „staatliches Parteienverbot“ der AfD „ein harter Schlag gegen die mächtigste rechte Struktur seit Jahrzehnten“ wäre. „Mit einem AfD-Verbot wäre nicht nur der Geldhahn zu, sondern auch ein umfassendes Betätigungsverbot verbunden. Die AfD und direkte Nachfolgeorganisationen dürften nicht mehr aktiv sein.“
Um nicht als vollkommen kritiklose Unterstützerin des von rechten Kräften durchsetzten staatlichen Unterdrückungsapparats dazustehen, bemerkt Marx 21 pro forma, dass die Forderung nach einem Verbot auch „mit vielen Fallstricken“ verbunden sei. So habe der Staatsapparat „in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass er auf dem rechten Auge blind ist“. Nur um dann ihre Forderung zu bekräftigen: „Wenn eine antifaschistische Bewegung sich geschlossen hinter einer Verbots-Kampagne versammelt, sollten wir nicht sektiererisch den Trotzkopf geben.“
Tatsächlich hat der Kampf gegen die Konzeption, der bürgerliche Staat könne eine Rolle im Kampf gegen rechts spielen, nichts mit Sektierertum zu tun, sondern ist elementare Voraussetzung für den Aufbau einer wirklich antifaschistischen Bewegung. Der Staatsapparat ist nicht nur „auf dem rechten Auge blind“, sondern ein Zentrum der rechten Verschwörung. Polizei, Militär und Geheimdienste sind von rechtsextremen Kräften durchsetzt und spielen eine zentrale Rolle beim Aufstieg der AfD.
Am deutlichsten wird das mit Blick auf den Verfassungsschutz. Er wurde mit Hans-Georg Maaßen jahrelang von einem Faschisten geführt, der sich mehrfach mit Vertretern der AfD traf, um die Verfassungsschutzberichte zu diskutieren. Maaßen war von den etablierten Parteien an die Spitze des Inlandsgeheimdiensts berufen worden, um die rechten Netzwerke zu stärken und den Staatsapparat noch direkter auf die Illegalisierung des Marxismus und die Unterdrückung jeder linken Opposition auszurichten.
Es ist der Gipfel der Geschichtsfälschung, wenn Marx 21 den Ruf nach dem bürgerlichen Staat im Namen Trotzkis rechtfertigt. „Es kann nicht unsere Strategie sein, einzig auf eine soziale Revolution zu setzen, mit der sich der Faschismus dann erledigen wird“, schreibt die Gruppe. „Ganz im Sinne von Trotzkis Bild vom primären Kampf gegen die Pistole des Faschismus in der Hand und dem kaum weniger wichtigen Kampf gegen das langsam wirkende Gift des Kapitalismus, muss es unser Ziel sein, erstmal dem Gegner die Waffe aus der Hand zu schlagen.“
Die Behauptung, Trotzki – neben Lenin der wichtigste Führer der Oktoberrevolution und Begründer der Linken Opposition und der Vierten Internationale – habe auf den bürgerlichen Staat gesetzt, um den Faschismus zu unterdrücken, stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Trotzki kämpfte vehement gegen die Position der SPD, der bürgerliche Staat und seine Organe könnten für den Kampf gegen den Faschismus genutzt werden. Mit ihrer sklavischen Orientierung auf Staat, Polizei und Reichswehr im Kampf gegen Hitler („Staat greif ein“) arbeiteten die „überlebten Reformisten auch an der bürokratischen Front für die Faschisten“, charakterisierte Trotzki die Politik der SPD in „Was nun?“.
Die Geschichte bestätigte Trotzkis Warnung. Hitler wurde im Januar 1933 durch eine Verschwörung in Politik, Wirtschaft und Militär an die Macht gebracht. Am 23. März 1933 stimmten dann alle bürgerlichen Parteien für das Ermächtigungsgesetz und händigten Hitler und den Nazis diktatorische Vollmachten aus.
Den „Pistole-Gift“-Vergleich machte Trotzki nicht, um eine Unterstützung für die reaktionären Kräfte zu rechtfertigen, die Hitler dann zur Macht verhalfen, wie Marx 21 suggeriert. Er stammt aus einem Brief an einen deutschen Arbeiter-Kommunisten vom Dezember 1931, der unter dem Titel „Wie wird der Nationalsozialismus geschlagen?“ veröffentlicht wurde. Trotzki setzt sich darin für die Taktik der Einheitsfront gegen die stalinistische Politik des Sozialfaschismus ein.
