Im Rahmen ihrer Intervention in die Landtagswahlen, die am Sonntag in Thüringen und Sachsen stattfinden, sprach ein Team der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) am Mittwoch mit Arbeiterinnen und Arbeitern des Opel-Werks in Eisenach. Die SGP-Mitglieder appellierten an die Belegschaft, die kämpfenden US-amerikanischen Autoarbeiter zu unterstützen, die begonnen haben, sich gegen Arbeitsplatzabbau und Armutslöhne zur Wehr zu setzen. Im Lkw-Montagewerk Warren des Stellantis-Konzerns, zu dem auch Opel gehört, sollen rund 2500 Arbeitsplätze zerstört und die Pickup-Produktion stillgelegt werden.
Beim Stellantis-Zulieferer Dakkota Integrated Systems in Chicago wiesen Arbeiter vorige Woche zum vierten Mal in Folge einen Ausverkaufsvertrag zurück, der für die Beschäftigten Armutslöhne bedeuten würde. Die Socialist Equality Party (US) – die amerikanische Schwesterpartei der SGP – kämpft auch dort für den Aufbau von Aktionskomitees, die von der Gewerkschaftsbürokratie der United Auto Workers (UAW) und den anderen konzernfreundlichen Gewerkschaften unabhängig sind.
In Opposition zur UAW, die die Pläne von Stellantis unterstützt und Wahlkampf für die Partei der Biden-Regierung macht, haben Arbeiter begonnen, eigene Aktionskomitees aufzubauen und in der weltweiten Belegschaft von Stellantis um Unterstützung für ihren Kampf zu werben. Das SGP-Team erklärte, dass gegen die globalen Autokonzerne eine Strategie notwendig ist, die alle Arbeitsplätze verteidigt und Arbeiter international miteinander vereint. So ist es auch möglich, der Politik von Krieg, sozialer Verwüstung und systematisch geschürter Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten.
Entgegen dem nationalistischen und pro-kapitalistischen Wahlkampf, den alle etablierten Parteien führen, stieß diese sozialistische Perspektive auf offene Ohren. Viele Arbeiter verglichen ihre Lage mit derjenigen der US-Kollegen und nahmen Flugblätter mit, um sie mit weiteren Kollegen zu diskutieren. Arbeiter, mit denen die SGP sprach, stimmten aus eigener Erfahrung zu, dass die Gewerkschaften und ihre Vertreter gemeinsame Sache mit der Konzernleitung machen und gegen Arbeiter agieren. Wie mehrere Arbeiter bestätigten, hat die Gewerkschaft IG Metall ihre Mitgliedschaft über die Auseinandersetzung in den USA vollständig im Dunkeln gelassen.
Dabei würde ein gemeinsamer Kampf die besten Voraussetzungen schaffen, um auch die Angriffe von Stellantis in Europa zurückzuschlagen. Allein im hessischen Opel-Stammwerk in Rüsselsheim sollen in diesem Jahr 1000 Stellen abgebaut werden. Auch bei Fiat in Italien sind 12.000 Entlassungen angekündigt – zuzüglich der Zerstörung von 13.000 weiteren Arbeitsplätzen in der Zulieferindustrie. Im Juli wurde das Opel-Werk in Aspern bei Wien mit einst fast 2.000 Arbeitsplätzen geschlossen.
