Perspektive

Geld statt Leben: Der Zusammenbruch von Noah Lyles bei den Olympischen Spielen

Der Fall des amerikanischen Sprinters Noah Lyles, der bei den Olympischen Spielen in Paris aufgrund einer Corona-Infektion zusammenbrach, hat das Publikum weltweit schockiert. Obwohl der Vorfall von den Medien heruntergespielt wurde, beweist er anschaulich, dass die Pandemie noch nicht ausgestanden ist und weiterhin eine Gefahr für die gesamte Bevölkerung darstellt.

Noah Lyles ist wegen einer Corona-Infektion nach dem 200-Meter-Finale der Männer bei den Olympischen Sommerspielen am 8. August 2024 zusammengebrochen [AP Photo/Petr David Josek]

Vor dem Rennen war erwartet worden, dass Lyles Gold gewinnen und eventuell einen neuen Weltrekord über 200 m aufstellen würde, nachdem er zwei Tage zuvor den 100-m-Lauf gewonnen hatte. Doch kurz nachdem er die Ziellinie als Dritter überquert hatte, stürzte Lyles zu Boden, krümmte sich und rang sichtlich nach Luft. Anschließend hielt er sich fast 30 Sekunden lang auf den Knien, bevor ihn medizinische Fachkräfte vor den Augen eines fassungslosen Millionenpublikums in einem behelfsmäßigen Rollstuhl von der Bahn holten.

Wenige Minuten später kehrte Lyles mit einer Maske zurück und verriet einem Reporter, dass er in den vergangenen zwei Tagen an Covid erkrankt war: „Ich bin am Dienstag früh aufgewacht, etwa um 5 Uhr morgens, und habe mich wirklich schlecht gefühlt.“ Später ergänzte er: „Nach dem Rennen war mir ziemlich schwindlig und die Kurzatmigkeit und die Schmerzen in der Brust waren wieder da.“

Kurz darauf gab er auf Twitter/X bekannt, dass er am nächsten Tag nicht an seinem letzten Wettkampf teilnehmen werde.

Dieser erschreckende Vorfall straft die Behauptungen der führenden Politiker Lügen, dass „die Pandemie vorbei“ sei. Tatsächlich breitet sich Covid-19 derzeit wie ein Lauffeuer aus, ohne dass irgendwelche Gesundheitsschutzmaßnahmen getroffen werden. Am Freitag zeigten die aktualisierten Abwasserdaten der US-Seuchenschutzbehörden, dass sich aktuell täglich über eine Million Amerikaner mit dem Coronavirus infizieren.

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2020 wurden nach dem Ausbruch der Pandemie die Olympischen Spiele in Tokio auf das nächste Jahr verschoben, und es wurden Tests, Masken und andere Vorsichtsmaßnahmen eingeführt. Im Jahr 2022 fanden die Olympischen Spiele dann in Peking unter strengen Auflagen zum Schutz der Gesundheit aller Athleten statt, entsprechend der damals in China geltenden Null-Covid-Strategie.

All dies ist nun vorbei. Mehr als ein Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele in Paris hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Covid-19-Notstand aufgehoben, und alle Regierungen der Welt haben die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus gestrichen.

Der „olympische Geist“ hat sich in Luft aufgelöst. Wie bei allen modernen Sportereignissen geht es auch bei den Olympischen Spielen um enorme Geldsummen – für die Athleten, ihre Sponsoren und die Organisatoren. In Verbindung mit Orgien des Nationalismus werden die Athleten unter enormen Druck gesetzt, auch dann anzutreten, wenn sie mit dem Coronavirus infiziert sind, ungeachtet der Gefahren für sich selbst und andere.

Die Organisatoren der Olympischen Spiele in Paris wussten ganz genau, dass solche bedrohlichen Zwischenfälle wie der Zusammenbruch von Lyles zu erwarten waren, ließen sich aber nicht beirren. Die Geschäftsführerin des Olympischen und Paralympischen Komitees der Vereinigten Staaten, Sarah Hirshland, brachte die kaltschnäuzige Missachtung der Gesundheit der Athleten auf den Punkt: „Wir wissen, dass nicht jeder die Spiele heil überstehen wird.“

In der Tat wurden die Olympischen Spiele in Paris zu einem Super-Spreader-Event. Etwa 11.000 Athletinnen und Athleten und Millionen von Fans aus der ganzen Welt reisten in die französische Hauptstadt, versammelten sich ohne Schutzmasken und schufen damit eine Umgebung, in der sich verschiedene SARS-CoV-2-Varianten ideal ausbreiten konnten. Lyles ist einer von fast 50 Athleten mit nachgewiesener Infektion, wobei die tatsächliche Zahl zweifellos weitaus höher ist.

Die Tatsache, dass der schnellste Mann der Welt niedergestreckt wurde und vom Platz getragen werden musste, unterstreicht, dass Covid-19 nach wie vor ein erhebliches Gesundheitsrisiko für alle Menschen auf der Welt darstellt. Es ist eine vernichtende Entlarvung der Propaganda, die die Krankheit als „mild“ und vergleichbar mit einer Grippe oder Erkältung darstellt.