Die KPD weigerte sich strikt, für eine Einheitsfront mit der SPD – die damals anders als heute noch von einem erheblichen Teil der Arbeiterklasse unterstützt wurde – zur Abwehr der Nazis einzutreten. Sie vertrat stattdessen eine ultralinke Linie, die die Sozialdemokratie mit dem Faschismus gleichsetzte, die Arbeiterklasse spaltete und verwirrte und große Teile des Kleinbürgertums der faschistischen Demagogie Hitlers auslieferte. Die KPD lehnte nicht nur jede Zusammenarbeit mit der SPD gegen die faschistische Gefahr ab, sondern machte in einigen Fällen sogar gemeinsame Sache mit den Nazis – etwa als sie 1931 den von der NSDAP initiierten Volksentscheid zum Sturz der SPD-geführten Regierung Preußens unterstützte.
Gegen diese verheerende Politik kämpfte Trotzki. Er erklärte, der Gedanke des Zentralkomitees der KPD, „dass man den Faschismus nicht besiegen kann, ohne zuvor die Sozialdemokratie besiegt zu haben“, sei zwar im „historischen Maßstab“ unbedingt richtig. Das bedeute aber nicht, „dass man mit seiner Hilfe, das heißt durch seine bloße Wiederholung, die Tagesfragen lösen kann“.
Ein „vom Standpunkt der revolutionären Strategie im Ganzen richtiger Gedanke“ schlage „in Lüge um“, wenn man „ihn nicht in die Sprache der Taktik“ übersetze. Da es nicht möglich sei, „dass die Kommunistische Partei in den nächsten Monaten sowohl die Sozialdemokratie als auch den Faschismus“ niederwerfe, laufe die Ablehnung der Einheitsfront darauf hinaus, dass die KPD-Führung „den Sieg des Faschismus für unvermeidlich“ halte. In diesem Zusammenhang führt Trotzki den „Pistole-Gift“-Vergleich an. Um den Nazis „den Revolver aus der Hand zu schlagen“, müsse man für eine Einheitsfront mit der SPD eintreten.
Trotzki trat nicht für eine Vermischung der Programme von KPD und SPD ein. Er wies die Verleumdung der KPD zurück, er verlange, dass sie, wie die SPD es tat, das halbdiktatorische Regime von Heinrich Brüning als „kleineres Übel“ unterstütze. Die Frage, ob Hitler oder Brüning das „kleinere Übel“ sei, habe „keinen Sinn, denn das System, das wir bekämpfen, benötigt alle diese Elemente. Aber diese Elemente befinden sich augenblicklich im Zustand des Konflikts und die Partei des Proletariats muss diesen Konflikt im Interesse der Revolution ausnützen.“
Dazu diente die Taktik der Einheitsfront. „Wenn einer der Feinde mir täglich mit kleinen Giftportionen zusetzt, der zweite aber aus dem Eck hervorschießen will, so schlage ich vor allem diesem zweiten Feind den Revolver aus der Hand, denn das gibt mir die Möglichkeit, mit dem ersten Feind fertig zu werden. Dies heißt aber nicht, dass Gift im Vergleich zum Revolver ein ‚kleineres Übel‘ ist.“
Die Einheitsfront wie sie Trotzkis propagierte, diente dazu, die Arbeiter im Angesicht der faschistischen Gefahr vom lähmenden Einfluss der Sozialdemokratie zu lösen und für ein revolutionäres sozialistisches Programm gegen den Kapitalismus zu gewinnen. Im Brief, den Marx 21 bezeichnenderweise weder nennt noch genau zitiert, heißt es: „Diese für das ganze Proletariat gemeinsame Front des direkten Kampfs gegen den Faschismus muss man für den von der Flanke geführten, darum aber nicht minder wirksamen Kampf gegen die Sozialdemokratie ausnützen.“
Trotzki bestand darauf, dass letztlich nur eine „soziale Revolution“ den Faschismus aufhalten kann. Er verstand wie kein Zweiter, dass der Faschismus ein Produkt der kapitalistischen Krise ist und nur durch die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gestoppt werden kann. Der kapitalistischen Politik von Faschismus und Krieg setzte er die Strategie der sozialistischen Weltrevolution entgegen. Das ist auch heute die einzige gangbare Perspektive.
