Wehrdienst-Pläne der Ampel-Regierung: Kanonenfutter für den großen „Landkrieg“

Die vergangenen Wochen waren von einer atemberaubenden Eskalation des Nato-Stellvertreterkriegs gegen Russland in der Ukraine geprägt. Kaum ein Tag verging, an dem nicht führende Politiker auf ein schärferes Vorgehen gegen Russland drängten. Während die ukrainische Armee mit Nato-Waffen Ziele im russischen Hinterland angriff und das Militärbündnis den Einsatz von Bodentruppen diskutierte, trieb die Bundesregierung ihre Vorbereitungen auf einen großen europäischen „Landkrieg“ – wie es der selbsternannte „Rüstungsindustrieminister“ Robert Habeck (Grüne) nennt – energisch voran.

Werbeplakat der Bundeswehr

Die Bundesregierung beschleunigt ihre Pläne für eine neue Wehrpflicht, die Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) letzte Woche teilweise der Öffentlichkeit präsentierte. Bereits im Frühjahr hatte Pistorius die Rückkehr zur Wehrpflicht nach skandinavischem Vorbild gefordert, um Deutschland „kriegstüchtig“ zu machen.

Am vergangenen Mittwoch verkündete Pistorius dann vor der versammelten Presse, dass ab 2025 pro Jahr mindestens 5000 zusätzliche junge Männer und Frauen zum „Auswahlwehrdienst“ herangezogen werden. Das sei das Maximum, das in den Grenzen der aktuellen Ausbildungskapazitäten möglich sei.

„Ich mache keinen Hehl daraus: Ich würde gerne 20.000 Wehrdienstleistende jedes Jahr ausbilden“, so der Minister. Mit der Ausweitung der Kapazitäten solle die Zahl dann ansteigen. „Drei Themen sind dabei zentral: Personal, Material und Finanzen. Im Ernstfall brauchen wir junge Männer und Frauen, die dieses Land verteidigen.“

Der Hauptzweck von Pistorius‘ unmittelbaren Plänen liegt weniger in der sofortigen Mobilisierung, als darin, die Strukturen – Erfassung von Personen, entsprechende Gesetze, etc. – zu schaffen, um schließlich Hunderttausende Soldaten und Reservisten als Kanonenfutter einziehen zu können.

Als erstes solle die Wehrerfassung wieder eingeführt werden, die es nicht mehr gebe, so Pistorius. „Weder für diejenigen, die 18 werden und, wenn wir in einen Verteidigungsfall hineingeraten, eingezogen werden müssten, noch für diejenigen, die schon mal gedient haben und heute als 40- oder 45-jährige Familienväter ihr Leben gestalten.“ Dies sei ein „unhaltbarer Zustand“.

Im Zentrum der aktuellen Wehrdienst-Pläne steht der Versand eines Fragebogens an alle 18-jährigen Männer und Frauen, in dem sie Angaben zu ihrer körperlichen Verfassung und zum Interesse am Wehrdienst machen sollen. Für die rund 400.000 Männer, die jährlich betroffen sind, ist die Beantwortung verpflichtend. Tun sie dies nicht, droht ihnen ein Bußgeld.

Anhand der Auswahl auf Grundlage des Bogens sollen dann 40.000 bis 50.000 Jugendliche zur Musterung verpflichtet werden. Am Ende werde man „eine genaue Vorstellung davon haben, welche jungen Männer und Frauen besonders geeignet und motiviert sind, sich für unser Land einzusetzen“, erklärte Pistorius.

Anders als zahlreiche Presseberichte nahelegen – so etwa der Spiegel unter der Überschrift „Nur ein bisschen Pflicht“ –, geht der Plan der Regierung keineswegs allein von der „Freiwilligkeit“ junger Menschen aus. Nicht zuletzt wegen der massiven Rekrutierungsprobleme der letzten Jahrzehnte wissen Regierung und Bundeswehr, dass die Abneigung gegen das Militär unter Jugendlichen nach wie vor überwältigend ist.

Sollte man nicht auf 5.000 Freiwillige kommen, erklärte Pistorius ausdrücklich, müsse man verpflichten. Der Wehrdienst selbst solle wieder in Kraft gesetzt und bis Herbst ein entsprechender Gesetzentwurf vorbereitet werden.

Zusätzlich soll die Zahl der Reservisten, die im Kriegsfall eingezogen werden, mehr als verdreifacht werden – von bisher 60.000 auf 200.000. Zu diesem Zweck sollen Wehrdienstleistende nach dem aktiven Dienst in die Reserve beordert werden und jährlich mit aktiven Truppen und anderen Reservisten trainieren.

Darüber hinaus wünsche er sich eine allgemeine Dienstpflicht. Das jetzt vorgestellte Modell sei „ein Einstieg“, sagte der Minister und fügte hinzu: „Das schließt nichts aus für die Zukunft.“

Welche Größenordnungen Pistorius und seinem Ministerium vorschweben, geht aus einem vertraulichen internen Papier hervor, aus dem der Spiegel am 7. Juni zitierte. Demnach benötigt die Bundeswehr in einem „echten Verteidigungsfall“ – gemeint ist ein Krieg gegen Russland – rund 465.000 Soldatinnen und Soldaten. Gegenwärtig verfügt sie über 181.000. Laut demselben internen Papier sind allein zur Erfüllung der bereits beschlossenen Verteidigungspläne der Nato weitere 75.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten erforderlich.