Bastian, der im Werk seine Lehre gemacht hat und seit fast 25 Jahren bei Opel arbeitet, will sich zunächst vergewissern, dass die SGP-Mitglieder keine Gewerkschaftsvertreter sind, da diese „korrupt bis auf die Knochen“ seien und „sich im Werk die Posten zuschieben“. Auf den Stellenabbau und die Arbeitsbedingungen angesprochen, gegen die sich die US-Arbeiter zur Wehr setzen, sagt er: „Das ist die Philosophie von Stellantis: Sparen, Sparen, Sparen. Ich habe schon in fast allen Bereichen gearbeitet, im Rohbau, der Lackiererei, auch schon in Rüsselsheim und Großbritannien. Es ist überall nicht anders.“
Er berichtet: „Heute kommen bei einer Schicht kaum noch 300 Arbeiter aus dem Werk. Von der Stammbelegschaft sind hier höchstens noch 1000. Dabei waren es mehr als 2000, als ich angefangen habe. Die ältere Stammbelegschaft hofft, irgendwie zum Ruhestand zu kommen, bevor das Werk geschlossen wird, und eventuell noch eine Abfindung zu erhalten. Viele Tätigkeiten wurden ausgelagert, von fünf Zulieferern oder Dienstleistern wählt man den billigsten und schlechtesten. Dadurch ist die Qualität nicht mehr das Wahre. Wir laufen uns den Arsch ab für die Fehler des Managements.“
Wie andere Autokonzerne auch, so greift Stellantis systematisch auf Leiharbeitsfirmen zurück, um migrantische Arbeiter aus verschiedenen Ländern zu besonders schlechten Bedingungen anzuheuern und so die Ausbeutung im Betrieb insgesamt zu steigern. Am Werk in Eisenach waren Beschäftigte vieler unterschiedlicher Leiharbeitsfirmen anzutreffen, darunter auch die drei größten Firmen Randstad, Adecco und Manpower. Viele Arbeiter sprachen ausschließlich Polnisch, Französisch oder etwas Englisch. Dazu sagt Bastian:
„Das Management sagt: ‚Die Belegschaft muss verjüngt werden.’ Aber die Neuen werden doch niemals dieselbe Lohngruppe bekommen. Das wissen sie nur noch nicht. Ihnen wird erzählt, sie könnten Festverträge bekommen und aufsteigen, wenn sie sich anstrengen. Das ist gelogen. Wer die Sprache nicht sprechen kann und nicht viele Gesetze kennt, kann sich auch nicht wehren. Wenn man seine Rechte kennt, wird man nach 20 Jahren schon mal aufmüpfig.“ Dies solle aus Sicht des Konzerns systematisch unterbunden werden.
Das Opel-Werk in Eisenach geht zurück auf die faktische Übernahme der „Automobilwerke Eisenach“ durch die Adam Opel AG im Jahr 1990 und die anschließende Abwicklung der dortigen Wartburg-Produktion. In den Neunzigerjahren fertigten 1900 Mitarbeiter dort im Dreischichtbetrieb innerhalb von sieben Jahren eine Million Opel-Fahrzeuge und machten den Betrieb damit zu einem der erfolgreichsten und produktivsten Automobilwerke in Europa. Von 2013 bis Mai 2019 produzierte das Werk das Modell „Adam“, dann lief zeitgleich auch die Produktion des „Corsa“ aus.
Im Jahr 2021 drohte der Konzern mit der Werksschließung, um mit Zustimmung der IG Metall schließlich eine beschlossene Tariferhöhung aussetzen zu können. Inzwischen produziert das Werk den Elektro-SUV „Grandland“, der sich jedoch schlecht verkauft. Anfang des Jahres wurden deshalb acht Tage Kurzarbeit verordnet. Die Zahl der Opel-Beschäftigten in Eisenach hat sich laut Automobilwoche auf 1360 verringert.
Der ökonomische Niedergang in Eisenach wirft ein Schlaglicht auf die üble Rolle der Linkspartei und den rechten Charakter der neuen Partei ihrer ehemaligen Spitzenpolitikerin Sahra Wagenknecht (BSW). Verkörpert wird dies von Thüringens BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf, die Eisenach von 2012 bis 2024 als Oberbürgermeisterin regierte und in dieser Zeit den Stellenabbau des Konzerns politisch mittrug.