Anders als in den 1930er Jahren gibt es heute zwar keine faschistische Massenbewegung und keine Arbeitermassenparteien, aber die Rolle des Staats und der bürgerlichen Parteien ist die gleiche. Wie damals reagieren die bürgerlichen Institutionen und Parteien, zu denen heute auch die SPD gehört, auf die kapitalistische Krise mit einer Hinwendung zum Faschismus. Sie haben die AfD systematisch stark gemacht und auf Bundes- und Landesebene in die parlamentarische Arbeit integriert. Das Programm der AfD – Massenabschiebungen, massive militärische Aufrüstung und die Unterstützung des Völkermords in Gaza – setzen sie dabei längst in die Tat um.
Wenn die Regierungsparteien und die Gewerkschaften nun unter der Parole „Gemeinsam für Demokratie“ in die Massenproteste gegen die AfD eingreifen, geht es ihnen darum, ihre eigene rechte Agenda abzudecken und die Proteste dem Staatsapparat unterzuordnen.
SAV verherrlicht Rot-Rot-Grün und die Gewerkschaften
Diese Orientierung wird von den Pseudolinken unterstützt. Die SAV, die wie Marx 21 fester Bestandteil der Linkspartei ist, schürt in ihren Artikeln zu den Protesten ebenfalls Illusionen in den bürgerlichen Staat. „Ein konsequentes Verbot aller faschistischen Organisationen und deren Zerschlagung, die Beschlagnahme ihres Besitzes und die Inhaftierung von bisher frei herumlaufenden Nazi-Gewalttätern und rassistischen Hetzer*innen, verbunden mit einer klaren Haltung des Staates gegen Rassismus und der Unterstützung antifaschistischer Vernetzung und Bildungsarbeit, würde im Kampf gegen rechts helfen“, heißt es in einem Artikel.
Dabei weiß die SAV genau, wie absurd es ist, dem von Rechtsextremen durchsetzten Staatsapparat, der einen regelrechten Krieg gegen Antifaschisten und Linke führt, derartige Eigenschaften anzudichten. „Allerdings ist das nicht die Strategie der bürgerlichen Parteien oder der wirtschaftlich Herrschenden“, stellt der Artikel lapidar fest. Die „Forderung nach einem Verbot der AfD durch den Staat“ stelle man deshalb „nicht auf“.
Das ändert nichts an der reaktionären Orientierung. Während Marx21 explizit nach dem Staat ruft, tut die SAV das indirekt, indem sie Illusionen in die nominell „linken“ Regierungsparteien schürt und nach der Linkspartei und den Gewerkschaften ruft. SPD und Grüne stellten einen „demokratischen Gegenpol“ zur AfD dar, suggeriert die SAV in einem Statement mit dem Titel „Wie stoppen wir AfD und Rechtsruck?“
Gleichzeitig appelliert sie an Die Linke, aktiver in die Proteste einzugreifen, um ihnen die Spitze zu brechen: „Die Partei Die Linke muss sich entscheiden, ob sie die Proteste passiv unterstützt und sich als weitere ‚demokratische Partei‘ neben SPD und Grüne stellt oder sich von ihnen abgrenzt, mit eigenen Forderungen eingreift und sich klar gegen Kürzungspolitik und staatlichen Rassismus positioniert.“
Schon das Eingeständnis, dass sich ihre Mutterpartei Die Linke de facto nicht von SPD und Grünen unterscheidet, entlarvt die SAV als im Kern rechte, bürgerliche Tendenz. Als führende Parteien der Ampelkoalition verschärfen SPD und Grüne ständig den Kriegskurs gegen Russland und im Nahen Osten, rüsten massiv auf und lassen die Arbeiterklasse dafür zahlen. Erst in der vergangenen Woche verabschiedete die Ampel den größten Kriegshaushalt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der mit heftigen Angriffen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Soziales einhergeht.
Gleichzeitig verwirklicht die Ampelkoalition in der Flüchtlingspolitik das Programm der Faschisten. Am 18. Januar verabschiedete sie das „Rückführungsverbesserungsgesetz“, das die Rechte von Flüchtlingen weiter einschränkt und die von der AfD geforderten Massendeportationen vorbereitet. Asylbewerber ohne Bleiberecht, die seit Jahren hier leben und arbeiten, können nun ohne Vorwarnung abgeholt, fast einen Monat lang inhaftiert und gewaltsam abgeschoben werden. Die Polizei darf nicht nur ihre Unterkunft und ihre Handys, sondern auch die Unterkunft von Nachbarn ohne Genehmigung durchsuchen.