Lyles leidet schon sein ganzes Leben lang an Asthma und hat daher ein erhöhtes Risiko, eine schwere Infektion und möglicherweise Long Covid zu entwickeln. Darüber wurde in den Medien nicht berichtet. Er kann von Glück reden, dass er noch lebt, denn körperliche Anstrengung während einer Covid-Erkrankung, vor allem in Verbindung mit Asthma, geht mit einem erhöhten Risiko von Atemversagen oder Herzstillstand einher.

Andere Olympioniken, die positiv auf Covid getestet wurden, hatten ähnliche Probleme. Der britische Schwimmer Adam Peaty berichtet, dass er seit der Erkrankung jeden Tag mit anderen Beschwerden aufwacht, und erklärte:

Es ist wahrscheinlich die schlimmste Woche meines Lebens, was meinen Körper betrifft, und das ist keine Übertreibung.

Wie Lyles musste auch die deutsche Weitspringerin Malaika Mihambo nach einem schlimmen Hustenanfall in einem Rollstuhl von der Bahn geschoben werden. Der einzige Unterschied ist, dass Mihambos Covid-Infektion zwei Monate zurückliegt, sodass ihr anhaltender Husten ein Symptom von Long Covid sein dürfte.

Andere Olympia-Teilnehmer, darunter der samoanische Sprinter Nathan Crumpton und die ehemalige britische Ruderin Oonagh Cousins, wurden aufgrund von Long Covid komplett außer Gefecht gesetzt.

In einer Studie über deutsche Spitzensportler aus dem Jahr 2024 und einer Umfrage unter Spitzenschwimmern aus dem Jahr 2023 wurde festgestellt, dass Covid die Leistung in den ersten Wochen nach der Infektion durch Symptome wie Kopfschmerzen, Husten, Fieber und Halsschmerzen beeinträchtigt. Etwa 10 Prozent der Athleten zeigten anhaltende Konzentrationsschwierigkeiten und Leistungseinbrüche.

Die Reaktion der Medien und der Behörden auf Lyles’ Zusammenbruch und die Enthüllung seiner Covid-Erkrankung ist geradezu kriminell. Es wurde lapidar festgestellt, dass alle Vorschriften und „Protokolle“ eingehalten worden seien. Kein einziger Journalist hat die Frage gestellt, wie sinnvoll diese Protokolle gestaltet sind. Stattdessen ermuntern sie die Menschen dazu, extreme Risiken einzugehen und ihre eigene Gesundheit und die unzähliger anderer zu gefährden.

Dieselbe kriminelle Haltung durchzieht die gesamte Reaktion auf die Pandemie im Kapitalismus. Die öffentliche Gesundheit wird dem privaten Profit untergeordnet. In den bürgerlichen Medien wird der tatsächliche Stand der Pandemie fast völlig verschwiegen. Man findet kaum ein Wort über die sich ausbreitende globale Infektionswelle und die zunehmenden Schäden durch Long Covid.

Die kapitalistischen Regierungen auf der ganzen Welt haben der Gesellschaft eine Politik aufgezwungen, die man als „Covid forever“ bezeichnen könnte. Jeder Mensch soll sich mindestens einmal pro Jahr infizieren und reinfizieren bis in alle Ewigkeit.

Wie in mehreren Studien nachgewiesen wurde, erhöht jede Reinfektion das Risiko einer symptomatischen Long-Covid-Erkrankung. Selbst Infektionen, die symptomlos verlaufen, können den Körper langfristig schädigen und zu Herzinfarkt, Diabetes, neurologischen Störungen und anderen Problemen führen.

Diese irrwitzige Politik muss gestoppt werden! Notwendig ist die Rückkehr zu einer konsequenten wissenschaftlichen Vorgehensweise, um Leben zu retten und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.

Es gibt wissenschaftliche Methoden, um die Pandemie beenden. Dazu müssen alle öffentlichen Innenräume mit HEPA-Filtern, UVC-Desinfektionsbeleuchtung, Kohlendioxid-Monitoren und anderen Maßnahmen nachgerüstet werden, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Doch die Mittel, die für eine solche globale Eliminierungsstrategie notwendig sind, werden von einer winzigen Finanzoligarchie gehortet, die der Arbeiterklasse feindlich gegenübersteht.

Der Kollaps von Noah Lyles ist eine unübersehbare Manifestation der grundlegenden Wahrheit, dass Menschenleben den Profitinteressen geopfert werden. Auf dieser Ebene besteht ein Zusammenhang zwischen dem Kollaps des olympischen Sprinters bei einem Sportereignis und einem Arbeiter, der nach einer Covid-Erkrankung im Betrieb einen Herzinfarkt erleidet, oder einem Lehrer, der sich im Klassenzimmer infiziert. Tag für Tag werden Arbeiter lebensbedrohlichen Bedingungen ausgesetzt, damit die kapitalistische Produktion weitergeht und die Profite sprudeln.

Der Kampf gegen die Pandemie wird nur in dem Maße vorankommen, in dem die internationale Arbeiterklasse über die Gefahren, mit denen sie konfrontiert ist, informiert und über einen wissenschaftlichen Umgang mit der Pandemie und Wege zu ihrer weltweiten Eliminierung aufgeklärt wird. Der Kampf für eine sozialistische Gesundheitspolitik ist ein wichtiger Bestandteil des Aufbaus einer sozialistischen Bewegung in der Arbeiterklasse, dem einzigen Mittel, um den heutigen Abstieg in die kapitalistische Barbarei aufzuhalten.

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