In einem YouTube-Interview mit dem Journalisten Tilo Jung legte Wolf vor wenigen Tagen unverblümt dar, dass sie in allen wesentlichen Fragen reaktionäre Positionen vertritt. Nachdem sie die Streichung des Essensgeldzuschusses an Schulen verteidigt hatte, erklärte sie, dass die Höhe des Bürgergelds nicht politisch festgelegt werden dürfe, der Mindestlohn „von den Tarifpartnern festgelegt“ und Lohnwachstum „auch erwirtschaftet werden“ müsse. Die Probleme mit der Migration seien „so groß, dass es nicht mehr gelingt, sie wirklich gut zu lösen“ und die Gesellschaft „überfordert und erschöpft“, weil eine „Begrenzung der Migration“ ausbleibe. In der Kommunal- und Landespolitik müsse man „pragmatische Lösungen finden“ und dafür gegebenenfalls auch AfD-Anträge unterstützen.
Anschließend berichtete sie, dass ein in Eisenach ansässiger Hersteller von Autositzen den Betrieb eingestellt habe, nachdem Opel entschieden habe, den Auftrag aufgrund niedrigerer Löhne „nach Marokko und Rumänien“ zu vergeben. Diese Logik, mit der jeder Kapitalist seit den Tagen von Adam Opel die Verschärfung der Ausbeutung gerechtfertigt hat, müsse man „einfach mal zur Kenntnis nehmen“, so Wolf.
Äußerungen wie diese zeigen, dass Linkspartei und BSW arbeiterfeindliche Parteien sind, die dasselbe kapitalistische System und dieselben deutschen Eliten verteidigen, für die auch die rechtsextreme AfD Politik macht. Indem diese Parteien unter dem Deckmantel „linker“ oder „populistischer“ Politik die schärfsten Kürzungen durchsetzen und gegen die Schwächsten hetzen, schaffen sie nicht nur den Nährboden für den Faschismus, sondern verwirklichen auch wesentliche Teile des Programms der äußersten Rechten.
In einem Statement vor dem Werk wies Dietmar Gaisenkersting, stellvertretender Vorsitzender der SGP, diese Politik scharf zurück. Er erklärte: „Arbeiter sind in jedem Land mit den gleichen Problemen konfrontiert. Die Gewerkschaften arbeiten eng mit den Konzernen zusammen, spalten sie in Stamm- und Leihbeschäftigte, sowie nach Standorten und Nationen. Die globalen Angriffe auf Arbeitsplätze können von den Autoarbeitern in allen Ländern nur abgewehrt werden, wenn sie sich international zusammenschließen.“
Der grenzüberschreitende Zusammenschluss der Arbeiterklasse und ein gemeinsamer Kampf gegen die Ausbeutung durch die Konzernchefs in jedem Land ist nicht nur ein humanitäres Erfordernis, sondern eine strategische Notwendigkeit. Nur mit einer solchen globalen, sozialistischen Strategie kann die Arbeiterklasse die Kontrolle über eine komplexe Weltwirtschaft erringen, die zwar ein noch nie dagewesenes Maß an Produktivität und Wohlstand geschaffen hat, derzeit aber vollständig dem Profitstreben der Konzernoligarchie untergeordnet ist.
Die SGP und die World Socialist Web Site rufen deshalb alle Arbeiterinnen und Arbeiter auf, sich mit ihr in Verbindung zu setzen und in allen Betrieben Aktionskomitees zu bilden, die für die folgenden Prinzipien und Forderungen eintreten:
Sofortiger Stopp aller Entlassungen und Wiedereinstellung aller Betroffenen!
Verkürzung des Arbeitstags bei gleichzeitiger Erhöhung der Löhne, um den geringeren Zeitaufwand für die Produktion von Elektrofahrzeugen zu berücksichtigen und die seit Jahrzehnten stagnierenden Löhne auszugleichen!
Vereinigt euch über alle Grenzen hinweg im Kampf gegen das globale Arbeitsplatzmassaker!
Enteignet die Autokonzerne und stellt sie unter demokratische Kontrolle der Arbeiter!
Schreibt eine Whatsapp-Nachricht an die Mobilnummer +491633378340 und registriert euch gleich über das folgende Formular, um mit anderen Aktionskomitees in der Automobilindustrie und darüber hinaus in Kontakt zu treten.