Die Linkspartei positioniert sich nicht gegen „Kürzungspolitik und staatlichen Rassismus“, wie die SAV glauben macht, sondern setzt sich vehement dafür ein. Überall dort, wo sie auf Länderebene zusammen mit SPD und Grünen regiert, setzt sie das flüchtlings- und arbeiterfeindliche Programm besonders aggressiv durch. Besonders Thüringen – wo Die Linke mit Bodo Ramelow ihren einzigen Ministerpräsidenten stellt – ist berüchtigt für brutale Deportationen, hohe Abschiebequoten und die Stärkung der AfD durch die etablierten Parteien, an der sich auch Die Linke aktiv beteiligt.
Die gleiche rechte Orientierung der Pseudolinken zeigt sich in ihrer Verherrlichung der Gewerkschaften. Diese spielten beim Aufbau einer Bewegung, die „der AfD den Nährboden entziehen“ und „die Verhältnisse überwinden [kann], von denen rechte Kräfte profitieren“, eine „zentrale Rolle“, behauptet die SAV. Die Gewerkschaften „bringen Arbeiter*innen mit und ohne Migrationshintergrund zusammen und erklären ihren Mitgliedern den Interessengegensatz zwischen Arbeiter*innen und Kapitalist*innen“.
Das ist nichts als ein Wolkenkuckucksheim. Tatsächlich stehen die Gewerkschaften im Klassenkampf seit langem ausschließlich auf der Seite des Kapitals. Mit dem Ausverkauf von Arbeitskämpfen und Streiks und der systematischen Unterdrückung des Klassenkampfs sind sie es, die den „Nährboden“ für die Faschisten schaffen und die kapitalistischen Verhältnisse auf einer extrem rechten Grundlage verteidigen. Sie unterstützen explizit den Kurs der Regierung.
Erst vor wenigen Tagen erneuerten die DGB-Spitze und führende Betriebsräte auf Einladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihren Pakt mit Regierung und Kapital. Er hat zum Ziel, den rechten Kriegs- und Austeritätskurs voranzutreiben und die wachsende Opposition in der Arbeiterklasse dagegen zu unterdrücken.
RIOs „Einheitsfront“ mit rechten bürgerlichen Kräften
Die Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO), die formal nicht Teil der Linkspartei ist, übernimmt die Aufgabe, dieser rechten Orientierung auf Regierungsparteien und Gewerkschaften einen „unabhängigen“ oder sogar „antikapitalistisch-revolutionären“ Anstrich zu verleihen. In einem Leitartikel auf ihrer Website Klasse Gegen Klasse zu den Massenprotesten betont sie die Notwendigkeit „für einen Antifaschismus von Unten statt von Oben“ und erklärt: „Ampel, Union und Konzerne sind keine Verbündeten im Kampf gegen rechts.“
Nur um dann doch ein Bündnis mit genau diesen rechten Kräften zu propagieren! „Uns schwebt ... keineswegs nur eine ‚Einheitsfront unter Linken‘ vor“, schreibt RIO. „Es reicht nicht, wenn alle linken Kräfte sich für Aktionen gegen Rechts koordinieren. Damit würden wir nämlich die Millionen von Menschen nicht erreichen, die zwar bereit sind, gegen die AfD auf die Straße zu gehen, aber noch keinen Bruch mit der Regierung und ihren Organisationen im erweiterten Staat vollzogen haben.“
Mit anderen Worten: die „Einheitsfront“ von RIO umfasst selbst die nominell rechten kapitalistischen Parteien, die ihre Unterstützung für die Anti-AfD-Demonstrationen heucheln. Und Organisationen wie die Gewerkschaften und Fridays vor Future, die RIO besonders vehement anpreist. Die Gruppierung macht das in vollem Bewusstsein, dass sie damit eine in jeder Hinsicht rechte und pro-militaristische Agenda unterstützt.
Die Ampel-Parteien seien „so weit nach rechts gerückt, dass sie das Programm der AfD in light umsetzen“, schreibt Klasse gegen Klasse. Und auch Die Linke verfolge eine auf Regierungsbeteiligungen ausgerichtete Politik, „die zusammen mit SPD und Grünen dafür verantwortlich war, dass in keinem Bundesland so viel abgeschoben wurde wie in Berlin“. FFF habe eine „angepasste Haltung zur Regierung“, die in der Unterstützung für die Grünen und „in der pro-israelischen Position von FFF Deutschland“ zum Ausdruck komme.
