Perspektive

US-Regierung verteidigt Rafah-Massaker und missachtet öffentliche Meinung

Am Mittwoch stellte sich die Biden-Regierung hinter die israelischen Luftangriffe auf die Flüchtlingslager in Rafah, wo viele Frauen und Kinder Zuflucht gesucht haben. Beim Angriff am Sonntag wurden 45 Menschen getötet, am Dienstag weitere 21.

Der Sprecher für nationale Sicherheit im Weißen Haus, John Kirby, erklärte, die Luftschläge seien „begrenzt“ und „gezielt“ gewesen. Sie hätten ihr Ziel erreicht, „Hamas-Vertreter und ein Hamas-Lager zu töten“. Mit dieser Billigung der Massaker und der Offensive gegen Rafah macht die Biden-Regierung erneut deutlich, dass sie sich das Recht nimmt, Kriegsverbrechen und Völkermord in unbegrenztem Ausmaß zu unterstützen.

John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA [AP Photo/Andrew Harnik]

Ein Journalist fragte: „Wie viele verkohlte Leichen muss er noch sehen, bevor der Präsident eine Änderung in Betracht zieht?“ Kirby erklärte unverblümt, es werde „keine Änderungen der Politik“ geben.

Auf die Frage, ob das Weiße Haus auf die Vorwürfe gegen Israel und die Vereinigten Staaten nach den Anschlägen reagieren werde, antwortete Kirby:

Der Präsident trifft keine Entscheidungen und führt keine Politik auf der Grundlage von Meinungsumfragen durch. Er stützt seine Entscheidungen auf unsere eigenen nationalen Sicherheitsinteressen.

Das ist ein offenes Eingeständnis der Regierung, mit dem sie sich bewusst über die Meinung der großen Mehrheit der Bevölkerung hinwegsetzt, die die amerikanische Unterstützung des Völkermords im Gazastreifen ablehnt.

Darüber hinaus erklärt Kirby, dass das Handeln der Regierung nicht durch den Willen des Volkes bestimmt wird, sondern durch die „nationalen Sicherheitsinteressen“ des Staates, d. h. die globalen Interessen der Finanzoligarchie, in deren Namen der Staat regiert.

Joseph Kishore, Kandidat der Socialist Equality Party für das Amt des US-Präsidenten, kommentierte Kirbys Aussage: „Deutlicher kann man nicht erklären, dass die Massenproteste gegen den Völkermord und den sich ausweitenden globalen Krieg die Regierungspolitik nicht ändern werden, die von den kapitalistischen Eliten diktiert wird.“

Weiter sagte Kishore: „Jemand könnte Kirby an die Unabhängigkeitserklärung erinnern, in der es heißt, dass ‚Regierungen unter den Menschen eingerichtet werden, die ihre rechtmäßige Macht aus der Zustimmung der Regierten herleiten; dass, wenn irgendeine Regierungsform sich für diese Zwecke als schädlich erweist, es das Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen …‘.“

Die Biden-Regierung geht davon aus, dass sie in der „Demokratie“ machen kann, was sie will. Wahlen werden als reine Formalität betrachtet, die ihrer Politik eine Scheinlegitimität verleihen sollen, obwohl die große Mehrheit der Bevölkerung sie ablehnt

Wann hat Biden während seiner Wahlkampagne im Jahr 2020 der Öffentlichkeit gesagt, dass er Israel erlauben wird, Zehntausende von Palästinensern zu massakrieren und eine Bevölkerung von zwei Millionen auszuhungern?

Neben der repräsentativen Form der Regierung kann der Volkswille auch durch Proteste zum Ausdruck gebracht werden, oder – wie es im ersten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung heißt – durch „das Recht des Volkes, sich friedlich zu versammeln und an die Regierung eine Petition zur Abstellung von Missständen zu richten“.

Doch in den Vereinigten Staaten wird es kriminalisiert, sich friedlich zu versammeln. In den vergangenen zwei Monaten wurden fast 3.000 Amerikaner verhaftet, weil sie friedlich gegen den Genozid in Gaza demonstriert haben.

Die amerikanische Regierung übernimmt eine totalitäre Vision der Gesellschaft, in der die Wahrung der nationalen Sicherheitsinteressen des Staates, dem Hüter der Interessen der Finanzoligarchie, der grundlegende Zweck ihres Daseins ist und jegliche Opposition mit Gewalt unterdrückt werden soll.