„Rahmenrichtlinien Gesamtverteidigung“ (RRGV)

Die Mobilisierung von Hunderttausenden jungen Menschen für einen Krieg gegen Russland erfordert eine Diktatur. Die Regierung mag jährlich 5.000 Freiwillige aufbieten können, aber nicht 500.000 ohne drakonische Zwangsmaßnahmen.

Wie gewaltig die Pläne der Regierung für die Militarisierung des Landes sind, lässt sich aus den „Rahmenrichtlinien Gesamtverteidigung“ (RRGV) ablesen, die nur eine Woche vor der Verkündung der neuen Wehrdienstpläne vom Bundeskabinett verabschiedet wurden und eine Art Kurzversion des geheimen 1000-seitigen „Operationsplans Deutschland“ darstellen.

Das Konzept überträgt die Vorgaben der letzten November verabschiedeten Verteidigungspolitischen Richtlinien auf die gesamte Gesellschaft. Wie die WSWS im November kommentierte, kann man diese Richtlinien „nur als Blaupause für den totalen Krieg bezeichnen“.

Die RRGV zeigen nun, dass diese Einschätzung keineswegs übertrieben war. Die ganze Gesellschaft soll im Kriegsfall nach militärischen Erfordernissen organisiert werden. Zudem ist die Regierung offensichtlich bereit, massive Opferzahlen in Kauf zu nehmen.

So sehen die Richtlinien lediglich einen „Grundschutz vor Kriegswaffeneinwirkungen“ vor, der sich aus der „flächendeckend vorhandenen soliden Bausubstanz“ – d.h. einfachen, oft baufälligen Wohngebäuden – ergebe. Ansonsten sollen Tiefgaragen und unterirdische U-Bahn-Stationen als improvisierte Bunker dienen. Die Masse der Bevölkerung wäre massiven Luft- oder Artillerieangriffen – ganz zu schweigen von Atomwaffen – demnach praktisch schutzlos ausgeliefert, zumal die „üblichen Angriffsszenarien“ von „extrem kurzen Vorwarnzeiten“ ausgehen.

Das Ausmaß der Kriegsverwüstung, mit der die Regierung ab 2029 rechnet, wird ebenfalls deutlich. „Wegen der Möglichkeit des gleichzeitigen Eintritts von Schäden an einer Vielzahl von Orten“, so das Papier, könnten die Menschen nicht damit rechnen, dass ihnen der Staat hilft. Wie in den beiden letzten Weltkriegen, die eine ganze Generation versehrten, müssten sie daher vorbereitet sein, „sich zunächst selbst zu helfen … und auch Nachbarschaftshilfe zu leisten“.

Darüber hinaus beinhalten die Richtlinien massive Einschnitte in Grundrechte, etwa „Verlassens- und Betretungsverbote“.

Der deutlich umfassendere „Operationsplan Deutschland“ beschäftigt sich laut einem Bericht des Spiegel zudem mit Fragen, wie „ob es genügend beamtete Lokführer und Streikbrecher bei der Bahn gibt“, um den Transport von Kriegsgerät und Kanonenfutter an die Front zu gewährleisten. „Muss in die Tarifverträge der Lokführer ein Zusatz kleingedruckt eingefügt werden: ‚Im Kriegsfall fahren Sie unsere Züge‘?“

Gerade diese letzten Punkte zeigen, dass die Kriegspläne der Regierung den Charakter einer Verschwörung gegen die Mehrheit der Bevölkerung annehmen. Egal ob im Inland oder in der direkten Kampfzone: sie werden an vorderster Front stehen und sollen für die Großmachtpläne der Regierung und die Profitinteressen, die sie vertritt, ihr Leben und ihre Rechte hergeben. Gleichzeitig achten die Herrschenden sorgfältig darauf, dass diese Tatsachen nur scheibchenweise oder gar nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Flankiert werden diese Pläne durch pausenlose Kriegspropaganda. Vier Tage vor der Europawahl, in der die Regierungsparteien regelrecht dezimiert wurden, verlangte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Namen der Regierung im Bundestag: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig werden“ – und konkretisierte damit seine bereits bekannte Forderung.

Am vergangenen Mittwoch erklärte der Minister weiter: „Nach Einschätzung aller internationalen Militärexperten muss man davon ausgehen, dass Russland ab 2029 in der Lage sein wird …, einen NATO-Staat oder einen Nachbarstaat anzugreifen.“

Einmal mehr diente der Ukrainekrieg als Rechtfertigung für imperialistische Kriegspläne, die seit mindestens zehn Jahre ausgearbeitet werden. Am 5. Juni erklärte der Minister im Bundestag: „Wir dürfen nicht glauben, dass Putin an den Grenzen der Ukraine Halt machen wird.“ Russland sei auch für Georgien, Moldawien sowie die gesamte NATO eine Bedrohung. Einen Beweis dafür lieferte er nicht.

Für seine Bemühungen, junge Menschen als Kanonenfutter für die Interessen des deutschen Kapitals zu werben, hat das Verteidigungsministerium laut Spiegel-Recherchen den Leitspruch „Das beste Jahr meines Lebens“ ausgewählt. „Das letzte Jahr meines Lebens“ wäre ehrlicher.

Loading