Das Gleiche gelte für die Gewerkschaften, „deren Führungen gemeinsam mit der Regierung, Linkspartei und der Union zu pro-israelischen Kundgebungen aufgerufen haben“. Trotzdem müsse man die Führung der „großen Massenorganisationen“ wie der Gewerkschaften und der Klimabewegung „dazu zwingen, die Forderungen und Methoden zu radikalisieren und ihre Beziehungen mit den bürgerlichen Parteien abzubrechen.“
Das hat etwas von politischer Schizophrenie. Die Führer von FFF und der Gewerkschaften, wie Luisa Neubauer (Grüne/FFF) oder die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi (SPD), sind selbst bürgerliche Politiker und werden einen Teufel tun, ihre Beziehungen zu sich selbst und den Parteien, denen sie angehören abzubrechen. Sie reagieren auf die Proteste, indem sie immer aggressiver ihr pro-kapitalistisches und militaristisches Programm, das im Kern dem der AfD entspricht, verfolgen.
Der Begriff der „Einheitsfront“ dient RIO dazu, diese Realität zu verschleiern. Wie bereits oben ausgeführt, verfolgte die von Trotzki vorgeschlagene Taktik der Einheitsfront Anfang der 1930er Jahre in Deutschland das Ziel, die Arbeiterklasse im Angesicht der faschistischen Gefahr zu vereinen und dabei sowohl den Fatalismus der Kommunistischen Partei zu überwinden, als auch die Arbeiter vom lähmenden Einfluss der Sozialdemokratie zu lösen und für ein revolutionäres sozialistisches Programm zu gewinnen.
RIOs „Front“ ist auf das gegenteilige Ziel ausgerichtet und dient der Unterordnung der Arbeiter unter rechte bürgerliche Organisationen. Die Gewerkschaften sind heute – genauso wie SPD und Linkspartei – keine reformistischen Organisationen mehr, die zumindest in Tagesfragen die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, sondern eine Art Betriebsmafia, die im Interesse von Staat und Konzernen die Zerstörung von Arbeitsplätzen und Löhnen organisieren und Streiks und soziale Kämpfe unterdrücken, um die Kriegspolitik der Regierung gegen den wachsenden Widerstand durchzusetzen.
Arbeiterfeindliche Wurzeln
Wenn die Pseudolinken diese Kräfte als Bündnispartner im Kampf gegen Faschismus verherrlichen ist das kein Missverständnis, sondern wurzelt in ihrer eigenen Klassenorientierung und politischen Geschichte.
Die Trotzkistische-Fraktion – Vierte Internationale (FT-CI), der RIO seit 2011 angehört, ist trotz ihres Namens keine trotzkistische Tendenz. Sie steht in der Tradition des argentinischen Pablisten Nahuel Moreno, der die Liquidierung der Vierten Internationale in Lateinamerika verfolgte und die Arbeiterklasse immer wieder bürgerlichen und kleinbürgerlichen Nationalisten unterordnete – von Juan Peron in Argentinien bis zu Fidel Castro in Kuba –, mit katastrophalen politischen Folgen.
Marx 21 steht in der Tradition der von Tony Cliff gegründeten International Socialist Tendency (IST), die vor mehr als sechzig Jahren ihre Feindschaft gegen die Vierte Internationale und den Trotzkismus erklärte. Damals bezeichnete sie die Sowjetunion als „staatskapitalistisch“ und lehnte es ab, sie im Falle eines Angriffs der imperialistischen Mächte zu verteidigen. Wie frühere Spielarten des „Staatskapitalismus“ war Cliffs Haltung eine Anpassung an den Imperialismus und eine mit linken Phrasen garnierte Form des Antikommunismus.
Die SAV hat als Mitglied des Committee for a Workers International (CWI) ihre Wurzeln in der britischen Militant-Tendenz, die dafür berüchtigt ist, selbst den rechtesten sozialdemokratischen Organisationen einen fortschrittlichen Charakter anzudichten. Bis Mitte der 1990er Jahre arbeitete die SAV innerhalb der SPD und versuchte, ihr einen linken und sogar sozialistischen Anstrich zu verpassen. Die gleiche Rolle spielt sie heute in Bezug auf die Linkspartei.
Mit ihrer Orientierung auf den kapitalistischen Staat und auf rechte bürgerliche Parteien und Organisationen sprechen Marx21, SAV und RIO nicht für die Interessen der internationalen Arbeiterklasse. Sie artikulieren die Interessen wohlhabender Mittelschichten, die in der tiefsten Krise des Kapitalismus seit den 1930er Jahren weit nach rechts rücken und eine unabhängige revolutionäre Bewegung der Arbeiter fürchten. Der Kampf gegen Faschismus erfordert genauso wie der Kampf gegen Militarismus, Sozialabbau und Krieg eine schonungslose Abrechnung mit diesen pro-kapitalistischen und historisch arbeiterfeindlichen Strömungen und ihren reaktionären Konzeptionen.