Diese Auffassung wurde Anfang des Monats in einer Diskussion zwischen dem ehemaligen US-Generalstabschef Mark Milley und Alex Karp, dem CEO des Verteidigungsunternehmens Palantir, deutlich. Karp erklärte, die Antikriegsdemonstranten seien „eine Infektion in unserer Gesellschaft... Wenn man diese Leute aufhalten will, muss man bereit sein, hart zu sein.“

Der Völkermord in Gaza markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der Orientierung der herrschenden Klasse auf offen kriminelles Handeln im Ausland und Diktatur im Inland. Die enormen Verbrechen, die in Gaza verübt werden, sind die Vorbereitung auf noch größere Verbrechen. Weltweit wird eine rasende Eskalation des Kriegs vorangetrieben.

Alle Institutionen der Klassenherrschaft unterstützen den hemmungslosen Militarismus und die imperialistische Barbarei. Die Medien spielen die ihnen zugedachte Rolle. In einem Kommentar in der New York Times, der am Mittwoch erschien, verurteilte der Journalist Bret Stephens jegliche Einschränkung der Kriegsführung. Weder die Zahl der Zivilisten, die Israel töten darf, noch das Ausmaß eines US-Kriegs mit der Atommacht Russland sollte aus seiner Sicht berücksichtigt werden.

„Kriege sind nicht Friede, Freude, Eierkuchen. Es gibt fast nie einen goldenen Weg, auf dem man es richtig macht“, so Stephens. „Entweder ist man auf dem Weg zum Sieg oder auf dem Weg zur Niederlage.“ Mit anderen Worten: Jeder Versuch, den Krieg zu „begrenzen“, sei es durch die Einhaltung des Völkerrechts oder sogar durch Selbsterhaltung, ist ein Rezept für die Niederlage. Der Sieg wird durch Brutalität erreicht.

Stephens schreibt:

Nationen ... neigen dazu, Führer heilig zu sprechen, die angesichts der schrecklichen Wahl des Übels, die jeder Krieg mit sich bringt, moralisch kompromittierte Siege den moralisch reinen Niederlagen vorzogen.

Stephens’ Aussage ist de facto ein Plagiat einer Rede von Adolf Hitler, die er 1939 vor dem deutschen Oberkommando hielt. Hitler forderte die Wehrmacht auf, Kriegsverbrechen zu begehen und sich über international geltendes Völkerrecht hinwegzusetzen.

Hitler erklärte:

Unsere Stärke ist unsere Schnelligkeit und unsere Brutalität. Dschingis Khan hat Millionen Frauen und Kinder in den Tod gejagt, bewusst und fröhlichen Herzens. Die Geschichte sieht in ihm nur den großen Staatengründer.

General Roman Rudenko, der sowjetische Chefankläger in den Nürnberger Prozessen, verurteilte diese und andere Aufforderungen zu verbrecherischem Handeln seitens der Naziführer:

Die Angeklagten wussten, dass die zynische Verhöhnung der Gesetze und Gebräuche des Krieges das schwerste Verbrechen darstellt; sie wussten es, aber hofften, dass der totale Krieg, ihren Sieg sicherstellen und ihnen dadurch Straflosigkeit gewähren würde. Doch der Sieg folgte nicht den Spuren der Missetaten.

Die offene Hinwendung zu militärischer Gewalt nach außen und Diktatur im Innern ist das Merkmal einer Gesellschaftsordnung im endgültigen Niedergang.

In Kriegszeiten entlarvt sich der Staat ganz offen als Instrument der Klassenherrschaft. Deshalb sind Appelle an den Staat und seine Institutionen nutzlos. Notwendig ist der Aufbau einer sozialen Bewegung, die in der Lage ist, sich gegen den gesamten Staatsapparat und die herrschende Klasse, die ihn repräsentiert, zu stellen.

Diese gesellschaftliche Kraft ist die internationale Arbeiterklasse, die über die wirtschaftliche und soziale Macht verfügt, um die kapitalistische Elite zu besiegen. Sie muss mobilisiert werden und verstehen, dass ihre Interessen im Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung sowie im Kampf gegen den imperialistischen Krieg miteinander zusammenhängen. Beide kommen vereint im Kampf für die Abschaffung des Kapitalismus und die Errichtung des Sozialismus zum Ausdruck.

Loading